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Cytophotometrische Bestimmung von DNS in Zellkernen


Wir haben uns mit Ergebnissen cytophotometrischer (= mikrodensitometrischer) DNS-Bestimmungen bereits im Zusammenhang mit der Verdopplung der DNS-Menge während der S-Phase befaßt. Für vergleichend quantitative Messungen der Zellkern-DNS-Menge müssen folgende Maßnahmen beachtet werden (extranukleäre DNS bleibt bei diesen Betrachtungen unberücksichtigt):

DNS in Kernen muß spezifisch angefärbt werden. Hierzu hat sich die Feulgen-Reaktion bewährt. Sie beruht auf der Bindung von farblosem Leucofuchsin (basischem Fuchsin, das durch schweflige Säure entfärbt wurde) an Aldehydgruppen, wodurch ein roter Farbstoffkomplex entsteht. Die benötigten Aldehydgruppen entstehen durch hydrolytische Vorbehandlung der DNS. Um zu brauchbaren Ergebnissen zu gelangen, sind standardisierte Versuchsbedingungen (z.B. Temperaturkontrolle, Konzentration der Reaktionspartner, Hydrolysedauer, Dauer der Einwirkung des Reagenz) strikt einzuhalten.

Die Färbungen ergeben trotz größter experimenteller Sorgfalt niemals absolute, reproduzierbare Werte. Die Fehlerrate ist sehr hoch. Die Ergebnisse einer jeden Meßreihe müssen daher auf einen jedesmal mitlaufenden Standard (eine interne Kontrolle) bezogen werden. Üblicherweise verwendet man dafür diploide Kerne aus Wurzelspitzen von Allium cepa, die 33,5 pg DNS enthalten [1 pg = 1 Pikogramm = 10-12 g]. 1 pg DNS entspricht ca. 9,13 x 108 Basenpaaren [der Molekülabschnitt DNS hat ein Molekulargewicht von 0,65 x 1012].

Man muß bei der Wahl der Kerne (Zellen) sehr kritisch sein, denn bekanntermaßen kommt es einerseits während der Ontogenese und Gewebespezialisierung oft zu Polyploidisierungen, zum anderen verdoppelt sich die DNS-Menge während jeder S-Phase eines Zellzyklus. Es hat sich daher bewährt, Kerne im Telophasestadium aus meristematischen Geweben zu analysieren.

Die ermittelte DNS-Menge kann auf das haploide oder das diploide Genom (n, bzw. 2n, aber nicht x !) bezogen werden. Die Werte werden als (1)C-, bzw. 2C-Werte bezeichnet (4C-Werte erhält man durch Analyse von Prophasekernen diploider Zellen).

Die Messung der gefärbten Kerne erfolgt in einem Cytophotometer, einer Einrichtung, die aus einem Mikroskop, einem Photometer und einem Integrator besteht. Der Cytophotometrie an Empfindlichkeit überlegen ist die Cytofluorometrie, bei der die Kerne fluorochromiert werden. Als spezifische Fluorochrome eignen sich u.a. DAPI (= 4',6-Diamidino-2-Phenylindol) oder Hoechst 33258 (= 2-[2-(4-Hydroxyphenyl-) 6-Benzimidazolyl- 6-(l-Methyl, 4-Piperazyl) Benzimidazol]), denen wir bei der Besprechung der Chromosomenbandierung wiederbegegnen werden.

Wenn die experimentellen Bedingungen richtig gewählt und standardisiert sind, ist die durch Komplexbildung zwischen DNS und Fluorochrom induzierte Fluoreszenz der DNS-Menge direkt proportional. Doch bislang liegen erst vereinzelte DNS-Bestimmungen an Pflanzen vor, die nach dieser Methode gewonnen wurden.

Die 2C-Werte von einer Anzahl von Gymnospermen und Angiospermen sind bekannt. Bei den Angiospermen schwanken die Werte um mehr als drei Größenordnungen, aber nur um das 15fache bei den Gymnospermen (diese Aussage beruht auf zusätzlichen, in der Tabelle nicht aufgeführten Daten). Innerhalb bestimmter Angiospermenfamilien können sich die Extreme wie 1:10 bis 1:50 verhalten, wobei Polyploidie dafür nur zum Teil die Ursache ist.

Es gibt bisher nur relativ wenige Messungen an Algen, Moosen und Farnen. Dennoch steht schon jetzt fest, daß deren Durchschnittswerte nicht unter denen der evolutionär höherstehenden Angiospermen stehen. Vergleicht man jedoch die Vertreter mit den geringsten DNS-Mengen jeder Klasse (Abteilung) miteinander, fällt eine deutliche Zunahme der DNS-Mengen mit steigender Organisationshöhe ins Auge.



DNS-Mengen pro Zelle, respektive Organell. Bei einigen Viren: RNS-Mengen. Mit zunehmender Evolutionshöhe ist eine Zunahme an DNS zu verzeichnen. (Nach A. H. SPARROW, H. J. PRICE, A. G. UNDERBRINK, 1972).


Wie die eben vorgestellten Werte zeigen, gibt es innerhalb vieler Gattungen, trotz großer Ähnlichkeiten der Arten untereinander, gravierende Unterschiede im DNS-Gehalt ihrer Genome. Diese Erscheinung konnte man sich ursprünglich nicht erklären und nannte sie "C-Wert Paradox". Heute wissen wir, daß der überwiegende Teil der DNS aller Eukaryoten nicht-codierend ist und daß dieser Anteil von Art zu Art wechseln kann, ohne daß die Zahl aktiver Gene davon betroffen zu sein braucht. Wir kommen in den beiden nächsten Abschnitten hierauf zurück.

Die DNS-Mengen sind primär mit dem Ploidiegrad korreliert, sekundär ergeben sich allerdings oftmals als evolutionäre Veränderungen Genomgrößen-Abwandlungen. Die Werte von Arten mit mehreren Ploidierassen verhalten sich deshalb nicht wie ganzzahlige Vielfache einer Grundmenge zueinander. Vielmehr ist die DNS-Zunahme als Funktion des Ploidiegrads eher durch eine logarithmische Funktion (eine Sättigungskurve) zu beschreiben.

Einige auffallende, mit der Evolution der Pflanzen zusammenhängende Korrelationen sind dennoch offensichtlich. Spezialisierungen der Arten aus Angiospermengattungen sind entweder mit einer Abnahme der DNS-Menge verknüpft, wie z.B. bei verschiedenen Scilla-Arten, oder man findet beides: bei einigen Arten Abnahme, bei anderen mehr DNS als bei den Ausgangsarten (Beispiel: Microseris-Arten).



Microseridinae: Änderungen im DNS-Gehalt im Verlauf der adaptiven Radiation (Spezialisierung). 1 und 2: perennierende Arten: Microseris; 3. Phalacroseris; 4. eine anuelle Microseris; 5. eine perennierende Agoseris; 6. eine annuelle Agoseris (H. J. PRICE und K. BACHMANN, 1975).

Die Werte der Gymnospermen sind meist höher als die holziger Angiospermen. Die höchsten Werte überhaupt wurden bei Pinus-Arten und bei Cycadeen gefunden. Aufgrund der Analysen von 271 krautigen Angiospermenarten stellte M. D. BENNETT (1972) folgende Regeln auf:

  1. Annuelle Arten haben im Schnitt signifikant weniger DNS als perennierende Arten. Die Beziehung gilt sowohl für Mono- als auch für Dikotyledonen.

  2. Die Variation der DNS-Menge ist unter diploiden annuellen Arten sehr gering; sie ist groß bei perennierenden (viele von ihnen sind polyploid).

  3. Ephemere annuelle Arten (solche, die in wenigen Wochen den ganzen Lebenszyklus von der Keimung bis zum Aussamen durchschreiten) haben im Durchschnitt weniger DNS als annuelle mit nicht-ephemeren Blüten (Blüten mit einer Blühdauer von nur einem Tag).

  4. Unter den Monokotyledonen ist der DNS-Gehalt obligat perennierender Arten signifikant höher als bei fakultativ perennierenden. Zwischen fakultativ perennierenden und annuellen Arten besteht kein signifikanter Unterschied.

Aus diesen Korrelationen ist der Schluß zu ziehen, daß die DNS-Menge der Pflanzen (der Nukleotyp) mit ihrer Entwicklungsdauer zusammenhängt. Annuelle Arten entwickeln sich in der Regel sehr schnell, die Mitosezyklen folgen rasch aufeinander, die Meiosedauer ist kurz. Diese Bedingungen sind nur mit wenig DNS pro Kern (Zelle) erfüllbar.

Arten mit viel DNS sind daher in Gebieten mit einer kurzen Vegetationsdauer "notgedrungen" perennierend. Umgekehrt beruht perennierende Lebensweise nicht unbedingt auf großer DNS-Menge, denn es gibt durchaus perennierende Arten mit nur sehr wenig DNS.

J. P. GRIME und Mitarbeiter (University of Sheffield) wiesen 1985 darauf hin, daß die DNS-Menge und der Informationsgehalt des Genoms voneinander verschiedene Größen sind und daß die DNS-Mengen mit dem Zeitpunkt des Sproß- und Blattwachstums korreliert sind. Frühjahrsblüher auf nordenglischen Wiesen zeichnen sich alle durch einen hohen DNS-Gehalt aus, sie sind durch ein extensives Blattwachstum gekennzeichnet. Dieses beruht primär auf einem Streckungswachstum bereits vorhandener Gewebeanlagen. Diese Arten erlangen damit einen ökologischen Vorteil in noch kalten Jahreszeiten. Arten mit geringen DNS-Mengen unterliegen einem anderen Timing: Ihr Wachstum durch Zellteilungen erfolgt zu späterer, günstigerer Jahreszeit, das Streckungswachstum spielt bei ihnen nicht die dominierende Rolle wie bei den Frühjahrsblühern.


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