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Polymorphismus, genetic load


Die Zahl der Allele für ein Gen kann in einer Population (in einem Genpool) beliebig hoch sein. Bereits mit wenigen Allelen und wenigen Genorten kommt man aus, um zu einer unüberschaubaren Vielfalt an Genotypen zu gelangen.

Diese Betrachtung unterscheidet nicht zwischen dominanten und rezessiven, vorteilhaften und nachteiligen Allelen. In jeder Population findet man neben Allelen mit hohem adaptivem Wert solche, deren Fitneßwert gering ist. Allele mit ungünstigen Eigenschaften werden in diploiden Organismen unterdrückt, wenn zumindest eines der Allele die erforderliche Leistung erbringt. Im Zusammenhang mit der Besprechung der Heterosis wurde dazu bereits Stellung bezogen. Individuen, die an möglichst vielen Genorten heterozygot sind, sind am leistungsstärksten. Umgekehrt ist daher die Frage berechtigt, warum überhaupt so viele nachteilige Allele mitgeschleppt werden und wie groß ihr Anteil am Genpool einer Population sein darf? Diesen Betrag bezeichnet man als genetic load. Zweifelsfrei bieten diese Allele dem Träger zunächst keinen unmittelbaren Vorteil. Sie stellen jedoch ein genetisches Reservoir dar, das unter veränderten Lebensbedingungen (oder in anderer genetischer Konstellation) zum Vorteil gereichen kann. Wieviel genetic load eine Population ertragen kann, ist schwer abzuschätzen. Es sieht aber so aus, als sei der Wert bei Pflanzen höher als bei Tieren, und bei Polyploiden höher als bei Diploiden. Hinzu kommt, daß bei diesen Überlegungen aktive Gene zugrunde gelegt sind. Wie wir aber im Thema Aktive Gene sehen, besitzen Eukaryoten in ihren Genomen (bezogen auf 1C) weit mehr DNS als zur Verwirklichung eines normalen Lebenszyklus benötigt wird. Es gibt offensichtlich weit mehr inaktive, nur potentiell als aktive Gene infragekommende Nukleotidsequenzen (silent genes) als tatsächlich benötigte. Unter diesem Aspekt macht die genetic load nur einen Bruchteil von scheinbar überschüssiger genetischer Information aus.

Gerade der hohe Anteil der Polyploidie bei Pflanzen stellt einen Puffer dar, der die allermeisten nachteiligen Mutationen (Allele) absorbiert.

Die Fitneß eines Individuums wird nur selten durch ein Gen (oder ein Allel) allein bestimmt. In der Regel unterliegt sie der Kontrolle zahlreicher, teils gekoppelter, teils nicht gekoppelter Gene. Man spricht daher von einer inclusive fitness. Der Beitrag einzelner Allele ist deshalb stets vor dem Hintergrund der Gesamtzusammensetzung des Genoms zu sehen. Wenn nunmehr aber eines der Merkmale beeinträchtigt erscheint, heißt das nicht von vornherein, daß alle Aktivitäten des entsprechenden Individuums in Mitleidenschaft gezogen sind.


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