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Phototaxis


Die Phototaxis ist eine bei Algen und pigmentierten Prokaryoten verbreitete Erscheinung. Einige von ihnen, so z.B. Euglena gracilis, tragen nahe der Geißelbasis, am vorderen Zellpol (anterior), einen markanten, carotinoidhaltigen Augenfleck (Stigma), so daß der Verdacht nahelag, man habe es hier mit dem Photorezeptor zu tun. Zwei Argumente sprechen jedoch dagegen: T. W. ENGELMANN bemerkte bereits 1882, daß die Zellen auch dann noch auf Licht reagieren, wenn die Geißelbasis selbst, nicht aber der Augenfleck belichtet wird. Zweitens gibt es Mutanten, denen er fehlt und die sich dennoch phototaktisch verhalten. Daraus ist zu schließen, daß der Rezeptor anderweitig lokalisiert sein muß, und dafür bot sich der Parabasalkörper, eine Anschwellung an der Geißelbasis an. Dem Augenfleck fällt demnach die Funktion eines Sonnenschirms zu, der den Parabasalkörper beschattet. Da die Zellen während der Bewegung permanent um die eigene Achse rotieren, ändert sich der Beschattungsgrad periodisch. Die Zellen reagieren folglich auf einen Intensitätswechsel und sind somit in der Lage, die Lichtrichtung wahrzunehmen und ihre Bewegung dahingehend auszurichten

Die phototaktische Reaktion wird vornehmlich durch kurzwelliges Licht induziert. Aus dem Wirkungsspektrum kann jedoch nicht unmittelbar auf das Absorptionsspektrum des Photorezeptors geschlossen werden, da ein Teil des eingestrahlten Lichts durch den Augenfleck selektiv herausgefiltert (moduliert) wird. In vielen anderen Fällen muß das Licht zunächst Plastiden mit ihren kompletten Pigmentgarnituren durchstrahlen. Das gilt u.a. für Volvox-Arten, bei denen eine Kolonie aus einer großen Zahl von Einzelzellen besteht, die zu einer koordinierten Bewegung befähigt sind. Gerade hier zeichnet sich der Chloroplast durch eine spezifische schüsselförmige Gestalt und eine posteriore Lage in der Zelle aus. Als Folge davon erreicht von hinten nur gefiltertes Licht den Parabasalkörper; die Lichteinfallsrichtung kann daher für jede Einzelzelle getrennt bestimmt werden.

Die entscheidende Frage lautet nunmehr: Wie wird ein Lichtsignal in einen Bewegungsablauf umgesetzt? Zweifelsohne wird dafür Energie benötigt, und die wiederum kann durch die Photosynthese bereitgestellt werden. Das Antriebsaggregat (Motor) ist die Geißel (sofern vorhanden; bei manchen Algen kommen Gleit- oder Kriechbewegungen vor). Die Verrechnungseinheit zwischen eintreffendem Signal und der Energiebereitstellung (Processor, Effektor) muß man sich z. Z. noch als eine black box vorstellen. 1973 stellte B. DIEHN (University of Toledo) ein Flußdiagramm auf, das aus der geringstmöglichen Zahl an Systemelementen besteht, die benötigt werden, um die bei Euglena gracilis beobachteten lichtinduzierten Bewegungen und Bewegungsänderungen zu erfassen.

Die Brauchbarkeit des Modells als Arbeitshypothese konnte durch Eingabe physiologisch meßbarer Größen und der Strahlungsenergie in ein mathematisches Modell überprüft werden. In der Tat ließ sich dadurch ein Bewegungsablauf simulieren, der mit der phototaktischen Reaktion von Euglena weitgehend übereinstimmt.


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