Der Wandel der Wälder im Laufe des Erdaltertums

Teil 2


Die Floren der karbonischen Steinkohlenwälder

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Abb. 1: Längsschnitt durch einen Calamiten in "coal ball"-Erhaltung, aus dem oberen Namur des Ruhrgebietes.

Nach der überraschend schnellen Entwicklung von Pflanzengruppen im Devon kam es im Karbon zu einer Entwicklung, die nicht so sehr zur Herausbildung neuer Gruppen sondern zu einer weiteren Diversifikation innerhalb der bereits existierenden Gruppen. Aufgrund zunehmender Größe und Komplexität der Landpflanzen wird die Rekonstruktion fossiler Pflanzen der Karbons allerdings zunehmend problematischer. Größere Pflanzen findet man nie vollständig sondern stets nur als isolierte Bruchstücke und Organe. Dies ist einerseits auf biologische Ursachen zurückzuführen, wie das Abwerfen von Blättern und Samen, andererseits auf Sedimentationsprozesse, zum Beispiel Fragmentierung während des Transports von Standort bis zum Ablagerungsort. Daher wird für derartige, dispers gefundene Reste notgedrungen meist eine Formklassifikation angewendet, in der die isolierten Teile in sogenannten Formgattungen untergebracht werden. Diese Formgattungen sind anhand morphologischer Merkmale definiert, die aber nicht zwangsläufig auf eine natürliche Verwandtschaft hinweisen müssen. Auch unterschiedliche Erhaltungszustände des fossilen Pflanzenmaterials komplizieren Untersuchungen und Rekonstruktionen. Der am weitesten verbreitete Erhaltungszustand ist die Abdruckerhaltung, bei der man, wenn genügend organisches Material erhalten ist, oft sogar noch die Zellmuster der Epidermis anhand der Kutikulen studieren kann. Daneben sind vor allem die Mineralisationen von großer Bedeutung. Am bekanntesten sind die Verkieselungen, die häufig in vulkanisch aktiven Gebieten auftreten. Weitere wichtige Mineralisationen sind die Pyritisierung und die sogenannten "coal balls". Letztere sind Karbonatkonkretionen, die sich schon in einem sehr frühen Stadium im Torf bilden können. Dabei werden lokal die Hohlräume von Pflanzenzellen mit Calzit (Kalkspat) oder Dolomit aufgefüllt, während die organische Substanz der Zellwände gut erhalten bleibt (Abb. 1 und 2).

Obwohl auch devonische Kohlen bekannt sind, wurden vor allem im Karbon sehr mächtige Torfpakkete abgelagert, die im Laufe der Zeit zu Steinkohle wurden. Große Teile Europas und Nordamerikas lagen während des Karbons in äquatorialer Position, und in den feuchten Tiefländern an den Rändern der damaligen Festländer entwickelten sich ausgedehnte Sumpfwälder. Das größste Karbonbecken ist das sogenannte Paralische Kohlenbecken, dessen Kohlenlager in Küstennähe entstanden und das sich von Irland über England, Nordfrankreich, Belgien, die Niederlande, Deutschland (Ruhrgebiet) bis nach Polen erstreckte. Durch zeitweilige Meeresspiegelschwankungen wurden diese Tiefländer gelegentlich überflutet. Es wurden dadurch marine Sedimente abgelagert, die in die überwiegend terrestrischen Abfolgen eingeschaltet sind. Auch auf den Festländern gab es verschiedene, meist kleinere, sogenannte epikontinentale oder intramontane Sedimentationsbecken (zum Beispiel im Saargebiet), in denen sich ebenfalls Moorvegetationen entwickeln konnten. peel

Abb. 2: Rinde von einem Lepidophloios-Stamm, einem baumförmigen Lycophyten, mit den charakteristischen Blattnarben. "Coal ball" aus dem Oberkarbon Nordamerikas.

Die karbonischen Steinkohlenfloren Europas und Nordamerikas sind recht gut bekannt, nicht zuletzt durch Untersuchungen im Auftrag des Kohlenbergbaus. Die Lepidodendren (oder Schuppenbäume) und die Sigillarien (oder Siegelbäume) sind die am weitesten verbreiteten Pflanzen. Sie gehören zur Gruppe der Lycophyten (oder Bärlappgewächse), eine Gruppe, die heute nur noch durch kleine, fast immer krautige Formen vertreten ist. Lepidodendren und Sigilarien konnten eine Wuchshöhe von bis zu 40 m bzw. 20-30 m erreichen. Die längsten, bisher nachgewiesenen Stämme sind 34,5 m lang (Thomas & Watson 1976). Die Stammbasis konnte Durchmesser von bis zu 2 m erreichen. Das Bemerkenswerteste ist, daß diese Stämme nur sehr kleine Holzkörper bildeten. Im Gegensatz zu allen anderen baumförmigen Pflanzen wurde das Dickenwachstum dieser Stämme und damit auch deren Stabilität durch die Rinde erzeugt. Die Lepidodendren und die Vertreter der nahe verwandten Gattung Lepidophloios (Abb. 2) bildeten eine Krone mit mehrfach verzweigten Ästen aus. Die Blätter an den Hauptachsen waren lang und schmal, an den Endverzweigungen kleiner und nadelförmig. Beim Abfallen hinterließen sie charakteristische Narben auf der Stammoberfläche. Da die Blätter nur schmal waren, ist es anzuzweifeln, daß diese Bäume einen so wirksamen Schatten gespendet haben, wie wir das von unseren heutigen Laub- und Nadelbäumen kennen. Die Lycophytenwälder des Karbons repräsentieren daher wohl eher einen offenen Waldtyp, mit niedrigeren Pteridospermen als zweiter Vegetationsschicht.

Stammbasis

Abb. 3: Stammbasis einer Sigillaria aus dem oberen Westfal des Piesberges bei Osnabrück. Photo von 1886, kurz nach der Bergung dieses Stammes.

Im Gegensatz zu den Stämmen der Lepidodendren waren die der Sigillarien nur höchstens ein- bis zweimal verzweigt. Lepidodendron, Lepidophloios und Sigillaria hatten sehr ähnliche Wurzelsysteme, die aus flach ausgebreiteten, mehrfach gabelig verzweigten Wurzelträgern bestanden. Diese trugen allseitig kurze, hohle, schlauchförmige Wurzeln, sogenannte Appendices, die die eigentlichen Wurzelfunktionen übernahmen. Flachwurzelnde Pflanzen sind typisch für sehr feuchte, moorige Standorte, wie man auch in heutigen Mooren sehen kann. Sehr eindrucksvolle Stammbasen wurden unter anderem aus dem Karbon des Piesberges bei Osnabrück geborgen (Abb. 3). Das wohl berühmteste Beispiel ist der Fossil Grove in Glasgow, wo 1887 ein fossiler Waldboden mit ingesamt elf noch aufrecht stehenden und mehreren liegenden Lycophytenstämmen entdeckt wurde. Anhand mikroskopischer Untersuchungen hat man festgestellt, daß bis zu 70% unserer Steinkohle aus Resten solcher baumförmigen Lycophyten (Bärlappgewächse) bestehen können.

Weitere Vegetationselemente unserer Steinkohlenwälder waren die zur Gruppe der Sphenopsiden (Schachtelhalmgewächse im weiteren Sinne) gehörenden Calamiten, baumförmige Verwandte unserer Schachtelhalme (Abb. 1). Sie konnten bis zu 20 m hoch werden und wuchsen meist an sehr feuchten Standorten in den Uferbereichen der Gewässer. Am häufigsten werden deren Marksteinkerne, die Sediment-Ausfüllungen des zentralen Markhohlraumes, aufgefunden. Weitere wichtige Gruppen sind die Pteridospermen (Farnsamer), die Farne und die Cordaiten, bei denen es sich um weitläufige Verwandte der Koniferen (Nadelhölzer) handelt. Die Pteridospermen können anhand ihrer Fruktifikationen und ihrer Anatomie in verschiedene Gruppen unterteilt werden. Sie hatten farnähnliche Wedelblätter, die bei einigen Formgattungen eine beträchtliche Größe erreichen konnten; einige Autoren gehen davon aus, daß die Wedel bei manchen Arten bis zu 4 m lang werden konnten. Die Pteridospermen werden in Rekonstruktionen meist als kleinere Bäume dargestellt. Zunehmend verdichten sich jedoch Hinweise darauf, daß einige der etwas kleinblättrigen Arten lianenartige Wuchsformen hatten. Die Pteridospermen besiedelten auch die etwas trockeneren Standorte der karbonischen Tiefländer, zum Beispiel die sandigen Uferwälle der Flüsse. Farne waren häufig mit baumförmigen Typen repräsentiert, obwohl auch kletternde und epiphytische Formen nachgewiesen worden sind. Die Cordaiten stellen eine schwierig zu fassende Gruppe dar. Sie haben sehr charakteristische bandförmige Blätter von bis zu 70 cm Länge. Sie gehören zu den Gymnospermen; ihre Samenanlagen und Pollensäcke waren zu Zapfen vereint, weshalb sie als mögliche Vorläfer der Koniferen in der Diskussion sind. Die Zuordnung der Cordaiten-Hölzer ist problematisch, da kleinere Bruchstücke oft nicht von Koniferenhölzern unterschieden werden können. Obwohl alle Vertreter der Cordaiten eine einheitliche Beblätterung aufwiesen, sind recht unterschiedliche Wuchsformen, von bis zu 45 m hohen Bäumen bis hin zu niedrigen, kriechenden Sträuchern, nachgewiesen worden. Eine ebenso große Spannbreite konnte auch für ihre Standorte nachgewiesen werden. So besiedelten einige Formen heutigen Mangrovegebiete entsprechende Lebensräume, während andere als typische Vertreter der trockeneren Hinterländer angesehen werden müssen. Die Hauptverbreitung der Kohlenflöze des Oberkarbons liegt vor allem im Westfal. Am Ende des Westfals änderte sich das Vegetationsbild erheblich. Die bislang so weit verbreiteten baumförmigen Bärlappgewächse starben größtenteils aus; nur sehr wenige Formen kommen noch im Stefan vor. Aus dem darauf folgenden Rotliegenden ist aus Europa und Nordamerika nur noch eine einzige baumförmige Lycopside bekannt, Sigillaria brardii. Es handelt sich um eine Pflanze, die, was ihren Standort betrifft, als relativ anspruchslos gilt, jedoch immer an feuchten Stellen wuchs.


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