Die Rhynie Chert Flora

Sproßquerschnitt Im Unterdevon von Rhynie (Schottland) ist eines der frühesten Landpflanzen-Biotope nahezu vollständig in verkieselter Erhaltung überliefert.

Die Verkieselung erfolgte durch heiße Quellen vulkanischen Ursprungs, die gleichzeitig den sumpfigen Lebensraum mit eingestreuten kleinen Tümpeln schufen. Die pflanzlichen Organismen sind infolge der Verkieselung anatomisch erhalten und oft in Lebensstellung überliefert. Die Erhaltung ist so gut, daß sogar z.B. Zellkern-Reste, Spermatozoide und Eizellen untersuchbar sind.

Diese 400 Milionen Jahre alte fossile Lebensgemeinschaft umfaßt Bakterien, Algen, Pilze, Flechten, frühe Landpflanzen sowie bisher einige Arthropoden. Koprolithen und Fraßspuren erlauben Untersuchungen zu Interaktionen von Fauna und Flora.

Das Studium des Rhynie Chert wurde in den siebziger Jahren von Prof. Dr. Winfried Remy aufgegriffen und seitdem ständig weiter ausgebaut. Auch nach seinem Tod (am 31.12.1995) blieb die Rhynie Chert Flora einer der Schwerpunkte der Paläobotanik in Münster. Zu diesem Thema laufen in Münster zur Zeit zwei Forschungsprojekte; eines (Remy/Kerp) wird gerade abgeschlossen, das zweite (Mosbrugger, Univ. Tübingen/Kerp) wurde am 01.02.1996 begonnen. Der Humboldt-Preisträger Prof. Dr. Thomas N. Taylor (Lawrence, Kansas, U.S.A.) ist seit mehreren Jahren und auch zukünftig aktiv an diesen Forschungsvorhaben beteiligt.

Unsere Untersuchungen gelten drei thematischen Schwerpunkten:

Spore mit Pilzbefall Die möglichst weitgehende Aufklärung des gesamten Ökosystems einschließlich der Beziehungen zwischen den fossilen Organismen (z.B. Parasitismus, Symbiose, Saprophytie und Saprophagie).
Sporentetrade Die Aufklärung der Lebenszyklen dieser frühen Landpflanzen. Die vorzügliche Erhaltung ermöglicht die Untersuchung keimender Sporen, Gametangien, Apices etc. und damit die erstmalige Rekonstruktion vollständiger Lebenszyklen fossiler Pflanzen.
Spaltöffnung Zukünftig sollen unsere Untersuchungen auch auf funktionale Aspekte der frühen Landpflanzen (Leistungen ihrer Gewebe und Organe) ausgedehnt werden.
Diese sogenannte Rhynie Chert-Flora ist sicherlich eine der wichtigsten paläobotanischen Fossillagerstätten. Die Rhynie-Sammlung in Münster umfaßt über 5000 Dünnschliffe. Untersuchungen dieses Materials haben bereits zu einer großen Anzahl von Publikationen geführt, von denen verschiedene in allgemeinen botanischen und paläontologischen Lehrbüchern berücksichtigt worden sind. Auf der Seite Rhynie Flora Literatur finden sie eine Auswahl der wichtigsten von Prof. Dr. Winfried Remy und seinen Mitarbeitern zwischen 1980 und 1991 publizierten Arbeiten. Neuere Literatur zu diesem Thema ist auf der Seite Arbeiten aus der Paläobotanik in Münster aufgelistet.

Eine der neueren Arbeiten über die Rhynie Chert-Flora ist der in Nature (November 1995) publizierte Nachweis der ältesten anatomisch erhaltenen Flechte; eine ausführliche Arbeit erscheint demnächst im American Journal of Botany.