Botanik online 1996-2004. Die Seiten werden nicht mehr bearbeitet, sie bleiben als historisches Dokument der botanischen Wissenschaft online erhalten!


Reduktionsteilung oder Meiose


Bei der Befruchtung verschmelzen zwei Kerne, so daß sich die Chromosomenzahl zwangsläufig verdoppelt. Wenn man diesen Gedanken weiterverfolgt, müßte man eine exponentielle Zunahme der Zahl im Verlauf aufeinanderfolgender Generationen erwarten. Das ist natürlich nicht der Fall, denn bei der Keimzellenbildung (Eizellen, Pollen) reduziert sich die Chromosomenzahl auf die Hälfte. Dieser Vorgang wird Meiose oder Reduktionsteilung genannt. Er besteht aus zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden mitoseähnlichen Teilungen: Durch die erste Teilung wird die Chromosomenzahl halbiert; die zweite ist eine ganz normale Mitose.

Jede Keimzelle enthält einen vollständigen Chromosomensatz (=haploider Chromosomensatz). Die Zelle ist folglich haploid, Zygoten und daraus gebildete Körperzellen sind diploid, denn sie enthalten zwei gleichartige ( = homologe) Chromosomensätze, einen von der Mutter, den zweiten vom Vater. Es gibt, vor allem bei Pflanzen, triploide, tetraploide. . polyploide Zellen. Mit deren Entstehung werden wir uns später etwas näher befassen.

Der belgische Zoologe E. van BENEDEN und der Würzburger Zoologe T. BOVERI haben die Meiose (1883, 1887, 1888) beobachtet und ihre große Bedeutung erkannt.. Nahezu gleichzei4ig fand E. STRASBURGER, daß im Pollenschlauch vieler Liliengewächse (er arbeitete zeitweise vornehmlich mit der Schachblume Fritillaria persica) zwei aufeinanderfolgende Mitosen stattfinden. 1884 nahm er die Untersuchungen in seine Praktikumsanleitung auf. Es geht aus Text und Zeichnung jedoch nicht eindeutig hervor, daß die Chromosomenzahl während der ersten Teilung halbiert wird. Erst 1889 konnte er diesen Beweis für Allium erbringen. Im gleichen Jahr beschrieb J. L. L. GUIGNARD (Professor in Paris) die Reduktion der Chromosomenzahl bei Lilium martagon.

Im Gegensatz zur Mitose ist die Prophase der ersten meiotischen Teilung ungewöhnlich lang und läßt sich in mehrere Phasen unterteilen. Während dieser Zeit paaren sich homologe Chromosomen. Die Phasen im einzelnen:




Verhalten eines Chromosomenpaares während der Meiose: In der Prophase 1 paaren sich die homologen Chromosomen. Dabei kann es zu einer Überkreuzung der Chromatidenarme kommen (Chiasma). Die Folge ist ein Chromosomenstückaustausch. Die gepaarten Chromosomen trennen sich während der anschließenden Anaphase 1. Während der Anaphase 2 werden die Chromatiden voneinander getrennt. Es entstehen vier Zellen mit je einem haploiden Chromosomensatz - © M. Knee

Leptotän. Dieses Stadium weicht nur unwesentlich von frühen Stadien der Mitose ab. Gewöhnlich sind Zellen und Kerne meiotischer Gewebe größer als die der benachbarten Gewebe. Die Chromosomen sind folglich etwas länger und oft erscheinen sie in Längsrichtung untergliedert. In regelmäßigen Abständen treten Verdickungen auf, die wie Perlen an einer Kette angeordnet sind: die Chromomeren. Ihre Zahl, Größe und Lage ist artkonstant. Ein geübter Cytologe kann aus ihrer Struktur auf die Identität bestimmter Chromosomen schließen. 1931 zählte J. BELLING (University of California, Berkeley) 1500-2000 Chromomeren in einem einfachen Chromosomensatz einer Lilienart.

Verteilung der Centromeren während der Prophase 1
Pollenbildung bei Lilium longiflorum

Zygotän. Während dieses Stadiums setzt eine Paarung (Synapse, synaptischer Komplex) homologer Chromosomen ein (Bildung von Bivalenten). Unmittelbar nach Initiation des Vorgangs breitet sich die Paarung reißverschlußartig über die gesamte Länge des Chromosoms aus.

Pachytän. Während des Pachytäns stabilisiert sich die Paarung. Die Zahl der synaptischen Komplexe entspricht im Regelfall der haploiden Chromosomenzahl der betreffenden Art. Die Paare werden auch Bivalente genannt.

Diplotän. Die Bivalente trennen sich wieder. Dabei wird deutlich, daß jedes Chromosom aus zwei Chromatiden besteht, so daß der Komplex während der Trennung als viersträngige Einheit erscheint. Normalerweise wird die Trennung zunächst nicht vervollständigt, die homologen Chromosomen bleiben punktuell aneinander hängen. Man erkennt diesen Zustand an der Ausbildung kreuzförmiger Strukturen, Einzelschlaufen, mehreren hintereinanderliegenden Schlaufen usw. Jeder dieser Kontaktpunkte wird als Chiasma (Plural: Chiasmata) bezeichnet.

Diakinese. Die Diakinese ist eine Fortsetzung des Diplotäns. Es ist meist schwer, eine klare Trennung zwischen beiden Stadien zu ziehen. Die Chromosomen kondensieren wieder und nehmen damit eine kompakte Form an.

Metaphase. Von nun an ähneln die Vorgänge wieder denen der Mitose. Die Kernmembran wird vollständig aufgelöst, der Spindelapparat voll ausgebildet. Die homologen Chromosomen (Bivalente) bleiben zunächst noch beieinander.

Anaphase. Während der Anaphase werden homologe Chromosomen voneinander getrennt. Es folgen die Telophase, dann die Interkinese (dieses Stadium entspricht dem sogenannten Ruhekernstadium, oder besser gesagt, dem Interphasestadium). Kurz darauf folgt die zweite meiotische Teilung mit den üblichen Stadien Prophase, Metaphase, Anaphase und Telophase. Hier werden die Chromatiden voneinander getrennt.

Verteilung der Centromeren während der Meiose
Pollenbildung bei Lilium longiflorum

Als Ergebnis der Meiose einer diploiden Zelle entstehen vier haploide Zellen (Gonen), von denen sich eine (bei der Eizellbildung) oder alle (bei der Pollenbildung) zu reifen Gameten (Keimzellen) weiterentwickeln können.


© Peter v. Sengbusch - Impressum