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Pteridophyta (Farnähnliche Pflanzen und Farne)



Entstehung landbewohnender (terrestrischer) Pflanzen

Algen waren und sind die dominierenden Wasserpflanzen. Von einigen ein- oder wenigzelligen Arten abgesehen, gelang es ihnen aber nicht, terrestrische Biotope zu erobern. Niemand weiß, wie die ältesten mehrzelligen Landpflanzen tatsächlich ausgesehen haben und welche der grünen Algen als ihre Vorfahren anzusehen sind. Mit Sicherheit gehören die ersten vielzelligen Landpflanzen in die Entwicklungslinie der Pteridophyta im weitesten Sinne. Diese Pteridophyten repräsentieren die erste erfolg- und artenreiche Abteilung terrestrisch lebender Pflanzen. Der Übergang vom Wasser- zum Landleben war mit dem Erwerb zahlreicher neuer Eigenschaften verbunden. Durch das Studium rezenter und fossiler Pteridophyten ließ sich zeigen, daß die einzelnen Schritte aufeinander folgten und erfolgreiche Trends wiederholt in phylogenetisch nicht verwandten Gruppen auftraten. Solche Parallelentwicklungen sind uns bereits bei der Beschreibung der Algen begegnet:

Was sich bewährte, wurde konserviert und nicht wieder geändert. So sind alle Pteridophyta (und die sich von ihnen ableitenden Spermatophyta sowie die Moose) vielzellig, sie enthalten grüne Plastiden, außerdem findet man bei ihnen ausschließlich Oogamie. Was ist an ihnen neu?

Neu ist der Aufbau des Vegetationskörpers aus hochdifferenzierten Geweben und Organen. Die diploide Phase (Sporophyt) überwiegt, die haploide tritt sowohl in ihrer zeitlichen Ausdehnung als auch in der Größe des Gametophyten (hier Prothallium genannt) stark zurück.
Neu ist damit auch die Ausbildung von Festigungs- und Leitgeweben und einer hydrophoben äußeren Schutzschicht (Kutikula).
Neu ist die Art der Verankerung im Boden. Die ältesten Formen verfüg(t)en über Rhizoide, Wurzeln entstanden erst wesentlich später. Neu ist die Vermehrung durch Sporen, wobei im einfachsten Fall Homosporie vorliegt; voneinander unabhängig, entstand mehrfach Heterosporie (eine progressive Entwicklung.). Die Differenzierung in Mikro- und Megasporen bezieht sich auf die sexuelle Differenzierung der Gametophyten.

Unter Heterosporie versteht man die Ausbildung unterschiedlich großer Sporen: Mikrosporen und Megasporen. Homospore Arten, wie wir sie u.a. auch bei den Moosen finden, sind in der Regel monözisch; der Inzuchtgrad kann hoch sein, die Evolutionsgeschwindigkeit langsam. Der Grund hierfür liegt in der Wasserabhängigkeit der männlichen Gameten der Pteridophyta (und der Bryophyta), da Wasser für ihre Fortbewegung benötigt wird, und die deshalb außerhalb aquatischer Lebensräume keine großen Entfernungen überbrücken können. Heterosporie ist durchweg mit Heterozygotie gekoppelt, Gameten entstehen auf unterschiedlichen Individuen (Gametophyten, hier Prothallien genannt); dies wiederum heißt, daß Fremdbefruchtung obligat ist und die Variabilität der Genotypen und damit auch die Evolutionsgeschwindigkeit gesteigert werden.

Mikrosporen, aus denen sich ein (männliches) antheridientragendes Prothallium entwickelt, enthalten meist nur wenig Reservestoffe; das Prothallium bleibt daher stets sehr klein. Bei gleichbleibendem Energieeinsatz lassen sich somit aber mehr männliche Sporen als weibliche Sporen (Megasporen) produzieren. Die Sporenausbreitung erfolgt durch den Wind. Männliche Prothallien und die auf ihnen in Antheridien produzierten Spermatozoiden (Spermien, männliche Gameten) können nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich auf oder neben einem weiblichen Prothallium entwickeln. Mit der Zunahme ihrer Zahl steigt die Wahrscheinlichkeit, daß ein derartiges Ereignis eintritt. Durch diesen Mechanismus ist zwar Fremdbefruchtung gewährleistet, trotzdem bleibt noch die Abhängigkeit vom Wasser, denn die Spermatozoiden müssen das letzte Stück des Weges (vom Antheridium zum Archegonium) schwimmend zurücklegen.

Wir werden bei der Behandlung der Spermatophyta (Samenpflanzen) sehen, daß die Heterosporie ein entscheidender Schritt in Richtung Samenbildung war. Der dadurch erreichte Status sichert dem Träger Dominanz über den vorangegangenen Zustand, und Dominanz wiederum erkennt man an einer verbesserten Fähigkeit zur Erschließung und Okkupation neuer Lebensräume.

Der Vegetationskörper der Pteridophyten ist ein Kormus. Zusammen mit den Spermatophyta rechnet man sie daher zu den Kormophyten (Gefäßpflanzen). Die strukturelle Komplexität ist eine wesentliche Voraussetzung zur Ausbildung großer, aufrecht wachsender Pflanzen. Zur Erreichung dieses Ziels gingen die Pteridophyten unterschiedliche Wege. Wir wissen, daß die Festigkeit der rezenten Spermatophytenbäume auf Verholzung beruht (sekundäres Dickenwachstum). Die Stabilität der Bäume aus der Steinkohlenzeit beruht entweder auf Ausbildung besonders fester Rindengewebe (z.B. bei Lepidodendron- und Sigillaria-Arten) oder auf Verholzung (z.B. bei Calamites).

Bei rezenten Baumfarnen beruht sie auf Einbeziehung von Blattspuren in das Gewebe des Stamms sowie durch Bildung zusätzlicher Adventivwurzeln.

Bei den Pteridophyta findet man Leitgewebe mit Phloem und Xylem, sekundäres Dickenwachstum, Mesophyllgewebe in Blättern mit Palisaden- und Schwammparenchym sowie eine Epidermis mit Spaltöffnungen. Doch nur bei wenigen Arten sind diese Strukturen so vollständig und vollkommen ausgeprägt wie bei den Spermatophyta. In Anpassung an die unterschiedlichsten terrestrischen Lebensräume sind eine Vielzahl von Varianten ausprobiert und ausgebildet worden. Da die Bedingungen terrestrischer Lebensweise generell variabler als die im Wasser sind, bestand bei Landpflanzen von vornherein ein größerer Selektionsdruck in Richtung Diversifikation (Abwandlung, Spezialisierung) als bei den wasserbewohnenden Gruppen.

Die Fossilgeschichte der Pteridophyten beginnt am Ende des Silurs und erreicht einen Höhepunkt im Devon und Karbon. Das Studium fossiler Formen gab wichtige Aufschlüsse über Entstehung und Ausbreitung der Pteridophytenklassen. Entscheidend für das Verständnis der Vervollkommnung des Vegetationskörpers war einmal die Analyse der Evolution der Leitgewebe

(Stelärtheorie), zum anderen das Studium der Differenzierung in Sproß und Blätter.

W. ZIMMERMANN (Universität Tübingen) hat 1930 die Möglichkeiten der Formveränderung zu seiner Telomtheorie zusammengefaßt, durch die er die Entstehung morphologischer Einheiten des Kormus der Pteridophyten (Entstehung von Blättern, Sporangienständen usw.) deuten wollte. Als Telome definierte er Abschnitte (Einheiten) des Kormophytensprosses, die allenfalls im Inneren (d.h. auf anatomischer Ebene) differenziert sind. So kann ein solcher Abschnitt neben dem vegetativen Gewebe (Parenchym, Leitgewebe usw.) auch sporenbildende Gewebe enthalten bzw. produzieren (Sporangien). Ein Telom beginnt (basal) an den Abzweigungen anderer Telome, und es endet apikal entweder an der Spitze des Sprosses oder an einer erneuten Verzweigung, per definitionem ist es daher selbst nie verzweigt. Als Modell können hierbei die Sprossabschnitte von Rhynia herangezogen werden. Sie können nach einem einfachen Baukastenprinzip zusammengesetzt und in ihrer gegenseitigen Orientierung zueinander abgewandelt werden. Die dazu nötigen Schritte nannte ZIMMERMANN Elementarprozesse

Die von ihm entwickelte Theorie erscheint auf den ersten Blick plausibel, denn sie ordnet tatsächlich beobachtete Stadien in ein logisch richtiges Schema ein. Sie krankt aber daran, daß sie lediglich die Verhältnisse bei ausgewachsenen Pflanzen beschreibt und die ontogenetische Entstehung der einzelnen Umwandlungen nur unzureichend berücksichtigt. Obwohl vieles noch offen ist, können wir einzelne der Ereignisse ontogenetisch durchaus erklären: Für Übergipflung kann man heute auch Apikaldominanz sagen, und diese wieder geht auf einen Informationsaustausch zwischen Zellen über größere Entfernungen zurück (Phytohormone). Die auf Verwachsung zurückgeführte Blattbildung beruht auf lateralem Wachstum, und dieses wiederum auf einem regelmäßigen Wechsel der Lage der Teilungsspindel in Zellen des Vegetationspunkts (Positionsinformation). Einkrümmung schließlich ist eine Erscheinung, die durch Geotropismus (oder andere Tropismen) ausgelöst werden kann, und die setzt die Existenz spezialisierter Zellen (z.B. mit Statolithen) voraus. Alles in allem: Ein entscheidender Faktor in der Evolution der Kormophyten ist die Evolution bzw. Fortentwicklung leistungsstarker Informationssysteme innerhalb der Pflanze, ohne die eine Differenzierung und die Realisierung von spezifischen Bauplänen nicht denkbar wäre.

Die Abteilung Pteridophyta kann in acht Klassen unterteilt werden:

Rhyniatae ( = Rhyniopsida) *
Zosterophyllatae (= Zosterophyllopsida)*
Trimerophytatae (= Trimerophytopsida)*
Lycopodiatae (= Lycopsida; Bärlappgewächse)
Equisetatae (= Sphenopsida; Schachtelhalme)
Psilotatae (= Psilotopsida)
Filicatae (= Pteropsida; Farne).

Die drei erstgenannten, mit * gekennzeichneten Klassen sind vollständig ausgestorben, und auch unter den übrigen kennt man zahlreiche Ordnungen, Familien oder Gattungen nur durch Fossilien. Ursprünglich wurden die drei ersten Klassen unter der Einheit Psilophytopsida (Urfarne) zusammengefaßt. Je mehr Funde jedoch ausgewertet werden konnten, desto deutlicher zeichnete es sich ab, daß diese Gruppe in sich derart heterogen ist, daß die alte Zusammenfassung fallengelassen werden mußte. Die obenstehende Gliederung geht auf einen Vorschlag von H. P. BANKS (Cornell University, 1968, 1975) zurück, der die drei neuen Gruppen sogar in den Rang von Unterabteilungen erhob.

Im Gegensatz zu den anderen Abteilungen des Pflanzenreichs sind die fossilen Urkunden der Pteridophyta außerordentlich gut. Zwei Gründe mögen dafür ausschlaggebend sein: zum einen besiedelten die Pteridophyten vorwiegend Feuchtgebiete, und zum anderen gab es (trotz der vorhin erwähnten variablen Lebensbedingungen) anfangs noch relativ wenige Arten; die Individuenzahlen waren hingegen recht hoch.

Die Filicatae dominierten in jüngeren Formationen (Oberes Karbon, Rotliegendes, Zechstein). Während dieser Zeit kam es zu einer starken Diversifikation morphologischer (vegetativer) Merkmale, wodurch sich die Zuordnung von Fragmenten zu Arten zunehmend problematischer gestaltete.


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