Teil 3
Obwohl dieser Florenwechsel in den letzten Jahren hervorragend
auch mit Hilfe der Verbreitung von Pollen und Sporen
dokumentiert wurde (Phillips et al. 1985), sind seine Ursachen
noch nicht ganz befriedigend geklärt. Dies hängt unter anderem
auch damit zusammen, daß es kaum Abfolgen gibt, in denen
der Übergang vom Westfal zum Stefan lückenlos belegt
werden kann. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich, weil das Westfal anhand des
Paralischen Kohlenbeckens definiert wurde, das Stefan hingegen
anhand eines intramontanen Beckens. Insgesamt
beruhen unsere Kenntnisse der Floren von Stefan und darauffolgende
Rotliegenden fast
ausschließlich auf Funden aus solchen intramontanen
Becken.
Mehrere Autoren führen einen Klimawechsel als Grund
für das Aussterben fast aller baumförmigen
Bärlappgewächse
an (wie DiMichele et al. 1992). Ab dem Westfal wanderten Nordwest-
und Mitteleuropa immer mehr in nördliche Richtung.
War deren Lage im Westfal noch äquatorial, so war gegen das
Ende des Perms eine Breite von 30° N erreicht. Dies heißt,
daß die Kontinental-Platten allmählich durch die
Klimagürtel "wanderten". Obwohl dies sicherlich einer
der Faktoren für den Florenwechsel ist, wurden gerade in
letzter Zeit auch tektonische Prozesse diskutiert, die dabei eine Rolle
gespielt haben können (Kerp 1996).
Gegen Ende des Westfals stießen durch die
nordwärtsgerichtete Bewegung der südlichen,
sogenannten Gondwana-Platte zwei Kontinental-platten zusammen
(Ziegler 1990). Durch diese Kollision von Gondwana mit Eurasien
wurde ein neues Gebirge, das Variscische Gebirge, aufgefaltet
(Abb. 4). Als Folge dieser Auffaltung wurde auch das Paralische
Kohlenbecken, das unmittelbar nördlich dieses
Faltengürtels lag, weitgehend eingeengt. Es blieben nur
kleinere Restbecken übrig, deren Sedimente eine viel
größere Dynamik der Ablagerungsverhältnisse
widerspiegeln. Die Gebirgsbildung hatte nämlich eine
stärkere Erosion zur Folge und die Ablagerungen des
allerhöchsten Westfals und Stefans sind daher generell viel
grobkörniger als die darunterliegenden Sedimente. In solchen
sandigeren Sedimenten wird der Grundwasserspiegel niedriger
gelegen haben als im Westfal, wo tonige Böden zur
Aufstauung des Regenwassers führen konnten und dadurch ein
feuchter bis sumpfiger Lebensraum für die baumförmigen
Lycophyten geschaffen wurde. Das neu entstandene Variscische
Gebirge wird sicherlich auch die atmosphärische Zirkulation
beeinflußt haben. Darüber hinaus ist zu bedenken,
daß hier ein ausgedehntes Feuchtgebiet mit einer
reichhaltigen Waldmoor-Vegetation gegen Ende des Westfals
aufgefaltet und angehoben wurde. Sumpfwälder sind
selbstregulierende Ökosysteme, die eine erhebliche
Pufferkapazität für Niederschlagswasser haben können. Durch die
zunehmende Einengung der Sumpfwälder während der
Auffaltung und die damit verbundene Vernichtung dieser
Pufferkapazität wurde auch die Luftfeuchtigkeit beeinflußt.
Offenbar konnten
die baumförmigen Lycophyten und die anderen, an sehr
stabile ökologische Verhältnisse angepaßten
Pflanzen der sich im allerjüngsten Westfal und Stefan
vergrößerenden Sedimentations- und Klima-Dynamik
nicht länger standhalten
und starben aus. Es ist also sicherlich nicht eine Ursache
für das Austerben baumförmiger Lycophyten anzunehmen,
sondern es handelt sich eher um die Verkettung vieler, oft
komplex miteinander zusammenhängenden Faktoren. Abb. 4a Abb. 4b
Abb. 4: Paläogeographische Rekonstruktionen des Westfals
und Stefans. Geändert nach Ziegler (1990).
Während das Stefan zum Teil noch flözführend ist,
sind im Rotliegenden nur noch lokal dünne Kohlenflöze
vorhanden. Eine klare Abgrenzung zwischen Stefan und
Rotliegendem erweist sich in der Praxis als äußerst
schwierig, da die Pflanzen, die früher als Leitformen für diese
und damit für die Karbon-Perm-Grenze angegeben wurden,
sich mittlerweile als sehr stark
faziesgebunden herausgestellt haben und daher eher Aussagen
über die Ökologische Verhältnisse als über die
Stratigraphie
ermöglichen. Ein weiteres Problem ist die Faziesentwicklung
in den einzelnen Becken. Vor allem das Rotliegende wird durch viele rassche
Fazieswechsel in Raum und Zeit charakterisiert; auch dies
kann die Zusammensetzung einer Flora beeinflußt haben.
Die einzelnen, meist recht kleinen intramontanen Becken, vor
allem die aus dem Rotliegenden, sind oft nur schwierig
miteinander zu korrelieren. In einigen Fällen sind solche
Korrelationen besonders erschwert, da die Abfolgen erhebliche
Schichtlücken enthalten. Weiterhin sind die Floren des
Rotliegenden wesentlich schlechter bekannt als die des Stefans.
Aus dem Unterrotliegenden sind zwar noch eine Reihe von
Fundstellen bekannt, aber es gibt nur wenige Pflanzenlokalitäten aus dem
Oberrotliegenden. Zudem können die Floren der
verschiedenen, vermutlich gleichaltrigen Becken oft sehr
unterschiedlich sein. Auch die Palynologie, das Studium der
Sporen und Pollen, bringt uns nicht sehr viel weiter, da Sporen
und Pollen in den oft rotgefärbten Sedimenten nicht oder
nur sehr schlecht erhalten sind.
Abb. 5: Eine Konifere aus dem
Rotliegenden des Saar-Nahe-Beckens.
Bereits 1930 haben Gothan und Gimm festgestellt, daß im
Rotliegenden mehrere Florenvergesellschaftungen nachweisbar
sind: die Flora der flözführenden Sedimente, deren
Pflanzen feuchte Standorten bevorzugten, und die sogenannte
flözferne Flora, die aus Elementen besteht, die an
trockeneren Standorten wuchsen. Mittlerweile konnten durch
detaillierte Studien noch eine ganze Reihe weiterer typischer
Assoziationen nachgewiesen werden (unter anderem Barthel 1976). Die
Floren der trockeneren Standorte sind meist schlecht und fragmentarisch
erhalten, da sie außerhalb der Sedimentationsbecken
wuchsen und bereits einen längeren Transport hinter sich
hatten, bevor sie im Sediment eingebettet wurden. Daher ist auch
das Fossilisationspotential solcher Assoziationen viel geringer
als das von Assoziationen, die in den Sedimentationsbecken
selbst lebten.
Wenngleich viele der Rotliegendfloren aus feuchtigkeitsliebenden
Elementen bestehen, nimmt der Anteil der an trockenere
Konditionen angepaßten Elemente in jüngeren
Ablagerungen generell immer mehr zu. Die feuchtigkeitsliebenden
Floren des Rotliegenden zeigen einen sehr altertümlichen
Aspekt: sie enthalten viele Durchläuferformen aus dem
Stefan. Die evolutionären Innovationen im Stefan und
Rotliegenden haben dagegen, vor allem bei den Gymnospermen,
außerhalb der Sedimentationsbecken stattgefunden.
Verschiedene, im Laufe des Stefans und Rotliegenden erstmals
auftretende Gruppen wie die Cycadeen und Ginkgophyten sind
typische Vertreter der Hinterlandfloren. Eine Darstellung der
Entwicklung der Hinterlandfloren ist kaum möglich, da
solche aus dem älteren Karbon nicht umfassend bekannt sind.
Obwohl das generelle Bild mehr oder wenig klar ist, bleiben noch
viele Detailfragen hinsichtlich der Floren des Stefans und vor
allem des Rotliegenden offen. Auf jeden Fall gibt es schon eine
sehr deutliche Differenzierung in Becken- und
Hinterlandwälder. Für erstere war das
häufige Vorkommen von Baumfarnen charakteristisch, wie von Psaronius
im versteinerten Wald von Chemnitz (Rößler 1996);
letztere wurden von Koniferen dominiert.
Während des Namurs und Westfals hielt die Absenkung der
Becken lange Zeit mehr oder weniger Schritt mit der
Sedimentation. Dadurch konnten sich die ausgedehnten und
mächtigen Torfpakete bilden, die im Laufe der Zeit zu Kohle
geworden sind. Nur gelegentlich kam es zu Meereseinbrüchen,
die dann allerdings eine erhebliche Ausbreitung
haben konnten. So kommen in den überwiegend terrestrischen
Ablagerungen des Namurs und Westfals marine Horizonte vor, von
denen einige sogar über eine Ausdehnung von 600.000 km²
nachgewiesen worden sind. Diese relativ kurzzeitigen
Überflutungen haben allerdings kaum Auswirkungen auf die
Pflanzenwelt gehabt. Offenbar konnten die meisten Arten sich in
Refugialgebiete zurückziehen und nach der erneuten Senkung des
Meeresspiegels wieder zurückkehren. Während
des Westfals wurde der marine Einfluß allmählich
geringer; die letzten marinen Einschaltungen wurden im Stefan
nachgewiesen.
terrestrische und küstennahe marine Ablagerungen
variszisch gefaltetes Gebiet
Abtragungsräume
Überschiebungsfront
Vulkanismus
Steinkohle
Die Flora des Stefans kann zunächst, wie bereits
gesagt, durch den rapiden Rückgang der baumförmigen
Bärlappgewächse
charakterisiert werden. Sie wird ferner durch eine stärkere
Dominanz der Baumfarne gekennzeichnet, während auch
Farnsamer, baumförmige Schachtelhalmgewächse und Cordaiten stark
vertreten sind.
Während des Stefans werden die Koniferen
(Nadelhölzer), eine Gruppe
von Gymnospermen,
deren älteste Formen sehr große habituelle
Ähnlichkeiten mit den heutigen Araukarien aufweisen, immer
häufiger. Die ältesten Koniferen sind schon aus dem
mittleren Westfal beschrieben worden; dabei handelt es sich aber
nur um kleine, eingeschwemmte Fragmente. Die zunehmende Dominanz
der Koniferen setzt sich im Rotliegenden fort, obwohl auch hier
völlig von Koniferen dominierte Floren nicht die Regel
sind. Hinzu kommen noch modernere Typen von Pteridospermen, wie
die Callipteriden. Insgesamt ist ab dem Stefan eine Abnahme der
Zahl der Arten zu beobachten.