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Tropische Regenwälder



Viele Bäume des tropischen Regenwalds zeichnen sich durch Brettwurzeln aus, die den Bäumen eine erhöhte Standfestigkeit verleihen. Die obige Darstellung ist der Flora brasiliensis entnommen. Die Flora brasiliensis ist das umfangreichste vollendete Florenwerk [40 Bände - Großformat (Folio) in lateinischer Sprache], das in den Jahren 1840 - 1906 erschien. Das Werk wurde von C. F. P. MARTIUS (Links im Bild) begründet, von A. G. EICHLER fortgeführt und von I. URBAN abgeschlossen.




Tropische Regenwälder entwickeln sich nur in einem ganzjährig nahezu gleichbleibenden Klima mit Temperaturen von über 24 Grad C, einer über das ganze Jahr verteilten Regenmenge von mindestens 150 cm (vielfach werden Werte von 200-430 cm registriert) und einer relativen Luftfeuchtigkeit von mehr als 75 bis 80 Prozent. In drei Regionen der Erde werden diese Bedingungen erfüllt:

im tropischen Amerika, nördlich bis nach Mittelamerika reichend. Die größte zusammenhängende Waldfläche überhaupt ist der Regenwald im Amazonasbecken mit einer Ausdehnung von 4,7-6 Millionen km2
im mittleren Afrika, einschließlich Teilen Madagaskars und
in Südostasien; von Indien über Malaysia bis Nordost-Australien reichend.

Ein typisches Merkmal der Wälder ist deren Staffelung, wenn auch wegen der Dichte der Vegetation eine eigentliche Gliederung in Stockwerke oder Schichten im Gelände und auf Photos oft nicht auszumachen ist. Detaillierte Analysen ergaben jedoch, daß fast alle Baumarten auf einen bestimmten Höhenbereich beschränkt sind und daß Arten tieferer Schichten niemals in höhere eindringen können. Die Bäume der einzelnen Schichten (Etagen) können durch ihre Architektur deutlich voneinander unterschieden und damit - unabhängig von phylogenetischer Verwandtschaft - bestimmten Wuchsformtypen zugeordnet werden . Die höchsten Bäume zeichnen sich durch eine schirmförmige Gestalt der Krone aus. Die Standfestigkeit vieler Bäume ist durch Brettwurzeln erhöht.

Die Vertikalschichtung der Vegetation kommt bei einem Vergleich (einerseits der Artenzahl, andererseits der Produktivität) in den einzelnen Schichten am eindrucksvollsten zum Ausdruck. Die größte Artenvielfalt (Moose mit eingeschlossen) findet sich in den untersten Schichten des Waldes, die höchste Produktionsrate in der zweithöchsten Kronenschicht. Die hohe Produktivität beruht ausschließlich auf der ganzjährigen Photosynthesesebereitschaft der Pflanzen, die Aktivität der einzelnen Zellen ist nicht höher als bei Pflanzen gemäßigter Zonen. Der Anteil an lebenden und aktiven Blättern an der oberirdischen Biomasse beträgt nur 2,5 Prozent, der Anteil der Äste und Zweige 27,5 Prozent und der der Stämme 63,7 Prozent. Legt man die Gesamtbiomasse zugrunde, entfallen auf den oberirdischen Anteil 74,2 Prozent, auf die Wurzeln 25,8 Prozent.

Der tropische Regenwald ist reich an verholzten Lianen und Epiphyten, von denen sich einige zu einem in sich geschlossenen Mantel um die Wirtspflanze entwickeln können.

Zwei weitere Merkmale der Epiphyten sind einmal die Ausbildung von Luftwurzeln, die sich vielfach zu zusätzlichen Stützpfeilern entwickeln können, zum anderen diverse Vorrichtungen zum Klettern und Ranken

Obwohl Regenwälder immergrün sind, kommt es zu einem Laubfall, der aber nicht synchron abläuft. Charakteristisch ist auch die von R. BROWN (dem Entdecker des Zellkerns) beobachtete Laubschüttung, d.h., die simultane Neubeblätterung ganzer Zweige.

Die Blühperioden verschiedener, verwandter Arten können über das ganze Jahr verteilt sein. Die Bestäubung erfolgt nahezu ausschließlich durch Insekten (zahlreiche Bienen-, Hummel-, Wespen-, Schmetterlingsarten u.a.), Vögel oder Fledermäuse, gelegentlich auch durch andere Säugetiere (z.B. Mäuse). Windbestäubte Arten treten kaum in Erscheinung. Ebenso gibt es nur selten eine Windverbreitung der Samen; allenfalls bei Arten des obersten Stockwerks kommen geflügelte Samen vor. An der Samenverbreitung sind meist Tiere (Säuger, Vögel) beteiligt. Pflanzenarten mit fleischigen Früchten sind daher im Vorteil. Besonders bei Bäumen der unteren Schichten werden Blüten und Früchte vielfach direkt am Stamm gebildet (Kaulikarpie, Kauliflorie).

Neben der Samenverbreitung durch Tiere ist fließendes Wasser bedeutsam. Die Samen der Hevea brasiliensis werden unter anderem so verbreitet. Ohne weitere Zusatzannahmen würde sie nur stromabwärts erfolgen. Da aber auch Stromaufwärtsverbreitung vorkommt, müssen weitere Faktoren im Spiele sein. Offensichtlich kommt den Fischen dabei eine entscheidende Rolle zu.


Fraßmuster, entstanden während der Entwicklung der Blätter


Zu den vielen ungeklärten Problemen gehört die Frage nach der Entstehung der Artenfülle. Von den etwa 250 000 Blütenpflanzen sind etwa 155 000 auf die Tropen beschränkt, 90 000 kommen im tropischen Amerika vor, 50 000 im Amazonasgebiet. Zahlreiche Baumarten kommen nebeneinander unter gleichen Klima- und Bodenbedingungen vor. Es hat daher den Anschein, daß die Regel, gleichartige Formen schlössen sich bei gleichen Lebensansprüchen im gleichen Lebensraum aus, durchbrochen und das Konzept der ökologischen Nische aufgehoben sei. Die abiotischen Faktoren genügen offenbar nicht, die Entstehung der vielen Arten zu erklären. Berücksichtigt man jedoch die hohe Zahl der teilweise sehr speziellen und spezifischen Wechselwirkungen der Arten untereinander, kommt man der Lösung des Problems wesentlich näher. Es sieht demnach so aus, als seien biotische Faktoren, d.h. die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren, ursächlich für die Entstehung der großen Formen- und Artenvielfalt verantwortlich. Zur Überlebensstrategie der einzelnen Arten gehört die Ausbildung verschiedenster sekundärer Pflanzenstoffe und die Ausbildung von Unterschieden auf allen strukturellen Ebenen. Eine Anthocyanbildung findet man - zum Schutz vor zu intensiver Lichtstrahlung - oft in jungen Blättern.

Montane Regenwälder werden in einer Höhenzone zwischen etwa 1000 und 2500 Metern und höher auch Nebelwälder genannt. Man trifft sie an Gebirgshängen, die im Windschatten liegen, an. Sie zeichnen sich durch niedrigere Baumhöhen als die Tieflandwälder (zu denen auch die Überschwemmungswälder gehören)und einen üppigen Epiphytenbewuchs aus. Auffallend ist der hohe Anteil an Farnen (speziell Baumfarnen) sowie bodenbedeckenden Moosen und diversen Selaginella-Arten. Coniferen fehlen in tropischen Regenwäldern in der Regel, eine Ausnahme bildet die Gattung Dacrydium. In Hochgebirgen (z.B. in den Anden) kommen oberhalb der Wolkenzone Podocarpus- und Araucaria-Arten vor, die anstelle von Nadeln harte, schuppenartige Gebilde tragen.


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