Klassiker der Biologie im Internet


Johannes Jacobi Scheuchzeri

Tigurini, Medicinae Doctoris, Matheseos Professoris, Academiae Leopoldino-Carolinae & Societatum Regiarum, Anglicae ac Prussicae, Membri

HERBARIUM DILUVIANUM

Editio Novissima, duplo Auctior

LUGDUNI BATAVORUM,
Sumptibus PETRI VANDER, Aa, Bibliopole,
Civitatis atque Academiae Typographi

1723


Johann Jakob SCHEUCHZER, geb. 1672 als Sohn eines Arztes, studierte Medizin und Naturwissenschaften an der Universität Altdorf und promovierte 1694 in Utrecht als Doctor medicinae. Anschließend kehrte er nach Altdorf zurück, um Mathematik zu studieren. 1696 erhielt er eine Anstellung als Stadtarzt (Poliater) in Zürich. Im Jahr darauf begann er mit der systematischen Erforschung der Schweiz, indem er Fragebögen in deutscher und lateinischer Sprache in alle Gegenden versandte. Der Fragebogen umfaßte 220 Fragen, die sich auf die geographischen und klimatischen Verhältnisse, auf Mineralien, Pflanzen, Tiere Fossilien u.a. bezogen. Auch er selbst besuchte alle Teile des Landes während zahlreicher Reisen, die er in seinem Werk "Der schweizerische Bergwanderer" beschrieb. Er führte erstmals barometrische Messungen im Gebirge, metereologische Beobachtungen, viele geodätische Arbeiten durch und zeichnete eine für damalige Verhältnisse hervorragende Karte der Schweiz im Maßstab 1 : 250 000, die er jedem der Fragebogen-Beantworter zustellte. Seine landeskundlichen Forschungen faßte er schließlich in seiner "Beschreibung der Naturgeschichten des Schweizerlandes" zusammen und wurde damit zum Begünder dder physischen Geographie der Schweiz. SCHEUCHZER, seit 1710 Professor der Mathematik am Gymnasium in Zürich, starb 1733 im 61. Lebensjahr als einer der angesehensten Gelehrten seiner Zeit, ihm zu Ehren tragen das Scheuchzerhorn im Berner Oberland und die Blumensimse Scheuchzeria seinen Namen.

Auf allen Reisen achtete SCHEUCHZER auf Versteinerungen und sammelte diese. Die selbstgefundenen und die im Züricher Museum liegenden pflanzlichen Reste hat er in einem besonderen Werk "Herbarium Diluvianum" (1709) beschrieben, das 1723, durch einen systematischen Anhang erweitert, in zweiter Auflage erschien. Auf 14 Tafeln, denen jede einem zeitgenössischen Gelehrten gewidmet ist, sind Pflanzenabdrücke, vor allem aus dem Karbon, Perm und Tertiär dargestellt. Die Zeichnungen sind so naturgetreu, daß man viele der dargestellten Objekte bis auf die Art genau anzusprechen vermag. Die Dendriten, deren er mehrere abbildete, ordnete er bereits richtig unter die "Pseudophyta (Lapides, qui plantarum figuras mentiuntur)" ein und kommt zu dem richtigen Schluß "productas esse has figuras et mortu fluidi alicuius inter duo solida inclusi, compressi et sese inter illa diffundentis" (daß diese Formen entstanden sind aus der Bewegung einer Flüssigkeit, die, zwischen zwei feste Schichten eingeschlossen und zusammengepreßt, sich ausgebreitet hat). Demgegenüber sei erwähnt, daß noch im Jahre 1879 ein Schwefelsäuredendrit aus sibirischen Schiefern von ANGERS, einem angesehenen Paläobotaniker, als "Eopteris" = Urfarn beschrieben worden ist. Bei allen Pflanzenabdrücken gibt SCHEUCHZER Gestein und Fundort an. Die überwiegende Zahl stammt aus dem englischen Karbon, aus dem Rotliegenden des Thüringer Waldes, besonders von Manebach, und aus dem tertiär von Öhringen am Bodensee. SCHEUCHZER teilt die Pflanzenversteinerungen ein in antediluvianae, diluvianae und postdiluvianae. Zu letzteren zählt er die Blattabdrücke in Kalktuffen und die tuffinkrustierten Moose.

In der zweiten Ausgabe des "Herbarium diluvianum" (1723) ordnet SCHEUCHZER in einem Anhang sämtliche fossilen Pflanzenreste in das TOURNEFORT'sche System ein. Im Schlußabschnitt zählt er alle diejenigen Funde auf, die sich nicht in dises System einreihen lassen ("Plantae ad nullam certam classem redigendae") darunter über hundert fossile Hölzer.

Anfangs (z. B. in seiner "Lithographia Helvetica") hielt SCHEUCHZER die Versteinerungen eher als Naturspiele als für Überreste der Sintflut, wurde aber durch J. WOODWARD's "Essay toward a Natural History of the earth" (1692), den er 1704 in Lateinische übersetzte, von der zweiten Möglichkeit überzeugt. Er versuchte sogar aus bestimmten Pflanzenresten (Pappel-Kätzchen) den Monat zu bestimmen, in dem die Sintflut begonnen hat. SCHEUCHZER befaßte sich auch mit tierischen Fossilien (1708: "Piscium querele et vindicae") und beschrieb schließlich 1726 in den "Philosophical Transactions of the Royal Society" das Skelett eines in der Sintflut ertrunkenen Menschen als "Homo diluvii testis" , das jedoch CUVIER als einem Riesensalamander zugehörig erkannte und mit dem Namen Andrias Scheuchzeri belegte. Erwähnt sei auch SCHEUCHZER's "Physica sacra iconibus aeneis illustrata", ein fünfbändiges Naturgeschichts-Lehrbuch im Anschluß an das Alte Testament, u.a. mit prachtvoll ausgeführten Fossil-Tafeln.

Es wäre ungerecht, SCHEUCHZER wegen seiner zuletzt genannten Veröffentlichungen geringschätzig zu beurteilen. Vielmehr muß er aus seiner ganzen Zeit heraus verstanden werden. Daß er ein vorzüglicher Beobachter war, beweist unter vielen anderen seine richtige Erkenntnis der Dendriten-Bildung. Sein "Herbarium diluvianum" blieb ein Jahrhundert lang das einzige, ausschließlich den fossilen Pflanzen gewidmete Werk und sichert seinem Verfasser einen Ehrenplatz in der geschichte der Botanik.

Quelle des Textes: K. MÄGDEFRAU: Geschichte der Botanik. Stuttgart, Gustav Fischer, 1973

ORIGINALABBILDUNGEN:

Titelbild

Tafel 1: - Reverendissimo in CHRISTO Patri Thomae, Prov. Divina Archiepisc. Cantuariensi, totius Anglia Primati et Metropolitan.

Tafel 2: - Illustrissimo ISAACO NEWTON, Equiti Aurato, Societatis - Regiae Anglcae Prasidi (Links: Fossilien aus Karbon / Perm (Asterophyllites, Callipteris, Calamostachys, Sphenopteris), rechts Blattabdrücke aus dem Tertiär)

Tafel 3: - Ill. ac Reverend Johanni Paulo Bignonio Parisiensi Abbati - S. Luinti, Consilario status ordinario

Tafel 4: - Ill. et Exc. Petro Valxenier Potentiss. Reip Belgiae ad Sac. Cass. Maj. Sereniss. Regem Roman. S. R. I. Comitia & C. Ressp. Helv. et Rhaet. Abl. extr.

Tafel 5: - Illustrissimo Mauritio Emmett Equiti Anglo, Viro Summa Eruditionis

Tafel 7: - Ill. Guilielmo Scherardo J. u. D. Nationis anglcae Consuli - Smirnensis, Botanicorum Principi (Rechts im Bild Dendriten: Ausblühungen von Eisen- oder Mangansalzen - Keine Fossilien!)

Tafel 8: - Ill. Antonio Vallisnerio de Nobilibus de Vallisneria Publ. Med. Pract. Prof. in inclyto Luceo Patav. Acad. Reg. Angl. Socio.

Tafel 10: - Nobmo et Prudmo Salomoni Hirzelio, Reip. Tigurnae Ducentumviro, Venerab. Collegii Examinatorum Assessori, Amigo optimo

Tafel 13: - Summi Revdo Dn Eberhardo Friderico Hiemero S. S. Theol. D. Sermo Wirtenbergensi Duci à Goncionibus et Consiliis aulicis.



Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de