Indische Reisebriefe

von
Ernst Haeckel
1883 (1. Auflage)
Gebrüder Paetel, Berlin

Also wirklich nach  I  n  d  i e  n ? So frugen mich die Freunde in Jena und so frug ich mich selbst ich weiß nicht wie oft -, nachdem ich zu Ende des letzten Winters unter dem vollen Eindrucke unseres melancholischen norddeutschen Februar den Entschluß gefaßt hatte, den nächsten Winter im tropischen Sonnenglanze der Wunderinsel  C  e  y  l  o  n  zuzubringen. Freilich ist eine Reise nach Indien heutzutage kein Kunststück mehr; ist doch in unserer reiselustigen und reiserührigen Zeit kein Theil der Erde mehr von Touristen verschont: die entferntesten Meere durcheilen wir auf den bequemen Luxusdampfern der Gegenwart in verhältnißmäßig kurzer Zeit mit weniger Umständen und weniger Gefahren, als vor hundert Jahren die gefürchtete, heute alltägliche „Reise nach Italien" begleiteten. Selbst „die Reise um die Weit in achtzig Tagen" ist schon ein gewohnter Gedanke geworden und viele angehende Weltbürger, die das nöthige Geld dazu besitzen glauben sich durch eine solche „Weltreise" in weniger als Jahresfrist eine umfassendere und vielseitigere Bildung zu erwerben, als durch den zehnjährigen Besuch der besten Schule. Eine „Reise nach Indien" kann demnach - zumal die beste Literatur über dieses wunderbare Land in Fülle vorhanden ist - an sich keinen besonderen Anspruch auf Theilnahme mehr erheben und es bedarf wohl einer eigenen Rechtfertigung, wenn ich in diesen „Indischen Reisebriefen" die Leser einlade, mich auf meiner halbjährigen Fahrt nach und durch Ceylon freundlich zu begleiten. Dabei wirst Du, geneigter Leser, und noch mehr, verehrte Leserin, mir wohl freundlichst gestatten müssen, in meine persönlichen Interessen als Naturforscher und Naturfreund Dich hineinzuziehen; denn diese sind es ja, welche die jetzt begonnene Reise eigentlich allein in's Leben gerufen haben.

Der Wunsch, die Wunder der Tropen-Natur von Angesicht zu sehen, ist für jeden Naturforscher, der sich die Erkenntniß der organischen Lebens - Formen unseres Erdballes zur Lebens - Aufgabe gesetzt hat, eigentlich selbstverständlich; er ist einer der sehnlichsten Wünsche. Denn innerhalb der Wendekreise allein entwickelt unter dem gesteigerten Einflusse des Sonnenlichtes und der Sonnenwärme sowohl die Thierwelt als die Pflanzenwelt unserer Erde jenen höchsten und erstaunlichsten Formen-Reichthum, von welchem die Fauna und Flora unserer gemäßigten Zone nur als ein schwacher und farbloser Abglanz erscheinen. Schon als Knabe hatte ich bei meiner Lieblings - Lectüre, den alten „Reisebeschreibungen", an Nichts so große Freude, als an den Urwäldern Indiens und Brasiliens; als dann später Humboldt's „Ansichten der Natur" Schleiden's „Pflanze und ihr Leben", Kittlitz' „Vegetations-Ansichten" und Darwin's „Reise um die Erde" vor allen anderen Schriften anregend und bestimmend auf meinen Lebensplan einwirkten, da wurde „die Reise in die Tropen" mein höchster Lebenswunsch. Am ersten durfte ich hoffen, dieselbe als Arzt ausführen zu können und um ihretwillen hauptsächlich beschloß ich vor dreißig Jahren als angehender Student, dem Lieblings - Studium der Botanik und Zoologie noch dasjenige der Medicin hinzuzufügen. Aber eine lange Zeit noch sollte verstreichen, ehe der damals gehegte Reisetraum zur lebensvollen Wirklichkeit sich gestaltete !

Die verchiedenartigsten Versuche, die ich vor 25 Jahren, nach Vollendung meiner medicinischen Studien, unternahm, um als Arzt die beständig mir vorschwebende Tropenreise auszuführen, schlugen sämmtlich fehl. Ich war schließlich glücklich, als ich 1859 eine längere Reife nach Italien antreten und über ein Jahr lang an den herrlichen Ufern des reichen, mir jetzt so lieb gewordenen Mittelmeeres mich in das Studium seiner mannichfaltigen Seethier - Bevölkerung vertiefen konnte. Nach der Rückkehr drängte eine bestimmte Berufs-Pflicht und der jähe Wechsel persönlicher Schicksale die weiteren Reisepläne in den Hintergrund. Ich trat Ostern 1861 das Lehramt an der Universität Jena an, weIches ich nunmehr seit 20 Jahren bekleide. Die Ferienzeit benutzte ich jedoch meistens nach dem Vorbilde meines großen Meisters und Freundes Johannes  M ü l 1 e r  zu zoologischen Studien-Reisen an die Meeresküste. Die besondere Vorliebe für das höchst interessante Studium der niederen Seethiere, vor Allen der Pflanzenthiere und Urthiere, in welches Johannes Müller persönlich mich 1854 in Helgoland eingeführt hatte, führte mich im Laufe des folgenden Vierteljahrhunderts nach und nach an die verschiedensten Küsten von Europa. In der Vorrede zu dem 1879 erschienenen „System der Medusen" habe ich eine Uebersicht der zahlreichen Küsten - Orte, an denen ich während dieses Zeitraums fischte und beobachtete, mikroskopirte und zeichnete, zusammengestellt. Immer blieben es vorzugsweise die mannichfaltigen Küsten des unvergleichlichen, in so vielen Beziehungen einzig dastehenden Mittelmeeres, welche vor allen anderen die größte Anziehungskraft ausübten. Indessen konnte ich auch zweimal die Grenzen dieses Lieblings-Gebietes überschreiten. Den Winter 1866/67 brachte ich auf den canarischen Inseln zu, größtentheils auf der vulcanischen fast vegetationslosen Insel Lanzerote. Jm Frühjahr 1873 machte ich von Suez aus auf einem ägyptischen Kriegsschiff einen wundervollen Ausflug nach Tur, zu den Korallenbänken des Rothen Meeres, über welchen ich in meinen „Arabischen Korallen" (1875) berichtet habe. Beide Male kam ich den Wendekreisen ganz nahe und blieb nur durch wenige Breitengrade von dem Tropen - Gürtel getrennt - allerdings beide Male von einem Bezirk deselben, der gerade seinen größten Reiz, den tropischen Vegetations - Reichthum am Dürftigsten entwickelt zeigt.

Je mehr aber der Naturforscher von unserer schönen Erden-Natur sieht und genießt, desto begieriger wird er nach weiterer Ausdehnung des Gesichtskreises. Nach einem herrlichen Herbst- Aufenthalte, den ich im Jahre 1880 auf dem SchIosse Portofino bei Genua, Dank der gütigen Gastfreundschaft des dortigen englischen Consuls, Mr. Montague-Brown, genossen hatte, kehrte ich gesättigt mit einer Fülle interessanter zoologischer und botanischer Erfahrungen nach dem stillen kleinen Jena zurück Aber schon wenige Wochen später führte mir der Zufall das hübsche Werk über  C e y l o n  von dem Wiener Maler  R a n s o n n e t   wieder in die Hand, und gerade die schönen Erinnerungen an Portofino ließen mir nun die großartigen, früher schon oft mit besonderer Sehnsucht betrachteten Naturwunder der indischen Zimmet-Insel doppelt reizend und begehrenswerth erscheinen. Ich schlug im Cursbuch die verschiedenen Routen nach Indien nach und ersah zu meiner Freude, daß der „Kampf um's Dasein" zwischen den verschiedenen indischen Dampfer-Linien die hohen Fahrpreise seit einigen Jahren sehr bedeutend herabgedrückt und voraussichtlich in gleichem Maße auch die mancherlei Unannehmlichskeiten der Reise vermindert hatte. Ganz besonders einladend aber erschien mir die Notiz, daß jetzt auch der österreichische Lloyd in Triest eine doppelte Dampfer-Linie nach Indien unterhält und daß beide Ceylon berühren. Von vielen Mittelmeer- Reisen her standen gerade die österreichischen Lloyd-Schiffe bei mir in bestem Andenken und durch ihre Benutzung durfte ich hoffen, meinen Zweck am sichersten, bequemsten und leichtesten zu erreichen.

Die Seereise von Triest über Aegypten und Aden nach Ceylon nimmt ungefähr 4 Wochen in Anspruch; davon kommen etwa 6 Tage auf die Strecke von Triest bis Port-Said, 2 Tage auf den Suez-Canal, 6 Tage auf das Rothse Meer und 11 Tage auf den indischen Ocean von Aden bis Ceylon.

3-4 Tage Aufenthalt fällt auf die berührten Stationen. Wenn ich also einen halbjährigen Urlaub erhielt, konnte ich 2 Monate auf die Hin- und Rückreise rechnen, 4 Monate auf den Aufenthalt in Ceylon selbst. Bei dem gesunden Klima und den geordneten Verhältnissen dieser schönen Insel bot die Reise keinerlei besondere Gefahren. Sodann bedachte ich weiter, daß ich im 48. Lebensjahre stehe und daß es somit an der Zeit sei, die Reise bald auszuführen, wenn sie überhaupt noch zur Ausführung kommen sollte. Umstände verschiedener Art, sie nicht hierher gehören, begünstigten einen raschen Entschluß und so entwarf ich mir denn zu Ostern 1881 den bestimmten Plan der Reise und begann alsbald zur Ausführung desselben zu schreiten. Der erforderliche Urlaub und eine ansehnliche Summe zur Anlegung einer Sammlung von indischen Naturalien wurde mir von der Großherzoglichen Staatsregierung in Weimar gern bewilligt. Um mich genügend dür die möglichste Ausbeutung der kurzen Reisezeit vorzubereiten, las ich die wichtigsten Werke, die über Ceylon und seine Natur-Producte bisher erschienen sind, vor Allem die treffliche und auch heute noch grundlegende Darstellung in  C a r l   R i t t e r' s  classischer „,Erdkunde" (Ostasien, Fünfter Band), Sodann das Hauptwerk des Engländers Sir Emerson Tennent: Ceylon, An account of the Island, physical, historical and topographical. London, 1860. Außerdem verglich ich eine Anzahl älterer und neuerer Reisebeschreibungen, welche Angaben über die Insel enthalten.

Weiterhin wurde der Apparat von Instrumenten und Utensilien zum Beobachten und Sammeln von Thieren, welcher mich stets auf meinen Reisen an die Meeresküste begleitet, auf's Neue hergerichtet, ergänzt und ansehnlich erweitert. Auch benutzte ich den Sommer zum Erlernen und Einüben einiger neuer, mir bisher unbekannter Künste, welche gerade für diese Reise befonders nützlich und wünschenswerth erschienen, als da sind: Oelmalerei, Photographie, der Gebrauch des Jagdgewehres, des Löthkolbens u. s. w. Da der klimatischen Verhältnisse wegen der Antritt der Reise vor Mitte October nicht räthlich erschien, verbrachte ich die Herbstferien noch in Jena, mit Zurüstungen aller Art und mit der Verpackung des umfangreichen Apparates beschäftigt. Obgleich meine speciellen Reifezwecke sich auf den engeren Kreis meiner Lieblingsstudien, besonders der Urthiere und Pflanzenthiere, beschränken sollten, so gab es immerhin genug andere naturwissenschaftliche Aufgaben, von denen ich einige vielleicht nebenbei fördern konnte und auf deren Behandlung ich mehr oder minder vorbereitet sein mußte.

Der Naturforscher, welcher heutzutage die Meeresküste aufsucht, um dort Untersuchungen über deren Thier- und Pflanzen-Leben anzustellen, kann nicht mehr mit einem Mikroskope, einem Präparir-Besteck und einigen anderen einfachen Instrumeuten sich begnügen, wie das noch vor 20, ja noch vor 10 Jahren möglich war. Die Methoden der biologischen und insbesondere der mikroskopischen Untersuchung haben sich in den letzten beiden Decennien außerordentlich entwickelt und vervollkommnet; ein verwickelter und umfangreicher Apparat von Werkzeugen der verschiedensten Art ist erforderlich, um nur einigermaßen den heute gestellten Aufgaben zu genügen.

Nicht weniger als 16 Kisten und Koffer waren es, welche ich in Triest für meine Reise einschiffte. Davon waren 2 Kisten bloß mit den nöthigsten wissenschaftlichen Büchern gefüllt, 2 andere enthielten die Mikroskope, die physikalischen und anatomischen Instrumente. In 2 Kisten waren die Apparate zum Sammeln und die Mittel zum Conferviren des Gesammelten verpackt, verlöthete Blechbüchsen mit verschiedenen Alkoholen und anderen Conservations - Flüssigkeiten, Carbolsäure, Arsenik etc. Diesen schlossen sich 2 andere Kisten an, welche bloß Gläser (einige tausend Stück) enthielten, sowie 2 Kisten mit Netzen und Fang-Apparaten aller Art, Schleppnetzen und Scharrnetzen zum Abkratzen des Seebodens, Mullnetzen und Schöpfnetzen zum Fang an der Meeres-Oberfläche. Eine besondere Kiste enthielt den photographischen Apparat, eine zweite die Utensilien zum Oelmalen und Aquarelliren, Zeichnen und Schreiben; eine dritte war gefüllt mit 40 in einander geschachtelten Blechkisten, so eingerichtet, daß ich die flachen Blechdeckel der würfelförmigen Kisten, nachdem diese mit Thieren gefüllt waren, mit leichter Mühe selbst auflöthen konnte; eine vierte Kiste enthielt ausschließlich die Munition für meine doppelläufige Jagdflinte: tausend Stück Patronen verschiedenen Kalibers. Die meisten der 14 Kisten waren mit Blech ausgeschlagen und zugelöthet, um auf alle Fälle ihren Inhalt während der längeren Seereise vor der verderblichen Nässe zu schützen. In 2 Blechkoffern endlich hatte ich die für die halbjährige Reise erforderlichen Kleidungsstücke und Wäsche untergebracht.

Angesichts dieser ansehnlichen Ausstattung, deren Zurüstung und Verpackung mir schon in Jena Sorge und Arbeit genug gemacht hatte, darf ich es wohl als ein besonderes Glück betrachten, daß ein Wunsch nicht in Erfüllung ging, den ich bei Beginn meines Unternehmens mit besonderer Wärme in's Auge gefaßt hatte. Bekanntlich haben unter allen Erforschungen des Meeres-Lebens in der neueren Zeit keine so großartige und überraschende Resultate zu Tage gefördert, als die Unter suchung der  T i e f s e e , welche wir in erster Linie den englischen Zoologen, Sir Wyville Thomson, Carpenter, John Murray, Moseley und Anderen verdanken. Während noch vor 20 Jahren der tiefe Ocean für leblos galt und allgemein das Dogma herrschte, daß unterhalb 2000 Fuß das organische Leben in den Meerestiefen überhaupt aufhöre, lehrten uns die großartigen Tiefsee - Forschungen der Engländer während des letzten Decenniums das Gegentheil. Es ergab sich, daß die Tiefen des Oceans, soweit man dieselben bis jetzt erforschen konnte, bis zu 27,000 Fuß hinab, mit Thieren der verschiedensten Classen reich bevölkert sind, und zwar mit Thieren, die größtentheils bisher völlig unbekannt waren und die in verschiedenen Tiefen-Zonen ähnliche Verschiedenheiten darbieten, wie die Flora-Gürtel in verschiedenen Gebirgshöhen.

Nun betreffen aber die bisherigen Tieffee-Untersuchungen, vor allen die denkwürdigen und unvergleichlichen Forschungen der "Challenger-Expedition", zum größten Theil den atlantischen Ocean, zum kleineren einige Abschnitte des pacifischen Oceans; hingegen wurde das ungeheure Gebiet des indischen Oceans von ihnen nicht berührt, oder nur eben im südlichsten Theile gestreift. Ein ungeahnter Reichthum von neuen, bisher unbekannten Tiefsee-Bewohnern wird zweifellos von demjenigen Naturforscher entdeckt werden, welcher das Glück haben wird, zum ersten Male das vervollkommnete Tiefsee - Netz der Gegenwart in die unerforschten Tiefen des indischen Oceans zu senken. Nun war es gewiß verzeihlich, daß sich beim ersten Entwurf meines Reiseplanes bereits in mir der Wunsch regte, jenen unbekannten Schatz zu heben. Warum sollte ich nicht der Erste sein, der einen Versuch dazu machte, einen mißlungenen Versuch vielleicht (- wie so viele andere ! -) aber doch einen ersten Versuch ! Freilich sind aber Tiefsee - Untersuchungen ein sehr kostspieliges Vergnügen, selbst wenn man dieselben - wie ich gethan haben würde - nur in möglichst einfacher und billiger Form unternimmt. Auf keinen Fall konnte ich daran denken, einen solchen Versuch mit meinen bescheidenen Privatmitteln zu unternehmen; wohl aber konnte ich versuchen, Mittel für jenen Zweck aus solchen Instituten zu erhalten, welche eigens zur Förderung wissenschaftlicher Unternehmungen gegründet sind. In Deutschland ist das bedeutendste und einflußreichste derartige Institut die Akademie der Wissenschaften in Berlin. Theils aus ihren eigenen reichen Fonds, theils aus denjenigen der Humboldt- Stiftung (über welche sie zu verfügen hat) haben bereits viele Reisende anfehnliche Unterstützungen erhalten.

Als ich nun Ostern 1881 gelegentlich eines kurzen Besuches in Berlin mit mehreren meiner dortigen Freunde die beabsichtigte indische Reise besprach, wurde ich von den Letzteren dringend aufgefordert, mich um das vacante Reise-Stipendium der Humboldt-Stiftung zu bewerben, um so mehr, als gerade jetzt eine sehr beträchtliche Summe disponibel sei. Ich muß gestehen, daß ich mich nur ungern und zögernd entschloß, dieser wohlwollenden Aufforderung meiner Berliner Collegen Folge zu leisten. Denn einerseits hatte ich alle meine früheren wissenschaftlichen Reisen, seit mehr als 25 Jahren, ohne jede derartige Unterstützung ausgeführt, und dabei die Kunst erlernt, unter Beschränkung auf das Nothwendigste auch mit bescheidenen Privatmitteln meine Reisezwecke zu erreichen. Andrerseits aber gehören bekanntlich die einflußreichsten Mitglieder der Berliner Akademie zu den eifrigsten Gegnern der Entwickelungslehre, deren Förderung und Ausbau ich mir seit vielen Jahren besonders hatte angelegen sein lassen. Wurde doch gerade dort dem unaufhaltsamen Fortschritte der Erkenntniß jene künstliche Schranke entgegen- gestellt, welche die Aufschrift "Ignorabimus et restringamur!" trägt, und welcher ich in meiner Schrift über "Freie Wissenschaft und freie Lehre" (1878) geantwortet habe: "Impavidi progrediamur!" Daß mir dieser Widerspruch niemals würde verziehen werden, wußte ich im Voraus. Ich war daher auch gar nicht überrascht, als ich einige Monate später von meinen Berliner Freunden erfuhr, daß die Akademie jenes Gesuch einfach abgewiefen habe.

Mein Wunsch, Tiefsee-Untersuchungen im indischen Ocean anzustellen, war dadurch allerdings vereitelt; es wird einem Verdienteren und Glücklicheren überlassen bleiben, die zoologischen Schätze seiner verborgenen Abgründe zu heben. Für mich wird hoffentlich auch die Oberfläche des tropischen Meeres so viel Neues und Interessantes bieten, daß die kurze, mir gegönnte Zeitspanne zu seiner vollen Bewältigung nicht ausreicht; und jedenfalls bleibt mir jetzt, wo ich ganz auf eigenen Füßen stehe, jenes höchste Gut gewahrt, auf dessen ungeschmälerten Besitz ich von jeher den größten Werth gelegt habe, die volle Freiheit und Unabhängigkeit!

Gegenüber diesen und anderen , wenig erfreulichen Erfahrungen, die ich bei der Zurüstung der Reise zu machen halte, sei es mir gestattet, der weitaus größeren Zahl derjenigen lieben Freunde meinen herzlichsten Dank abzustatten, welche sofort nach Mittheilung meines Planes demselben ihre wärmste Theilnahme schenkten und auf alle Weise denselben zu fördern suchten, vor allen Anderen Charles Darwin, Dr. Paul Rottenburg in Glasgow; Sir Wyville Thomson und John Murray in Edinburgh; ferner Professor Eduard Sueß in Wien, Baron von Königsbrunn in Gratz Heinrich Krauseneck und Linien-Schiffs-Capitän Radonetz in Triest. Nicht minder fühle ich mich verpflichtet , der Großherzoglichen Staatsregierung in Weimar für die wohlwollende Unterstützung meiner Reifezwecke hier meinen ergebensten Dank auszusprechen, vor Allen seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog C a r l Alexander von Sachsen-Weimar , dem Rector magnificentissimus der Universität Jena, sowie dem Erbgroßherzog. Durch ihre gütige Vermittelung erhielt ich eine directe Empfehlung des englischen Colonial-Ministers an den Gouverneur von Ceylon. Auch mit anderen Empfehlungen wurde ich reichlich ausgestattet. Endlich muß ich doch auch noch allen den lieben Freunden und Collegen in Jena hier dankbarst die Hand drücken, welche in der verschiedensten Weise bemüht waren , mir in meinen Reise-Zurüstungen behülflich zu sein.

Nachdem endlich alle Vorbereitungen vollendet und 12 meiner Kisten , mehrere Wochen vorher abgeschickt , bereits in Triest angekommen waren, verließ ich mein liebes stilles Jena am Morgen des 8. Octobers. Der Abschied war nicht leicht. Ich empfand gar sehr, was ich schon Wochen vorher mit steigender Bangigkeit empfunden hatte , daß eine halbjährige Trennung von Weib und Kind , eine Trennung durch einen Meeresraum von mehr als 5000 Seemeilen, für einen Familienvater, der im achtundvierzigsten Lebensjahr steht, keine leichte Aufgabe ist. Wie anders würde ich, mit frischestem Jugendmuthe ohne einen Schatten von Sorge, diese Reise in die Tropen vor 25 Jahren angetreten haben, damals, als sie mein heißester Lebenswunsch war und als ich alles daran setzte , um ihn zu verwirklichen Freilich konnte ich jetzt, durch zwanzigjährige Lehrthätigkeit mit den Aufgaben meines zoologischen Forschungsgebietes wohl vertraut , und im Voraus mit den besonderen Fragen meiner Reise-Aufgabe genau bekannt , sie besser zu beantworten und in kürzester Zeit , auf reiche Erfahrungen gestützt, größere Resultate zu erzielen hoffen , als damals, vor einem Viertel-Jahrhundert. Aber war ich selbst nicht auch um ebenso viel älter geworden? hatte ich nicht um so viel mehr an Elasticität des Geistes und Jugendkraft des Körpers eingebüßt? Und konnten jetzt, wo ich so viel tiefer in abstractere Gebiete der Naturforschung eingedrungen war, die concreten Wunderwerke selbst der reichsten Tropen-Natur noch einen ähnlichen Eindruck auf mich machen , wie sie damals sicher im höchsten Maße gemacht haben würden? War ich nicht wieder einmal, wie schon so oft, auf einem Punkte angekommen, wo meine rege Phantasie mir die schönsten Zauberbilder vor Augen führte und wo diese leider alsbald beim Eintritt in die nüchterne Wirklichkeit zu einer leeren Fata morgana zerflossen?

Solche und ähnliche Gedanken, gemischt mit den bittersten Empfindungen des schweren Abschieds von Familie und Heimath, durchzogen düsteren Nebelwolken gleich mein Gemüth, als mich die Saal - Eisenbahn in der Frühe des achten Octobers von Jena nach Leipzig führte. Und düstere kalte Herbst - Nebel waren es auch, die mich rings umgaben und die mein geliebtes Saalthal völlig erfüllten und verhüllten. Nur die höchsten Gipfel unsrer herrlichen Muschelkalk-Berge ragten frei aus dem wogenden Nebel - Meer empor , zur Rechten der langgestreckte Hausberg mit dem "röthlich - strahlenden Gipfel" , das stolze pyramiden-Haupt des Jenzig und die romantischen Ruinen der Kunitzburg; zur Linken die waldigen Höhen des Rauthals und weiterhin G o e t h e' s LiebIings-Aufenthalt, die reizende Dornburg. Ich rief meinen alten und vielgeliebten Bergfreunden das bestimmte Versprechen zu , im nächsten Frühjahr wohlbehalten und mit indischen Schätzen reich beladen zurückzukehren, und wie zur sicheren Bestätigung dieser frohen Hoffnung sendeten auch sie mir den freundlichsten Morgengruß zurück; noch während ich an ihren Füßen vorbeifuhr, sank zusehends der dichte Nebel von ihren Häuptern und Schultern und die siegreiche Morgensonne stieg goldig und strahlend am wolkenlos sich klärenden Himmel empor; der herrlichste Herbstmorgen entfaltete bald alle seine Reize und die Thautropfen sunkelten perlengleich in den dunkelblauen zartbewimperten Blüthenkelchen der schönen Gentianen, welche die begrasten Hügel zu beiden Seiten unserer Schienenstraße in Fülle schmückten.

Einige Stunden Aufenthalt in Leipzig beuntzte ich , um noch einige Lücken in meiner Reise - Ausrüstung auszufüllen, md in der städtischen Gemälde - Gallerie mich an den herrlichen Meisterwerken der Landschafts - Malerei von Preller, Calame , Gudin , Saal u.. s. w. zu erfreuen. Dann fuhr ich Nachmittags weiter nach Dresden und Abends von hier mit dem Nacht - Schnellzug in 12 Stunden nach Wien. Nach kurzem Aufenthalt vou wenigen Stunden reiste ich auf der Südbahn weiter nach Gratz. Es war ein prachtvoller sonniger Herbst-Sonntag und die Alpen-Scenerie des Semmering glänzte in ihrer vollen Schönheit. Hier in den waldigen Schluchten und auf den blumreichen Almen der Schönen Steiermark hatte ich vor 24 Jahren mit wahrer Leidenschaft botanisirt; jede Höhe des Schneeberges und der Rax-Alp stand mir noch in freundlichster Erinnerung. Der junge Doetor medicinae hatte damals mit weit mehr Interesse sich der interessanten Flora von Wien gewidmet , als den lehrreichen Kliniken von Oppolzer und Skoda , von Hebra und Siegmund. Beim Trocknen der gewaltigen Stöße von prächtigen zwerghaften Alpen-Pflanzen, welche ich damals auf den Höhen des Semmering gesammelt, hatte ich oft von der ganz verschiedenen Riesen- Flora Indiens und Brasiliens geträumt , welche die Gestaltungskraft des Pflanzenlebens in so ganz entgegengesetzter Form und Größe entwickelt zeigt; und nun sollte mir in einigen Wochen jener Traum zur unmittelbaren Wahrheit der Anschauung werden !

In Gratz , wo ich mich einen Tag aufhielt, fand ich treffliches Unterkommen im Hotel zum "Elephanten". Keinen passenderen Namen konnte der erste Gasthof führen , in dem ich auf einer Reise nach Indien übernachtete. Ist doch der Elephant nicht allein an sich eines der wichtigsten und interessantesten Thiere von Indien, Sondern speciell das typische Wappenthier von Ceylon. Da nun schon der "Elephant" von Gratz mich so freundlich aufnahm und bewirthete , nahm ich das als gutes Omen für die bevorstehende Bekanntschaft mit dem indischen Elephanten, die ich bald sowohl in gezähmtem als in wildem Zustande zu machen hoffte! Bei dieser Gelegenheit sei mir zu Nutz und Frommen wanderlustiger Genossen, die weniger auf zahlreiche schwarzbefrackte Kellner , als auf gute Verpflegung iu den Gasthöfen rechnen, eine beiläufige Bemerkung einzuflechten gestattet. Auf meinen vieljährigen Wanderungen, auf denen ich in den verschiedenartigsten Hotels und Herbergen aller Classen zu übernachten Gelegenheit hatte, glaube ich beobachtet zu haben, daß man auf die Beschaffenheit dieser gemeinnützigcn Institute bis zu einem gewissen Grade schon aus ihrem Namen *und Schilde schließen kann. Ich theile dieselben demnach in 3 Claffen, in zoologisch-botanische, dubiöse und dynastische Gasthäuser. Weitaus am besten fand ich durchschnittlich die zoologifch-botanischen Herbergen, als da sind: "Goldener Löwe, Schwarzer Bär, Weißes Roß, Rother Ochse, Silberner Schwan, Blauer Karpfen, Grüner Baum, Goldene Weintraube" u. s. w. Weniger sicher ist auf gute und billige Verpflegung in jenen Gasthöfen zu rechnen , welche vorher als bub iöse bezeichnet wurden und welche weder zur ersten noch zur dritten Gruppe gehören; sie führen sehr verfchiedenartige Namen (oft den der Besitzer selbst) und sind zu heterogener Qualität, als daß sich bestimmte allgemeine Schlüsse für ihre Beurtheilung ergeben könnten. Dagegen habe ich meistens nur trübe Erfahrungen (insbesondere über das umgekehrte Verhältniß der schlechten Verpflegung zu der theuren Rechnung!) in denjenigen Hôtels gemacht, die vorher als dynastische bezeichnet wurden, als da sind: "Kaiser von Rußland, König von Spanien, Kurfürst von Hessen , Prinz Carl" u. s w. Natürlich soll mit dieser Claffification kein allgemein gültiges Schema gegeben fein; aber im Ganzen wird , glaube ich, der kritische und anspruchslose Wanderer (besonders in jüngeren Jahren!) obige Eintheilung bestätigt finden; und namentlich der fahrende Künstler , der Maler und Naturforsch er. Der "Elephant" in Gratz entsprach vollständig seiner Ehrenstellung in der zoologischen Classe !

Zu dem Aufenthalt in Gratz war ich durch eine freundliche Einladung eines dortigen ausgezeichneten Landschafts Malers, des Barons Hermann von Königsbrunn, veranlaßt worden. Derselbe hatte mir vor mehreren Monaten geSchrieben, daß er von meiner beabsichtigten Reise nach Ceylon gehört; er selbs habe dort vor 28 Jahren höchst genußreiche acht Monate verlebt und eine große Zahl von Skizzen und Bildern, insbesondere von Vegetations - Ansichten gesammelt , die mir vielleicht von Interesse sein würden. Natürlich war mir diese freundliche Mittheilung sehr willkommen, und ich konnte keine bessere Vorbereitung für meine eigenen Skizzen von Ceylon finden, als die werthvollen Bilder-Mappen des Gratzer Künst lers. DerSelbe hatte seine Reise durch die Palmen- Wälder und die FarnSchluchten der Zimmet - InSel im Jahre 1853 gemacht , in Begleitung des Ritters von Friedan und des Pro fessors Schmarda in Wien , welch Letzterer seinen Aufenthalt auf der Insel in seiner "Reise um die Erde" ausführlich beSchrieben hat. Leider sind aber die zahlreichen und höchst werthvollen Zeichnungen, welche Baron von Königsbrunn dort entworfen hat und welche urSprünglich zur Illustration jenes Reise-Werkes dienen Sollten , niemals veröffentlicht worden. Das ist um so mehr zu bedauern , als sie zu den besten und .vollendetsten Kunftwerken dieSer Art gehören, welche ich kenne. Auch Alexander von Humboldt - gewiß ein competenter Richter - der sie König Friedrich Wilhelm IV. vorlegte, äußerte Sich über dieSelben in Ausdrücken des höchsten Lobes. Die Ceylon - Bilder von Könisgsbrunn vereinigen in sich zwei verSchiedene , gewissermaßen entgegengeSetzte Vorzüge, die leider nur Sehr selten in derartigen Kunstwerken vereinigt gefunden werden , und die doch beide nothwendig zuSammen kommen müssen , um denSelben wirklich den Stempel der Vollendung aufzuprägen: einerseits die größte Naturtreue in der gewissen haftesten Wiedergabe der Form - Einzelheiten, andrerseits die vollkommenste künstlerische Freiheit in der einheitlichen Behandlung und wirkungsvollen Composition des ganzen Bildes. Viele Bilder unserer berühmtesten LaudSch fter , welche der zweiten Anforderung völlig genügen, erfüllen die erstere nicht. AndererSeits lassen wieder viele sogenannte Vegetations-Ansichten, wie Sie geübte kenntnißreiche Botaniker gezeichnet haben , die freie ästhetiSche Auffassung des Künstlers nur zu sehr vermissen. Und doch ist das Eine eben so nothwendig wie das Andere; das analytiSche und objective Auge des Botanikers nicht minder, als der SynthetiSche und subjective Blick des Künstlers. Soll die Landschaft ein wahres Kunstwerk sein, so muß Sie gleich dem Porträt größte Naturtreue im Einzelnen mit charaktervoller Auflassung des Individuums als Ganzen verbinden; und das iSt bei den Ceylon-Bildern von Königsbrunn im höchSten Maß der Fall; sie erreichen in dieser Beziehung mindestens die berühmten "Vegetations - Ansichten" von Kittlitz, welche Alexander von Humboldt seiner Zeit als unübertroffenes Muster hinstellte und denen nur wenige andere an die Seite zu Setzen sind. Sei es mir hier gestattet, dem eben so liebenswürdigen und bescheidenen, als originellen und genialen Künstler neben meinem freundlichen Dank auch die Hoffnung auszuSprechen, daß seine herrlichen Kunstwerke aus der Verborgenheit Seines stillen Ateliers bald den wohlverdienten Weg in die Oeffentlichkeit und die gebührende Anerkennung finden mögen !

Nach herzlichem AbSchiede von einer Anzahl lieber alter und neuer Freunde, die ich in Gratz gesehen, setzte ich mich am Mittag des 11. Octobers wieder auf die Südbahn, um direct nach Triest zu fahren. Mir gegenüber nahm im Conpé ein älterer Herr Platz, den ich auf den ersten Blick als Engländer erkannte und der sich Schon in der ersten halben Stunde unSeres Gefpräches als eine mir Sehr interessante Persönlichkeit entpuppte, als Surgeon-General Dr. J Macbeth. DerSelbe hatte 33 Jahre als Arzt der englischen Armee in Judien, zuletzt als General - Arzt fungirt , an zahlreichen Kriegen Theil genommen und alle Theile Jndiens, von Afghanistan bis Malacca und vom Himalaya bis Ceylon bereist. Seine reichen Erfahrungen über Land und Leute, Sowie seine besonderen Beobachtungen als Arzt und Naturforscher waren für mich natürlich höchSt anziehend und lehrreich und ich bedauerte es fast, daß Abends 10 Uhr unSere Ankunft in Triest dieSer Unterhaltung ein Ende machte.

Die drei Tage in Triest, welche vor der Abfahrt des Lloyd-Dampfers noch übrig waren, wurden größtentheils mit BeSorgungen von Reise - Utensilien und Kisten angefüllt , die ich bis hierher verspart hatte. Ich wohnte während dieser Zeit bei meinem lieben hochverehrten Freunde Heinrich KrauSeneck (einem Neffen des berühmten preußiSchen Generals aus den Freiheits-Kriegen, welcher Freund und Camerad meines Vaters geweSen war). Die herzliche und überaus liebenswürdige Aufnahme , welche ich in der trefftichen Familie KrauSeneck Schon zu wiederholten Malen in Triest gefunden, that mir diesmal ganz besonders wohl, und erleichterte mir weSentlich den AbSchied von Europa. Auch andere alte liebe Freunde empfingen mich mit gewohnter Herzlichkeit, so daß ich diesmal, wie noch jedes mal früher, von der großen österreichiSchen Hafen-und Handels stadt, wie von einem Stück deutscher Heimath mich ungern trennte. Dabei verrannen die Stunden So raSch, daß ich nicht einmal zu einem erneuten Besuche des poetiSchen Miramare kam, jenes unvergleichlichen MeeresSchlosses, welches durch seine wunderbare Schönheit und Lage die naturgemäße Bühne für einen Act in der Tragödie "Kaiser Maximilian von Mexico" bildet - der dankbarste Stoff für einen Dramatiker der Zukunft.

Auch für einen Abstecher nach der nahen Bucht von Muggia blieb diesmal keine Zeit. Es ist dies die Schöne, an Seethieren reiche Bucht, welche zuerst durch Johannes Müller's Entdeckung der in Seegurken (Holothurien) wohnenden Wunderschnecke berühmt geworden ist (Entoconcha mirabilis). Ich hatte bei früheren BeSuchen Triest's fast jedes Mal* dort mit Erfolg gefiScht; aber dies Mal drängte die bevorstehende indische Fischerei die mediterrane in den Hintergrund. Und dann nahm die läStige Packerei mich noch vielfach in Anspruch. Bis zum Tage vor der Abreise waren bereits alle Kisten an Bord des Schiffes gebracht und alle Sonstigen noch übrigen Vorbereitungen zur Abreise getroffen. Sowohl hinsichtlich der Verpackung und des Transportes dieser umfangreichen Bagage als in Betreff meiner persönlichen Unterkunft und Bequemlichkeit als Schiffspassagier fand ich mit Rücksicht auf den wissenschaftlichen Zweck und Charakter meiner Reise die wirksamste Unterstützung und die freundlichste Aufmerksamkeit beim Directorium des österreichischen Lloyd. Da diese große und verdienstvolle Gesellschaft schon wiederholt für wissenschaftliche Reisen besondere Vergünstigungen und Erleichterungen gewährt hat, hegte ich einige Hoffnung auch für meine indische Reise dergleichen zu erlangen. Ich erhielt sie in reichstem Maße, und ich erfülle einfach eine Pflicht, wenn ich hier dem Director des Lloyd, Herrn Baron Marco di Morpurgo, Sowie den Verwaltungsräthen desselben, und unter ihnen ganz besonders meinem hochverehrten Freunde Herrn Linienschiffs - Capitän  R a d o n e t z  dafür meinen herzlichsten und aufrichtigsten Dank abstatte. Nicht allein wurde ich mit einem befonderen, Sehr wirksamen Empfehlungsschreiben an alle Agenten und Officiere des "Lloyd" ausgestattet, nicht allein wurde mir auf dem erwählten Schiffe eine der besten Cabinen erster Classe für mich allein bewilligt , sondern auch in pecuniärer Beziehung eine sehr wesentliche Erleichterung gewährt und außerdem alle möglichen Bequemlichkeiten zugesichert.

Und nun endlich zu Schiff! Auf das schöne und Sichere DampfSchiff, welches mich in vier Wochen nach I*ndien tragen Soll! I*ch hatte die Wahl zwischen zwei vortrefflichen Lloyd Dampfern, welche beide am 15. October gleichzeitig von Triest nach Indien abgingen und den Suez - Canal passirten. Der erste , "H e l i o s", berührt auf seiner Fahrt von Suez nur Aden und geht von da nach Bombay; hier verweilt er acht Tage und fährt dann nach Ceylon , weiter nach Singapore und Hongkong. Der zweite Dampfer "Polluce" berührt auf der Fahrt von Suez durch das Rothe Meer Djedda, den berühmten Hafenplatz für Mekka, und geht dann von Aden direct nach Ceylon, weiter nach Calcutta. Ich wählte für meine Fahrt den "Helios" , da ich So die beste Gelegenheit hatte, Bombay und ein Stück des indischen Festlandes zu Sehen, welches ich Sonst Schwerlich berührt haben würde. Außerdem war der "Helios" das bessere , Schnellere und größere Schiff, noch ganz neu und von Sehr einladendem AusSehen. Endlich zog mich Schon der Name des Schönen Schiffes ganz beSonders an. Oder konnte das Fahrzeug, welches mich aus den grauen Nebelgefilden der nordischen Heimath, wie in Faust's Zaubermantel, während der kurzen Frist eines Monates nach den Sonnen glänzenden und Sonnenstrahlenden Palmen - Wäldern Indiens trug, wohl einen besseren und glückverheißenderen Namen führen, als den des ewig jugendlichen Sonnengottes? Wollte ich ja doch eigentlich nur Sehen, was die allmächtige und allzeugende Sonne aus Land und Meer der Tropenzone üppig Schaffend hervorzubringen vermag! Nomen sit omen ! Warum Soll ich nicht auch mein Stückchen Aberglauben mit mir herumtragen, wie jeder andere MenSch? Und dann durfte ich ja um So sicherer auf die Gunst des "Helios"" rechnen, als ich Schon früher eine ganze Claffe von niedlichen strahlenden "Urthierchen" Heliozoa, d h. Sonnenthierchen genannt hatte, und als ich erst vor wenigen Wochen, beim Abschlusse meines neuen RadiolarienSystems , eine Anzahl neuer Gattungen dieSer reizennden Geschöpfchen dem "Helios" zu Ehren getauft hatte: Heliopha*cus, Heliosestrum, Heliostylus, Heliodrymus u. s. w. Also, mein hochverehrter "Helios", laß Dir dieSes zoologische Opfer wohlgefallen , und bring mich sicher und wohlbehalten nach I*ndien , wie ich unter Deinem Lichte dort arbeiten und unter Deinem Schutze im nächsten Frühjahr glücklich in die Heimath zurückkehren will!

Der "Helios" des österreichischen Lloyd gehört zu den größten und besten Schiffen der GesellSchaft , und da dieSes schwimmende Hotel mir während eines ganzen Monats die beste, reinlichste und freundlichste Herberge gewährt hat, gebührt es sich , daß ich hier einige kurze Notizen über seinen Körperbau einfüge. Die Länge des Schlanken , dreimastigen Schiffes beträgt 300 englische Fuß , die Breite 35 und die Höhe (vom Kiel bis zum Deck) 26 Fuß. Darüber erhebt sich noch ein Salon von 9 Fuß Höhe. Der Raumgehalt beträgt 2380 Tonnen. Die Dampfmaschine arbeitet mit 1200 Pferdekräften (400 nominal). Das vordere Drittel enthält die zweite Kajüte, mit einem Salon, und darüber die Ställe für unsern Schwimmenden Viehhof, mit ein paar Kühen und Kälbern, einer Herde stattlicher ungarischer Hammel mit langgewundenen Hörnern, und einer großen Anzahl Hühner und Enten. Im mittleren Drittel des Deckraumes befindet sich die gewaltige Dampfmaschine, die außer der Schraube auch das Dampf-Steuerruder, die verschiedenen Krahne und die Maschinen für elektriSches Licht in Bewegung Setzt; auch der Apparat für Destillation von Trinkwasser ist damit verbunden; und dahinter liegt ein großer Raum für das Gepäck der Passagiere. Das hintere Drittel des Schiffsraumes wird größtentheils von der ersten Kajüte eingenommen, welche zwei geräumige und lustige Salons besitzt, einen über und einen unter Deck; um den oberen Salon läuft eine offene Galerie, um den unteren die Reihe der Cabinen. Ein halbes Dutzend Cabinen, die beSonders freundlich und geräumig sind , liegt oben vor dem ob ern Salon, und eine von diesen ist meine Wohnung. Alle Cabinen sind Sehr bequem eingerichtet , mit luftigen Fenstern und mit elektriSchen Telegraphen ausgestattet. Außerdem findet sich noch hinter dem oberen Salon ein beSonderer kleiner RauchSalon, ferner eine Anzahl Bäder und anderer Einrichtungen, welche für die verwöhnten Indienfahrer der Gegenwart als unentbehrlich gelten; So namentlich unten im Bauche des Schiffes geräumige Eis kammern. Küche und Apotheke , sowie die meisten Cabinen der Officiere , liegen im Mittelraume. In dem geräumigen oberen Salon laufen ringsumher bequeme Divans mit Leder-Polstern und sind zwei Reihen breiter Tische aufgestellt, daran ein Theil der Passagiere Sich mit Essen , Spielen , Schreiben, Malen, oder anderen Arbeiten beSchäftigt; bei Schönem Wetter sind jedoch die meisten Passagiere oben auf dem freien Deck des Salons , welches durch doppeltes Zeltdach , Sowie durch Seitendächer gegen die glühenden Pfeile des tropischen Helios geschützt ist. Hier kann man nach Belieben Spazieren gehen, oder über die Galerien in das blaue Meer hinausschauen, oder auf den bequemen rohrgeflochtenen China-Stühlen lang hingestreckt zum Himmel emporträumen.

Schon am ersten Tage der Fahrt, bei ziemlich hochgehender See, zeigte Sich, daß unser jugendlicher "Helios" einen vortrefflichen Gang hatte und namentlich Sehr wenig rollte. BeSonders angenehm war die ungewöhnliche Sauberkeit an Bord und der Mangel jener entsetzlichen, aus Producten der Küche , des MaSchinenraums und der Cabinenluft zuSammen geSetzten Gerüche, wel*che bei älteren Schiffen gewöhnlich zu den widerwärtigsten EigenSchaften gehören und mehr zum Ausbruch der Seekrankheit beitragen , als die rollende oder stampfende Bewegung des Schiffes Selbst. So blieb ich denn auch während der ganzen Fahrt, gleich den meisten Passagieren, von der Seekrankheit verSchont. Das Wetter war jetzt unausgesetzt Sehr Schön und die See ruhig; unter den vielen Seefahrten, die ich unternommen, gehört diese längste zugleich zu den angenehmsten. Dazu trug nicht wenig die gute Gesellschaft bei, und der freund liche Verkehr mit den gefälligen und gebildeten Schiffsoffcieren; es sei mir gestattet, hier denselben - und beSonders dem Capitän Lazzarich und dem Schiffsarzt Dr. Jovanovich - für die vielen Gefälligkeiten , die sie mir während der ganzen Fahrt aufmerksam erwiesen, meinen freundlichsten Dank abzustatten. Auch die Bedienung und Verpflegung ließ nichts zu wünschen übrig , wie ich es gewöhnlich auf Lloyd-Schiffen gefunden habe.

Der regelmäßige Dampferverkehr zwischen Europa und Indien wird gegenwärtig durch vier verschiedene Gesellschaften vermittelt: 1) durch den österreichiSchen Lloyd in Triest; 2) durch die italiäniSche Rubattino-GesellSchaft in Neapel-Genua; 3) durch die französischen "Messageries maritimes" in Marseille, und 4) durch die engliSche "P.- and 0.-Company" (d. h. Peninsular - and Oriental Steam - Navigation - Company). Diese letztere führt die wöchentliche Ueberlandpost von England nach Indien (via Brindisi , Suez) Sie wird außerdem von der Mehrzahl der Engländer benutzt und von Allen , denen größtmögliche Schnelligkeit der Beförderung in erster Linie von Wichtigkeit ist. Die regelmäßigen Postschiffe der "P.- and 0." laufen nämlich 11-12 Seemeilen in der Stunde, während die der anderen Gesellschaften meistens nur 8 - 10 Meilen machen (unser "Helios" 9). Diefe beträchtliche Differenz der Geschwindigkeit ist lediglich eine Frage des Geldpunktes. Die Mehrkosten des Schnellen Laufes sind nämlich ganz unverhältnißmäßig; ein Dampfer, der 12 Meilen statt 8 in der Stunde macht (also 1/3 mehr) , braucht nicht etwa 1/3 mehr Kohlen, Sondern 3 mal so viel; statt 8 Kohlenladungen nicht 12, sondern 24! DieSe enormen Mehrkosten werden für die P.- and 0.- Schiffe durch eine beSondere Subvention der engliSchen Regierung gedeckt , der es natürlich von größter Wichtigkeit ist, regelmäßsg jede Woche eine Courierpost zwiSchen England und Indien auf möglichst Schnelle Weise zu befördern. Die übrigen GeSellSchaften, die dieses Interesse nicht haben, können in dieSer Beziehung nicht mit der "P.- and 0." concurriren. Aber dafür kostet auch ein directes Fahrbillet erster Classe von Brindisi nach Bombay bei der "P.- and 0." 66 Pfd. Sterling, bei dem österreichischen Lloyd 44 Pfd. Sterling, also ein volles Drittel mehr; das macht bei Hin - und Rückreise zusammen eine Differenz von 880 Mark; und dafür kann man ja im nächsten Herbste nach der Rückkehr schon eine recht schöne Schweizerreise zur Erholung machen !

Die größere Geschwindigkeit ist aber auch der einzige Vorzug , welchen die theuren P.- and 0.-Schiffe vor denjenigen der drei anderen Gesellschaften voraus haben. Die Verpflegung ist bedeutend Schlechter als auf diesen, und die Equipage (vom Capitän und ersten Lieutenant bis zum Stewart und Cajütenwärter hinunter) zeichnet sich in der Regel nicht durch besondere Gefälligkeit und Höflichkeit aus; gerade in dieser Beziehung hört man mehr Klagen , als bei den drei anderen GeSellSchaften. Außerdem sind die P.- and 0.-Schiffe gewöhnlich überfüllt und mit einem Haufen indiScher DienerSchaft ausgestattet, die viel mehr lästig als nützlich ist. Letzteres soll auch auf den großen französiSchen (Sonst vortrefflichen) MessagerieSchiffen unbequem sein, während auf den italiäniSchen Rubattino Schiffen wieder die Bequemlichkeit und Reinlichkeit der Cabinen Manches zu wünschen übrig lassen soll. Ich theile diese Notizen zu Nutz' und Frommen anderer Indienfahrer mit, nach den übereinstimmenden Angaben vieler Reisenden, die ich theils früher, theils jetzt auf dieser Reise befragt habe (und die größere Hälfte meiner Gewährsmänner sind selbst Engländer); demnach wären am meisten die österreichischen Lloydschiffe zu empfehlen, Sodann die italiänischen Rubattino oder die französischen Messageries, am wenigsten aber die „P.- and 0."

Die Gesellschaft, die sich am Mittag des 15. Octobers in Triest an Bord des "Helios" zur Abfahrt versammelt hatte und die (außer mir und einem ungarischen Grafen, der nach Singapore ging) sämmtlich nach Bombay fuhr, bestand zur größeren Hälfte aus Engländern , theils Officieren und Beamten , theils Kaufleuten. Die kleinere Hälfte wurde durch Deutsche und Oesterreicher gebildet, theils Kaufleute aus Bombay, theils Missionare. Das schöne Geschlecht war unter der Gesellschaft nur sehr schwach vertreten, nur durch eine einzige Deutsche und fünf Engländerinnen. Unsere liebenswürdige Landsmännin trug sehr wesentlich zur angenehmen Unterhaltung bei und erfreute Abends durch ihren Gesang am Clavier die ganze Gesellschaft. Sie hatte den Sommer bei ihren Kindern in Frankfurt a. M zugebracht und kehrte jetzt für den Winter zu ihrem Gatten nach Bombay zurück - eine halbjährige Theilung zwischen Mutterliebe und Gattenliebe, wie sie leider den meisten deutschen und englischen Familien, die um ihre aufwachsenden Kinder besorgt sind , zur Pflicht wird. Denn nicht allein der ungünstige Einfluß des tropischen Klimas auf die zarte Natur der europäischen, in Indien geborenen Kinder, sondern auch und noch mehr die verderblichen moralischen Eindrücke, welche dort der unvermeidliche Verkehr mit den Eingeborenen auf Schritt und Tritt mit sich bringt, So wie das Bedürfniß eines guten geregelten Schulunterrichts nöthigen die meisten gebildeten Familien, ihre Kinder nach Ablauf der ersten Lebensjahre zur Erziehung nach England oder Deutschland zu schicken. Außer unserer schönen Landsmännin waren auch mehrere englische Damen an Bord , welche dergestalt regelmäßig zwischen Bombay und Europa hin- und herreisten , den Sommer mit den Kindern hier, den Winter mit ihrem Gatten dort verlebten. Aber freilich bleibt das, von der leidigen zweimonatlichen Reise abgesehen, immer doch ein sehr unvollkommenes Familienleben; und es ist sehr natürlich , daß der gebildete europäische Kaufmann in Indien vor Allem danach strebt , seinen Aufenthalt daselbst möglichst abzukürzen und in möglichst wenigen Jahren so viel Vermögen zu erwerben, um bald nach der nordischen Heimath zurückkehren zu können. Die Sehnsucht nach der letzteren bleibt doch bei den Meisten der beständige Leitstern ihrer emsigen Thätigkeit, wie sehr sie auch in mancher Beziehung durch die Bequemlichkeiten und Genüsse des indischen Lebens verwöhnt werden mögen.

Wie es auf mehrwöchentlichen Seereisen zu gehen pflegt, wurde die GeSellschaft schon in den ersten Tagen mit einander ziemlich bekannt und bildeten sich kleinere Gruppen, die in näheren Verkehr mit einander traten. Die deutschen und englischen Missionäre (darunter auch ein amerikanischer, Mr. Rowe, der ein recht gutes Buch über Indien: „Every-Day-Life in India" geschrieben hat) bildeten eine Gruppe für sich; eine zweite die englischen Officiere , Beamten und Kaufleute, eine dritte die deutschen und österreichischen Landsleute, denen sich auch Capitän und Doctor, sowie ich selbst anschlossen. Das Wetter war fast während der ganzen Reise gleichmäßig Schön, der Himmel heiter und sonnig, das Meer glatt oder nur mäßig bewegt, und pünktlich zur festgesetzten Zeit erreichte unser trefflicher Dampfer seine einzelnen Stationen. Die Seekrankheit forderte diesmal nur wenige und kurze Opfer: andrerseits gewann aber auch durch die Gleichmäßigkeit der günstigen Fahrt die unausbleibliche Langeweile bei der Mehrzahl der Passagiere immer mehr die Oberhand. Alles, was gegen dieselbe gewöhnlich versucht wird: Lesen und Schreiben, Schach- und KartenSpiel, Clavierspiel und Gesang - hatte bei den Meisten schon im Laufe der ersten Woche seine Wirksamkeit mehr und mehr eingebüßt; und so wurden denn die fünf Mahlzeiten, durch welche der Tag auf Indien-Dampfern in fünf Perioden getheilt wird, immer mehr zur wichtigsten Beschäftigung. Leider ist mein armer deutscher Professorenmagen von jeher ziemlich schwacher Natur gewesen; obwohl ich nur selten (nur bei recht schlechtem Wetter und starkem Schiffsschaukeln) seekrank werde, verliere ich doch jedesmal auf längerer Seefahrt den gesunden Appetit, der sich bei vielen anderen Passagieren in zunehmender Progression entwickelt. Um so besser konnte ich als objectiver Zuschauer Betrachtungen über die colossale Leistungsfähigkeit der Letzteren austellen und über den unglaublichen Grad, welchen auf See die von den Physiologen sogenannte „Luxusconnsumtion" erreicht, d. h. die Aufnahme überflüssiger Massen von Speisen und Getränken, welche zur Unterhaltung des gesunden Körpers absolut nicht erforderlich sind. Von jeher hatte ich in dieser Beziehung schon die erstaunliche Capacität unserer besser situirten Stammesgenossen jenseits des Canals mit stillem Neide bewundert, die ebensowohl zu Land wie zur See uns Deutschen weitaus überlegen sind; aber das, was ich auf dem „Helios" von einem englischen Major leisten sah, übertraf alle meine früheren Beobachtungen. Nicht allein nahm dieser Biedere sämmtliche fünf regelmäßigen Mahlzeiten in doppelter Quantität vollständig zu sich und trank dazu täglich seine paar Flaschen Wein und Bier, sondern auch die kurzen Zwischenpausen zwischen ersteren wußte er noch in sinnreichster Weise durch Consumtion von Naschwerk und verschiedenen Getränken auszufüllen. Mir schien dieses gastronomische Wunderthier bereits jene höchste Höhe der Entwickelung erreicht zu haben, auf welcher die Verdauungsorgane ununterbrochen thätig sind; und ich vermuthe fast, daß er diese Thätigkeit auch Nachts fortsetzte, da ich ihn schon am frühen Morgen in unzurechnungsfähigem Zustande aus seiner Cabine taumeln sah. Freilich hörte ich auch wiederholt behaupten, daß der größere Theil der Engländer, die in Indien erkranken und sterben, sich ihr Schicksal selbst durch solche Unmäßigkeit zuziehen.

Was nun jene fünf berühmten Mahlzeiten an Bord der Indienfahrer betrifft, so bilden Sie einen zu wichtigen (ja für die allermeisten den wichtigsten!) Theil des Lebens an Bord, als daß ich nicht den wißbegierigen Leser mit ihrer Composition nach dem Reglement bekannt zu machen mich verpflichtet fühlte. Also Morgens 8 Uhr Kaffee und Brot, um 10 Uhr großes Frühstück (mit Eierspeisen, zwei warmen Fleischspeisen, „Curry and Rice", Gemüsen und Früchten), um 1 Uhr das indische „Tiffin" (kalte Fleischspeisen mit Butterbrot und Kartoffeln, Thee), um 5 Uhr das große Diner (mit Suppe, drei verschiedenen Fleischspeisen und Zugaben, Mehlspeise, Dessert: Früchte und Kaffee) und endlich um 8 Uhr Thee mit Butterbrot etc. Ich selbst beschränkte meine gastronomische Beschäftigung auf die erste, dritte und vierte Aufgabe und konnte auch von dieser immer nur einen Theil lösen. Die meisten Passagiere ließen sich aber keinen der fünf Genüsse entgehen, und begaben sich nach jedem derselben an Bord, um entweder eine halbe Stunde zu promeniren, oder in einem bequemen Chinastuhl zu sinken und dort mit lang ausgestreckten Gliedmaßen Betrachtungen über die umgebende Natur, über die Wolken des Himmels und die Bläue des Wassers anzustellen. Höchst willkommene Anregungen zu gesteigerter Seelenthätigkeit bilden unter diesen Umständen einzelne Thiere, welche die Monotonie der ruhigen See unterbrechen: Delphine, die in anmuthigem Spiel scharenweise um das Schiff sich herumtummeln und ihren Rücken oft weit außer Wasser heben, Möven und Sturmvögel, die in weitem Bogen umherschwärmen und tauchend nach Fischen jagen; fliegende Fische, die scharenweis aus der glatten Fläche des Meeres auftauchen und eine kürzere oder längere Strecke, Enten gleich, über den Wasserspiegel flattern. Ich selbst erfreute mich vor Allem an dem gewohnten Anblick meiner alten Lieblinge, den zarten Medusen, deren schwimmende Scharen mir weder im Mittelmeer noch im indischen Ocean fehlten; ich bedauerte nur immer lebhaft (wie schon so oft früher), daß der rasche Lauf des Schiffes mich verhinderte, die schönen Nesselthiere mittelst eines herabgelassenen Eimers an Bord zu ziehen. Diesmal traf ich im Mittelmeer besonders zahlreich zwei große Wurzelquallen, die blaue Pilema pulmo und die goldbraune Cotylorhiza tuberculata; im indischen Ocean hingegen zwei schöne Fahnenquallen, eine rosenrothe Aurelia und eine dunkelrothe Pelagia.

Unsere 24tägige Fahrt von Triest bis Bombay verlief unter den angegebenen günstigen Umständen so normal und regelrecht, daß im Ganzen nur sehr wenig darüber zu sagen ist. Nachmittags 4 Uhr am 15. October lichtete der „Helios" in Triest die Anker und wir dampften nach herzlichem Abschiede von den lieben Triester Freunden beim schönsten Herbstwetter in die blaue Adria hinaus. Auf früheren Fahrten durch dieselbe hatte ich meistens die malerischen Küsten von Istrien und Dalmatien im Auge gehabt, und die rosmarin duftenden Inseln Lissa und Lesina, auf welcher letzteren ich 1871 einen genußreichen Monat im malerischen Franciscaner Kloster beim trefflichen Padre Buona Grazia verlebt hatte. Diesmal nahm jedoch unser Helios gleich von Anfang an den Curs mehr westlich, nach der Mitte des adriatischen Meeres zu, da wir in Brindisi anlegen sollten, um noch einige Passagiere einzunehmen. Auf der Höhe von Canossa lagerte westwärts eine Schwarze Wolke; wahrscheinlich der Schatten des - - doch ich will hier nicht von Politik reden. Wir langten am 17. October Morgens in Brindisi an und blieben bis Mittag dort liegen. Ich brachte einige Stunden am Lande zu, besichtigte die wenigen und unbedeutenden Ueberreste des alten Brundusium und wanderte längs der Wälle nach dem Bahnhofe. Dieser entspricht ebensowenig als die moderne Stadt selbst dem bedeutenden Namen, den sie seit Eröffnung des Suezkanals als Knotenpunkt des Weltverkehrs erlangt hat. Die Ueberlandpost vom Continent wird sofort nach der Ankunft des Courierzuges in Brindisi an Bord des Postdampfers gebracht und auch die Passagiere (Sowohl die nach Indien gehenden, als die von dort kommenden) scheinen nicht das Bedürfniß eines Aufenthalts in Brindisi, wenn auch nur zu kurzer Erholung, zu fühlen. Wenigstens steht das einzige Hôtel des Ortes meist öde und leer. Es war gewiß sehr charakteristisch, daß auf dem Bahnhofe Todtenstille herrschte und außer dem Telegraphisten Montag Vormittag 10 Uhr nur noch der Portier zu finden war. Die flache Küstenlandschaft von Brindisi, mit Gemüsegärten und Rohrpflanzungen, hier und da einigen zerstreuten Dattelpalmen , bietet wenig. Nur ein altes Kloster außerhalb der Stadt (südlich) mit einem schlanken Thurm und einer stattlichen runden Kuppel, von einem verwilderten Garten umgeben, im Vordergrunde Opuntien - und Agavenbüsche, lieferte ein hübSches Bild und das erste Object für's Skizzenbuch.

Ein englischer General nebst Familie und Gefolge , den wir hatten an Bord nehmen sollen, erschien nicht , weil sein Gepäck auf der Eisenbahn zurückgelassen worden war, und so dampften wir denn ohne ihn am Nachmittagn weiter. Am folgenden Morgen fuhren wir bei andauernd ruhigem und Sonnigem Wetter l*ängs der ionischen Inseln hin. Ich begrüßte mit Freuden die stattliche Insel Cephalonia und ihr waldgekröntses Haupt, den stolzen Monte nero; auf seinem schneebedeckten Gipfel hatte ich im April 1877 unter Führung eines lieben Gastfreundes, des deutschen Consuls Tool in Argostoli , einen unvergeßlichen Tag verlebt, umrauscht von den breiten Wipfeln und gelagert unter den mächtigen Stäm men der Pinus cephaloniea, einer edlen Tannenart, die einzig und allein auf dieser Insel sich findet. Weiterhin erschien die holde Insel Zante "Fior' di Levante" - wir fuhren so nahe längs ihres maleriSchen Südufers hin, daß wir die lange Reihe hochgewölbter Grotten und Schluchten in dem zerklüfteten rothen Marmor ihres Felsengestades genau betrachten konnten. Am Nachmittage erschien links das Gebirgsland von Arcadien, rechts das einsame Eiland Stamphania; spät am Abend passirten wir das Schlachtberühmte Navarino. Nicht minder anziehend und malerisch war der Anblick des stattlichen Candia, längs dessen schluchtenreicher Südküste wir am 19. October wiederum bei achönster Beleuchtung den größten Theil des Tags entlang fuhren. Leichte weiße Haufwolken, von frischer Brise gejagt, zogen in großer Anzahl über den tiefblauen Himmel und warfen wechselnde Schatten über den mächtigen Felsenleib der stattlichen Insel. Auch das Schneegekrönte Haupt des Ida, des sagenreichen Göttersitzes, erschien bald frei, bald in Wolken gehüllt. Nachdem wir Abends die beiden Gaudo-Jnfeln passirt, hatten wir am folgenden Tage nur Meer in Sicht. Die Nähe der afrikanischen Küste machte sich durch bedeutende Zunahme der Wärme fühlbar, und wir vertauschten die bisher getragene warme Kleidung mit leichterem Sommerzeug.

Als wir am 21. October Morgens das Verdeck betraten, war zwar von der ägyptischen Küste noch Nichts zu sehen; aber das Mittelmeer hatte schon seine unvergleichlich reine und tiefe blaue Farbe verloren und erschien grünlich angehaucht. Je weiter wir vorrückten, desto mehr nahm die grüne Färbung zu; gegen Mittag ging sie in ein schmutziges Gelbgrün über: die Wirkung der Schlammfluthen des Nils. Zugleich erschienen eine Menge kleiner Segel, meistens von arabischen Fischerbarken. Eine große Seeschildkröte (Chelonia caouana) trieb schwimmend an unserem Schiffe vorüber. Zahlreiche Landvögel kamen an Bord geflogen. Um 12 Uhr Mittags erblickten wir den Leuchtthurm von Damiette; um 4 Uhr kam in einem kleinen Steam-Lunch der arabische Pilot an Bord, und eine Stunde später warfen wir in Port-Said Anker, an der nördlichen Kopfstation des Suezcanals.

Da der „Helios" in Port-Said Kohlen und Lebensmittel bis Bombay einzunehmen hatte, blieb er einen ganzen Tag hier liegen. Ich ging noch am Abend mit einigen anderen Passagieren an Land, ergötzte mich an dem bunten ägyptischen Straßenleben und traf in einem Café den Doctor und einige Passagiere von dem Lloyddampfer „Polluce", der direct nach Ceylon und Calcutta ging und gleichzeitig mit uns angekommen war. Am folgenden Morgen (22.) bestieg ich den Leuchttburm von Port-Said. Er ist einer der größten der Welt, 160 Fuß hoch, und sein elektrisches Licht 21 Seemeilen weit sichtbar. Die mächtigen Mauern sind aus denselben Betonblöcken gebaut wie die Molen des Hafens, aus Würfeln einer künstlischen Steinmasse , welche aus 7 Theilen Wüstensand und 1 Theil französischen hydraulischen Kalkes bereitet wird. Die Aussicht von der Höhe des Leuchtthurms entsprach keineswegs meinen Erwartungen, da man außer Port-Said selbst und seiner nächsten, ganz flachen und sandigen Umgebung ringsum nur Wasser erblickt. Nächstdem besichtigte ich die kostbaren künstlichen Hafenanlagen, welche hier mit ungeheuren Kosten und Mühen zur Sicherung des nördlichen Eingangs des Suezcanals geschaffen worden sind. Nicht allein mußte man das Hafenbecken selbst tief ausbaggern, sondern auch zwei colossale parallele Steindämme weit ins Meer hinausführen, um den beiden Hauptfeinden der kostbaren Anlage zu begegnen: den Schlamm-Massen, welche von den Nilmündungen durch die westliche Strömung ostwärts geführt werden, und den Sandwolken, welche die vorherrschenden Nordwestwinde in das Meer werfen. Daher ist der westliche der beiden Molen gegen 3000 Meter lang und bedeutend stärker als der halb so lange östliche. Zu ihrer Construction wurden gegen 30,000 Betonblöcke verwendet, deren jeder 10 Kubikmeter mißt und 20,000 Kilogramm wiegt. Vom Hafen wanderte ich nach der Araberstadt, welche von dem europäiSchen Port-Said durch einen breiten Streifen Sandwüste getrennt ist; Sowohl erstere wie letztere besteht aus parallelen Straßenreihen, die sich regelmäßig unter rechten Winkeln kreuzen. Das bunte und malerische Treiben in der schmutzigen Araberstadt bietet dieselben originellen und mannigfaltigen Bilder , die man in jeder kleineren ägyptischen Stadt, wie in den Vorstädten von Cairo und Alexandrien findet. Das europäische Port-Said, besteht größtentheils aus Reihen von Kaufläden. Die gesammte Einwohnerzahl beträgt gegen 10,000. Die Hoffnungen, die man bei Anlage der Stadt auf ihr großartiges Aufblühen setzte, haben sich nur zum kleinernen Theil verwirklicht, und das prachtvolle palastartige „Hôtel der Nederlanden" , welches 1876 eröffnet wurde, steht jetzt schon leer und verlassen da.

Ich versorgte mich in Port-Said noch mit einigen nützlichen Reiseartikeln, die jeder regelrechte Indienfahrer für unentbehrlich hält, insbesondere einem leichten breitkrämpigen weißen Sonnenhut (Solà hat) und einem langen, aus Bambusrohr geflochtenen „Chinastuhl", einer sehr luftigen und bequemen Long-Chaise. Dann fuhr ich an Bord unseres Helios zurück, welcher am Nachmittag die Fahrt durch den Suezcanal begann. Ueber dieses Wunderwerk der Neuzeit ist in den letzten Jahren so viel geschrieben und geredet worden, daß ich hier keinen Raum mit Wiederholung allbekannter Thatsachen verlieren und mich auf einige Bemerkungen über den gegenwärtigen Stand des Unternehmens beschränken will. Als ich 1873 in Suez war (drei Jahre nach der Verkehrseröffnung), waren die pessimistischen Ansichten über den Erfolg des Canals ganz überwiegend; man glaubte, daß die Schwierigkeiten und Kosten seiner Unterhaltung immer größer bleiben würden, als die vermuthlichen Einnahmen. Das hat sich seit acht Jahren vollständig verändert; die Rentabilität des großartigen Werkes ist seitdem nicht nur erwiesen worden, sondern hat auch unerwartete Dimensionen angenommen, und zwar in stetig wachsender Progression. Die englische Regierung hat somit, als sie 1875 den größeren Theil der Canalactien zur großen Bestürzung der Franzosen ankaufte, nicht nur in politischer, sondern auch in finanzieller Beziehung ein vorzügliches Geschäft gemacht. Allerdings bleibt die Unterhaltung des Canals (insbesondere wegen des ununterbrochenen nothwendigen Baggerns immer noch Sehr kostspielig. Allein das Wachsthum der Einnahmen ist So bedeutend , daß es voraussichtlich in kurzer Zeit schon ansehnliche Ueberschüsse ergeben wird. Ein großer Uebelstand für die Schnelligkeit der Beförderung besteht gegenwärtig noch darin , daß im größten Theil seiner Länge der Canalraum gleichzeitig nur ein einziges großes Schiff aufnehmen kann, von höchstens 7 1/2 Meter Tiefgang. Daher sind von Strecke zu Strecke breitere Ausweichestellen angebracht, an denen die sich begegnenden Dampfer an einander vorüberfahren; hier muß man oft stundenlang warten, bis die entgegenkommenden Schiffe vorbei sind. Im nächsten Jahrhundert wird voraussichtlich der Canal entweder um mehr als das Doppelte verbreitert oder selbst in eine doppelte Linie getheilt sein, So daß beständig ein nordwärts und ein anderer südwärts gehender Zug von Schiffen ungehindert und ununterbrochen folgen kann.

- Die ganze Länge des Suezcanals beträgt 160 Kilometer oder 90 Seemeilen; die Breite des Wafferspiegels 80 bis 110 Meter, die des Canalbodens aber nur 22 Meter. Die gewöhnliche Fahrzeit beträgt 16-20 Stunden; sie wird aber oft beträchtlich verlängert, wenn man auf eine größere Zahl entgegenkommender Schiffe an den Stationen warten muß, oder wenn ein Schiff (wie es nicht selten pasirt) im Schlamme stecken bleibt. Wir Selbst verloren kurz vor Suez einen ganzen Tag , weil ein englischer Steamer sich festgefahren hatte und erst nach theilweiser Ausladung bei Eintritt der Fluth wieder flott wurde. Jedes Schiff, das den Canal passirt, wird von einem Piloten begleitet; dieser hat hauptsächlich dafür zu sorgen , daß die Fahrgeschwindigkeit nicht über fünf Meilen in der Stunde beträgt; weil sonst der verstärkte Wellenschlag die Ufer zu sehr beschädigen würde. In der Regel durchfahren die Dampfer den Canal nur bei Tage; bei hellem Mondschein auch durch einen Theil der Nacht. An Passagegebühren hatte unser Helios circa 2000 Francs zu entrichten; sie betragen für jede Tonne 10 Frcs., für jeden Passagier 12 Frcs.

Den größten Theil des Suezcanals durchfuhren wir am 23. October. Der Morgen im Menzaleh-See war erquickend frisch und Schön: die Sandbänke im See erschienen mit Tausenden von Pelicanen, Flamingos, Reihern und andern Wasservögeln dicht bedeckt. Hinter den folgenden Ballah-Seen traten wir in den engeren Theil des Canals, welcher die hohe „Schwelle" (El Gisr) durchSchneidet. Es ist dies die höchste Bodenerhebung der Landenge von Suez, durchSchnittlich 50 Fuß über dem Niveau des Meeres gelegen. Die hohen Sandwälle zu beiden Seiten des Canals sind hier stellenweise mit grauem Tamariskengebüsch dicht bewachsen. Zahlreiche nackte arabische Kinder erschienen und bettelten um „Backschisch"; einige Knaben spielten die Flöte und tanzten mit ziemlicher Grazie. Um Mittag passirten wir die verödete, von Lesseps gegründete Stadt Ismailia und Abends ankerten wir in den großen "Bitterseen".

Nach Einbruch der Dunkelheit stellte der erste Ingenieur des "Helios" Versuche mit elektrischem Lichte an, die glänzend ausfielen. Seiner freundlichen Einladung folgend besichtigte ich im unteren Maschinenraum den neu construirten Apparat, dessen Motor durch die Dampfmaschine des Schiffes in Bewegung gesetzt wird. Hierbei erlitt ich einen kleinen Unfall, der leicht die schlimmsten Folgen hätte haben können. Während ich mir das Detail der Einrichtung zeigen ließ und dabei einen Schritt näher herantrat, glitt mein rechter Fuß auf dem glatten Boden aus und im selben Moment erhielt der freischwebende linke Fuß unterhalb des Kniegelenks einen Schlag von dem ihn berührenden Motor des elektrischen Apparates, welcher in der Minute 1200 Umdrehungen macht. Ich stürzte zusammen und fürchtete , daß das Bein gebrochen sei; indessen ergab sich glücklicher Weise nur eine sehr heftige Contusion. Wäre ich nach der anderen Seite gefallen, So hätte mich die MaSchine in Stücken geschlagen. Durch EisumSchläge, welche ich sofort anwendete und zwei Tage lang fortsetzte, wurden die schlimmen Folgen größtentheils gehoben; doch blieb das Bein noch vierzehn Tage lang geschwollen und erst kurz vor der Ankunft in Bombay erlangte ich wieder den freien Gebrauch desselben. Unter allen denkbaren "Gefahren" einer Tropenreise hätte ich an einen derartigen Unfall am Wenigsten gedacht. Er war um so unangenehmer, als er sich kurz vor unserem Eintritt in das Rothe Meer ereignete und mich zwang, mehrere Tage unten in der Cabine zu liegen.

Von allen Indienfahrern wird das  R  o t h e   M e e r  als der heißeste und unangenehmste Theil der Reise am meisten gefürchtet; und obgleich wir uns bereits in der kühleren Jahreszeit befanden, hatten wir doch volle Gelegenheit, uns aufs Neue von der guten Begründung jener Furcht zu überzeugen. Allerdings liegt das Rothe Meer (oder der arabische Golf) mit seinem nördlichen Drittel noch außerhalb des Wendekreises; aber trotzdem ist es in seiner ganzen Ausdehnung als ein echtes „Tropenmeer"zu bezeichnen. In seiner ganzen Ausdehnung von Suez bis Perim, vom 30 - 18o N. Br., trägt es denselben Charakter , besitzt es nahezu dieselbe Flora und Fauna, ist es durch gleiche physikalische Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet. Die Unterschiede zwischen den beiden Enden des langgestreckten, 300 Meilen langen Golfes sind in jeder Beziehung viel geringer, als die Unterschiede zwischen dem Rothen Meere bei Suez und dem Mittelmeer bei Port-Said, obgleich beide nur durch die schmale Brücke der Landenge getrennt werden. Aber diese schmale Brücke, die Asien mit Afrika verbindet, besteht schon seit Millionen von Jahren, und in Folge dessen hat sich die Thier- und Pflanzenbevölkerung der beiden benachbarten Meere völlig unabhängig von einander entwickelt. Diejenige des Mittelmeeres gehört zum atlantischen Ocean, diejenige des Rothen Meeres hingegen zum indischen Ocean (vergl. meine „Arabischen Korallen", 1876, p. 26, 41). Beide Gestade des Rothen Meeres , sowohl das östliche Arabiens, als das westliche Aegyptens, sind im weitaus größten Theile von Vegetation gänzlich entblößt, überaus öde, dürr und unfruchtbar; kein einziger größerer Fluß mündet in dasselbe ein. Darüber erheben sich beiderseits hohe langgestreckte Gebirgsketten, die ebenfalls zu den wildesten und ödesten der Erde gehören. Zwischen diesen hohen, Sonnendurchglühten Parallelketten ist nun der schmale arabische Golf, wie ein Laufgraben zwischen zwei hohen Wällen eingeschlossen, und die ungeheuren Wärmemengen, welche die wasserarmen Sand- und Felsberge ausstrahlen, werden durch keine Vegetationsthätigkeit gebunden. In den heißen Sommermonaten steigt die Hitze um Mittag im Schatten gegen 40o R. und die Officiere unseres Schiffes, welche zu dieser Zeit die Reise gemacht hatten, versicherten mir, daß ihnen diese Höllenqual unerträglich erschienen sei und daß sie alle gefürchtet hätten, den Verstand zu verlieren. Auch jetzt noch, Ende October, war es Schlimm genug , und den größten Theil des Tages über zeigte das Thermometer auf Deck unter dem doppelten Schattendach 22 - 26o Rs. , einmal bis 32o; in den (gelüfteten!) Cabinen Tag und Nacht 24- 28o. Dabei war die heiße Luft von einer erdrückenden Schwüle, und alle Mittel der Erquickung wurden vergeblich versucht. Um wenigtens nach Möglichkeit überall Luftzug zu erzeugen, wurden alle Fenster und Luken Tag und Nacht offen gelassen, durch zwei Reihen von senkrechten Schornsteinartigen Luftröhren Luft vom Deck in die unteren Schiffsräume geleitet, und endlich in den Salons die indische „Punka" beständig in Bewegung erhalten; diese wird auf unSerem Schiffe Sehr zweckmäßig durch eine doppelte Reihe von fächerartigen, mit Zeug überspannten Rahmen vertreten, welche an zwei parallelen, durch die ganze Länge des Salons laufenden horizontalen Stangen befestigt sind, und durch die Maschine in Bewegung gesetzt. Der Hauch diefer Riefenfächer linderte nebst großen Quantitäten Eiswasser die Leiden der übermäßigen Hitze nicht wenig.

Da unser Schiff kurz vor Suez durch einen festgefahrenen Dampfer im Canal über einen Tag aufgehalten worden war, kamen wir erst am Mittag des 25. October auf der Rhede von Suez an und blieben nur wenige Stunden daselbst liegen. Am folgenden Morgen waren wir bereits auf der Höhe von Tur, dem interessanten arabischen Küstendorfe am Fuße des Sinaigebirges, dessen prachtvolle Korallenbänke ich im März 1873 mit so großem Genusse untersucht hatte. Damals an Bord eines ägyptischen Kriegsdampfers, den mir der Khedive Ismail Pascha für diese herrliche Fahrt gütigst bewilligt hatte, war ich von der strahlenden Pracht diefer unterseeischen Korallengärten so entzückt worden, daß unwillkürlich die alte SehnSucht nach der reicheren Wunderwelt des benachbarten Indien mit verstärkter Macht sich geregt hatte: „Ja, wer nun auch noch die märchenhaften, von Korallen umgürteten Gestade von Ceylon sehen könnte"! Und jetzt, nach acht Jahren war ich auf der Fahrt dahin ! . . . Im heiteren MorgenSchimmer sah ich die malerischen Gipfel der Sinaihalbinsel an mir vor überziehen, welche ich damals im purpurnen Glanze der Abendsonne erglühend verlassen hatte (vergl. meine „Arabische Korallen". Ein Ausflug nach den Korallenbänken des Rothen Meeres und ein Blick in das Leben der Korallenthiere. Mit 5 Farbendrucktafeln und 20 Holzschnitten, Berlin, 1876).

Von den sechs heißen Leidenstagen im Rothen Meere, die nun folgten, ist wenig zu berichten. Da unser Schiff sich fast immer in der Mitte desselben hielt, sahen wir von beiden Küsten fast Nichts. Am 27. October Abends 7 Uhr passirten wir den Wendekreis des Krebses und ich athmete zum ersten Male den glühenden Odem der Tropennatur. Während der Sternenhimmel sich über uns in wolkenloser Klarheit wölbte, stand im Osten über der arabischen Küste eine hohe schwarze Gewitterwand, aus der fast ununterbrochen jede Secunde zuckende Blitze oder verschwommenes Wetterleuchten auftauchten. Donner war nicht zu hören und kein erquickender Regenguß kam zu uns herüber. Auch in den nächsten Tagen wiederholte sich jeden Abend am östlichen Horizont dasselbe Schauspiel, während der westliche frei war und Tagsüber nur leichte zerstreute Federwolken über das tiefblaue Firmament zogen. Die drei ersten Nächte in den Tropen sank das Thermometer in den offenen Cabinen und Salons nicht unter 25o. Ich schlief nebst den meisten anderen Herren auf Deck, wo wir wenigstens 3o weniger und dazu doch frischen Luftzug hatten. In der Nacht des 30. October passirten wir die Straße Bab-el-Mandeb und die von den Esgländern befestigte Insel Perim, das Gibraltar des Rothen Meeres, und am 31. Vormittag 10 Uhr gingen wir im Golfe von Aden vor Anker.

A d e n  liegt bekanntlich auf einer felsigen Halbinsel , die nur durch eine Schmale Landzunge mit dem arabiSchen Festlande zuSammenhängt , ähnlich wie Gibraltar. Schon 1839 von den Engländern erworben und befestigt, hat diese wichtige Station auf dem Wege nach Indien neuerdings eine außerordentliche Bedeutung erlangt, besonders seit Eröffnung des Suezcanals. Die Bevölkerungsziffer ist jetzt schon auf mehr als 30,000 gestiegen. Die meisten Schiffe legen hier an, um Kohlen und Lebensmittel einzunehmen. Wir hatten uns mit diesen bereits in Port-Said versehen, da wir nicht wußten, ob wir wegen der vor zwei Monaten in Aden ausgebrochenen Choleraepidemie mit diesem Orte würden communiciren dürfen. Jetzt erfuhren wir, daß diese seit Kurzem vorüber sei. Bald nach unserer Ankunft war der „Helios" bereits von arabischen Booten umringt, deren Schwarzbraune Insassen an Bord kletterten, um ihre eigenthümlichen Landesproducte zum Kaufe anzubieten: Straußenfedern und - Eier, Löwen- und Leopardenfelle, Antilopenhörner, stattliche Sägen des Sägefisches, zierlich geflochtene Körbchen und Schüsseln u. dgl. mehr. Mehr Interesse noch als diese Producte boten die Händler SelbSt, theils echte Araber, theils Neger, theils Somalis und Abessinier. Die meisten waren von dunkelbrauner Farbe, die bald mehr in das Röthliche oder Bronzefarbige, bald mehr in das Schwarze spielte. Die schwarzen krausen Haare sind oft mit Hennah roth oder mit Kalk weiß gefärbt. Die Bekleidung der Meisten bestand bloß aus einer weißen Schärpe um die Lenden. Sehr unterhaltend waren Scharen kleiner schwarzbrauner Jungen von 8-12 Jahren, die einzeln oder zu zweien in kleinen (aus einem ausgehöhlten Baumstamm bestehenden) Kähnen herangerudert kamen und ihre Taucherkünste producirten. Kleine Silbermünzen, die wir über Bord warfen, fingen Sie tauchend mit großem Geschick und balgten sich selbst unter Wasser mit Energie um deren Besitz.

Von der Stadt und den Befestigungswerken Adens sahen wir, da wir nicht an Land gingen, nur wenig. Die öden vulkanischen Felsen der Halbinsel, auf denen die Häuser zerstreut sind, erscheinen stark zerklüftet und theilweise sehr malerisch. Die vorherrschende Farbe der nackten Laven ist dunkelbraun. Keine Vegetation Schmückt die nackten starren Felswände und lindert die Gluth der tropischen Sonnenstrahlen; nur hier und da sind an einzelnen Stellen dürftige Anpflanzungen sichtbar. Der Aufenthalt auf diesem glühenden Felsenneste wird im Hochsommer zur Hölle für die englische Garnison, und nicht umsonst nennen es die Officiere: „des Teufels Punschkessel". Der Anblick der nackten Lavaberge erinnerte mich lebhaft an diejenigen der canarischen Insel Lanzerote.

Nach sechsstündigem Aufenthalte verließ der „Helios" das ungastliche Aden, um seine Fahrt nach Bombay fortzusetzen. Auch von dieser achttägigen Fahrt durch den indischen Ocean ist nichts Besonderes zu berichten. Wir erfreuten uns gleichmäßig des schönsten Herbstwetters. Der erfrischende Nordost Monsun machte sich von Tag zu Tag mehr geltend. Schon gleich nach dem Austritt aus dem Rothen Meere hatten wir mit Wonne seinen Einfluß empfunden. Obgleich auch jetzt bei Tage das Thermometer nicht unter 20o R. fiel (meistens 22o um Mittag), so erschien doch die frische bewegte Luft uns wie ein anderes Medium, und vor Allem waren die Nächte nicht glühend, wie im Rothen Meer, sondern von angenehmster Kühle. Der indische Ocean war beständig durch den frischen Monsun auch leicht bewegt; seine Farbe blieb ein zartes Blaugrün oder bisweilen grünliches Lafurblau; niemals aber das tiefe reine Dunkelblau des Mittelmeeres, an dessen Stelle im Rothen Meere ein mehr violett augehauchtes Blau getreten war. Der Himmel war bald ganz klar, bald mit leichten Federwolken bedeckt. Am Nachmittag sammelten sich stets zahlreiche Haufenwolken, thurmartig sich übereinander legend und von Nordost nach Südwest ziehend. Die prächtigsten Beleuchtungseffecte schenkte uns dann die indische Abendsonne, ein immer neues und immer herrliches Schauspiel, welches nur allzurasch unseren staunenden Blicken entschwand. Manche Stunde Tags über stand ich vorn am Bugspriet und schaute den Scharen der fliegenden Fische zu, die beständig beim Nahen des Schiffes aus der Fluth auftauchten und gleich Schwalben in geringer Höhe über dem Wasserspiegel hin schossen.

Noch anziehender freilich blieben mir meine geliebten Medusen, die in den Morgenstunden von 9-12 Uhr bald einzeln, bald in Schwärmen erschienen; blaue Rhizostomen, rosenrothe Aurelien und braunrothe Pelagien. Besonders leid that es mir, daß ich nicht der merkwürdigen Staatsqualle oder Siphonophore habhaft werden konnte, die wir Porpita nennen und die am 4. November in zahlreichen und stattlichen, aber immer vereinzelten Exemplaren uns begegnete.

An einigen Abenden war das herrliche Phänomen des Meeresleuchtens so prachtvoll, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Der ganze Ocean, so weit das Auge reichte, war ein zufammenhängendes funkelndes Lichtmeer. Die mikroskopische Untersuchnug des geschöpften Wassers ergab , daß die leuchtenden Thiere zum größten Theile kleine Crustaceen waren, zum kleineren Theile Medusen, Salpen, Würmer u. s. w. Das prachtvollste Licht strahlten jedoch die Feuerzapfen (Pyrosoma) aus.

Den größten Theil dieser gezwungenen Mußewoche verbrachte ich mit dem Schreiben dieser Zeilen, und wenn ich auch fürchten muß, lieber Leser, daß diefe „unterwegs nach Indien" geschriebenen flüchtigen Blätter Dir kein besonderes Interesse abgewinnen werden, so bitte ich Dich einstweilen freundlich damit fürlieb zu nehmen, in der Hoffnung, daß die folgenden Briefe Dir besser gefallen.

II. Eine Woche in Bombay.

Der achte November 1881 war der herrliche und für mich denkwürdige Tag, an welchem ich zum ersten Male tropischen Boden betrat, tropische Vegetation bewunderte, tropisches Thier- und Menschenleben anstaunte. Genau vor einem Monat, am 8. October, hatte ich mein liebes Jena verlassen und nun stand ich bereits, durch den Lloyd-Damper "Helios", wie durch Faust's Zaubermantel über 34 Breitenbrade getragen, 4000 Seemeilen von der deutschen Heimath entfernt, auf dem wunderreichen Boden Indiens. Schon eine Stunde vor Sonnenaufgang war ich an Bord und sah allmälig aus dem duftigen Nebel der Morgendämmerung das tief eingeschnittene Küstenland von Bombay hervortreten, überragt von den seltsam geformten Gebirgszügen der "Bhor-Ghats". Diese letzteren bilden die Grendmauer zwischen den ausgedehnten, circa 2000 Fuß hohen Tafellande von Dekkan (dem "Oberlande" der vorderindischen Halbinsel) und dem schmalen und flachen Küstenstreifen von Konhan (dem littoralen "Unterlande"). Die steilen Gebirgsmauern, die dan in langgedehnter Kette aufsteigen, bestehen aus Basalt, Syenit und anderen plutonischen Gesteinen, und sind in seltsamster Weise zerkllüftet und eingeschnitten, so daß man auf der Höhe des horizontal abgeplatteten Tafellandes eine Anzahl collossaler Festungen, Forts, Thürme und Zinnen zu erblicken glaubt.

In raschem Wechsel färbte sich der dämmernde Morgenhimmel über der indischen Küste mit den zartesten und duftigsten Tönen, und dann trat plötzlich mit glühendem Strahl zwischen zwei breiten Wolkenschichten der indische Helios hervor, unser gleichnamiges Schiff mit sienem vollen Glanze begrüßend. Jetzt ließen sich auch die Einzelheiten der nahen Küste deutlich unterscheiden, vor Allem ausgedehnte Wälder der Palmyra-Palme und zunächst der gewaltige, tausende von Schiffen beherbergende Hafen von Bombay. Von der Stadt selbst wurden die einzelnen Häuser des Colaba-Viertels sichtbar, auf der südöstlich vorspringenden Landzunge der Insel Bombay; darauf die stattlichen Prachtbauten des nahen Forts, und im Hintergrunde der langgestreckte grüne Rücken von Malabar- Hill, das südwestliche Vorgebirge der Insel mit seinen zahlreichen Villen und Gärten. Aber mehr als dies fesselte unsere Augen zunächst das bunte Gewühl der Schiffe in dem geräumigen Hafen, einem der besten Indiens. Da lagen vor uns die beiden weißen eisengepanzerten Monitors mit ihren drehbaren Thürmen, welche die Befestigungen des Platzes in wirksamster Weise ergänzen; dort standen hunderte von englischen Soldaten an Bord zweier gewaltiger Truppen-Transport-Schiffe, die 3-4000 Mann aufzunehmen vermögen; weiter fuhren wir zwischen einer ganzen Flotte verschiedener Dampfer durch, welche von Bombay nach allen Himmelsgegenden Frachten und Passagiere befördern; ganz fremdartig aber erschien das bunte Gewimmel der kleineren Schiffe und Boote der Eingeborenen, deren nackte braune Körper meistens nur mit einem weißen Schurze, oder einem weißen Lappen bekleidet sind, das Haupt durch einen bunten Turban gegen die tropische Sonne geschützt.

Kurz nach Sonnen-Aufgang ließ unser „Helios" in der Nähe des „Apollo-Bunder" (- des gewöhnlichen Landungsplatzes der Passagiere -) die Anker fallen: Sanitäts- und Steuer-Officianten kamen an Bord, und alsbald befand sich die Passagier-Gesellschaft, die seit Triest, 24 Tage lang, das schwimmende Hotel gemeinsam gewohnt hatte, in völliger Auflösung. In aller Eile wurden noch einige freundliche Grüße ausgetauscht, Karten gewechselt und Glückwünsche auf die weitere Reise mitgegeben; und dann stieg Jeder mit seinen Habseligkeiten so rasch als möglich in das Boot, das ihn dem ersehnten Lande zuführte. Ich selbst folgte der gütigen Einladung eines trefflichen deutschen Landsmannes, des Herrn Blaschek aus Frankfurt a. M., welcher seine Gattin, unsere liebenswürdige Reisegefährtin, von Bord abholte. Er bat mich, die Woche, welche ich in Bombay zubringen würde, in seiner Villa auf Malabar-Hill zu wohnen, und ich nahm diese Einladung um so lieber an, als die englischen Hotels in den großen Städten Indiens mit ihrem leidigen Pensions-Zwange, ihrer steifen Etiquette und ihrem Gewimmel lästiger Dienerschaft die freie Bewegung des Reisenden in unliebsamer Weise beschränken.

Obgleich ich nun in der Villa Blascheck, mitten unter Palmen und Bananen, von allem dem glänzenden Comfort umgeben war, welchen die wohlhabenden Europäer in Indien für selbstverständlich halten, der aber dem deutschen Ankömmling stets sehr luxuriös erscheint, so fühlte ich mich doch bald so behaglich wie zu Hause; und wenn diese Woche in Bombay zu meinen angenehmsten Reise-Erinnerungen gehört, so verdanke ich das mindestens ebenso sehr jener herzlichen und liebenswürdigen Gastfreundschaft, als den wunderbar schönen und mannigfaltigen Bildern, die während dieser acht kurzen Tage in reichster Fülle an meinen Augen vorüber zogen.

Natürlich reicht eine solche Woche nicht im Entferntesten hin, um eine Wunderstadt wie Bombay gründlich kennen zu lernen, und ich beabsichtige daher in den folgenden Zeilen nichts weniger zu geben, als eine ausführliche Beschreibung derselben, oder auch nur eine touristische Skizze; vielmehr muß ich mich auf eine dürftige Wiedergabe der mächtigen und großartigen Eindrücke beschränken, welche ich hier in kürzester Frist empfangen. Ich hatte von Bombay früher wenig gelesen und gehört; ich wußte wenig mehr davon, als daß es nach Calcutta die größte und bedeutendste Stadt von British-Indien sei, mit einem höchst großartigen Handel und Verkehr, und einer bunt gemischten Bevölkerung. Auch erinnere ich mich nicht, jemals auf einer unserer Gemälde-Ausstellungen Bilder dieser Stadt und ihrer Umgebung gesehen zu haben. Wie sehr war ich daher überrascht, hier einen Reichthum der schönsten und großartigsten Ansichten zu finden, welche ich nach meinen persönlichen Erfahrungen nur mit denjenigen von Neapel in Europa, von Cairo in Aegypten oder besser noch mit einer eigenthümlichen Combination dieser beiden berühmten und unter sich so sehr verschiedenen Metropolen vergleichen kann. Mit Neapel läßt sich Bombay hinsichtlich der herrlichen Lage an einer vielfach geschmückten Meeresküste, hinsichtlich des Kranzes von Inseln und Küstenbergen, welche den weiten großartigen Golf umgeben; dagegen erinnert Bombay an Cairo durch die bunte Mischung und malerische Gestaltung seiner südlichen, aus den verschiedenartigsten Rassen zusammengesetzten Bevölkerung, durch das fremdartige Gewühl des Straßenlebens und durch die intensiven Farben, mit denen hier Natur und Kunst gleichmäßig ihre mannigfaltigen Gebilde bekleiden.

Die Stadt  B o m b a y  bedeckt eine kleine Insel von 22 englischen Quadrat-Meilen Oberfläche; sie liegt unter 18o 56' N. Br., 72o 56' W. L. Diese Insel wurde zuerst von den Portugiesen im Jahre 1529 entdeckt und besetzt, und wegen des vortrefflichen großen Hafens, welchen sie mit einigen benachbarten Inseln und mit der nahen Küste des Festlandes einschließt, Buona- Bahia (d.h. „gute Bay", Bonne Bay) genannt. (Andere leiten allerdings den Namen Bombay von der indischen Meeresgöttin Bomba-Devi oder Maha-Deva ab). 1661 traten die Portugiesen Bombay an die Engländer ab; diese wußten jedoch anfänglich nicht Viel daraus zu machen; hauptsächlich hinderten ausgedehnte Sümpfe und das dadurch bedingte ungesunde Klime eine günstige Entwicklung. Erst nachdem diese Sümpfe ausgetrocknet, auch sonst bessere Bedingungen geschaffen waren, entwickelte sich Bombay rasch - hauptsächlich seit 1820, seitdem der verdienstvolle Governeur Mount Stuart Elphinstone die Regierung übernahm; und im Laufe des letzten halben Jahrhunderts ist daraus die drittgrößte Handelstadt Asiens (nächst Kanton und Calcutta) geworden. Die Bevölkerung ist jetzt auf ungefähr 800,000 gestiegen (darunter 8000 Europäer und 50,000 Parsi); sie betrug noch 1834 nur 234,000 Einwohner, 1816 nur 160,000 und 1716 nur 16,000 Seelen. Für den ganzen Handel und Verkehr des indischen Orients, insbesondere die Verbindung von Asien und Europa, hat sich Bombay jetzt zu einer ähnlichen Bedeutung emporgeschwungen, wie sie zur Zeit seiner höchsten Blüthe im Alterthum Alexandria besaß. Der wichtigste Theil des Handels ist der Baumwollen-Markt; Bombay wird in dieser Hinsicht nur noch von New-Orleans in Nord- Amerika übertroffen. Der mächtige, ebenso sichere als umfangreiche Hafen ist der größte und beste Handelshafen Indiens. Er öffnet sich nach Süden, wird nordöstlich vom Festlande begrenzt, westlich von der Insel Bombay und nördlich von einer Gruppe kleiner Inseln, die dicht bei einander liegen.

Die Gestalt der Insel ist ein längliches Viereck, dessen längster Durchmesser von Norden nach Süden gerichtet ist. Das nörliche Ende ist durch mehrere Brücken mit der größeren Insel Salfette und durch diese mit dem Festlande verbunden. Einen großen Theil der nördlichen Hälfte nimmt der ausgedehnte Palmenwald von Mahim ein. Die südliche Hälfte läuft in zwei langgestreckte Vorgebirge aus, welche man den beiden ungleichen Schenkeln einer Krebsscheere vergleicht, und welche eine weite, aber flache, schön gerundete Bucht („Back Bay") zwischen sich einschließen. Von den beiden parallelen Vorgebirgen oder Landzungen ist die westliche kürzer und höher, dem Pofilippo von Neapel zu vergleichen; das ist  „M a l a b a r -  H i l l"  , die herrliche Villenstadt. Reizende Gärten, mit allen Prachtpflanzen der Tropen geschmückt, umgeben hier in üppigster Fülle die zahlreichen eleganten Villen oder Bungalow's, in denen die wohlhabendsten und vornehmsten Einwohner (theils Europäer, theils Parsi) wohnen. ein hübscher Weg, der zwischen diesen Gärten der Länge nach über den höchsten Grat des Basalt-Rückens von Malabar-Hill führt, bieten eine Reihe der prächtigsten Aussichten, bald nach Westen über das palmengekrönte Gestade des offenen indischen Oceans, bald nach Osten über die weite Back-Bay und die großartige Stadt, die sich rings um letztere ausbreitet. Der südlichste Ausläufer derselben geht bis zur Südspitze von  C o l a b a  vor; das ist die östliche und längere von den beiden parallelen Landzungen, der Hauptplatz des Baumwollen-Handels, zum großen Theil noch von den Zeltlagern und Baracken der europäischen Truppen eingenommen.

Am nördlichen Ende der Coloba-Landzunge, zwischen dieser und dem anstoßenden Fort, liegt der vielgenannte  A p o l l o -  B u n d er , der hübsche Quai, an welchem die meisten Reisenden zuerst landen, und an welchem auch ich zuerst den indischen Boden betrat. Seinen Namen führt dieser vielbesuchte Quai nicht etwa vom schönen Sonnen-Gotte der Griechen, sondern von dem indischen Worte „Pallow" (=Fisch), aus welchem durch Corruption Apollo entstand. Pallow-Bunder war ursprünglich indischer Fischmarkt. Jetzt ist hier eine vortreffliche Restauration (die einzige größere und elegantere in Bombay) errichtet; auf dem Altane derselben, mit prächtigster freier Aussicht über Hafen und Gebirge, nahm ich, der Einladung eines werthen Landsmannes folgend, mein erstes Frühstück in Indien ein. Auf dem freien Platze von Apollo-Bunder, wie auf der „Santa Lucia" in Neapel, entwickelt sich Abends besonders das regste Leben. Oft spielt hier die Militär-Musik und dann gibt sich die schöne und vornehme Welt von Bombay hier ihr Rendezvous. Zahlreiche elegante Equipagen begegnen sich in der erquickenden Abendkühle und fahren längs des Strandes der Back-Bay nach Malabar-Hill zurück. Dazwischen entwickelt sich auf freien Rasenplätzen am Strande das bunte Leben der Eingeborenen, die hier ebenfalls auf ihre Weise, um Feuer gelagert und spielend, das Leben genießen.

Der breite Raum der südlichen Inselhälfte, zwischen den beiden parallelen Landzungen Malabar-Hill und Colaba, wird von den beiden wichtigsten Stadttheilen eingenommen, vom Fort und von der „schwarzen Stadt". Das sogenannte  F o r t  , früher eine isolirte Citadelle, stößt an das Nordende von Colaba und umfaßt den weitaus wichtigsten Theil der europäischen Stadt. Hier finden sich erstens die meisten öffentlichen Gebäude, auf geräumigen, mit Brunnen gezierten offenen Plätzen vertheilt, und zweitens die meisten Comptoire und Geschäftshäuser der Europäer zusammengedrängt; sie bilden die eigentliche „City" mit dem lebendigsten Geschäftsverkehr. Die Mehrzahl der großen öffentlichen Gebäude: Das Regierungsgebäude, Secretariat, Postamt, Universität, Kunstschule, Bank, Rathhaus etc. sind erst im Laufe der letzten 20-30 Jahre mit großen Kosten aufgeführt, sämmtlich stattliche Prachtbauten im gothischen Stil, mit Spitzbogen und Säulenhallen; meistens in jener besonderen Form desselben, welche an vielen Palästen Venedigs zu finden ist. Höchst seltsam contrastiren diese venetianisch- gothischen Prachtbauten mit der üppigen Tropen-Vegetation, welche sie umkleidet und mit dem bunten indischen Volksleben, welches in den Straßen zu ihren Füßen wogt.

Den eigentlichen Herd dieses Volkslebens aber bildet die sogenannte  „ S c h w a r z e    S t a d t "  oder die Stadt der Eingeborenen ('Native-Town'). Sie ist sowohl von dem südlich anstoßenden „Fort", als von dem westlich angrenzenden Malabar-Hill völlig abgetrennt und bietet in ihrem farbenreichen und fremdartigen Volksgewühl für jedem Europäer einen Anziehungspunkt vom höchsten Interesse. Beim ersten Betreten derselben wurde ich lebhaft an Cairo erinnert. Die offenen Läden der Eingebornen, die sich hier in buntester Ausstellung dicht aneinander reihen, die lebhaft gefärbten Trachten und die halbnackten Gestalten der sich drängenden Volksmenge, das Geschrei der Verkäufer, das Gewühl der Wagen und Pferde ist in den Bazaren und Laden-Straßen von Cairo und von Bombay sehr ähnlich. Allein je länger man in diesem Gewühl verweilt, desto mehr fallen auch die charakteristischen Unterschiede der indischen und der ägyptischen Metropole in die Augen. Einen ganz verschiedenen und einen viel schöneren Anblick bietet namentlich der nordwestliche Theil der schwarzen Stadt, welchen den Namen  G i r g a u m  führt. Hier liegen einzelne Hütten und Höfe höchst malerisch im Schatten eines prachtvollen Waldes von Cocos-Palmen, und die Staffage von nackten Kindern, reich geschmückten Weibern, braunen Männern, zierlichen Zebus, dazwischen Pferde, Hunde, Affen etc. im buntesten Gemische, gibt dem Genre-Maler hier eine Fülle der reizendsten Motive.


Die Bevölkerung, welche diese verschiedenen Theile von Bombay bewohnt, ist so mannigfaltig zusammengesetzt und trägt sich so verschiedenartig, daß es vollkommen die Kraft unserer Feder übersteigen würde, wollten wir den Versuch wagen, von ihrem bunten Leben und Weben auch nur ein skizzenhaftes Bild zu entwerfen. Die Hauptmasse der Bevölkerung bilden die Hindu, eine kleine und schwächliche Rasse von dunkelbrauner Hautfarbe, welche bald mehr in ds Caffeebraun, bald mehr in des Kastanienbraun zieht. Allerliebst sind die Kinder dieser Rasse, welche überall nackt auf der Straße spielen und bis zum neunten Lebensjahre jeder Kleidung entbehren. Aber auch die Männer der niedern Kasten gehen größtentheils fast nackt und tragen nur einen einfachen Gurt oder Schurz um die Hüften, ähnlich einer schmalen Schwimmhose; der Malen kann daher den zierlichen Körperbau und die auffallend schlanken Glieder dieser Rasse auf Schritt und Tritt in allen möglichen Stellungen studiren, und besonders unter den Jünglingen von 16-20 Jahren wird er reizende Modelle finden. Diese bilden in derThat das „schöne Geschlecht"; ihre Gesichtszüge sind in jenem Alter oft sehr fein und edel, durch einen gewissen elegischen Anflug ausgezeichnet. Auch unter dem weiblichen Geschlechte erblickt man viele zierliche und schlanke Gestalten, und das einfache faltige Gewand, in welches sie ihre Gestalt verhüllen, wird meist mit vieler Anmuth getragen; aber hübsche Gesichter sieht man nur sehr selten: die meisten Mädchen heirathen sehr früh (mit 10-15 Jahren), verblühen rasch und werden im Alter ausnehmend häßlich. Dazu kommt die entstellende Sitte, durch den linken Nasenflügel einen großen silbernen Ring zu ziehen, an welchem Steine, Glasperlen und andere Zierratehn befestigt werden; bei vielen Weibern verdeckt ein solches Gehänge den größten Theil des Mundes und Kinnes. Außerdem wird der Mund noch durch die Sitte des Betelkauens entstellt, wodurch Lippen und Zähne sich rothgelb färben. Ferner werden auf die Stirn allgemein Striche und Zeichen von verschiedener Farbe gemalt, die Abzeichen der verschiedenen Kasten. Die Arme werden blau tättowirt. Um die Knöchel und um einzelne Zehen werden bei beiden Geschlechtern silberne Ringe getragen. So machen die nackten Figuren der Hindu äußerlich durchaus den Eindruck von echten „Wilden", obgleich sie in der That zu derselben „mediterranen" oder arischen Rasse gehören, aus der auch unsere europäischen Volksstämme entsprungen sind. Die bekannten Einrichtungen des Kastenwesens und der brahmanischen Religion haben sich unter ihnen größtentheils noch bis auf den heutigen Tag erhalten. Die Todten werden durch Feuer bestattet, und wenn man Abends längs des schönen Back-Bay-Strandes vom Fort nach Malabar-Hill fährt, erblickt man unmittelbar neben den Eisenbahn-Stationen die Feuer in den großen Oefen, in denen die Hindu-Leichen auf Rosten in einfachster Weise verbrannt werden - weit zweckmäßiger und billiger, als es bei unserer kostspieligen modernen Leichen-Verbrennung in Gotha geschieht.

Nach dem Census der Bevölkerung Bombay's von 1872 (wonach die Gesammtzahl der Einwohner 650,000 Seelen betrug) kommen mehr als 3/5 dieser Zahl auf orthodoxe Hindus verschiedener Kasten, welche sämmtlich unter der Botmäßigkeit der Brahminen sich befinden, währen gegen 140,000 (also über 1/4 der Gesammtzahl) Mohammedaner sind, aber nur 15,000 (also kaum 1/45) Buddhisten. Dazu kommen nun noch ein paar Tausend Juden, Chinesen und afrikanische Neger; ferner eine große Anzahl von Mischlingen der verschiedenen Rassen. Man kann also denken, wie bunter Natur das Völkergemisch ist, welches die Straßen von Bombay belebt, und welche verschiedenen Typen, Sitten, Anschauungen und Gebräuche sich hier ungestört neben einander bewegen. Vielleicht in keiner Stadt der Erde wird eine größere Zahl von verschiedenen Sprachen durch einander gesprochen als in Bombay, zumal auch die europäische Colonie hierselbst durch alle Zungen vertreten ist.

Einen der merkwürdigsten und wichtigsten Bestandtheile der Bevölkerung bilden in Bombay, wie in anderen Hauptstädten Indiens, die  P a r s i  oder Gebern. Ihre Zahl beträgt nur ungefährt 50,000 (also etwa 1/12 der Gesammtzahl); allein durch ihre energische Thätigkeit, ihre Klugheit und ihren Fleiß haben sie sich so bedeutenden Einfluß erworben, daß sie in jeder Beziehung eine hervorragende Rolle spielen. Wenn man, wie es oft geschieht, den Europäern in Bombay alle anderen Classen der buntgemischen Bevölkerung als „Eingeborene oder Natives" gegenüberstellt, so bilden die Parsi eine dritte Hauptclasse derselben, welche gewissermaßen zwischen ersteren und letzteren in der Mitte steht. Sie sind die Nachkommen der alten Perser, welche nach der Eroberung Persiens durch die Mohammedaner im siebenten Jahrhundert deren Religion nicht annahmen, sondern diejenige Zoroaster's beibehielten. In Folge dessen vertrieben, wandten sie sich zunächst nach Ormus und zerstreuten sich von da aus über Indien. Da sie nur unter sich heirathen, erhalten sie ihre Rasse rein und sind auf den ersten Blick, auch abgesehen von ihrer eigenthümlichen Kleidung, von allen anderen Rassen zu unterscheiden. Die Männer sind stattliche, große Figuren, von gelblicher Gesichtsfarbe, meistens wohlbeleibt, weit ansehnlicher und stärker als die schwachen Hindus. Sie sind in lange weiße Baumwoll-Röcke und Hosen gehüllt und tragen auf dem Kopfe eine hohe schwarze Tiara, welche einem Bischofshut ähnlich ist. Die ausdrucksvollen Gesichter, oft mit schön gebogenen Adler-Nasen, bekunden Energie und Klugheit; dabei sind die Parsi sparsam und genügsam, und haben in ähnlicher Weise, wie bei uns die Juden, die großen Capitalien in ihren Händen zu vereinigen gewußt. Viele der reichsten Kaufleute von Bombay sind Parsi; außerdem haben sie als Gastwirthe, Schiffsbauer, Mechaniker und Techniker sich besonderen Ruf erworben. Ihr Familienleben und ihre häuslichen Tugenden werden sehr gerühmt. Die Parsi-Frauen sind meist stattlich und hochgewachsen, ihr Gesichtsausdruck ebenfalls klug und energisch; ihre Hautfarbe gelblich, Haare und Augen tiefschwarz. Ihre Kleidung besteht aus langen Gewändern von einfacher, aber leuchtender Farbe: grün, roth, gelb etc. Die Kinder der reichen Parsi sieht man häufig in gold- und silbergestickten Gewändern spazieren fahren. Viele wohnen in stattlichen Villen, legen Werth auf schöne Gärten und erregen durch ihre guten Verhältnisse wohl den Neid manches Europäers. Dabei zeichnen sich die reichen Parsi oft durch lobenswerthen Gemeinsinn aus. Viele haben nützliche Anstalten und wohlthätige Institute gegründet. Einige sind von der englischen Regierung in Anerkennung ihrer besonderen Verdienste zu Baronets erhoben worden.

Nicht wenig trägt sicher zu der hervorragenden Thätigkeit und Tüchtigkeit der Parsi der Umstand bei, daß sie sich von der Herrschaft der Priester in hohem Maße frei erhalten haben. Ihre Religion, die Lehre  Z o r o a s t e r  ' s , ist in ihrer reinsten Form eine der edelsten Naturreligionen, auf die Verehrung der schaffenden und erheltenden Elemente gegründet. Unter diesen gebührt der Vorzug dem Lichte und der Wärme der schaffenden Sonne, und deren Abbilde, dem Feuer. Daher begegnen wir beim Auf- und Untergange der Sonne am Meeresstrande von Bombay zahlreichen frommen Parsi, welche stehend oder auf ausgebreitetem Teppich knieend dem kommenden wie dem scheidenden Tagesgestirn ihre Verehrung betend bezeugen. Ich habe selber den Religionsübungen keines Volkes mit innigerer Theilnahme zugeschaut, als denjenigen dieser „Sonnen-Anbeter" oder Feuer-Anbeter. Sind doch wir Naturforscher der Gegenwart, die wir in der Wärme und dem Licht unserer Sonne mit vollem Recht den Urquell all' des herrlichen organischen Lebens unserer Erde erblicken, im Grunde auch nichts Anderes als „Sonnen-Anbeter"! Die Religionsübungen der Parsen sind übrigens höchst einfach und zum Theil, ebenso wie beim Mohammedanismus, auf sehr zweckmäßige sanitäre Principien gegründet, so namentlich die diätischen Vorschriften und die zahlreichen täglichen Waschungen des Körpers. Ihr kräftiger Körper erfreut sich daher auch meist einer trefflichen Gesundheit, und die mutnern, lebhaften Kinder der Parsi machen in Bombay einen weit besseren Eindruck, als die bleichen Gesichter der matten Europäer-Kinder, welche in dem verderblichen heißen Klima kraftlos dahinwelken.

Zu den merkwürdigsten Gebräuchen gehört die  T o d t e n b e s  t a t t u n g  der Parsi. Hoch oben auf dem Felsenrücken von Malabar-Hill, und zwar auf einem der höchsten und schönsten Punkte desselben, wo das prächtigste Panorama von Bombay (ähnlich dem von Neapel von der Höhe des Posilippo) zu Füßen des staunenden Beschauers sich ausbreitet, besitzt die Parsi-Gemeinde einen herrlichen, mit hohen Palmen und blüthenreichen Bäumen gezierten Garten. Auf diesem Friedhofe erheben sich die sechs Dakhma's oder „Thürme des Schweigens" (Towers of silence). Das sind weiße cylindrische Thürme von 30-40 Fuß Durchmesser und ungefähr ebensoviel Höhe. Einem Amphitheater ähnlich ist das Innere derselben in drei concentrische Ringe abgetheilt, welche druch radiale Scheidewände in zahlreiche offene Kammern geschieden werden. Jede Kamer nimmt eine Leiche auf und zwar kommen in den inneren Kreis die Kinder, in den mittleren die Weiber, in den äußeren die Männer. Sobald die weißgekleideten Todtenwärter die von den Angehörigen zum Friedhof geführte Leiche den Letzteren abgenommen haben, bringen sie dieselbe unter Begleitung singender Priester in einer der offenen Gradkammern und entfernen sich. Alsbald erscheinen zahlreiche von den heiligen Vögeln des Ormuzd, ovn den stattlichen braunen Geiern, die in dichten Gruppen auf den Kronen der benachbarten Palmyra-Palmen sitzen. Sie stürzen sich auf die Leiche im Innern des offenen Thurmes und haben in wenigen Augenblicken deren Fleisch verzehrt. Scharen von schwarzen Raben vertilgen die kleinen Ueberbleibsel ihres Mahles. Die übriggebliebenen Knochen werden später im Mittelraum des Thurmes gesammelt.

Die meisten Europäer finden diese Todtenbestattung der Parsi entsetzlich, wie es schon im classischen Alterthum für eine besondere Beschimpfung galt, eine Leiche den „Geiern zum Fraße" hinzuwerfen. Dem vergleichenden Zoologen erscheint es jedoch vielleicht ästhetischer und poetischer, eine geliebte Leiche in wenigen Minuten durch kräftige Raubvögel verzehrt zu sehen, oder (gleich den Hindus) verbrannt zu wissen, als sie jenem langsamen Verwesungsprocesse und jenem ekelhaften „Würmerfraße" ausgesetzt zu sehen, der bei der Beerdigung unserer europäischen Culturvölker üblich, und ebenso abschreckend, als sanitätswidrig, ja die Quelle vieler Krankheiten ist. Indessen, was macht nicht Alles die liebe  G e w o h n h e  i t  aus, der mächtigste Hebel der „Anpassung"! Es war ein unvergeßlicher Abend, als ich am 14. November in Gesellschaft meiner Reisegefährten vom „Helios", der Frau Blaschek und des Grafen Hunyadi, die Thürme des Schweigens besuchte. Die untergehende Sonne schmückte eben den westlichen Horizont mit jenen wunderbaren, nur zu rasch vorübereilenden Farbentönen der Tropenzone, deren Gluth und Anmuth weder Pinsel noch Feder annähernd wiederzugeben vermögen. Gegenüber im Osten prangten mächtige Reihen gehäufter Thurmwolken mit goldenem Saume im magischen Purpurlicht; und darunter schimmerten violett die seltsam geformten Mauern und Thürme des Bhor-Ghats, auf den Abstürzen des Tafellandes von Dekkan. Zu unsern Füßen aber spiegelte der blanke Golf der Back-Bay die ganze Farbenpracht des Himmelsgewölbes wieder und darüber erhob sich jenseits die Reihe der Prachtgebäude des Forts, überragt vom Mastenwalde der Schiffe. Zu unserer Rechten südwärts verfolgte das Auge die Gärten und Villen von Malabar-Hill bis zur äußersten Spitze, bi szu den felsigen Vorgebirge Malabar- Point; hier hatte früher Lord Elphinstone in einer einsamen, einfachen Villa gewohnt, während daselbst gegenwärtig der luftige Sommerpalast des Gouverneurs steht. Zur Linken verdeckten unten die dicht gedrängten Cocos-Palmen von Girgaum das bunte Leben der „schwarzen Stadt". Und dazu nun als Vordergrund die „Thürme des Schweigens", umgeben von den hohen Fächer- Palmen, auf deren Kronen die gesättigten Geier in dichten Gruppen ihre Abendruhe hielten; und zu ihren Füßen die weißgekleideten Parsi-Priester. Das gab ein Bild, würdig eines großen Malers!

Ganz verschieden von der tief elegischen Stimmung dieses Abendbildes war der Eindruck, den ich am folgenden Morgen von dem benachbartenn Belvedere von  C u m b a l a -  H i l l  erhielt. Ich war schon eine Stunde vor der Sonne auf dem Wege und war allein in der Morgendämmerung, an dem Thurme des Schweigens vorbei, eine Viertelstunde weiter bis zu jener höchsten nördlichen Erhebung von Malabar-Hill gewandert, welche den „Flag-Staff" trägt. So heißt die Thurmwarte des fernblickenden Wächters, der von diesem höchsten Punkte aus die Ankunft der großen Dampfschiffe in Bombay zu signalisiren und die der Postschiffe durch zwei Kanonenschüsse kund zu thun hat. Die steil abfallenden Felsen sind hier theils mit stacheligem Gestrüpp, theils mit Dattel-Palmen bewachsen, unter denen zahlreiche Hindu- Hütten zerstreut liegen. Ganz in der Nähe befindet sich in gleicher Höhe und in herrlichster Lage die Wohnung des deutschen Consuls, der zur Zeit noch in Europa weilte. Der Blick umfaßt von hier aus nicht allein die ganze Stadt mit dem Golfe, sondern schweift auch weiter nordwärts nach dem großen Palmenwalde von Mahim (am Nordende der Insel Bombay) und darüber hinaus nach der großen Insel Salfette und dem benachbarten Festlande. Ein zarter grauer Nebelschleier deckte dieses großartige Panorama, als ich kurz vor Sonnenaufgang dort anlangte; kaum aber war Helios strahlend über der zackigen Felsenmauer der Bhor-Gats emporgestiegen, als auch der Nebel zerfloß und ein Theil des herrlichen Bildes nach dem andern in voller Klarheit sichtbar wurde. Ein Ausflug nach dem oben erwähnten  P a l m e n w a  l d e   v o n   M a h i m , den am 13. November in Gesellschaft von Blaschek's unternommen hatte, gehört zu meinen angenehmsten Erinnerungen an Bombay. Es war ein herrlicher Sonntagmorgen - mein erster in Indien! - und ich werde seine mannigfaltigen Eindrücke nie vergessen. Man muß unter den Tropen vor der Sonne unterwegs sein, wenn man die volle Morgenfrische recht genießen will, und so trafen uns denn die ersten Sonnenstrahlen dieses wunderschönen wolkenlosen Sonntags bereits im leichten Wagen an, mitten unter den riesigen alten Benyanen, am nördlichen Fuße von Cumbala-Hill. Die indischen Hütten im Schutze dieser Feigenbäume, oft ganz zwischen deren Luftwurzeln versteckt und durch die daraus entstandenen Stämme gestützt, waren der Schauplatz jener originellen häuslichen Scenen, welche den europäischen Ankömmling so sehr ergötzen. Ganze Familien saßen im Costüme des Paradieses am Wege und verliehen ihrem braunen Fell neuen Glanz durch Einreiben mit Cocosöl. Zugleich sichten sich die liebenden Geschwister - oder auch Eltern und Kinder - gegenseitig die kleinen langsam kriechenden Insekten ab, welche ihr langes schwarzes Haupthaar bevölkerten; da sie aber als fromme Hindu kein Thier tödten dürfen, setzen sie die Gefangenen sorgfältig bei Seite. Andere wandten ein wirksameres Mittel an, indem sie sich das Haupthaar radical abrasiren ließen. Viele badeten in kleinen Teichen am Wege, und noch andere dehnten sich behaglich, ehe sie wieder mit dem weißen Schurze sich bekleideten, unter oder auf den Aesten der Bäume aus.

Der Cocos-Palmenwald von Mahim, der erste, den ich betrat, bot uns noch viel mannichfaltigere Bilder. Da klimmen Toddyzapfer mit affenartiger Behendigkeit an den mächtigen hohen Stämmen empor, um den Palmenwein, der Nachts in die oben aufgehängten Gefäße getröpfelt war, einzusammeln. Auf Seilen, die horizontal zwischen den benachbarten Stämmen ausgebreitet sind, klettern sie geschickt von einer Krone zur andern. Andere pflücken unten die gelben Früchte der Bananen ab; und noch andere sind mit der Zurichtung ihres Frühmahls beschäftigt. Ich aber wurde nicht müde, die prachtvollen Lichteffecte zu bewundern, welche der spielende Sonnenglanz auf den breiten zitternden Fiederblättern der edlen Cocos und ihren weißen, anmuthig gebogenen Stämmen hervorbrachte, sowie auf den zarten frischgrünen Riesenblättern der zu ihren Füßen stehenden Bananengruppen. Und dazu nun überall eine Fülle herrlicher Blumen, mit den ringsum spielenden Schmetterlingen wetteifernd durch riesige Größe, durch bunte Farbe, durch seltsame Gestalt und durch aromatischen Geruch! Hie und da erhob sich ein luftiger Busch des zierlichen schlanken Bambusrohres; und allenthalben zerstreut lagen kleine Hütten aus Rohr gebaut und mit Rohr gedeckt. Auf den Wegen allerlei Hausthiere, Schweine und Hunde, Hühner und Enten; und zwischen diesen spielend und tanzend die allerliebsten Gestalten der nackten Hindukinder mit ihren großen schwarzen Augen! Nachdem wir über eine Stunde auf Kreuz- und Querwegen im Palmenwalde von Mahim umhergeschlendert, versuchten wir links nach dem benachbarten Meeresstrand durchzudringen. Allein der schmale, zwischen zwei Mauern eingeschlossene Pfad endigte in einer großen Pfütze. Gerade zur rechten Zeit kam uns von der anderen Seite ein zweiräderiger Ochsenkarren (Bullock cart) entgegen; wir erkletterten dieses saubere Gefährt in sehr heiterer Stimmung und ließen uns von dem leitenden Hindujüngling durch die Pfütze hinüber fahren, wären aber beinahe in dem tiefen Schlamm derselben stecken geblieben! Glücklich hinüber, gelangten wir bald an den sandigen Meerestrand, der hier in weiter Ausdehnung mit dem schönsten Cocoswalde gesäumt ist. Hier begegneten wir stattlichen Gruppen des merkwürdigen Pandanus, jener sonderbaren Schrauben-Palme, deren gebogener Stamm sich oben armleuchterartig gabelt, an jedem Ast ein agavenartiges Blütterbüschel mit schraubenförmiger Drehung tragend, während er unten auf einem Büschel von Luftwurzeln, wie auf hohen Stelzen steht. Zwischen den Aesten waren allenthalben mächtige Spinnenetze ausgespannt, bewohnt von einer prächtig gezeichneten Riesenspinne, deren dicker Leib 6 cm, deren dünne Beine 10 cm lang sind. Die ungeheuerliche Bestie ließ sich ziemlich leicht fangen und fand in meinem Spiritusglase ihr Ende. Die dicken Fäden ihres Gespinstes, das über einen Meter Durchmesser zeigte, überraschten uns durch ihre Festigkeit, fast derjenigen eines Zwirnfadens gleich. Während wir unten mit dieser aufregenden Spinnenjagd beschäftigt waren, erhob sich oben aus den Palmenkronen ein kreischender Schwarm grüner Papageien, der ersten, die ich wild erblickte.

Eine Reihe anderer zoologischer Überraschungen wartete meiner am sandigen Strande von Mahim, welcher gerade duch die tiefe Ebbe in ziemlich weiter Ausdehnung entblößt war. Da lagen ausgeworfene Riesenexemplare einer prächtigen blauen Meduse (einer Crambessa) von mehr als einem Fuß Durchmesser; daneben sonderbare Igelfische (Diodon) mit stacheliger Haut und großem aufgeblasenen Kehlsack. Im Seesande selbst fans sich eine große Anzahl verschiedener Muscheln und Schnecken, lauter charakteristisch indische Formen, die ich bisher nur in zoologischen Museen erblickt; ferner große Röhrenwürmer, verschiedene Krustenthiere (darunter schnellfüßige Sandkrabben, dich sich im Sande Löcher graben), sowie viele Reste von großen Fischskeletten, untermischt mir Schädeln und anderen Skelettheilen des Menschen. Letztere gehörten Hindu's niederster Classen an, deren Leichen nicht verbrannt, sondern einfach im Seesande verscharrt werden. Meine Umhängetasche war mit diesen und anderen zoologischen Schätzen überfüllt, als wir endlich gegen Mittag nach Hause zurückkehrten.


Einer der interessantesten Punkte von Bombay war für mich das heilige Brahminendorf  W a l k e s c h  w a r , nur wenige Minuten vom Bungalow meiner lieben Gastfreunde entfernt, zwischen diesem und dem Gouverneurshause auf Malabar-Point gelegen. Ich besuchte dieses merkwürdige Dorf zu wiederholten Malen und zu verschiedenen Tageszeiten, und wurde stets durch eine Fülle origineller und mannigfaltiger Bilder aus dem Leben der höchsten Hindu-Kasten überrascht; denn nur solche, nur echte Brahminen bewohnen diesen heiligen Ort, und kein unreiner Hindu niederer Kaste darf denselben durch seine Gegenwart entweihen. Den Mittelpunkt besselben bildet hier, wie an ähnlichen, hie und da in der schwarzen Stadt zerstreuten heiligen Orten ein viereckiger Teich, dessen Ufer geradlinige Treppenreihen säumen. Diese sind eingefaßt von zahlreichen Tempeln und Capellen, zwischen welchen enge Gassen zum Wasser hinabführen. Die Tempel zeichnen sich aus durch charakteristische Thürme, theils von Gestalt einer Bischofsmütze, theils von der eines breiten und niedrigen Obelisken. Das Innere der Tempel, gleich den dazwischen zerstreuten Hütten noch der Straße geöffnet, zeigt einen einfachen Raum, in dessen Mitte (oder auch in einem besonderen Vorhofe unter einer Säulenhalle) ein heiliger Stier liegt. Andere Gegenstände der Verehrung, gleich den Stieren mit Blumen geschmückt, sind merkwürdige steinerne Symbole der Fruchtbarkeit, zum Theil von obscönster und grotesker Form. Solche sind auch an vielen Stellen der Wege inner- und außerhalb der Stadt zerstreut, mit rother Farbe bemalt. Sie werden namentlich von kinderlosen Eheleuten besucht und ihre rothen Theile werden mit Goldpapierchen beklebt, auch mit duftenden Blumen bedeckt, in der Hoffnung, durch diese Opferspenden mit Kindern gesegnet zu werden.

Vor den Stufen der Tempel und auf den Treppen des heiligen Teiches hocken oder bewegen sich heilige Büßer in den verschiedensten und sonderbasten Geberden und Andachtsübungen. Die meisten dieser Fakire sind geriebene Betrüger, welche dem Dolce far niente auf Kosten ihrer frommen und wohlthätigen Glaubensgenossen sich hingeben. Ihr nackter Körper ist mit Asche und Oel beschmiert, die langen Haare in wirre Zöpfe geflochten, die niemals gereinigt werden und besondere Species des „Weichselzopfes" repräsentiren, meist ein reich bevölkerter zoologischer Garten. Das einzige Verdienst der meisten Fakire besteht darin, daß sie irgend ein Glied ihres Körpers verstümmeln. Der Eine hat seit vielen Jahren seite Faust krampfhaft geschlossen, so daß die Fingernägel tief in das Fleisch der Hohlhand eingewachsen sind; ein Anderer hat den emporgestreckten Arm in senkrechter Stellung so lange erhalten, bis derselbe alle Beweglichkeit und Empfindlichkeit verlor, so daß er nun gleich einem dürren Aste vertrocknet und atrophisch über das Haupt emporragt; ein Dritter hat sich die verschiedensten Wunden beigebracht und durch Einstreuen von Asche in langer Eiterung erhalten, so daß sein Gesicht und Leib auf das Scheußlichste entstellt ist etc. Bekanntlich gibt es keine Thorheit und keine Verrücktheit, zu der nicht religiöse Wahnvorstellungen den Menschen bringen können, besonders wenn sie mit den üblichen Betrügereien der Priesterschaft Hand in Hand gehen; aber wenige Religionsformen dürften es in dieser Beziehung zu solchen extremen Ausgeburten bringen, wie der Brahma- Cultus.

Während ich stundenland im Brahminen-Dorfe Walkeschwar verweilte und unter dem dichten Schatten eines heiligen Benyanenbaumes am Ufer des Teiches saß, um diese seltsamen Eindrücke in meinem Skizzenbuche festzuhalten, hatte ich genügende Muße, das sonderbare Leben und Treiben dieser privilegirten Faullenzerkaste zu studiren. Die Hauptbeschäftigung dieser edlen Brahminen, die eigentlich als echte „Bettelmönche" von den reichlichen Spenden der abergläubischen und opferwilligen Hindu's niederer Kaste leben, besteht in süßem Nichtsthun, in philosophischer Betrachtung der Welt mit ihrer Narrheit; nur zeitweilig wird dasselbe durch äußerliche Religionsübungen unterbrochen, unter denen wiederholte Waschungen jedenfalls noch die zweckmäßigsten sind; fast ununterbrochen war der heilige Teich von Badenden beiderlei Geschlechts besucht. Vielen Spaß hatte ich mit der munteren, jede Kleidung verschmähenden Jugend, die in Scharen meiner Aquarellarbeit zuschaute und darüber ihre lustigen Clossen machte. Besonderes Vergnügen schien ihr die Carricatur eines heulenden, sich ganz verrückt geberdenden Fakirs im Teiche zu machen; wie den überhaupt diese Hindu-Jungen noch nicht von der Orthodoxie der Alten angesteckt erschienen.

Andere interessante Bilder in Welkeschwar lieferte mir eine Brahminenschule; der alte graue Schulmeister schien ebenfalls den Ernst des Lebens mehr von der heiteren Seite zu nehmen und war offenbar sehr erfreut, als ich mich ihm pantomimisch als Collegen zu erkennen gab. Dicht neben diesem Tempel der Weisheit hatte ich auch Gelegenheit, Etwas von der praktischen Medicin der Hindu zu sehen; eine Entbindung unter erschwerenden Umständen wurde mit den sonderbasten Instrumenten auf offener Straße ausgeführt; ein Hindu- Constabler oder „Police-Man" hielt dabei die versammelten Zuschauer in Ordnung und erklärte mir sehr gefällig die Bedeutung des Actes. Daneben war ein anderer Hindu-Doctor beschäftigt, aus einem armen Rheumatismuskranken den Teufel durch Kneten und Pressen auszutreiben. In diesen Fächern, wie überhaupt in der Thierquälerei, leisten die frommen Hindu wirklich Großes, während sie gleichzeitig sich sehr hüten, irgend ein Wesen, sei es auch das kleinste oder schädlichste Insekt, wirklich umzubringen.

Schon am Tage nach meiner Ankunft in Bombay, am 9. November, hatte ich Gelegenheit, an einer Excursion nach der berühmten Insel Elephanta Theil zu nehmen, auf welcher sich die vollendetsten und figurenreichsten unter den zahlreichen indischen Höhlentempeln befinden. Da diese brahminischen Tempel durch zahlreiche Abbildungen und Beschreibungen allbekannt sind, will ich mich auf das kurze Geständniß beschränken, daß sie meinen hochgespannten Erwartungen nicht entsprachen; ich hatte mir den Eindruck weit großartiger und imposanter vorgestellt. Von wirklicher Schönheit ist ohnehin bei den verschnörkelten und fratzenhaften Sculpturen der Inder nicht die Rede; die häßlichen und widernatürlichen Verbindungen von Menschen- und Thierleibern, die Gottheiten mit drei Köpfen (Trimurti), ferner die verzerrten Fratzengesichter, die Leiber mit mehreren Reihen von Brüsten, mit 8 Armen und Beinen etc. sind mir höchlich zuwider, und ich gehöre zu jenen wenigen Ketzern, die auch hier das Urtheil unseres Altmeisters Goethe von den „verrückten Elephanten- und Fratzentempeln" zutreffend finden. Immerhin sind die Felsentempel von Elephanta durch die sorgfältige Sculptur der Einzelheiten, und durch die Art und Weise, wie der ganze Tempelraum mit seinen drei Säulenhallen und den zahlreichen Figuren aus dem lebendigen schwarzen und sehr festen Gestein des Trapp-Gebirges ausgemeißelt ist, sehr merkwürdig, und die Lage des Tempels auf dem steilen Westabhange der schön bewachsenen Insel ist so herrlich, der Blick auf den Hafen von Bombay so großartig, daß sich Jeder durch diese Excursion reichlich belohnt führen wird. Wir machten dieselbe vom Apollo-Bunder aus mit einer kleinen Dampfbarkasse (Steam-Lounch). Die Ueberfahrt dauert nur eine gute Stunde und bietet eine Reihe hübscher Hafenbilder; indische Schiffe und Boote aller Größen und Formen konnte ich hier in der Nähe sehen. Sehr schön ist dabei der Blick auf das hohe Tafelland, die Bhor-Ghats von Dekkan, sowie auf das palmenreiche Vorland an dessen Fuße, auf das Konkan, zwischen welchem und der Insel Bombay die kleine Insel Elephanta gelegen ist. Durch prächtig rothe Färbung der nacksten Felsen zeichnet sich die benachbarte größere Insel Trombay aus.

In anderer Hinsicht bot mir die Excursion nach Elephanta das allergrößte Interesse und wird mir immer unvergeßlich bleiben. Denn dieser Tag, der 9. November, war der erste, an welchem ich die tropische Flora ihr Wunderwerk frei und ungekünstelt entfalten sah. Allerdings hatte ich schon den vorhergehenden Nachmittag, meinen ersten in Indien, dazu benutzt, um mit dem Tramway nordwärts durch die schwarze Stadt nach Victoria Garten zu fahren. Das ist ein hübscher, wenn auch nicht sehr sorgfältig gepflegter botanischer Garten. Zwar kann er sich nach Reichthum und Anlage nicht mit anderen botanischen Gärten Indiens messen; indessen sah ich doch zum ersten Male hier eine große Anzahl der schönsten und großartigsten Tropengewächse von Angesicht: insbesondere die Hauptformen der indischen Palmen und Bambusen, Bananen und Pandanus, Brotfrucht und Papaya, Lotos und Pistia etc. Wie sehr mich aber auch dieser schöne Victoriapark am ersten Abend in Bombay entzückte, zumal er durch das prachtvolle Beleuchtungsspiel eines glühenden Sonnenuntergangs verklärt wurde, so war doch meine Freude noch ungleich größer und lebhafter, als ich am folgenden Nachmittag auf Elephanta die bedeutendsten Charakterpflanzen Indiens wild in ihrem freien Naturzustande erblickte, in jener Ueberfülle der Ueppigkeit, die keinen Gartenzwang duldet.

Da bekleiden rankende Schlingpflanzen und kletternde Farne die reisigen Tiekstämme; da beugen die edelsten Cocos-Palmen ihren schlanken gebogenen Stamm mit der herrlichen glitzernden Fiederkrone über den Stand des Meeres, der mit Pandanusbüschen gesäumt und mit einer, im Wasser wurzelnden Mangroven-Mauer befestigt ist. Da ranken mächtige Schmarotzerfeigen und Winden, und andere, mit großen bunten Blumen ausgestattete Kletterpflanzen an den kerzengeraden schwarzen Stämmen der gewaltigen Palmyra-Palmen empor, und selbst ihre stolze Krone von handförmigen Fächerblättern ist mit Blumen bekränzt. Und dort erheben sich uralte Prachexemplare vom heiligen indischen Feigenbaum, von der Benyane; unten löst sich ihr mächtiger Hauptstamm in ein förmliches Netzwerk gewaltiger Wurzeln auf, während oben aus dem dichten dunkelgrünen Laubwerke dicke Riesenäste eine Schar von Luftwurzeln herabsenken; von letzteren erreichen viele wieder den Boden und bilden wurzelschlagend neue Stämme zur Stütze der alten mütterlichen Krone. Und dort, siehe dort, da erstickt ein gewaltiger Würger (eine parasitische Feigenart), mit dem Netzwerk seiner verflochtenen Stammäste die edle Palme, die er zäh umklammert hält - und wenige Schritte weiter da steht ein Bruder dieses Würgers mit todtem, einen cylindrischen Hohlraum umschließenden Gitterstamme, ohne Blätter; erst war die erwürgte Palme gestorben und vermodert, und dann hatte den grausamen Mörder dasselbe Schicksal erreicht. Dazwischen bildet das zierliche Bambusrohr große Riesenbouquets, breiten prächtige Bananen und Strelitzien ihre frischgrünen zarten Blätter aus, entfalten herrliche bunte und große Blumen ihre duftenden Kelche, bilden zartgefiederte Acacien weit ausgedehnte Schirmdächer, verflechten sich stachelige cactusähnliche Euphorbien zu dichten Hecken. So sah ich hier zum ersten Male auf Elephantia in greifbarer Wirklichkeit eine Fülle der merkwürdigsten und schönsten Gestalten der tropischen Flora, von denen ich seit 30 Jahren gelesen und geträumt hatte. Und dazwischen gaukelten in der sonnenglühenden Luft Tausende der schönsten und buntesten Schmetterlinge, schwirrten durch das Gebüsch große goldglänzende Prachtkäfer, huschten durch das Laub Hunderte von behenden Eidechsen und Schlangen, flogen von Stamm zu Stamm lärmende Scharen prachtgefiederter Vögel - lauter neue, nie lebend gesehene Formen, und mir doch großentheils seit Langem alte Bekannte. Wie ein Kind haschte ich nach all den herrlichen Siebensachen und legte meine Hand auf die Stämme der Palmen und Bambusen, um mich zu überzeugen, daß nicht Alles nur ein schöner Märchentraum sei! Und so fuhr ich traumbefangen bei der wunderherrlichsten Abendbeleuchtung von Elephanta nach Bombay zurück und sah in der schlaflosen Nacht, der ersten in Indien, Tausende der prächtigsten Bilder an meinem Auge auf's Neue vorüber ziehen.


Leider gestattete die kurze, rasch verfließende Woche in Bombay nur einen einzigen größeren Ausflug auf das  i n d i s c h e   F e s t l a n d ; dieser war aber sehr interessant und gab mir eine recht gute Vorstellung von der Natur des berühmten Hochlandes von  D e k k a n . Auf den guten Rath eines freundlichen Landsmanns, Herrn Tintner (dem ich für viele andere Gefälligkeiten bei dieser Gelegenheit herzlich danke), wählte ich unter den verschiedenen, im Zeitraume von zwei Tagen ausführbaren Excursionen diejenige nach  L a n a u l i e  und zu den Felsentempeln von  C a r l i . In Gesellschaft des Grafen Hunyady, des Reisegefährten von der „Helios", verließ ich Bombay am Mittag des 11. November. Das herrlichste Wetter begünstigte diesen Ausflug, wie meinen ganzen Aufenthalt in Bombay; nur war es etwas zu heiß: Mittags im Schatten bis 30o R, meistens am Tage zwischen 22 und 26o R; auch die Nächte waren sehr heiß und einmal hatten wir noch um Mitternacht 25o R.!

Die Eisenbahnfahrt nach Lanaulie (die erste Strecke der großen Bahn von Bombay nach Madras) dauerte 5 Stunden und entlockte uns neben vielem Schweiße manchen Seufzer über die stechende Sonnenglut; und doch waren die Waggons erster Classe, die wir benutzten, überaus bequem und boten die raffinirtesten Schutzmittel gegen die Tropensonne: doppeltes, seitlich weit vorspringendes Dach, Jalousien und grüne Scheiben an den Fenstern, innen und außen Vorhänge, bequeme und kühle Lederpolster, sinnreiche Einrichtungen für reichliche Ventilation, und was das Angenehmste war -, kleine Badecabinette mit gekühltem Wasser, in denen ich mehrmals während der heißen Fahrt ein erquickendes Bad nahm. Jeder Waggon erster Classe enthält nur zwei geräumige Salons und in jedem Salon dürfen nicht mehr als 6 Passagiere sitzen, während man bei uns die dreifache oder mindestens doppelte Zahl darin zusammenpferchen würde. Nur drei Bänke sind in jedem Salon (zwei der Länge, eine der Quere nach); bei Nacht wird über jeder Bank noch eine zweite, 4 Fuß entfernt, aufgeschlagen; und so erhält man 6 Betten, weit geräumiger und bequemer, als die Betten in Dampfschiffscabinen. Dabei kann man bequem in dem kleinen Salon seinen Koffer unterbringen und auspacken, promeniren und nach beiden Seiten durch die zahlreichen Fenster die Aussicht auf die vorübereilende Landschaft genießen.

Diese Aussicht war für mich höchst anziehend und ich sammelte während der kurzen fünfstündigen Fahrt eine Reihe interessanter indischer Bilder in meinem Skizzenbuche. Zunächst fährt die Eisenbahn durch einen großen Theil der Stadt Bombay selbst hindurch, an Byculla, Parell und Sassoon vorbei, dann auf einer Brücke über einen schmalen Meeresarm nach der Insel Salfette und von dieser über einen zweiten Meeresarm nach dem Festlande von Vorder-Indien hinüber. Anfänglich zieht sich hier die Bahn ganz flach mehrere Stunden lang durch das ebene und niedere Küstenland, das Konkan. Zahlreiche Dörfer, aus elenden Rohrhütten zusammengesetzt, und einzelne kleine Städtchen von unbedeutendem Umfang geben uns eine Idee von der Mahratten-Bevölkerung dieser Gegend. Die ausgedehnte Ebene ist während der Regenzeit (von Juni bis September) mit dem üppigsten hohen Grase bedeckt, zum großen Theil auch gut cultivirt mit Reis, Mais etc. Jetzt war die Vegetation seit mehr als einem Monat völlig verbrannt und die weiten Grasflächen strohgelb. Nur die zahlreichen immergrünen Pflanzen erhielten sich frisch, die Bananengebüsche und Feigenbäume rings um die Hütten, und vor Allem der wichtigste Schatz dieser Konkan-Flora, die herrliche  P a l m y r a -  P a l m e  (Borassus flabelliformis). Tausende oder vielmehr Millionen von Stämmen dieser edlen Fächerpalme mit dem kerzengeraden schwarzen Stamme sind allenthalben sichtbar, bald einzeln, bald in Gruppen, und geben dem ganzen flachen Küstenlande seine charakteristische Physiognomie; gleich der Cocos- und Dattelpalme ist auch die indisch Palmyra-Palme einer der nützlichsten Bäume; fast jeder Theil derselben dient für einen oder mehrere häusliche oder technische Zwecke. Besonders schön erscheinen die Gruppen dieser Palme an den Ufern der zahlreichen schilfbekränzten Teiche, an denen wir vorüberfuhren; dazu als malerischer Vordergrund die nackten braunen Eingeborenen mit ihren zweiräderigen Ochsenkarren, badende Büffel und zusammengewürfelte Rohrhütten; im Hintergrunde darüber die malerischen Formen der Bhor-Ghats, der zackigen Felsenwände, die den steilen, 2000 Fuß hohen Absturz des mächtigen Tafellandes von Dekkan bilden.

Auf der Station Kurjut, hinter Noreb, waren wir am Fuße des Gebirges angelangt und die leichte Locomotive, die uns bisher geführt hatte, wurde jetzt mit einer schweren Gebirgslokomotive vertauscht. Die Steigung der Bahn wird bald sehr bedeutend (1:37); sie erhebt sich in wenigen Stunden Fahrzeit über 2000 Fuß. Zahlreiche Tunnels und Viaducte, sowie scharfe Biegungen der Bahn an steilen Felswänden vorbei erinnern an unsere malerischen Alpenbahnen, Semmering und Brenner (die stärkste Steigung auf letzterer beträgt nur 1:40). Die umgebende Landschaft nimmt alsbald einen ganz anderen Charakter an. Die Palmen, die in so großer Masse das Unterland (Konkan) schmückten, verschwinden schon beim Beginn der Steigung völlig; mächtige, bald säulenförmige, bald astreiche Waldbäume treten an ihre Stelle, darunter die stolzen Tiekbäume, sowie Wollbäume mit sehr großen Blättern. Der steile Abfall des tafelförmigen Hochlandes (Dekkan), der zum Theil treppenartig oder terrassenförmig abgestuft ist, wird vielfach von tiefen Wasserschluchten eingeschnitten und diese Abgründe, mit dichtem Waldgebüsch ausgekleidet, geben dem Gebirgslande einen europäischen Charakter. Ganz eigenthümlich aber, und in ähnlicher Form von keinem europäischen Gebirge mir bekannt, ist die Gestaltung der mächtigen Felsenmassen dieser  B h o r -  G h a t s . Sie erscheinen bald als ungeheure, fast senkrecht aufsteigende schwarze Mauern von mehr als tausend Fuß Höhe, bald als breite und flache Tafelberge mit horizontal abgeschnittenen Kuppen, bald als zerklüftete Wände, deren thurm- und castellartige Aufsätze aus der Entfernung täuschend eine gewaltige Festung mit vielen Thürmen und Zinnen vorspiegeln. Obgleich die plutonischen Gebirgsmassen der Bhor-Ghats (größtentheils schwärzlicher Trapp und basaltartiger Syenit) von dem geschichteten Quadersandstein unserer „sächsischen Schweiz" völlig verschieden sind, so bleibt die äußere Gestalt der isolirten Tafelberge doch oft auffallend ähnlich. Wie uns der Anblick des schluchtenreichen Waldgebirges, ohne alle Zuthaten tropischer Vegetationspracht, plötzlich vom 19. nach dem 33. Breitengrade versetzte, so erschien auch die Luft, die wir athmeten, mit einem Male gänzlich verändert. An die Stelle der drückenden Hitze trat luftige Kühle und mit Wonne sogen wir die kräftigeg frische Bergluft ein - eine Wohlthat des gemäßigten Klimas, welche man erst dann voll schätzen lernt, wenn man sie unter dem erschlaffenden Einflusse der Tropensonne schmerzlich vermißt. Je höher wir hinauf kamen, desto heimathlicher wurde es uns zu Muthe. Doch erfuhr diese Illusion einige Störung durch die Mittheilung, daß in der tiefen wasserreichen Waldschlucht, an der wir eben vorbeifuhren, vor zwei Jahren ein englischer Capitän durch einen Tiger getödtet worden sei. Hier stürzten aus beträchtlicher Höhe zwei Wasserfälle herab. Während der Regenzeit sind diese überaus zahlreich; jetzt waren sie größtentheils versiegt und gelben dünnes Gras bedeckte die Flächen, die nicht mit Bäumen oder nicht mir „Dschungle"-Dickicht besetzt waren. Kurz vor Lanaulie passirten wir die Station  M a t h e r a n , eine beliebte Sommerfrische der wohlhabenden Bewohner von Bombay. Mehrere schöne Aussichtspunkte in dessen nächster Umgebung gewähren einerseits wilde und romantische Einblicke in die umgebenden Waldschluchten, andererseits weite und umfassende Ausblicke über das flache Küstenland und das Meer, bis nach Bombay hin. Eine besonders auffallende Felsenform in der Nähe der vorhergehenden „Reversion-Station" führt den Namen Dukes Nose (Herzogs-Nase, Wellington zu Ehren!). Es war bereits völlig dunkel geworden, als wir um 7 Uhr in einer Meereshöhe von 2100 Fuß an unserem Ziele Lanaulie anlangten und in dem kleinen Hotel eines Parsi recht leidliche Unterkunft fanden.

Der folgende Morgen war für eine Excursion nach den berühmten  C a r l i e -  C a v e s  bestimmt, den buddhistischen Grotten-Tempeln, welche alle anderen an bedeutendem Umfang und Reichthum der Sculptur übertreffen sollen. Wir hatten für 5 Uhr Ponies bestellt, welche uns bis in die Nähe der Grotten und ein Stück bergauf tragen sollten. Als wir aber die Bergpferde besteigen wollten, erschien statt deren eine stattliche Kutsche mit zwei Pferden, deren Lieferung dem schlauen Wirthe vortheilhafter erschien. Wohl oder übel mußten wir uns in die Kutsche setzen, die uns nur eine halbe Stunde weit auf gutem Fahrweg weiter brachte. Dann mußten wir aussteigen und über eine Stunde weit über Wiesen und Felder hinwegmarschiren. Schließlich ging es noch eine halbe Stunde steil bergauf zu den Grotten. Diese liegen in halber Höhe am westlichen Abhange eines Trachytberges, der sich noch mehr als tausend Fuß über das Plateau von Lanaulie erhebt. Letzteres liegt bereits auf der Höhe des Tafellandes von Dekkan. Die buddhistischen Höhlentempel von  C a r l i e  sind weit größer und älter, als die brahmanischen Tempelgrotten von Elephanta; auch sind die Sculpturen einfacher und weniger schnörkelhaft, die Figuren der Menschen und Tiere natürlicher. Sie gelten als die vollendetsten Bauwerke ihrer Art. Gleich den Tempeln von Elephanta und vielen ähnlichen in Indien sind auch diejenigen von Carlie durch Aushöhlung aus dem Felsen des Gebirges selbst herausgeschnitten, ebenso wie die Sculpturen von Menschen und Thieren, welche in großer Zahl die Wände zieren. Der stattliche Hauptraum des Tschaitya-Tempels von Carlie, ein riesiges Tonnengewölbe, wird durch zwei Säulenreihen in ein breites Hauptschiff und zwei schmale Nebenschiffe getheilt. Die zahlreichen Figuren, von männlichen und weiblichen Gestalten, von Elephanten, Löwen etc., sowie die Säulen und Thürpfosten, sind sehr kunstreich aus dem harten schwarzen Trapp-Felsen ausgemeißelt und glatt poliert; sie sollen durch sorgfältige und ästhetische Ausführung diejenigen der meisten anderen indischen Tempel übertreffen. Oberhalb des Haupttempels und zu beiden Seiten desselben, (- in 777 Meter Meereshöhe -) sind kleine Räume ausgemeißelt, aus denen wir große Schwärme von Fledermäusen aufscheuchten. An dem Eingange zu den Tempelgrotten stehen außen ein paar kleinere Tempel, von herrlichen heiligen Feigenbäumen überschattet; einige buddhistische Priester, die hier ihr Leben zubringen, bettelten um Almosen. Während sie zum Danke dafür ein Gebet hinmurmelten, ertönte oben von der Höhe der Felsen lautes Geschrei, und als wir hinblickten, sprangen in eiligen Sätzen mehrere große schwarze  A f f e n  (Wanderuh's) davon. Es waren dies die ersten Affen, die ich in wildem Naturzustande erblickte; im Vergleiche zu den schmutzigen und nackten Bettelmönchen zu unseren Füßen erschienen sie mir als deren Vorfahren recht verehrungswürdig.

Der Blick von der Pforte der Carlie-Tempel, noch besser von den vorspringenden Felsen oberhalb derselben, auf welche wir den Affen nachkletterten, umfaßt das Plateau von Lanaulie. Dasselbe erstreckt sich in gleichmäßiger Ebene ziemlich weit nach Puna hin, und ist rings eingeschlossen von einem Kranze niederer, größtentheils kahler Hügel. Hier beginnt das mächtige Tafelland von Dekkan, das den größten Theil der vorderindischen Halbinsel einnimmt und sich gegen Osten, gegen die Voromandelküste allmälig herabsenkt, während es nach Westen, gegen das Konkan und die Malabarküste, größtentheils steil abfällt. Sehr befriedigt von dieser Excursion, welche uns in einen der interessantesten Theile desselben führte, verließen wir Lanaulie am Mittag des 12. November und waren schon vor Sonnenuntergang wieder in Bombay.

III. Colombo.

Am 21. November 1881, in der strahlenden Lichtfülle eines wolkenlosen Tropenmorgens, betrat ich den Boden der immergrünen Wunderinsel  C e y l o n , auf der ich vier lehr- und genußreiche Monate meines Lebens zubringen sollte. Der österreichische Lloyd-Dampfer „Helios", der uns in fünf Tagen von Bombay beim schönsten Wetter auf spiegelglatter See nach Ceylon hinübergeführt hatte, war schon nach Mitternacht in Sicht der Insel. beim ersten Morgengrauen war ich auf Deck, um das ersehnte Endziel meiner Reise, das „gelobte Land" meiner Naturforscherwünsche, sobald als möglich in Augenschein zu nehmen. Da erhob sich im Osten vor uns über dem dunkeln Spiegel des indischen Oceans ein schmaler Streifen, in der Mitte ein wenig verdickt und mit einer vorspringenden Spitze versehen. Die kurze tropische Morgendämmerung wich rasch dem anbrechenden Tageslichte und nun entpuppte sich jener schmale Streifen als ein langgedehnter Küstensaum von Cocoswäldern an der nahen Westküste von Ceylon, seine mittlere Verdickung aber als die Bergkette des centralen Hochlandes, aus welcher der kegelförmige  A d a m s -  P i k , die weltberühmte und sagenumwebte Hauptspitze der Insel, bedeutungsvoll hervorragte. Völlig klar und scharf gezeichnet hoben sich die Umrisse dieser dunkelblauen Bergmassen an dem hellen, wolkenlosen Morgenhimmel ab; als die glühende Kugel der aufgehenden sonne über denselben empor tauchte, konnten wir auch eine Kette von niedrigen Vorbergen erkennen, welche sie vom Küstensaum trennte. Die weißen Stämme der Cocospalmen an letzterem ließen sich bald deutlich unterscheiden, und als wir uns mehr näherten, wurden auch die einzelnen Theile der Hauptstadt  C o l o m b o  sichtbar, gerade vor uns das Fort mit dem Hafen, zur Rechten (südlich) die Vorstadt Kolpetty, zur Linken (nördlich) die „schwarze Stadt", Pettah. Ich begrüßte es als ein gutes Omen für das glückliche Gelingen meiner Reise, daß gleich der erste Anblick der ersehnten Insel von strahlender Heiterkeit des wolkenlosen Himmels und völliger Klarheit der reinen balsamischen Morgenluft begünstigt war, - um so mehr, als gewöhnlich nähere oder fernere Wolkenschleier schon am frühen Morgen das Gebirgsland ganz oder theilweise verhüllen.

Das erste Boot, welches sich unserem Dampfer näherte, brachte uns den Lootsen an Bord, der uns in den Hafen führte; es war gleich den zahlreichen anderen, bald erscheinenden Booten von jener höchst sonderbaren Form, die in der südasiatischen Inselwelt weit verbreitet, in Ceylon, ihrem westlichen Ausläufer, aber besonders eigenthümlich entwickelt ist: ein ausgehöhlter Baumstamm von ungefähr 20 Fuß Länge; durch aufgebundene senkrechte seitliche Bretter sind seine beiden Seitenwände auf 3 Fuß erhöht, aber die Breite zwischen diesen beträgt kaum 1 1/2 Fuß, so daß keine erwachsene Person darin sitzen kann, ohne beide Beine hinter einander zu stellen. Von einer Seite des Bootes gehen rechtwinkelig zwei gekrümmte parallele Stäbe oder Bambusstämme ab, welche an ihrem Ende durch einen dickeren (dem Canoe parallelen) Stamm verbunden sind. Dieser „Outrigger" oder „Ausleger" schwimmt flach auf dem Wasserspiegel und verleiht dem schmalen und gebrechlichen Fahrzeug einen hohen Grad von Sicherheit. Da ich später diese wunderlichen Kähne für meine zoologischen Excursionen ausschließlich benutzte, werde ich noch Gelegenheit genug finden, ihre Licht- und Schattenseiten zu würdigen. Heute, bei der Ankunft in Ceylon, erregten sie vorzugsweise durch ihre malerische Form mein Interesse, um so mehr, als die darin befindliche singhalesische Bemannung nicht minder eigenthümlich und originell erschien, als die Boote selbst. Bald war unser Schiff jetzt im Hafen und bedeckte sich mit Singhalesen, welche Früchte, Fische und andere Lebensmittel, sowie verschiedene kleine Industrieproducte zum Verkaufe brachten. Die Meisten sind nackte, braune Gestalten, deren einziges Kleidungsstück aus dem „Comboy" oder „Sarong" besteht, einem rothen Stück Baumwollenzeug, welches gleich einer breiten Schürze unter dem Gürtel festgebunden wird und die Beine größtentheils verhüllt. Andere - insbesondere die rudernden Bootsleute - begnügen sich statt dessen mit einem einfachen Schurz, gleich einer schmalen Schwimmhose. Alle aber tragen ihr langes, schwarzes Haar sorgfältig frisirt, und meistens in einem starken Zopf aufgewickelt, welcher durch einen breiten Schildpatt- Kamm am Hinterhaupt befestigt wird; sie erhalten hierdurch ein auffallend weibisches Aussehen, um so mehr, als ihr Körperbau zierlich und schwächlich ist, besonders Hände und Füße klein und die Gesichtszüge weichlich. Weit kräftiger und männlicher erscheinen dagegen die nackten schwarzen Tamils, welche Kohlenboote herbeirudern. Gar sehr verschieden von Beiden sind wiederum einige Indo-Araber oder „Mohren" (Moormen), stattliche Gestalten in langen weißen Kaftan und weißen Pumphosen, das braune langbärtige Haupt mit einem hohen gelben Turban bedeckt. Sie bringen Edelsteine, Muscheln, Silber-Arbeiten und Schmucksachen zum Verkaufe an Bord, während die Singhalesen theils Cocosnüsse, Ananas, Fische und Krebse, theils die charakteristischen Producte ihrer nationalen Industrie feil bieten: Elephanten und Buddha-Bilder aus Elfenbein oder Ebenholz geschnitzt; Körbchen und Matten, aus Binsen und Palmfasern geflochten, Kästchen und Stöcke aus verschiedenen Holzarten u. s. w. Die Preise, welche die Eingeborenen für diese Handelsartikel fordern, betragen in der Regel das Dreifache oder Vierfache, oft aber auch das Zehnfache ihres wahren Werthes; und einer unserer Reisegefährten kaufte um eine Rupie (einen Gulden) einen schönen Edelstein, für welchen der Verkäufer unmittelbar vorher acht Pfund Sterling (= 80 Rupien!) gefordert hatte; natürlich war dieses kostbare Kleinod, gleich den meisten anderen „Edelsteinen" der „Rubin-Insel" nichts Anderes, als ein europäisches Kunstproduct aus geschliffenem bunten Glase! Solche werden jetzt alljährlich massenweis importirt. Während dieses unterhaltenden Schauspieles, welches sich schon in erster Morgenfrühe auf unserem Schiffe entwickelte, erschien das Boot des österreichischen Lloyd und brachte den dortigen Agenten desselben, Hern  S t i p p e r g e  r , an Bord des „Helios". Ich war an diesen Herrn sowohl von der Direction des Lloyd, als auch von mehreren Freunden in Triest und Bombay speciell empfohlen und wurde von ihm auf das Allerfreundlichste empfangen. Er lud mich zunächst ein, die ersten Wochen bei ihm zu wohnen, und that auch fernerhin mit größter Aufmerksamkeit und zuvorkommendster Sorgfalt Alles, was geeignet war, mir meinen Aufenthalt auf Ceylon so angenehm und nutzbringend als möglich zu gestalten. Ich erfülle nur eine Pflicht der Dankbarkeit, indem ich hier demselben den herzlichsten Dank für die unermüdliche Freundschaft ausspreche, welche er mir in den vier Monaten meines Aufenthalts auf Ceylon bewiesen hat. Wenn ich diese kurze Zeit auf das Beste ausnutzen und wohl mehr darin sehen, lernen und arbeiten konnte, als mancher andere Reisende in Jahresfrist, so verdanke ich das großentheils meiner „singhalesischen Providenza", wie ich den liebenswürdigen Freund Stipperger scherzweise nannte. Derselbe (ein geborner Wiener und wenige Jahre jünger als ich) war früher Officier in der osterreichischen Marine gewesen, und war dann später nach wechselvollen Schicksalen in die Dienste des österreichischen Lloyd getreten. Ich kann nur wünschen, daß der letztere seiner ausgezeichneten Befähigung und sienen vielseitigen Kenntnissen die gebührende Anerkennung zolle! Nach herzlichem Abschiede von den Schiffsofficieren des „Helios" und von den Reisegefährten, welche mit demselben weiter nach Singapore und Hongkong fuhren, verließ ich das schöne Schiff, das mich von Triest so sicher und ruhig hierher getragen, und fuhr in dem Boote des österreichischen Lloyd - als dessen besonderer Schützling ich auch fernerhin auf Ceylon gegünstigt wurde - mit Herrn Stipperger an das Land. Durch die gütige Vermittelung des Letzteren und mit Hilfe der officiellen Empfehlung der englischen Regierung an den Gouverneur von Ceylon wurde mir der zollfreie Eingang meines umfangreichen Gepäcks ermöglicht und die unangenehmen Plackereien, welche mit der Oeffnung von sechzehn verschiedenen Kisten und Koffern verbunden sind, erspart. Wir bestiegen gleich am Hafen einen Wagen und fuhren in des „Office" oder Geschäfts-Bureau des österreichischen Lloyd; von dort zu einem ersten Frühstück nach dem Clubhause. Dann verwendete ich die ersten Stunden nach der Ankunft, um alsbald einige der nöthigsten Besuche zu machen und mehrere wichtige Empfehlungsschreiben abzugeben, mit welchen der deutsche Consul in Colombo, Herr Freudenberg (derzeit in Deutschland) mich freundlichst versehen hatte.

So verging der Vormittag und ein Theil des Nachmittags, und ich lernte gleich an diesem ersten Tage in Ceylon unter der gütigen und kenntnißreichen Führung meines ortskundigen Gastfreundes einen großen Theil von der Hauptstadt Colombo und von denjenigen Bewohnern derselben kennen, welche für mich von besonderem persönlichen Interesse waren. Um 5 Uhr Nachmittags waren die ersten Besuche beendigt und ich fuhr in Stipperger's leichter zweirädriger Kalesche, von einem schnellen australischen Rappenhengste gezogen, nach seiner Wohnung, „Whist-Bungalow", eine gute Stunde Weges (drei englische Meilen) von der centralen Geschäftsstadt oder dem sogenannten Fort entfernt. C o l o m b o  besteht gleich Bombay und den meisten größeren Städten Ostindiens aus einem europäischen Geschaftsviertel, dem centralen „Fort", und aus mehreren Vorstädten, welche letzteres umgeben und vorzugsweise Sitz der eingeborenen Bevölkerung sind. Das Fort von Colombo wurde 1517 von den Portugiesen als ihre wichtigste Factorei auf Ceylon gegründet und stark befestigt; sie waren die ersten europäischen Herren der Insel, 1505 auf derselben gelandet und blieben 150 Jahre in deren Besitz; ungefähr eben so lange als die Holländer, durch welche sie verdrängt wurden. Auch unter diesen, wie unter den Engländern, welche 1796 (am 16. Februar) Ceylon den Holländern abnahmen, blieb Colombo die Hauptstadt der Insel, obgleich andere Punkte, vor Allem Punto Galla, in vieler Hinsicht wohl besser sich dazu eigneten. Gerade in den letzten Jahren hat die englische Regierung besondere Anstrengungen gemacht, definitiv das Principat von Colombo zu befestigen, und so wird es wohl vorläufig, vielen ungünstigen Bedingungen zum Trotz, Capitale bleiben.

Für eine wirkliche Hauptstadt ist die erste Bedingung natürlich ein guter Hafen. Ein solcher fehlt aber Colombo, währen Galla ihn besitzt. Freilich kann man jetzt fast an jedem beliebigen Küstenpunkte einen künstlichen Hafen errichten, indem man den flachen Grund des Meerbodens durch Ausbaggern vertieft und an den gefährlichsten, dem Wind und Wellenschlag am meisten ausgesetzten Seiten Steindämme in das Meer hinausbaut, welche als „Wellenbrecher" oder „Breakwater" dienen; es gehört nur viel Geld dazu! So ist der künstliche Hafen von Port-Said an der nördlichen Mündung des Suez-Canals hergestellt. In gleicher Weise hat auch die englische Regierung in den letzten Jahren mit großen Kosten einen mächtigen Wellenbrecher an der Südseite des kleinen und schlechten Hafens von Colombo erbaut; derselbe springt weit gegen Nordwest in die See vor und schützt den Hafen gegen die wüthenden Angriffe des Südwest-Monsun, während er zugleich seinen Umfang beträchtlich erweitert. Allein es wird stark bezweifelt, ob dieser Wellenbrecher auf die Dauer ohne große beständige Ausgaben für Reparaturen haltbar ist. Jedenfalls hätte man mit viel weniger Kosten das schöne und große natürliche Hafenbeckenvon Galla bedeutend verbessern und ganz vorzüglich herstellen können. Die Felsblöcke und Korallenriffe, welche in letzterem der Schiffahrt Hindernisse bereiten, würden sich bei dem heutigen Zustande unserer Sprengkunst mit wenig Aufwand von Dynamit entfernen lassen.

Zunächst indessen hat jedenfalls in dem Wettstreit zwischen den beiden Hafenstädten der Westküste die alte Hauptstadt Colombo den Sieg über das von der Natur begünstigtere Galla davon getragen, obwohl letzteres durch Klima, geographische Lage und Umgebung den Vorrang verdiente. Das Klima von Colombo ist ungemein heiß, drückend und erschlaffend - eins der heißesten der Erde, während dasjenige von Galla durch den Einfluß frischer Brisen gemildert wird. Anmuthige Hügel in der Umgebung von Galla, theils mit den reichsten Culturpflanzungen, theils mit Wald bedeckt, machen den Aufenthalt daselbst sehr angenehm und gesund, während die Umgebung von Colombo ganz flach und zum großen Theil mit Sümpfen und stagnirenden Wassern bedeckt ist. Punto-Galla liegt unmittelbar am Seewege zwischen Europa und Indien und war daher bis vor Kurzem die natürliche Hauptstation der Schiffahrt für Ceylon. Jetzt hingegen, wo letztere sich nach der Hauptstadt Colombo gezogen hat, müssen alle Schiffe (da die Straße von Manaar nicht passirbar ist) den Umweg über Colombo hin und zurück machen. Trotzdem vollzieht sich unaufhaltsam der Sieg von Colombo, und gerade jetzt stand die größte und einflußreichste unter allen Schiffahrts- Gesellschaften Indiens, die P. und O.-Company, im Begriffe, ihre Bureaux und Factoreien von Galla nach Colombo überzusiedeln, nachdem bereits die meisten anderen Gesellschaften ihr voran gegangen waren. Die damit verbundenen großen Umwälzungen waren vielfach Gegenstand lebhaftester Discussion während meiner Anwesenheit in Ceylon. Das  F o r t   v o n   C o l o m b o  liegt an der Südseite der Hafenbucht, auf einem felsigen Vorgebirge von geringem Umfange, welches als Landmarke der flachen Westküste ziemlich weit sichtbar ist; dasselbe findet sich bereits von dem alten Geographen Ptolemäus (im zweiten Jahrhunderte nach Chr.) auf seiner verhältnißmäßig trefflichen Karte von Ceylon (= „Salike") als Jupiters-Cap („Jovis Extremum = Dios Acron") verzeichnet. Die Wälle des Forts (von den Holländern stark befestigt) sind noch heute mit Kanonen armirt und fast rings von Wasser umgeben; auf zwei Drittel ihres Umfangs vom Meere bespült, im letzten Drittel (an der Südostseite) von einer breiten Lagune; mehrere Dämme und Brücken durchschneiden letztere und verbinden das Fort mit dem Festland. Die wenigen engen und kurzen Straßen des Forts, welche sich rechwinkelig kreuzen, sind größtentheils mit Bureaux und Waarenlagern der europäischen Kaufleute, sowie mit einer Anzahl öffentlicher und Regierungsgebäude ausgefüllt. Unter letzteren ist das bedeutendste der hübsche Palast des Gouverneurs, Queenshouse genannt, von einem Kranze üppigster Vegetation umgeben, mit weiten Säulenhallen, grooßen luftigen Sälen und einem stattlichen Treppenhaus. Ich betrat diesen schönen Palasst schon am Tage nach meiner Ankunft, wo der Gouverneur meine Empfehlungsschreiben von der englischen Regierung in Empfang nahm. Die innere Ausstattung des Palastes ist geschmackvoll und dem orientalischen Glanze eines britischen Alleinherrschers der Insel (- denn das ist der Gouverneur thatsächlich! -) angemessen. Zahlreiche indische Diener in bunten phantastischen Uniformen versehen den Hausdienst, während roth- und golduniformierte englische Soldaten die Wache halten. Die Straße des Forts, in welcher das österreichische Lloyd- Bureau liegt und welche ich nach meiner Landung zuerst betrat, Chatham-Street ist gleich vielen anderen Straßen von Colombo und Galla, mit schattigen Alleen von schönen Malvenbäumen (Hibiscus) verziert; ihre großen gelben oder rothen Blüthen bedecken in Menge den Boden. Chatham-Street enthält zugleich diejenigen Kaufläden, die für mene Person in Colombo allein von Interesse waren: Handlungen mit Photographien von Landschaften und Läden mit lebenden Thieren. Da hatte ich denn gleich in der ersten Stunde nach meiner Ankunft auf Ceylon das große Vergnügen, durch die in den Schaufenstern ausgestellten Musterphotographien eine Übersicht über die schönsten Punkte des wilden Gebirges und des malerischen Küstenlandes, sowie über die erstaunlichen Wunderwerke der prachtvollen Vegetation zu erhalten: Palmen und Pisang, Pandanus und Lianen, Farnbäume, Benyanen u. s. w. Nicht minder anziehend war es natürlich für mich, gleich in den ersten Stunden auf der Wunderinsel die persönliche Bekanntschaft einiger ihrer interessantesten Thiere zu machen: vor Allem der Affen, der gefleckten Axishirsche, der Papageien, der Prachttauben u. s. w. An der Südseite des Forts befinden sich die Baracken der englischen Truppen, stattliche luftige Kasernen und Zelte, die sich zum Theil noch bis an die Ufer der Lagune ausdehnen. Südlich daran stößt das Militärhospital und dann die grüne Esplanande, „Galla Face" genannt, weil die große Küstenstraße nach Galla hier ihren Anfang nimmt. Abends, in den Stunden zwischen 5 und 6 Uhr, ist der weite grüne Rasenplatz der Esplanade, der sich zwischen der Lagune und der Meeresküste nach Süden erstreckt, der Sammelplatz der schönen, vornehmen und eleganten Welt von Ceylon. Hier hält dieselbe, wie im Hyde-Park zu London, ihren täglichen „Corso" während der Saison ab; erholt sich in der Kühle der abendlichen Brise von der Last der drückenden Mittagshitze und genießt das prachtvolle Schauspiel des Sonnenunterganges, häufig durch die mannigfaltigsten und wunderbarsten Wolkenbildungen verschönt. Dabei produciren sich die vornehmen jungen Herren von Colombo hoch zu Roß (zum Theil auf recht miserablen Gäulen!), die schönen Damen, mit Blumenbouquets nachlässig in den Equipagen hingestreckt, in elegantester Tropentoilette. Gleich nach Sonnenuntergang eilt aber Alles sofort nach Hause, theils um der gefürchteten Fieberluft des Abends zu entgehen, theils um die wichtigen Vorbereitungen für die Toilette zum Diner zu treffen, welch letzteres meistens um 7 1/2 Uhr stattfindet (natürlich stets in schwarzem Frack und weißer Halsbinde, wie in „Old England" -).

Als ich in der heißen Mittagsstunde die Explanade zum ersten Male betrat, lernte ich gleich die ganze Gewalt der Höllengluth kennen, welche Helios auf solchen unbedeckten Flächen der Insel hervorzurufen im Stande ist; die Umrisse der Gegenstände in geringer Entfernung schwankten unbestimmt in dem zitternden Lichte der aufsteigenden heißen Luftströme; und auf dem rothen Sandwege inmitten der grünen Grasfläche erblickte ich eine Fata Morgana, die hier sehr häufig gesehen wird. Die Mirage spiegelte eine glänzende Wasserfläche mitten in demselben vor, welche von den entgegenkommenden Wagen und Fußgängern gleich einer Flußfahrt durchschnitten wurde. Das Thermometer zeigte in den kühlen und erfrischenden Räumen des Clubhauses 24o R.! Draußen in der Sonne würde es wohl auf 36-40o gestiegen sein. Südlich an die Esplanade stößt eine Vorstadt, die sich weit nach Süden, zwischen dem flachen sandigen Meeresstrande und der Landstraße nach Galla hinzieht: Kolupityia oder  C o l p e t t y . Zu beiden Seiten der Landstraße liegen eine Anzahl der schönsten Villen, von reizenden Gärten umgeben. Nach Westen hin setzt sich dieses Villenvierten in die sogenannten  Z i m m t g ä r& nbsp;t e n  oder „Cinnamon-Gardens" fort. Diese haben gegenwärtig, seitdem sich die englische Regierung gezwungen saht, ihr einträgliches Zimmtmonopol ganz aufzugeben, ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, sind größtentheils parcellirt und zu Privatgärten der wohlhabendsten Kaufleute geworden. Die eleganten Villen inmitten derselben sind von einem auserlesenen Schmucke der schönsten tropischen Blumen und Bäume umgeben. Die Wohnungen sin dhier am theuersten und luxuriösesten eingerichtet und „Cinnamon- Gardens" gilt als das erste und vornehmste Villenquartier. Allein die größere Entfernung von der Seeküste und ihrer erfrischenden Brise, sowie die flache Lage in der Nähe der Lagunenarme hat auch ihre großen Nachtheile. Die drückende und erschlaffende Hitze erreicht hier ihren Höhepunkt und am Abend machen zahllose Moskitoscharen den Aufenthalt höchst ungemüthlich, während eine Masse verschiedener Arten von Fröschen und Laubfröschen durch ihr lautes nächtliches Concert die ersehnte Ruhe stört. Dasselbe gilt in höheren Maße noch von dem daran stoßenden Stadtviertel „Slave-Island", der „Sklaven-Insel", so genannt, weil im vorigen Jahrhundert die Holländer hier über Nacht die Sklaven der Regierung einsperrten. Die landschaftliche Scenerie dieses Theiles gehört jedoch zu den schönsten von Colombo. Die Buchten des ausgedehnten Sees sind von reizenden, sorgfältig gepflegten Gärten eingefaßt, über welchen die Cocospalmen auf schlanken Stämmen ihre Federkronen neigen; elegante Villen der Europäer und malerische Hütten der Eingeborenen liegen dazwischen zerstreut; als großartiger Hintergrund erhebt sich darüber in blauer Ferne die Gebirgskette des centralen Hochlandes, in der Mitte alle anderen überragend der kegelförmige Gipfel des stolzen Adams-Pik. Eine abendliche Kahnfahrt auf diesem stillen Wasserspiegel mit seiner wunderbaren Umgebung gehört zu den größten Genüssen von Colombo.

Im Norden von den oben genannten Stadttheilen dehnt sich die dicht bevölkerte  P e t t a h  aus, die  „ s c h w a r z e    S t a d t "  der Eingeborenen. Sie erstreckt sich über eine Stunde weit längs des Seeufers bis zur Ausmündung des großen Flusses von Colombo hin, des Kelany-Gauga oder Kalan-Ganga. Dieser hat ursprünglich der Stadt den Namen gegeben: Kalan-Totta oder Kalan-Bua. Schon im Jahre 1340 führt sie Ibn-Batuta als „Calambu" auf, die „schönste und größte Stadt in Serendib" (der alte Inselname der Araber). Die Portugiesen machten daraus später „Colombo".

Da, wo der stattliche Kelany-Fluy sich in den indischen Ocean ergießt und ein breites Delta bildet, liegt nahe bei der malerischen Mündungswelle (unmittelbar am Meer) die Villa, in welcher mein Freund Stipperber wohnte und in welcher ich die beiden ersten genußreichen Wochen auf Ceylon verlebte. Hier genoß ich in vollen Zügen den Reiz der neuen, großartigen und wunderbaren Eindrücke, die in Ceylon über den neuangekommenen Europäer, den „Griffin" sich ergießen. Gerade dieser nördlichste Ausläufer von Colombo, welcher den besonderen Namen Mutwal (und zuletzt Modera) führt, ist nach meiner Ueberzeugung einer der interessantesten und schönsten Theile in der ganzen Umgebung der Hauptstadt. Nie werde ich die bunte Pracht der fremdartigen indischen Scenen vergessen, welche gleich der wechselnden Bilderreihe einer Laterna magica an meinem staunenden Auge vorüberzog, als ich am ersten Abend vom Fort nach Whist-Bungalow hinausfuhr. Da erblickte ich in der Pettah vor den offenen Hütten ziemlich Alles versammelt und auf den engen Straßen unter dem Schatten der überall aufstrebenden Cocospalmen Alles durcheinander gemischt, was die bunt zusammengesetzt Bevölkerung von Colombo an charakteristischen Typen aufzuweisen hat. Wie allenthalben in der Tropenzone ist ohnehin das Leben und Treiben der Eingeborenen zum größten Theile öffentlich; und wie die Hitze der tropischen Sonne die Bedürfnisse der menschlichen Kleidung auf das Allernothwendigste reducirt, so öffnet sich auch das Innere der Hütten und Läden, in welchen weder Fenster noch Thüren den Einblick von außen hindern. An Stelle der letzteren findet sich eine große einfache Oeffnung, die bei Nacht oder bei Unwetter durch herabgezogene Matten oder durch vorgeschobene Latten geschlossen wird. Alle Handwerker sieht man so neben oder in ihren Läden, oder auch ganz auf offener Straße hantiren, und die intimsten Scenen des häuslichen und Familienlebens entziehen sich nicht dem neugierigen Blicke. Der besondere Reiz, den der Anblick dieser indischen Hütten auf den Europäer ausübt, liegt theils in dieser naiven Oeffentlichkeit ihres häuslichen Lebens, theils in der primitiven Einfachheit der Bedürfnisse, von denen die geringe Zahl der nothwendigsten Hausgeräthe Zeugniß ablegt, tehils in der Harmonie mit der umgebenden Natur. Die kleinen Gärten, welche die Hütten stets umgeben, sind so kunstlos angelegt und wenigen Nutzpflanzen in denselben, welche den bedeutendsten Theil des Besitzes und des Lebensunterhaltes liefern, so mannigfaltig um dieselben gruppirt, daß Alles zusammen von selbst aus dem Boden gewachsen zu sein scheint.

Die wichtigsten von diesen Charakterpflanzen sind die „Fürsten des Pflanzenreiches", die  P a l m e n; und zwar im ganzen westlichen und südlichen Küstenlande die  C o c o s p a l m  e , von der bekanntlich jeder einzelne Theil nützlich Verwendung findet, und welche oft den ganzen Reichthum der Singhalesen bildet. Ueberall ist sie daher in den Städten und Dörfern, wie in deren Umgebung, derjenige Baum, der zuerst und am meisten in die Augen fällt und der Landschaft vorzugsweise ihr Gepräge aufdrückt. Die Zahl der Cocosstämme auf der Insel betragt gegen 40 Millionen, und jeder liefert gegen 80-100 Nüsse (8-10 Quart Oel). In der nördlichen Hälfte der Insel fehlt die Cocospalme ebenso wie in einem großen Theil des östlichen Küstenlandes. Hier tritt an ihre Stelle die nicht minder nützliche  P a l m y r a p  a l m e  (B o r a s s u s   f l a b e l l i f&n bsp;o r m i s). Das ist dieselbe Art, die auch die heißen und trockenen Striche der Halbinsel Vorderindiens bedeckt und die ich im Concan bei Bombay in solchen Mengen sah. Beide Palmen sind schon von Ferne sehr verschieden. Die Palmyra gehört zu den Fächerpalmen und hat einen starken und ganz geraden schwarzen Stamm, dessen Gipfel einen dichten Schopf handförmig gespaltener steifer Fächerblätter trägt. Die Cocos hingegen ist eine Fiederpalme; ihr schlanker weißer Stamm, 60-80 Fuß hoch, ist stets anmuthig gebogen und mit einer wuchtigen Krone von gewaltigen Fiederblättern verziert. Aehnliche, aber steifere und kleinere Blätter hat auch die zierliche  A r e c a p a l  m e  (Areca catechu), deren dünner rohrgleicher Stamm aber kerzengerade in die Höhe strebt; sie ist ebenfalls neben den Hütten der Singhalesen zu finden und liefert ihnen die beliebten Arecanüsse, welche zusammen mit den Blättern des Betelpfeffers allgemein gekaut werden und Speichel und Zähne roth färben. Eine andere Palme, die  K i t t u l  (Caryota urens) wird vorzugsweise wegen ihres reichlichen Zuckersaftes cultivirt, aus dem Palmzucker (Djaggeri) und Palmwein (Toddy) bereitet werden. Ihr steifer starker Stamm trägt eine Krone von doppelt gefiederten Blättern, die denen des Venushaar-Farns (Adiantum capillus Veneris) gleichen. Nächst den Palmen sind die wichtigsten Bäume in den kleinen Gärten der Singhalesne die Brodfrucht- und Mangobäume. Von ersteren finden sich zwei verschiedene Arten, die echte Brodfrucht (Artocarpus incisa) und die Jackfrucht (Artocarpus integrifolia) überall in stattlichen Prachtexemplaren vor; oft dazwischen die merkwürdigen Baumwollbäume (Bombax). Neben und unter diesen Bäumen sind ferner allgemein rings um die Hütten der Singhalesen deren beständige Begleiter angepflanzt, die herrlichen  B a n a n e n  oder Pisangpflanzen, die den Namen der „Paradiesfeigen" mit vollem Recht verdienen (Musa sapientum). Ihre schönen gelben Früchte, die sowohl roh als gebraten eines der besten Nahrungsmittel liefern, kommen hier in zahlreichen Sorten vor. Der prachtvolle Busch ihrer überhängenden lichtgrünen Riesenblätter, der sich von dem schlanken, hier oft über 20- 30 Fuß hohen Stamme erhebt, ist die schönste Decoration der singhalesischen Hütten. Aber kaum minder wesentlich für letztere sind auch die pfeilförmigen Riesenblätter der  A r o i d e e n , besonders des Caladium, die ihres Wurzelmehles halber allgemein cultivirt werden; ebenso wie die zierlichen Büsche der Manihot mit ihren handförmigen Blättern (zu den Euphorbiaceen gehörig). Das herrliche Grün dieser schönen Pflanzen nimmt sich neben den braunen Erdhütten um so glänzender aus, als es durch die lebhaft rothe Farbe der Erde (durch großen Reichthum an Eisenoxyd bedingt) kräftig gehoben wird. Dazu stimmt vortreffliche die zimmtbraune Hautfarbe der Singhalesen und schwarzbraume der Tamils.

In Colombo selbst, wie in dem ganzen südlichen und westlichen Küstenlande der Insel (mit Ausnahme des norwestlichen Theiles) besteht die überwiegende Masse der Bevölkerung aus eigentlichen  S i n g h a l e s  e n . Mit diesem Namen bezeichnet mit die Nachkommen der indischen Hindubevölkerung, welche nach der Hauptquelle der ceylonesischen Geschichte, nach der Pali-Chronik „Mahawanso", im Jahre 543 vor Christi Geburt aus dem nördlichen Theile der Halbinsel Vorderindien unter dem Könige Wijayo nach Ceylon hinüber wanderte und die ursprüngliche Urbevölkerung der Insel verdrängte. Als versprengte Reste der letzteren gelten jetzt gewöhnlich die  W e d d a h s  oder Vellahs, ven denen einige wilde Horden noch in den ursprünglichsten Theilen des Inneren unter den primitivsten Verhältnissen leben. Nach der Ansicht Anderer sind die Weddahs hingegen herabgekommene und entartete, ausgestoßene oder „verwilderte" Nachkommen von Singhalesen, gleich den „Rodiahs". In der nördlichen Hälfte der Insel, sowie am östlichen Küstenstriche und in einem großen Theile des centralen Gebirgslandes wurden die echten Singhalesen später durch  M a l a b a r e n   oder „T a m i l s" verdrängt, welche aus dem südlichen Theile der Halbinsel Vorderindien, vorzüglich von der Malabarküste herüberkamen. Sie sind in jeder Beziehung, nach Körperbau, Gesichtsbildung, Hautfarbe, Sprache, Religion, Sitten und Gewohnheiten, von den Singhalesen sehr verschieden und gehören einem ganz anderen Zweige des menschlichen Stammbaums an, der  D r a v i d a -  R a s s e  Die Singhalesen hingegen werden von den meisten Anthropologen wohl mit Recht als ein alter Zweig der  a r i s c h e n   R a s s e  betrachtet. Sie sprechen einen Dialekt, welcher einem Zweige der Palisprache entsprungen zu sein scheint, während die Malabaren die ganz verschiedene Tamilsprache besitzen. Die ersteren sind meistens Buddhisten, die letzteren sind Hindu (Brahmanen). Gewöhnlich ist die braune Hautfarbe der kleineren, weichlicheren und schwächlicheren Singhalesen bedeutend heller, zimmtbraun bis lederbraun, hingegen diejenige der größeren, kräftigeren und schöneren Malabaren viel dunkler, kaffeebraun oder schwarzbraun. Erstere sind vorzugsweise mit Ackerbau, Reiscultur, Anpflanzungen von Palmen, Bananen und anderen Culturpflanzen beschäftigt; scheuen jedoch harte und schwere Arbeit. Diese letztere wird vorzugsweise von den Malabaren verrichtet, welche als Straßenarbeiter, Bauleute, Lastträger, Kutscher u. s. w. im Unterlande, als Arbeiter der Kaffeeplantagen im Oberlande Verwendung finden. Gegewärtig machen die Tamils oder Malabaren (deren Einwanderung von der indischen Halbinsel alljährlich zunimmt) schon ungefähr ein Drittel der Gesammtbevölkerung von Ceylon aus, während die Kopfzahl der Singhalesen drei Fünftel von Gesammtzahl der Bevölkerung beträgt; letztere beläuft sich gegenwärtig auf 2 1/2 Millionen. Nächst den Singhalesen oder Malabaren bilden nach Kopfzahl und Bedeutung den wichtigsten Theil der eingeborenen Bevölkerung von Ceylon die  I n d o -  A r a b e r  hier allgemein als „Mohren" (Moors oder Moormen) bezeichnet. Ihre Zahl beläuft sich auf ungefähr 150,000, also ein Zehntel der Singhalesen-Zahl. Sie sind die Nachkommen der  A r a b e r , welche schon seit mehr als zwei Jahrtausenden in Ceylon, wie in anderen Theilen des südlichen und südöstlichen Asiens festen Fuß fasten und namentlich zwischen dem achten und zehnten Jahrhunderte (bis zur Ankunft der Portugiesen) den wichtigsten Theil des Handels in ihrer Hand hatten. Auch heute noch wird der ganze Kleinhandel, sowie ein Theil des Großhandels der Insel fast ausschließlich von diesen thätigen und berechnenden Arabern betrieben; und sie spielen hier durch ihren Unternehmungsgeist, ihre berechnende Schlauheit und ihr verzügliches Talent für Geldgeschäfte eine ähnliche Rolle, wie die Juden in Europa; auch in anderen Beziehungen vertreten sie die Stelle der stammverwandten Juden, welche auf Ceylon gänzlich fehlen. Die Sprache und Schrift der Moormen ist noch heute theils Arabisch, theils ein Gemisch von Arabisch und Tamil. Ihre Religion ist überwiegend mohammedanisch (und zwar sunnitisch). Ihre Hautfarbe ist braungelb, ihre Gesichtsbildung unverkennbar semitisch; Haar und Bart meist lang und schwarz. Ihre kräftigen Figuren, in langen weißen Burnus und weite weiße Pumphosen gekleidet, nehmen sich zwischen den Singhalesen und Tamils um so stattlicher aus, als sie meist einen hohen gelben Turban, einer Bischofsmütze ähnlich, tragen.

Gegen diese drei vorherrschenden Bestandtheile der ceylonischen Bevölkerung: (Singhalesen 60, Tamils 33, Indoaraber 6 Procent), treten die übrig bleibenden Reste derselben, zusammen kaum 1 Procent, der Zahl nach ganz zurück. Von diesen 25,000 Einwohnern kommen nur ungefähr 2000 auf die Rasse der wilden Ureinwohner, der  W e d d a h s . 8000 (nach Anderen nur ungefähr die Hälfte) sind Einwanderer aus den verschiedensten Gegenden Asiens und Afrikas: Malayen und Afghanen (vorzugsweise als Soldaten geworben), Parsis und Kaffern (Soldaten und Diener u. s. w.). Die  M i s c h l i n g  e  dieser verschiedenen „Native"-Rassen und der Europäer (etwa 10,000) enthalten die verschiedensten Combinationen und bieten der anthropologischen Classification interessante Schwierigkeiten. An diese schließen sich die sogenannten „Burgers" an (etwa 6000), die Nachkömmlinge der Portugiesen und der Holländer, meistens mehr oder weniger mit singhalesischem und Tamil-Blut gemischt. Diese liefern vorzugsweise das Heer der Schreiber und Rechner in den Comptoirs und Bureaux, der Subalternbeamten für die Regierung; sie werden als solche sehr geschätzt. Die Zahl der  E u r o p ä e r& nbsp; endlich, der „nichteingeborenen" Herren der Insel, beläuft sich im Ganzen nur auf 3-4000, ganz überwiegend natürlich Engländer und Schotten. In den Städten sind alle höheren Regierungsämter und alle großen Handelshäuser in ihren Händen. Im Gebirge bilden sie die zahlreiche und merkwürdige Classe der „Pflanzer", deren eigenthümliches Leben ich später auf der Gebirgsreise kennen lernte.

Nach der Volkszählung von 1857 (also vor 25 Jahren) betrug die Gesammtzahl der Einwohner von Ceylon nur 1,760,000. Schon im Jahre 1871 (also vor 11 Jahren) war dieselbe auf 2,405,000 Seelen gestiegen, und gegenwärtig dürfte sie bereits die Zahl von 2,500,000 beträchtlich überschritten haben. Nehmen wir aber in runder Summe 2 1/2 Millionen als gegenwärtige Volkszahl an so dürften sich die verschiedenen Elemente etwa folgendermaßen vertheilen:

Singhalesen (meist Buddhisten)1,500,000
Tamils (Malabaren, meist Hindu)820,000
Indoaraber (Moormen, meist Mohamedaner)150,000
Mischlinge verschiedener Rasse10,000
Asiaten und Afrikaner verschiedener Rassen (Malayen, Chinesen, Kaffern, Neger)8,000
Burgers (Purtugiesen und Holländer, Halbblut)6,000
Europäer (meist Engländer)4,000
Weddahs (Ur-Einwohner)2,000
Summa2,500,000

Da der Flächenraum der Insel 1250 geogr. Quadratmeilen beträgt und sie mithin kaum 1/6 kleiner als Irland ist, so könnte sie bei ihren außerordentlich günstigen klimatischen und Bodenverhältnissen leicht das secht- oder achtfache dieser Bevölkerung tragen; den älteren Chroniken zufolge scheint dieselbe schon vor 2000 Jahren beträchtlich größer gewesen zu sein - vielleicht mehr als das Doppelte! Die entvölkerte und größtentheils verödete nördliche Hälfte der Insel war damals dicht bewohlt; wo jetzt ungeheure Djungledickichte den Affen und Bären, Papageien und Tauben als Wohnsitz dienen, blühten damals ausgedehnte Culturfelder, durch bewunderungswürdige Bewässerungssysteme begünstigt. Die verfallenen Reste der letzteren, wie die großartigen Ruinen der verschwundenen Städte (Anaradjahpura, Sigiri, Pollanarrua u. s. w.) legen von diesem früheren Glanze noch heute Zeugniß ab. Sie zeigen, was aus diesem „Juweleneiland", dieser „edelsten Perle im Diademe Indiens", dieser „Rubineninsel", in Zukunft wieder werden kann! Wie die verschiedenen Classen der bunt gemischten Bevölkerung von Ceylon nach Ursprung und Rasse, Körperbau und Farbe, Sprache und Schrift, Charakter und Beschäftigung sich wesentlich unterscheiden, so auch entsprechend nach Glauben und Religion; und zwar fällt die Culturform großentheils mit dem Rassentypus zusammen. Die Singhalesen (60 Procent) sind zum größten Theil Buddhisten, die Tamils hingegen (33 Procent) meistens Brahmanen (Hindu); die Indoaraber endlich (6 Procent) überwiegend Mohammedaner; doch ist jetzt ein großer Theil dieser drei Hauptclassen der Bevölkerung zum Christenthum bekehrt, dem auch das übrigbleibende Procent größtentheils zugethan ist. In runder Zahl dürften sich die Confessionen jetzt folgendermaßen vertheilen:

Buddhisten (meist Singhalesen)1,600,000
Brahmanen (Hindu, meist Tamils)500,000
Mohammedaner (Sunniten, meist Araber)160,000
Katholiken (viele Tamils und Singhalesen)180,000
Protestanten (die meisten Europäer und Burger)50,000
Religionslose (verschiedener Classen)10,000 Summa2,500,000

IV. Whist-Bungalow

Die reizende Villa in Colombo, in welcher ich die beiden ersten Wochen auf Ceylon verlebte, liegt, wie schon gesagt, am nördlichen Ende der Stadt, oder vielmehr ihrer entlegenen Vorstadt Mutwal, gerade in dem Winkel, welchen der Kelany-Ganga, der Colombofluß, an seiner Einmündung in das Meer bildet. Man wandert vom Fort aus zwischen den Erdhütten der braunen Eingebornen eine gute Stunde durch die Pettah und deren nördlichen Ausläufer, um Whist-Bungalow zu erreichen. Diese einsame Lage, inmitten der schönsten Natur, weit ab vom Geschäftsviertel und noch viel weiter von den südlich jenseits gelegenen beliebten Villenvorstädten Kolpetty, Cinnamon-Garden u. s. w., ist eine der Ursachen des besonderen Reizes, welchen dieses stille Landhaus von Anfang an auf mich ausübte. Eine andere Ursache freilich lag in der herzlichen und zwanglosen Gastfreundschaft, welche die Bewohner von Whist-Bungalow (- außer Stipperger noch drei liebe deutsche Landsleute -) von Anfang an mir entgegenbrachten. Daher erwachte ich schon am ersten Morgen daselbst mit dem angenehmen Gefühl, auf der fremden indischen Wunderinsel, 6000 Seemeilen von der deutschen Heimath entfernt, eine freundliche Heimstätte für meinen Aufenthalt dort gefunden zu haben. Aus den „paar Tagen", welche ich zuerst nur in Whist-Bungalow bleiben wollte, wurden bald „ein paar Wochen", und da ich auch nach der Rückkehr vom Süden, sowie am Ende meines Aufenthalts auf Ceylon eine Woche dort verweilte, so kam im Ganzen fast ein Monat zusammen, der von meinen vier Monaten auf Ceylon diesem lieblichen Gartenhause zufiel. Da Platz genug vorhanden war, um meine umfangreichen Gepäckstücke und Sammlungen dort unterzubringen und zu ordnen, so wurde mir Whist-Bungalow zugleich zum bequemsten Standquartier für meine weiteren Ausflüge; als ich dann nach den Anstrengungen und Strapazen der Arbeit an der Südküste, wie der Gebirgsreise im Hochlande wieder nach Whist-Bungalow zurückkehrte, hatte ich stets das wohlthuende Gefühl, daheim unter lieben Freunden und Landsleuten als gern gelittener Gast zum Besuch zu sein. Es ist daher nur recht und billig, wenn ich hier diesem wunderlieblichen Erdenfleck eine besondere Beschreibung widme, um so mehr, als ich auf demselben meine ersten Kenntnisse von Natur- und Menschenleben der Insel aus eigener Anschauung sammelte.  W h i s t -  B u n g a l o w  verdankt seinen sonderbaren Namen dem Umstande, daß der erste Besitzer dieser entlegenen Villa, ein alter englischer Officier zu Anfang des Jahrhunderts, seine Kameraden Sonntags hierher zu einer Whistpartie einlud. Da die strenge Observanz der englischen Kirche eine solche Entheiligung des Sonntags natürlich stark verpönte, mußten diese lustigen Zusammenkünfte ganz geheim gehalten werden; und je mehr die hier versammelten Kriegskameraden froh waren, der entsetzlichen Langenweile des englischen Sonntags und der orthodoxen Gesellschaft glücklich entronnen zu sein, desto heiterer ging es bie den Whistpartien und den damit verknüpften Trinkgelagen im einsamen Bungalow zu.

Damals war aber Whist-Bungalow nur eine ganz einfache, kleine, in dichtem Gartengebüsch versteckte Villa. Zu dem stattlichen Landhause in seiner jetzigen Gestalt wurde es erst durch seinen späteren Besitzer, einen Advocaten Morgan erweitert. Derselbe war ein lustiger Lebemann, und verwendete einen großen Theil seines Vermögens darauf, um die Villa - ein kleines „Miramare" von Ceylon - ihrer reizenden Lage entsprechend auszubauen und zu verschönern. Der große Garten wurde mit den herrlichsten Bäumen und Zierpflanzen ausgestattet. Eine stattliche Colonade mit luftiger Veranda erhob sich um das vergrößerte Landhaus, während seine weiten und hohen Säle innen mit dem prächtigsten Luxus fürstlich ausgestattet wurden. Und manches Jahr wurden hier Diners und Trinkgelage abgehalten, bei denen es noch viel üppiger und glänzender - wenn auch nicht lauter und lustiger - zuging, als früher bei den einfacheren Kneipereien der Whistofficire. Es scheint aber, daß Mr. Morgan schließlich nicht mehr die colossalen Ausgaben für sein Miramare und seine lucullische Lebensweise daselbst in richtiges Verhältniß zu seinen großen Einnahmen brachte. Denn als derselbe plötzlich starb, fand sich in der Casse ein großes Deficit vor; die zahlreichen Gläubiger belegten Whist-Bungalow mit Beschlag und mußten schließlich, als es unter den Auctionshammer kam, froh sein, wenigstens einen kleinen Theil ihres geliehenen Geldes aus dem Erlöse wieder zu erhalten. Nun kam aber ein Wendepunkt in der Geschichte der schönen Villa, und der neue Besitzer sollte derselben nicht recht froh werden. Denn die Fama, die an den romantischen Fleck schon manche abenteuerliche Sage geknüpft hatte, behauptete jetzt mit zunehmender Bestimmtheit, daß es in Whist-Bungalow nicht recht geheuer sei und daß der Geist des plötzlich verschiedenen Mr. Morgan daselbst allnächtlich „umgehe". Nachts um die zwölfte Stunde - bald mit, bald ohne Mondschein - sollte daselbst ein greuliches Gelärm und Gepolter sich erheben: weiße Gestalten huschten durch die weiten Säle, geflügelte Dämonen flatterten durch die Säulenhallen, und andere Geister mit glühenden Augen trieben sich auf den Dächern umher. Als der Teufel Oberster aber sollte Mr. Morgan selbst den Spuk anführen und dirigiren. Man gab ihm Schuld, daß sein stattliches, jetzt so spurlos verduftetes Vermögen, nicht ganz auf richtigem Wege erworben sei, und daß er gleich so vielen anderen Advocaten, seine ausgedehnte Rechtskunde weniger benutzt habe, seinen Clienten Recht zu verschaffen, als vielmehr deren fließende Goldquellen in seinen eigenen weiten Säckel hinüber zu leiten; er sollte große Summen unterschlagen, Mündelgelder veruntreut haben u. dgl. mehr. Zur Strafe dafür mußte er nun an dem Orte seiner früheren Bacchanalien als ruheloser Geist allnächtlich umgehen. Und so viele Singhalesen aus der nächsten Nachbarschaft von Mutwal hatten diesen Geisterlärm gehört und den Spuk selbst gesehen, daß der neue Besitzer von Whist-Bungalow weder selbst hineinziehen wollte, noch einen Mieter finden konnte.

So stand Whist-Bungalow leer, als unser Freund S. davon hörte und beim Anblick der reizenden Villa sie zu miethen beschloß. Aber auch das hatte seine großen Schwierigkeiten. Denn kein Diener war zu finden, der in das berüchtigte Spukhaus hätte mit hineinziehen mögen. Das gelang erst, nachdem der Nachweis naturwissenschaftlich geführt war, daß alle die Geister zoologischen Ursprungs seien. St. erwartete den berüchtigten Spuk in der ersten Nacht wohlbewaffnet mit Gewehren und Revolvern, und nun stellte sich, wie erwartet, heraus, daß derselbe aus echten leibhaftigen Säugethieren von Fleisch und Blut bestand, zu welchen der selige Mr. Morgan in keinem näheren Verwandtschaftsverhältnisse stand. Die geheimnisvollen Klettergeister entpuppten sich erschossen als wilde Katzen, die Huschgeister als riesige Bandicutratten und die Flattergeister als fliegend Füchsste (Pteropus). Nunmehr wurden angesichts dieser überzeugenden Ausbeute der nächtlichen Jagd die Bedenken auch der furchtsamsten Diener überwunden und Freund St. zog zuversichtlich in das einsame Whist-Bungalow ein. Der verwilderte Garten wurde neu und verbessert hergerichtet, die verödeten Räume neu ausgestattet; und als einige deutsche Landsleute die neu eingerichtete Villa sahen, gefiel sie ihnen so ausnehmend, daß sie den neuen Miether baten, ihnen einen Theil der umfangreichen Räumlichkeiten zur Wohnung zu überlassen. Das geschah, und so fand ich denn bei meiner Ankunft das vierblättrige deutsche Kleeblatt daselbst vor, mit welchem ich so manchen vergnügten Abend verplauderte. Dabei fehlte es nie an der nöthigen Mannigfaltigkeit der individuellen Anschauung, die bei uns Deutschen trotz der berühmten „Deutschen Einigkeit" unerläßlich ist. Herr Both aus Hanau (dem ich eine nette Reptiliensammlung verdanke) vertrat das Frankfurter Deutschland, Herr Suhren aus Ostfriesland (der mich mit einer schönen Schmetterlingssammlung beschenkte) den äußersten Nordwesten, und Herr Herath aus Bayreuth (der mich durch Paradiesvögel, Papageien und Honigvögel erfreute) den bajuwarischen Süden des Vaterlandes.

Der besondere Reiz, den Whist-Bungalow vor anderen Villen von Colombo voraus hat, ist theils in seiner herrlichen Lage, theils in seinem prächtigen Garten begründet. Während die Nebengebäude (Dienerwohnungen, Stallungen u. s. w.) hinten im Garten versteckt liegen, tritt das Hauptgebäude nahe bis an den Rand des schönen Wasserspiegels vor, welcher sich an der Westseite ausbreitet. Die luftige Veranda bietet den herrlichsten Anblick auf das weite Meer, auf die Mündung des Kelanyflusses und auf eine reizende, mit dichtem Wald bedeckte Insel, welche in seinem Delta liegt. Weiter nach Norden hin folgt der Blick einem langen Streifen Cocoswald, welcher die Küste entlang bi sgegen Negombo sich hinzieht. Nach Süden hingegen stößt an den Garten von Whist-Bungalow ein malerisches Stück Land, welches in reizender Unordnung Fischerhütten unter schlanken Cocospalmen zerstreut zeigt, dazwischen ein kleiner Buddhatempel, weiterhin Strandfelsen mit Pandanus u. s. w. Von da springt eine schmale sandige Landzunge nach Norden gegen die Flußmündung vor und legt sich dergestalt vor unsern Garten hin, daß sie einen kleinen stillen Landsee vor demselben bildet. Die Landzunge, welche diesen See vom benachbarten offenen Meere scheidet, ist dich mit der schönen roth blühenden Geißfußwinde (Ipomoea pes capri) und dem sonderbaren Igelgrase (Spinifex squarrosus) bewachsen. Sie trägt auch einzelne Fischerhütten, und bietet den ganzen Tag über, im beständigen Wechsel der Scenerie, eine Reihe von unterhaltenden Bildern. Schon am frühen Morgen vor Sonnenaufgang versammeln sich hier die Fischerfamilien der benachbarten Hütten, um ihr Morgenbad im Flusse zu nehmen. Dann kommen die Pferde und Ochsen an die Reihe des Badens. Fleißige Wäscher sind oft den ganzen Tag mit ihrer Arbeit beschäftigt, schlagen die Wäsche auf flachen Steinen und breiten sie am Strande zum Trocknen aus. Zahlreiche Fischerboote gehen ab und zu, und Abends wenn sie von den Fischern an das Land gezogen und die großen viereckigen Segel zum Trocknen aufgespannt werden, gewährt die Landzunge mit ihrer langen Reihe ruhender Segelboote einen ungemein malerischen Anblick; besonders dann, wenn die Abendwinde die Segel schwellen und die sinkende Sonne, in das Meer tauchend, das ganze indische Strandbild mit einer Fluth von strahlendem Gold, Orange und Purpur übergießt. Wie meine Freunde mir mittheilten, hat diese sandige Landzunge im Laufe der Jahre ihre Gestalt vielfach gewechselt. Sie ist in der That eine bewegliche Barre, wie sie vo rden Mündungen aller größeren Flüsse in Ceylon sich finden. Die letzteren bringen, in ihrem wilden Laufe aus dem Gebirge herabstürzend, eine Masse Sand und Gesteinstrümmer mit sich; und da auch später im langsameren Laufe durch das flache Küstenland die reichlichen Regenmassen ihnen täglich große Quantitäten Erde und Schlamm zuführen, so bilden diese, wenn sie nachher an der Flußmündung abgelagert werden, in kurzer Zeit ansehnliche Bänke. Gestalt, Größe und Lage dieser Barren wechselt aber beständig, je nachdem die Mündungszweige des Flußendes in seinem flachen Delta hier oder dorthin ihren Ausweg suchen. So soll früher die Hauptmündung des Kelany eine Stunde weiter südlich, in Cinnamon-Gardens, gewesen sein. Die Lagunen daselbst, welche auch jetzt noch durch Canäle mit dem Flusse zusammenhängen, sollen Rest der Mündungsarme sein; der größte Theil der Stadt Colombo läge demnach gegenwärtig auf dem alten Delta. Auch unsere malerische Barre, gerade gegenüber Whist- Bungalow, hat abwechselnd an ihrem nördlichen und an ihrem südlichen Ende mit dem Festlande zusammengehangen; und die waldbedeckte Insel vor der Hauptmündung ist bald Halbinsel gewesen, bald wieder isolirte Insel.

Der Strand dieser Insel, sowie auch der Ufersaum der an Whist- Bungalow anstoßenden Gärten (nördlich von demselben) ist gleich den Ufern der Flußmündung selbst dich bewachsen mit den merkwürdigen  M a n g r o v e  -Bäumen, und ich hatte sogleich beim ersten Besuche der nächsten Nachbarschaft die Freude, diese charakteristische und wichtige Vegetationsform der Tropen in ihrer merkwürdigen landbildenden Thätigkeit vor Augen zu sehen. Die Bäume, welche unter dem Namen der Mangroven oder Manglebäume zusammengefaßt werden, gehören sehr verschiedenen Gattungen und Famililen an (Rhizophora, Sonneratia, Lomnitzera, Avicennia etc.). Sie stimmen aber alle in der eigenthümlichen Form ihres Wachsthums und der dadurch bedingten typischen Physiognomie wesentlich überein: die dicht buschige, meist rundliche Laubkrone ruht auf einem dicken Stamme; dieser abe auf einer umgekehrten Krone von nacktem vielverzweigten Wurzelwerk, welches sich unmittelbar aus dem Wasserspiegel erhebt und mehrere Fuß, oft 6-8 Fuß über denselben hervorragt. Zwischen den Gabelästen dieser dichten kuppelförmigen Wurzelkrone sammelt sich der Schlamm und Sand an, welchen der Fluß an seinen Ufern und besonders an seiner Mündung absetzt, und so kann der Mangrovewald das Wachsthum des Landes wesentlich begünstigen.

Aber auch viele organische Substanzen, Leichen und Bruchstücke von Thieren und Pflanzen bleiben zwischen dem dichten Wurzelwerk hängen und zersetzen sich daselbst, und so ist der Manglewald in vielen Tropengegenden zu einer gefürchteten Quelle gefährlicher Fieber geworden. An den meisten Manglestrichen von Ceylon, so auch am Kelanyflusse, ist dies nicht der Fall; wie denn überhaupt viele wasserreiche Districte der Insel (z. B. die stehenden Lagunen von Colombo selbst) keineswegs ungesund sind. Obwohl ich viele Nächte in solchen Districten schlief, habe ich doch niemals einen Fieberanfall gehabt. Es hängt dies wahrscheinlich damit zusammen, daß die häufigen und großen Regengüsse der Insel das Wasser der stehenden und fließenden Becken oft erneuern und die organischen sich zersetzenden Bestandtheile desselben wegführen, ehe sie schädlich wirken können.

Am Ufer unseres Gartens selbst treten an die Stelle der Mangroven eine Anzahl von schönen Bäumen aus der Familie der  A s c l e p i a d  e e n  (Cerbera, Tabernaemontana, Plumiera) - alle ausgezeichnet durch große weiße, herrlich duftende Blüthen von Oleanderform, die in großer Zahl am Ende der cendelaberförmig verzweigten Aeste inmitten glänzender Büschel von großen dunkelgrünen lederartigen Blättern stehen; die meisten dieser Asclepiabäume liefern einen giftigen Milchsaft. Sie gehören zu den häufigsten und am meisten charakteristischen Verzierungen der Wegränder und Sumpfwiesen im wasserreichen Flachlande des südwestlichen Inseltheils. Ganz fremdartig und bezaubernd schön erheben sich dazwischen an andern Stellen des Ufers, gleich riesigen Federbüschen, die baumartigen überhängenden Büsche der zierlichen Riesengräser (Bambusa). Der  G a r t e n   v o n   W h i s t -  B u n g a l o w  selbst ist unter der sorgfältigen und geschmackvollen Pflege von St. zu einem reizenden Stück Ceylon-Paradiese geworden; welches von fast allen wichtigen Charakterpflanzen der reichen Inselflora einzelne Vertreter enthält, und so nicht allein einen duft- und blüthenreichen Lustgarten, sondern zugleich einen instructiven botanischen Garten im Kleinen darstellt. Ich bekam hier gleich am ersten Morgen, als ich wonnetrunken unter dem Schatter der Palmen und Feigen, der Bananen und Acazien im Garten selbst und in der nächsten Umgebung umherwandelte, eine gute Uebersicht über die Zusammensetzung der Flachlandflora. Da ist denn natürlich vor Allem die edle Familie der Palmen zu nennen mit ihren wichtigsten und stattlichsten Baumsäulen: Cocos und Talipot, Areca und Borassus, Caryota und Pamyra; dann die herrlichen lichtgrünen Bananen mit ihren zarten, vom Winde fiederartig zerschlitzten Riesenblättern und den werthvollen goldgelben Fruchttrauben; außer verschiedenen Spielarten der gewöhnlichen Banane (Musa sapientum) enthält unser Garten ein hohes Prachtstück von dem seltsamen fächerförmigen „Baum der Reisenden" von Madagascar (Urania speciosa). Es steht gerae an der Gabelthelung des Hauptweges, wo rechts der Weg zum Bungalow hinführt, links zu einem Prachtexemplar des heiligen Feigenbaumes (Ficus bengalensis). Der letztere bildet mit seinen langherabhängenden Luftwurzeln und den daraus entstandenen neuen Stämmen eine sehr abenteuerliche Figur; mehrere schöne gothische Bogen öffnen sich zwischen den Wurzelstämmen, welche säulengleich die Hauptäste stützen. Andere Bäume aus verschiedenen Gruppen (Terminalien, Lorbern, Myrten, Eisenholzbaum, Brotfrucht u. s. w.) sind von herrlichen Schling- und Kletterpflanzen umwuchert und überzogen, von jenen mannigfaltigen  L i a n e n , die in der Flora Ceylons eine so hervorragende Rolle spielen. Dieselben gehören den verschiedensten Pflanzenfamilien an. Denn inmitten der unübertroffenen Lebensfülle und unter dem beipiellos günstigen Einflusse der beständigen feuchten Hitze fangen auf dieser grünen Wunderinsel im dichtgedrängten Walde eine Menge der verschiedensten Pflanzen an zu klettern und sich an anderen zu Licht und Luft emporzuwinden. Von anderen Zierden unseres reizenden Gartens wollen wir hier besonders noch die großblättrigen Callapflanzen oder Aroideen nennen und die zierlich gefiederten Farnkräuter - zwei Pflanzengruppen, die sowohl durch die Masse der Individuen, als durch die Schönheit und Größe der Blattentfaltung in der niederen Flora der Insel eine Hauptrolle spielen. Dazwischen finden sich dann noch viele der herrlichsten tropischen Blatt- und Blüthenpflanzen zerstreut, die theils auf Ceylon heimisch, theils aus anderen Tropengegenden, namentlich aus Südamerika eingeführt sind, aber hier vorzüglich gedeihen. Ueber ihnen erheben sich stattliche Malvenbäume (Hibiscus) mit großen gelben oder rothen Blumen, Flammenbäume oder Acazien mit Massen der prachtvollsten feuerfarbigen Sträuße (Caesalpinia), mächtige Tamarinden mit aromatischen Blüthen; und von den Aesten hängen rankende Thunbergien mit riesigen violetten Glocken herab, sowie Aristolochien mit großen gelben und braunen Blumentrichtern. Besonders große und schöne Blüthen zeigen ferner viele Krapppflanzen (Rubiaceen), Lilienpflanzen, Orchideen u. s. w.

Doch ich will hier nicht den Leser durch den vergeblichen Versuch ermüden, ihm durch bloße Beschreibung oder Aufzählung trockner Pflanzennamen eine annähernde Vorstellung von der berauschenden Pracht zu geben, welche die indische Tropenflora auf Ceylon entfaltet und von welcher ich im Garten von Whist-Bungalow und in dessen nächster Umgebung an den Ufern des Kelanyflusses die erste Vorstellung erhielt. Ich will mich statt dessen auf die Bemerkung beschränken, daß ich am ersten Morgen in diesem Paradiese stundenlang wonnetrunken von einer Pflanze zur andern, von einer Baumgruppe zur andern wanderte, rathlos, welchem von den zahllosen Wunderwerken der Tropenflora ich zuerst genauere Betrachtung widmen sollte. Wie armselig und dürftig erschien mir dagegen Alles, was ich zwei Wochen früher in Bombay zuerst gesehen und bewundert hatte.

Die  T h i e r w e l t  , welche diese Paradiesgärten von Ceylon belebt, entspricht im Ganzen nicht der außerordentlichen Fülle und Pracht der Pflanzenwelt; insbesondere was den Reichthum an schönen, großen und auffallenden Formen betrifft. Die Insel steht in dieser Beziehung nach Allem, was ich gehört und gelesen, weit hinter dem Festlande von Indien und den Sundainseln, namentlich aber hinter dem tropischen Afrika und hinter Brasilien zurück. Ich muß gestehen, daß ich in dieser Beziehung gleich im Anfang ziemlich stark enttäuscht wurde, und daß diese Enttäuschung später, als ich die Fauna auch in dem wilderen Theile der Insel genauer kennen lernte, eher wuchs, als abnahm. Ich hatte gehofft, die Bäume und Gebüsche mit Affen und Papageien, die Blüthenpflanzen mit Schmetterlingen und Käfern von seltsamen Formen und glänzenden Farben bedeckt zu finden. Allein weder die Quantität noch die Qualität dessen, was ich jetzt hier sah und später fand, entsprach diesen hochgespannten Erwartungen, und ich hatte schließlich nur den Trost, daß alle Zoologen, welche früher diese Insel besucht hatten, in ähnlicher Weise enttäuscht wurden. Immerhin findet sich jedoch bei genauerem Suchen auch für den Zoologen des Merkwürdigen und Interessanten die Fülle; und die Fauna von Ceylon ist im Großen und Ganzen nicht minder eigenthümlich und fremdartig - wenn auch nicht entfernt so reich und so glänzend! - als seine Flora. Diejenigen Wirbelthiere, die mir gleich anfänglich in Whist- Bungalow und in der nächsten Umgebung von Colombo am meisten auffielen, waren zahlreiche  R e p t i l i e n& nbsp; von bunten Farben und sonderbaren Formen, namentlich Schlangen und Eidechsen; ferner zierliche kleine Laubfrösche (Ixalus), deren merkwürdige, zum Theil glockenartige Stimmen man Abends überall hört. Von  V ö g e l n  zeigen sich in den Gärten namentlich zahlreiche Staare und Krähen, Bachstelzen und Bienenfresser, besonders aber niedliche, die Stelle der Colibri's vertretende Honigvögel (Nectarinia); ferner an den Flußufern blaugrüne Eisvögel und weiße Reiher.

Von  S ä u g e t h i&n bsp;e r e n  ist weitaus das häufigste ein allerliebstes Eichörnchen, das überall auf den Bäumen und Sträuchern umherhuscht und sehr zahm und zutraulich ist, braungrau mit drei weißen Längsstreifen auf dem Rücken (Sciurus tristriatus). Unter den  I n s e c t e n  überwiegen durch die ungeheuren Massen, in denen sie überall auftreten, vor allen die Ameisen (von winzig kleinen bis zu riesengroßen Arten), sodann die berüchtigten Termiten (oder die sogenannten „weißen Ameisen"); aber auch andere Hymenopteren (Wespen und Bienen) sind sehr reichlich vertreten, desgleichen die Dipteren (Mücken und Fliegen). Hingegen zeigen gerade diejenigen Insectenordnungen, welche die schönsten und größten Formen enthalten, Käfer und Schmetterlinge, nicht denjenigen Reichthum, welchen man der Flora entsprechend erwarten sollte. Sehr vielgestaltig und merkwürdig sind andrerseits wieder die Orthopteren (Heuschrecken, Grillen u. s. w.). Doch ich will hier auf diese besondere Welt nicht eingehen, da ich später darauf ausführlich zurückkomme. Sehr interessante und merkwürdige Gliederthiere bietet die Classe der Spinnen oder  A r a c h n i d e  n , von den winzigen kleinen Milben und Zecken aufwärts bis zu den riesigen Vogelspinnen und Scorpionen. Auch die nahe verwandten Tausendfüße oder  M y r i a p o d  e n  sind sehr häufig und durch colossale, zum Theil wegen ihres giftigen Bisses sehr gefürchtete Formen vertreten, bis zu einem Fuß lang! Einige Prachtexemplare derselben sah ich gleich am ersten Morgen im Garten von Whist-Bungalow; ich fand aber heute noch keine Zeit, mich mit der Thierwelt näher zu befassen, da die Pflanzenpracht mich allzusehr fesselte!

Wie gerne hätte ich dem wirklichen Studium dieser Flora, für welches mir jetzt nur wenige Tage und Wochen zu Gebote standen, Monate und Jahre gewidmet! Dazu strahlte heute die indische Sonne in einem Glanze von dem wolkenlosen tiefblauen Himmel herab, daß die Licht- und Farbenfülle meinen armen nordischen Augen fast zu viel wurde; und die Hitze würde bald fast unerträglich geworden sein, hätte sie nicht eine sanfte kühle Brise vom Meere etwas gelindert. Es war der 22. November, der Geburtstag meines lieben theuren Vaters, der vor 10 Jahren im Alter von 90 Jahren gestorben war. Er würde heute gerade seinen hundertsten Geburtstag gefeiert haben, und ich von ihm die beglückende Freude an der Natur (und ganz besonders an schönen Bäumen) geerbt habe, so kam eine besonders festliche Feiertagsstimmung über mich und ich betrachtete den ungewöhnlich hohen und reichen Genuß dieser köstlichen Stunden als ein besonderes Geschenk für diesen Festtag!

Naturgenüsse wie diese haben wor allen Kunst- und sonstigen Genüssen des Lebens den unschätzbaren Vorzug, daß sie nie ermüden und daß ein dafür empfängliches Gemüth sich ihnen immer wieder mit erneuter Theilnahme und mit erhöhtem Verständnisse zuwendet, und zwar um so mehr, je älter man wird! So kam es denn, daß der Morgenspaziergang in dem Paradiesgarten von Whist-Bungalow und in dessen nächster Umgebung, bald am Flußufer, bald am Meeresstrande, sich an allen folgenden Tagen, die mir mein Glück hier beschied, wiederholte, und daß ich noch am letzten Morgen auf Ceylon, am 10 März 1882, mit dem Gefühle des „verlorenen Paradieses" von ihm Abschied nahm! Vielfache Bereicherungen erfuhren übrigens meine botanischen Kenntnisse noch in den nächsten Tagen, als mehrere Besuche bei Engländern, an die ich empfohlen war, mich in verschiedene Gärten der südlichen Villenvorstädte von Colombo, Kolpetty und Slave-Island führten. In ganz besonders angenehmer Erinnerung sind mir da einige Tage geblieben, die ich in der  V i l l a   d e r   T e m p e l b ä& nbsp;u m e  („Temple-Trees") verlebte; so heißen hier die Plumierabäume, weil ihre großen prachtvoll duftenden Blüthen nebst denjenigen des Jasmin und Oleander allenthalben in den Buddhatempeln von den Singhalesen als Opferblumen vor die Buddhabilder gestreut werden. Zwei alte Prachtexemplare dieser Tempelbäume standen nebst eingen riesigen Casuarinen auf dem weiten Rasenplatze, welcher die stattliche nach ihnen benannte Villa von der Gallastraße in Kolpetty trennt. Der Eigenthümer derselben, Mr.  S t a n i f o r t& nbsp;h   G r e e n , hatte mich auf das Freundlichste eingeladen, einige Tage bei ihm zuzubringen. Ich lernte in ihm einen liebenswürdigen alten Herrn kennen, dessen ganzes Herzensinteresse sich der Naturbetrachtung zuwendet. Alle Stunden, welche die Bewirtschaftung seiner großen Kaffeemühlem ihm frei läßt, verwendet er auf die Cultur seines reizenden Gartens und auf das Sammeln und Beobachten von Insecten und Pflanzen. Mit der innigen liebevollen Sorgfalt, welche die alten Naturforscher des vorigen Jahrhunderts charakterisirt, welche aber unter den jüngeren „strebsamen" Naturforschern der Gegenwart immer seltener wird, hatte sich Mr. Green insbesondere jahrelang mit der Lebensweise und Entwickelung der kleinsten Insectenformen geschäftigt und hier eine Anzahl hübscher Entdeckungen gemacht, die zum Theil in englischen Zeitschriften publicirt sind. Er zeigte mir eine große Anzahl sorgfältigst gesammelter Seltenheiten und machte mir einige der interessantesten zum Geschenk. Auch sein Neffe, der ihn im Geschäfte unterstützt, theilt in den Mußestunden diese Liebhabereien und zeigte mir eine sehr hübsche Insectensammlung. Ich erhielt unter Anderem von ihm mehrere Exemplare der riesigen Vogelspinne (Mygale), deren Jagd auf kleine Vögel (Nectarinia) und kleine Zimmereidechsen (Platydactylus) er selbst mehrfach beobachtet hatte.

Der Garten des Mr. Green, der namentlich einige alte Prachtexemplare der Flammen-Acazien oder Flamboyants (Caesalpinia), sowie schöne Lilienbäume (Yucca) und Kletterpalmen (Calamus) enthält, stößt östlich an eine reizende Bucht der großen Lagune, welche sich zwischen Kolpetty, Slave-Island und dem Fort ausbreitet. An einem schönen Abend ruderten wir hier im Kahne über die mit prachtvollen weißen und rothen Wasserlilien bedeckte Spiegelfläche nach der Villa von Mr. William Ferguson hinüber. Auch dieser liebenswürdige alte Herr (- der seit vielen Jahrzehnten das Amt eines Wegebau- Inspectors versieht -) widmet seine Mußestunden zoologischen und botanischen Forschungen und hat diese Gebiete mit manchen werthvollen Beiträgen bereichert. Ich verdanke ihm ebenfalls viele interessante Mittheilungen. Er ist nicht zu verwechseln mit seinem gar sehr verschiedenen Bruder, dem sogenannten „Ceylon- Commissioner", der Herausgeber und Redacteur der einflußreichsten Zeitung der Insel, dem „Ceylon-Observer". Dieses Blatt wird von ihm in jenem Geiste strenger, finsterer Orthodoxie und kastenmäßiger Observanz redigirt, welcher leider so vielen, angeblich freisinnige, englische Zeitungen kennzeichnet. Gerade zur Zeit meiner Anwesenheit war dasselbe mit heftigen Angriffen gegen der verdientesten und kenntnißreichsten Juristen, dem District-Judge Mr. Berwick, gefüllt, weil derselbe in einem Plaidoyer über „Zurechnungsfähigkeit" die darwinistischen Grundsätze der modernen Nachforschung { = Naturforschung? } anerkannt und in geistreicher Weise angewendet hatte. Uebrigens hinderte seine specifische Frömmigkeit den „Ceylon-Commisioner" nicht, in seiner Art „Geschäfte zu machen" und z. B. die schlechte und fehlerhafte Karte der Kaffeedistricte für 18 Rupien (= 36 Mark!) zu verkaufen. An einem andern Tage führte mich Mr. Green in das  C o l o m b o -  M u s e u m , ein stattliches zweistöckiges Gebäude, welches in Cinnamon-Gardens liegt und für die Sammlung aller literarischen, historischen und naturhistorischen Schätze der Insel bestimmt ist. Der untere Stock enthält auf einer Seite die reiche Bibliothek, auf der andern die Alterthümer (alte Inschriften, Sculpturen, Münzen, ethnographische Sammlungen u. s. w.); im oberen Stocke findet sich eine reiche Naturaliensammlung, vorzugsweise von getrockneten und ausgestopften Thieren, ausschließlich Ceylonesen. Besonders reich sind darin die Insecten vertreten, mit denen sich der (damals abwesende) Director des Museums, Dr. Haly, speciell beschäftigt; demnächst die Vögel und die Reptilien. Dagegen bleibt in den meisten Abtheilungen der niederen Thiere die Hauptsache noch zu thun übrig. Immerhin bietet das Colombo- Museum auch jetzt schon eine sehr gute Uebersicht über die reiche und eigenthümliche Fauna der Insel. Der Zoologe, der aus Europa direct hierher kommt, wird freilich den Zustand eines großen Theils der Sammlung ziemlich unbefriedigend finden; die ausgestopften und getrockneten Sachen sind vielfach schlecht präparirt, verschimmelt, zerfallen u. s. w. Tadeln wird das aber nur der Neuling, dem die außerordentlichen Schwierigkeiten unbekannt sind, mit denen die Entstehung und Existenz jeder derartigen Sammlung in dem feuchtheißen Treibhaus-Klima von Ceylon zu kämpfen hat. Ich sollte bald selbst in dieser Beziehung die bittersten Erfahrungen machen.

Ebenso wie alles Lederzeug und Papier hier in kürzester Zeit vermodert und zerfällt, wie alle Eisen und Stahlsachen trotz sorgfäligster Vorsich sich mit Rost bedecken, ebenso unterliegen auch alle Chitinkörper der Insecten, alle Bälge von Wirbelthieren früher oder später dem vereinten Einflusse einer beständigen Hitze von 20o-25o R. und einer Feuchtigkeit der Luft, die alle unsere europäischen Begriffe übersteigt. Noch schlimmer aber wirken in vielen Fällen die vereinten Angriffe von Milliarden verschiedener Insecten: schwarze und rothe Ameisen (theils 2-3 mal so groß wie bei uns, theils eben so groß, zum Theil aber auch fast mikroskopisch klein); weiße Ameisen oder Termiten (die schlimmsten von allen Feinden) - riesengroße Schaben oder Kakerlaken (Blatta), Papierläuse (Psocus), Museumskäfer und dergleichen Gesindel mehr, wetteifern in der Zerstörung der Sammlungen. gegen die unaufhörlichen Angriffe dieser zahllosen und unvermeidlichen kleinen Feinde sich zu schützen, ist in Ceylon theils sehr schwierig, theils ganz unmöglich; ich selbst verlor durch sie (trotz aller Vorsicht) einen großen theil meiner getrockneten Sammlungen. In welcher Weise die tropische Hitze - nur 7 Breitengrade vom Aequator entfernt - im Verein mit dem höchsten Grade derLuftfeuchtigkeit, auf unsere europäischen Culturproducte, eben so wie auf die einheimischen Naturproducte von Ceylon einwirkt, davon kann man sich bei uns zu Hause gar keine Begriffe machen. Nachdem die ersten herrlichen Tage in Whist-Bungalow mit Schauen und Staunen vorüber waren, fing ich an, meine tausend Siebensachen und Instrumente aus Koffern und Kisten auszukramen und in welchem Zustande fand ich da Vieles! An allen wissenschaftlichen Instrumenten, welche Stahl- oder Eisentheile enthielten, waren diese verrostet; keine Schraube ging mehr glatt. Alle Bücher und Papiersachen waren gleich allen Ledersachen feucht und mit Schimmel bedeckt; und was mich ganz besonders rührte, der berühmte „schwarze Frack" - welcher in der englischen Gesellschaft hier wie daheim in Europa eine so große Rolle spielt, war, als ich ihn aus dem Koffer nahm, weiß geworden! er war gleich allen anderen Tuchkleidern über und über mit den zierlichsten Schimmelbildungen bedeckt, die erst nach mehrtägigem Trocknen an der Sonne sich verloren! Daher ist es in allen europäischen Häusern von Colombo Aufgabe eines besonderen „Kleider-Boy", täglich Kleider, Bettern, Wäsche, Papier u. s. w. an der Sonne zu trocknen und vor dem Verschimmeln zu bewahren!

Viel schlimmer war es, daß meine neue photographische Camera obscura, die von einer der ersten Berliner Firmen aus angeblich „völlig trocknem Holze" gefertigt war, sich beim Auspacken als unbrauchbar erwies, weil alle Holztheile derselben verzogen waren. Auch die Deckel der mitgebrachten Holzkästen hatten sich fast alle geworfen. Die leeren Briefcouverts waren sämmtlich zugeklebt. Mehrere Schachteln mit pulverisirtem Gummi-Arabicum enthielten eine feste cementartige Masse; während in anderen Schachteln mit Pfeffermünzküchelchen beim ersten Oeffnen ein süßer Syrup umherfloß! Noch überraschender war das Oeffnen der mitgebrachten Brausepulver-Schachteln. In allen blauen Papierchen war die Weinsteinsäure verschwunden, und in alen weißen fand sich statt des kohlensauren nur noch weinsteinsaures Natron; erste hatte sich aufgelöst, war in letzteres eingedrungen und hatte die Kohlensäure ausgetrieben! Und so waren schon beim Auspacken durch den Einfluß der feuchten Hitze eine Menge Sachen verdorben, an deren Verderben man bei uns gar nicht denkt! Dabei fielen die vier Monate, welche ich auf Ceylon zubrachte, in die sogenannte „ t r o c k n e  Jahreszeit" des Nordost-Monsun, der vom November bis April weht! Wie muß es demnach hier erst in der „ n a s s e n  Jahreszeit" aussehen, wo vom Mai bis Oktober der regenschwangere Südwest- Monsun wüthet! Meine Freunde versicherten mir, daß man dann überhaupt darauf verzichte, irgend etwas trocken zu erhalten, und daß das Wasser geradezu an den Wänden herablaufe!

Das ein solches Treibhaus-Klima, welches von unserem mittel- europäischen so gänzlich verschieden ist, auf den an letzteres gewöhnten menschlichen Organismus auch eine ganz verschiedene Wirkung ausüben muß, erscheint selbstverständlich; - und ebenso, daß der Kampf mit diesem feindlichen Klima das alltägliche Gesprächsthema überall und jederzeit bildet. Ich muß daher gestehen, daß ich einigermaßen besorgt war, wie ich mich demselben wohl anpassen würde. In den ersten Wochen in Colombo empfand ich die Leiden und Beschwerden, die damit unzertrennlich verknüpft sind, ziemlich stark, besonders in den heißen Nächten, in denen die Temperatur selten unter 20 R. (nicht unter 18) sank, während sie bei Tage im Schatten oft auf 24-28o stieg. Allein die zweite Woche war schon leichter zu ertragen als die erste; und später (namentlich an der Südküste, nahe dem fünften Grad S. Br.) habe ich niemals so viel gelitten, wie in den ersten schlaflosen Nächten und erschlaffenden Tagen in Colombo.

Unentbehrlich sind unter diesen Umständen natürlich die täglichen Bäder, die für alle Eingeborenen wie für alle Europäer die beste Erquickung des Tages sind. Ich nahm deren gewöhnlich zwei, eins gleich nach dem Aufstehen (um 6 Uhr) und ein zweites vor dem sogenannten Frühstück (eigentlich dem Mittagessen) um 11 Uhr. Im Süden genoß ich dann meistens noch ein drittes Bad am Abend, vor dem „Dinner" (um 7 oder 7 1/2 Uhr). Außerdem nahm ich natürlich alsbald die landesübliche Kleidung der Europäer an, aus weißen, ganz leichten Baumwollenstoffen bestehend; sehr angenehm trugen sich netzförmige Unterhemdchen unter der leichten Jacke. Aeußerst werthvoll aber fand ich als beständige Kopfbedeckung einen sogenannten Calcutta-Hut oder „Sola-Hut", den ich mir schon in Port-Said für nur 3 Francs (!) gekauft hatte. Diese unvergleichlichen Hüte werden aus dem äußerst leichten, aber festen (hollunder-ähnlichen) Marke der Sola-Pflanze gefertigt und bestehen aus einer gewölbten doppelten Kuppel, die auf einer sehr breiten (Nacken und Hals völlig schützenden) Krempe ruht. Letztere ist mit einem festen Ring von Wachsleinwand verbunden, welcher allein dem Kopf unmittalbar aufsitzt. Die Luft streicht frei zwischen den Scheibchen hindurch und so bleibt die Tempartur im Hute stets kühl.

Unter Anwendung dieser und anderer Vorsichtsmaßregeln befand ich mich während der ganzen Zeit meines Aufenthalts auf Ceylon sehr wohl, trotzdem (- oder vielleicht auch weil -) ich mir sehr viel Bewegung machte und selbst in der heißen Mittagszeit meistens im Freien war. Allerdings lebte ich aber viel mäßiger und einfacher, als hier zu Lande üblich ist, und nahm nicht die Hälfte der Quantität von Speisen und Getränken zu mir, welche die meisten Engländer hier für unentbehrlich halten. Wenn diese nach einigen Jahren Aufenthalt meistens über Magen- und Leberleiden klagen, so glaube ich, liegt die Schuld viel weniger am heißen Klima, als vielmehr einerseits am Mangel der nöthigen Leibesbewegung, andererseits an der übermäßigen Luxus-Consumption; sie essen und trinken oft 2-3 mal so viel, als zum gesunden Leben nöthig ist - und schwere fette Speisen, heiße spirituöse Getränke. Sie bilden in dieser Beziehung den größten Contrast zu der überaus einfachen Lebensweise der Eingeborenen, die meistens bloß Reis und Curry, und dazu höchstens einige Früchte essen, während ihr Getränk einfaches Wasser oder etwas Palmenwein ist.

In Ceylon, wie wohl in den meisten Theilen von Indien, ist die tägliche Eintheilung der Mahlzeiten der Europäer folgende: Morgens, gleich nach dem Aufstehen Thee und Bisquits, Brot mit Eiern oder Marmelade, Bananen, Mangos, Ananas und andere Früchte. Um 10 Uhr folgt das sogenannte „Frühstück" (Breakfast), nach unseren Begriffen ein ganz completes Diner von 3-4 Gängen: Fisch, gebratenes Huhn, Beefsteak, namentlich aber das indisch-nationale „Reis mit Curry", der nie fehlen darf. Dieser Curry wird in der mannigfaltigsten Weise aus verschiedenen Gewürzen mit Stückchen von Gemüsen oder Fleisch zu einer pikanten Sauce verarbeitet. Als dritte Mahlzeit folgt um 1 Uhr das sogenannte „Tiffin", Thee oder Bier mit kaltem Fleisch, Butterbrot und Conserven. Viele nehmen dann um 3 oder 4 Uhr noch einmal Thee oder Kaffee. Endlich kommt um 7 1/2 oder 8 Uhr die Hauptmahlzeit, das sogenannte „Dinner", welches aus 4-6 Gängen besteht, gleich einem opulenten Diner in Europa: Suppe, Fisch, mehrere Fleischspeisen, nochmals Curry und Reis, dann mehrere suße Mehlspeisen, Früchte u. s. w. Dazu werden gewöhnlich mehrere verschiedene Weise getrunken (Sherry, Claret, Champagner) oder auch stark spirituöses, aus England importiertes Bier; neuerdings auch weit besseres und leichteres Wiener Bier. In vielen Häusers fällt ein oder der andere Theil dieser üppigen Mahrzeiten hinweg. Im Allgemeinen aber muß die Lebensweise in Indien als eine viel zu üppige und fette bezeichnet werden, besonders wenn man si emit der einfachen und frugalen Diät im südlichen Europa vregleicht. Dies ist auch die Ansicht von einzelnen alten Engländern, die ausnahmsweise eine viel einfachere Lebensweise führen und sich daher trotz eines ununterbrochenen Aufenthaltes von 20-30 oder mehr Jahren in den Tropen ihre ungebrochene Gesundheit bewahrt haben; wie z. B. Dr. Thwaites, der treffliche frühere Director des botanischen Gartens von Peradenia.

V. Kaduwella.

Die Fülle von neuen, herrlichen und großartigen Eindrücken, welche die erste Woche meines Aufenthaltes auf Ceylon mir brachte, wurde gekrönt durch eine reizende Excursion, welche meine Freunde am 27. November nach Kaduwella veranstalteten. Es war mein erster Sonntag auf der Insel, und obgleich die mannigfaltigen Naturgenüsse der vorhergegangenen Wochentage mir jeden derselben als einen Festtag erscheinen ließen, so wurde doch meine festliche Stimmung durch die Erlebnisse dieses ersten Feiertages noch ganz besonders gesteigert. Der Ausflug nach Kaduwella war zugleich die erstere größere Excursion in die weitere Umgebung von Colombo, und da die Scenerie, die ich hier zum ersten Male sah, sich in wesentlich gleich bleibendem Charakter im größten Theile des Flachlandes der Südwestküste wiederholt, so will ich gleich hier dieselbe kurz zu schildern versuchen. Kaduwella ist ein singhalesisches Dorf, welches am linken (südlichen) Ufer des Kelanyflusses liegt, zehn englische Meilen von Whist-Bungalow entfernt. Der schöne Fahrweg (der sich weiterhin nach Awisawella und bis zum Fort Ruanwella fortsetzt), führt bald unmittelbar an dem waldigen Flußufer hin, bald nur in geringer Entfernung von demselben, die mannigfaltigen Biegungen des Flusses abschneidend. Gleich allen Fahrwegen auf der Insel, welche viel benutzt werden, befindet sich auch dieser in ausgezeichnetem Zustande; und ist doppelt anzuerkennen, da die heftigen und häufigen Regengüsse beständig viel Erde wegschwemmen und die gute Instandhaltung der Wege erschweren. Die englische Regierung betrachtet aber hier, wie in allen Colonien, die Einrichtung und Erhaltung guter Communicationsmittel mit Recht als eine ihrer ersten und wichtigsten Aufgaben; und es spricht für ihr unvergleichliches Colonisationstalent, daß sie keine Mühe und keine Kosten scheut, um dieser Anforderung, selbst den schwierigsten Hindernissen der Terrainformation und des Tropenklimas gegenüber, gerecht zu werden.

Meine Gastfreunde von Whist-Bungalow und einige andere deutsche Landsleute, welche damals in dem benachbarten schönen (auch von Sir Emmerson Tennent lange Zeit inne gehabten) Eliehaus wohnten, hatte alle Vorbereitungen getroffen, um unsere Excursion auch in gastronomischer Beziehung möglichst angenehm zu gestalten. Alle festen und flüssigen Körper, welche für ein opulentes Gabelfrühstück erforderlich sind, sowie unsere Jagdgewehre mit Munition, Gläser und Blechbüchsen zum Sammeln etc. waren in dem kleinen, offenen, einspännigen Kaleschen verpackt, die hier fast jeder Europäer besitzt und die gewöhnlich von einem munteren Pony birmanischer Abkunft oder auch von einem stärkeren Pferde australischer Rasse gezogen werden; fast alle Reit- und Kutschpferde der Insel werden vom indischen Festlande oder von Australien eingeführt, da die Pferdezucht auf Ceylon selbst nicht gedeiht, europäische Pferde aber das Klima sehr schlecht vertragen und bald unbrauchbar werden. Die kleinen Ponies von Birma laufen vortrefflich, wenn sie auch nicht lange aushalten; mit zehn englischen Meilen (2-3 Fahrstunden) ist ihre Leistungsfähigkeit in der Regel erschöpft. Die Kutscher sind gewöhnlich schwarze Tamils (Malabaren), in weiße Jacken gekleidet, mit rothem Turban; sie laufen mit erstaunlicher Ausdauer hinter dem Wegen her oder stehen nur zeitweise auf dessen Trittbrett; sie müssen beständig laut ausrufen, da sowohl die Singhalesen (besonders die alten Leute) als auch ihre Ochsen und Hunde eine ausgeprägte Neigung besitzen, den rasch fahrenden Wagen nicht aus dem Wege zu gehen und sich überfahren zu lassen.

Schon vor Sonnenaufgang verließen wir Whist-Bungalow und rollten durch die letzten Häuser der Vorstadt Mutwal und den darauf folgenden Grandpaß in das lachende, grüne Gartenland hinaus, welches sich abwechselnd mit Buschwald (Djungle), Reisfeldern und parkartigem Wiesenland meilenweit bis gegen den Fuß des Gebirges hinzieht. Die Vorstädte von Colombo, wie von allen Städten der Insel, gehen unmerklich in langgestreckte, oft stundenlange Dörfer über, und da in diesen die einzelnen Hütten der Eingebornen meist durch weite Zwischenräume getrennt sind, jede von einem zugehörigen Stück Garten-, Feld- oder Waldland umgeben, so sind die Grenzen der Dörfer oft schwer oder nur ganz künstlich zu ziehen. In dem dicht bevölkertung und gut cultivirten südwestlichen Theile des flachen Küstenlandes existirt sogar nirgends eine größere Unterbrechung, und man kann sagen, daß die ganze lange Küstenstrecke von Colombo bis Matura, bis zur Südspitze, von einem einzigen weitläufigen großen Dorfe mit indischen Hütten und Fruchtgärten, Djungeln und Cocoswald, eingenommen wird. Ueberall kehren in diesem paradiesischen Dorfgarten dieselben landschaftlichen Elemente wieder: niedrige braune Erdhütten, beschattet von Brotfrucht- und Mangobäumen, von Cocos- und Arecapalmen, und umkränzt von Pisanggebüschen; verziert mit den Riesenblättern der Caladien und Ricinus, den zierlichen Papayabäumen, Manihotstauden und anderen Nutzpflanzen. Auf Bänken vor den offenen Hütten liegen die faulen Singhalesen in süßem Nichtsthum ausgestreckt und betrachten sich ihre ewig grüne Umgebung, oder beschäftigen sich mit Ablesen kleiner weißer Insecten von ihren langen schwarzen Haaren. Nackte Kinder spielen überall am Wege oder haschen nach den bunten Schmetterlingen und Eidechsen, die denselben beleben. Zu gewissen Tageszeiten begegnet man auf den vielbefahrenen Wegen zahlreichen Ochsenkarren, kleinere einspännigen und größere zweispännigen; sie bilden das wichtigste - ja fast das einzige - Transport- und Communicationsmittel der Eingebornen. Die Ochsen gehören alle zu der Art des Zebu oder indischen Buckelochsen (Bos indicus), ausgezeichnet durch den Höcker hinten auf dem Nacken. Der Zebu tritt aber, ähnlich wie unser europäisches Rind, in vielen verschiedenen Rassen auf; eine kleine Rasse läuft recht schnell und flink. Pferde gebrauchen die Eingebornen nur selten und Esel fehlen auf Insel ganz. Dagegen sind allenthalben vor den Hütten Hunde („Pariah-Dogs" genannt) zu finden, alle von derselben Rasse, häßliche und struppige braungelbe Tiere, welche durch Form, Farbe und Benehmen ihre Abstammung vom wilden Schakal zu verrathen scheinen. Ueberall sind ferner die kleinen schwarzen Schweine (Sus indicus), daneben oft auch hochbeinige magere Ziegen, seltener Schafe anzutreffen; stets findet man vor den Häusern viele Hühner, seltener Enten und Gänse. Das sind die einfachen und stets wiederkehrenden Elemente, aus welchen sich die Dorfscenerie von Südwest-Ceylon zusammensetzt. Aber diese Elemente finden sich in so reizender malerischer Unordnung und in so unendlicher individueller Abwechselung vor; sie sind so wundervoll vom Glanze der tropischen Sonne beleuchtet und gefärbt; und der nahe Meeresstrand oder das Flußufer verleiht ihnen so viel frischen Reiz, der waldige Hintergrund, oder auch darüber noch das blaue Gebirgsland der Ferne so viel Poesie, daß man nicht müde wird, sich daran zu ergötzen, und daß sowohl der Landschafts- als der Genremaler hier eine unendliche Fülle der schönsten Motive finden würde - Motive, die auf unseren Gemäldeausstellungen der Gegenwart fast noch unbekannt sind. Von ganz besonders schöner Wirkung ist in dieser ceylonesichen Niederlandschaft die Mittelstellung, welche sie zwischen Garten- und Waldlandschaft, zwischen Cultur und Natur einnimmt. Oft glaubt man mitten im schönsten wilden Walde zu sein, rings umgeben von hohen prächtigen Bäumen, die mit Schlingpflanzen behangen und überwuchert sind. Aber eine Hütte, die ganz im Schatten eines Brotfruchtbaumes versteckt ist, ein Hund oder ein Schwein, das aus dem Gebüsch hervorkomt, spielende Kinder, die unter Caladiumblättern sich verbergen, belehren uns, daß wir nur in einem ceylonesischen Garten uns befinden. Und umgekehrt bietet der wirkliche Wald, der an letzteren anstößt, mit seiner mannigfaltigen Zusammensetzung aus den verschiedensten tropischen Bäumen, mit den Orchideen, Gewürznelken, Lilien, Malvaceen und anderen prächtigen Blüthenpflanzen, soviel Abwechslung, daß wir in einem schönen Baumgarten zu sein glauben. Diese eigenthümliche Harmonie zwischen Natur und Cultur spricht sich auch in der menschlichen Staffage dieser Waldgärten aus; denn die Einfachheit der Kleidung und Wohnung der Singhalesen in denselben ist so groß, daß sie großentheils den bekannten Beschreibungen von echten „Wilden" entsprechen, obwohl sie einem alten Culturvolk entstammen. Doppelt anziehend und malerisch erscheint das Alles in der kühlen Morgenfrühe, wenn die Strahlen der Sonne noch unter kleinen Winkeln in das Baumwerk fallen, lange Schatten der schlanken Stämmer werfen und in den gefiederten Kronen der Palmen, auf den zerspaltenen Riesenblättern des Pisang mit tausend glänzenden Lichtern spielen. Während meiner Anwesenheit, zur Zeit des Nordost-Monsun, waren die klaren Morgenstunden bei wolkenlosem Himmel und kühlender Seebrise fast immer köstlich frisch und glanzvoll, wenn auch das Thermometer meist nicht unter 20o R., selten bis 18o sank; erst zwischen 9 und 10 Uhr begann die Hitze drückend zu werden und sammelten sich die Wolken, die dann meistens nachmittags in einem heftigen Regen sich entluden. War dieser um 4 oder 5 Uhr vorüber, so erschienen dann wieder die letzten Abendstunden doppelt herrlich und erquickend, um so mehr, als gewöhnlich die sinkende Sonne das westliche Firmament mit einem Glanze vergoldete und die Abendwolken mit einer Farbengluth übergoß, die jeder Beschreibung spotten. Jedoch war gerade in diesem Jahre die Witterung keineswegs so regelmäßig wie gewöhnlich und bot vielfach Abweichungen von der Norm. Im Ganzen blieb meine Reise vom Wetter sehr begünstigt und nur an wenigen Tagen vereitelte anhaltender, schon früh beginnender Regen die Tagesordnung der Arbeit oder der Excursion, die ich mir vorgesetzt hatte.

Nach einer zweistündigen, sehr unterhaltenden Fahrt langten wir in dem Dorfe Kaduwella an, welches an einer starken Biegung des Kelanyflusses sehr malerisch gelegen ist. Ganz besonders hübsch präsentirt sich auf einem erhöhten Vorsprung am Flusse, unter dem Schatten der schönsten Bäume, das Rasthaus, in dem wir abstiegen und ausspannten. „Rasthäuser" oder „ R e s t h ä u s& nbsp;e r " (Rest-houses) nennt man in Ceylon, wie in Indien, die Häuser, welche die Regierung hat errichten lassen und welche unter ihrer Aufsicht stehen. In ganz Ceylon existiren nur in drei Städten Hotels, in Colombo, Galla und Kandy. Der Eingeborne bedarf solcher nicht. Der europäische Reisende ist daher entweder ganz auf die Gastfreundschaft europäischer Ansiedler (wo solche vorhanden sind!) oder auf die Regierungs-Rasthäuser angewiesen, und letztere erfüllen in der That eins der größten Bedürfnisse. Der Wirth derselben, der von der Regierung angestellte und beaufsichtigte „Resthous-Keeper" ist verpflichtet, dem Reisenden gegen einen geringe (an die Regierung auszuzahlende) Entschädigung ein Zimmer mit Bett (meistens für eine Rupie = zwei Mark) zu überlassen, sowie auch auf Verlangen die nöthigsten Nahrungsmittel zu liefern. Preise und Qualität der letzern sind sehr verschieden; ebensowie auch die Beschaffenheit der Rasthäuser selbst. In dem südwestlichen Theile der Insel, wo ich hauptsächlich reiste, fand ich sie im Allgemeinen gut und preiswürdig, so namentlich in Belligemma, wo ich später für sechs Wochen im Rasthause mein Laboratorium aufschlug. Dagegen sind die Rasthäuser in einem großen Theile des Innern, und namentlich im Norden und Osten der Insel, meistens schlecht und sehr theuer; in Newera Ellya mußte ich z. B. später für jedes Hühnerei einen halben, für jede Tasse Thee einen ganzen Schilling (=1 Mark) zahlen! Das Rasthaus von Kaduwella, das erste, welches ich sah und benutzte, gehörte zu den bescheideneren und kleineren, und wir unsern sämmtlichen Proviant mitgebracht hatten, lieferte es uns nur Stühle zum Sitzen, Wasser und Feuer zum Kochen, und in seiner offenen luftigen Veranda ein angenehmes Schutzdach gegen Sonne und Regen; auch dafür wird nach der Taxe bezahlt. (Umsonst ist in Indien nur der Tod!) Wir brachen gleich nach unserer Ankunft mit unseren Gewehren auf, um die herrlichen Morgenstunden möglichst auszunutzen. Südlich an den Kelany-Ganga stößt gleich hinter dem Dorfe ein wellenförmiges Hügelland, über welches sich die Jagdgesellschaft zerstreite. Die tiefer gelegenen Theilse desselben sind mit Graswiesen und Reisfeldern bedeckt, vielfach von Wassergräben und Canälen durchschnitten und mit kleinen Seen geschmückt, inn welche letztere münden. Die höheren Theile hingegen, meistens sanft gewölbte Hügel von 100-300 Fuß Höhe, sind mit dichtem Buschwald oder dem hier allgemein so genannten „ D j u n g l e " bewachsen. Ich lernte hier zuerst diese charakteristische Form der Landschaft kennen, die auf der ganzen Insel, soweit sie nicht cultivirt ist, eine große Rolle spielt. Das Djungle ist zwar nicht eigentlicher „ U r w a l d ", d. h. uralter, nie vom Menschen betretener Wald (solcher existirt in Ceylon nur noch an sehr wenigen Stellen und in sehr geringer Ausdehnung); allein es entspricht doch unserer Vorstellung von demselben insofern, als es, bei hoher Entwicklung, eine Waldform darstellt, die aus einem dichten und undurchdringlichen Geflecht der verschiedensten Bäume besteht; diese sind ohne alle Ordnung und frei von allem menschlichen Einfluß emporgeschossen und dergestalt wild durcheinander gewachsen, von den mannigfaltigsten Schling- und Kletterpflanzen überwuchert und bedeckt, mit parasitischen Farnen, Orchideen und anderen Schmarotzern überhäuft, ihre Lücken dergestalt mit einem bunten Gewirre der verschiedensten anderen Pflanzen ausgefüllt, daß es ganz unmöglich hält, den dichten Knäuel zu entwirren und die einzelnen durcheinander geflochtenen Gestalten von einander abzulösen.

Das ein solches Djungle, gut ausgebildet, ohne Axt und Feuer wirklich undurchdringlich ist, davon überzeugte ich mich schon beim ersten Versuche, in dasselbe einzudringen. Eine gute Stunde hatte ich gebraucht, um mich nur wenige Schritte in das Dickicht hinein zu arbeiten; dann aber stand ich völlig entmuthigt von weiteren Versuchen ab; zerstochen vn Moskitos, zerbissen von Ameisen, mit zerrissenen Kleidern, blutenden Armen und Beinen, verwundet von tausend Stacheln und Dornen, mit denen die Kletterpalmen (Calamus), und die Klettermalven (Hibiscus), die Euphorbien, Lantanen und eine Menge anderer Djungelpflanzen jeden Versuche abwehren, in ihr geheimnisvolles Labyrinth einzudringen. Aber umsonst war dieser Versuch doch nicht, denn ich lernte bei dieser Gelegenheit nicht allein den Charakter des Djungle im Ganzen, und besonders die Pracht seiner Bäume und Lianen kennen, sondern ich sah auch viele einzelne Pflanzengestalten und Thierformen, die für mich von höchstem Interesse waren; ich die prächtige Gloriosa superba, die giftige Kletterlilie von Ceylon mit ihrer goldrothen Krone; den stacheligen Hibiscus radiatus mit großen schwefelgelben, im Grunde violetten Blumenkelchen; umflattert von riesigen schwarzen Schmetterlingen mit blutrothen Flecken auf ihren schwanzförmigen Flügelanhängen, von metallglänzenden Prachtkäfern u. s. w. Was micht aber am meisten freute, ich stieß hier gleich im ersten Djungle, das ich auf Ceylon betrat, auf die beiden meist charakteristischen Bewohner desselben aus den beiden höchsten Thierclassen, auf Papageien und Affen. Ein Schwarm grüner Papageien flog kreischend von einem hohen, weit über das Djungle vorragenden Baume auf, als er meiner Flinte ansichtig wurde; und ebenso sprang eine Heerde großer schwarzer Affen unter knurrendem Geschrei eiligst in das Dickicht; weder von jenen noch von diesen gelang es mir, einen zu schießen; sie schienen die Wirkung des Feuergewehrs sehr gut zu kennen. Ich tröstete mich aber damit, daß der erste Schuß, den ich heute that, mir eine colossale, über sechs Fuß lange Riesen-Eidechse lieferte, den merkwürdigen, von den abergläubischen Eingeborenen sehr gefürchtete  H y d r o s a u&nbs p;r u s   s a l v a t o r&nbs p;. Das gewaltige, krokodilähnliche Thier sonnte sich auf dem Rande eines nahen Wassergrabens und der erste Schuß traf so glücklich in den Kopf, daß es augenblicklich verendete; trifft der Schuß andere Körpertheile, so springen die zählebigen Thiere gewöhnlich rasch in das Wasser und verschwinden; mit ihrem mächtigen, hart gepanzerten und scharf schneidenden Schwanze können sie sich so gut vertheidigen, daß ein Schlag desselben bisweilen eine gefährliche Wunde verursachen oder selbst ein Bein zerschmettern soll. Nachdem wir mehrere Gräben durchwatet hatten, wanderten wir durch lichtes Gehölz auf einem reizenden Pfade aufwärts zu einem bewaldeten Hügel, der durch einen  B u d d h a -  T e m p e l  berühmt ist, den Gegenstand vieler Wallfahrten. Wir trafen dabei auf mehrere Hüttengruppen, welche im dichten Waldesschatten unter den säulengleichen Stämmen riesiger Bäume (Terminalien und Sapinden) wie Kinderspiellzeuge aussahen. Weiterhin kamen wir auf eine sonnigere Lichtung, in der bunte Schmetterlinge und Vögel in großer Zahl umherflogen, besonders schöne Spechte und Waldtauben. Endlich führte uns eine Treppe zwischen Talipotpalmen aufwärts zu dem Tempel. Dieser liegt ungemein malerisch mitten in hohem Walde, unter dem Schutze eines gewaltigen Granitfelsens verborgen. Eine weite natürliche Grotte, die wahrscheinlich künstlich erweitert ist, geht tief in die Unterseite der überhängenden Felsmasse hinein. Die Säulenhalle des Tempels (mit sechs Rundbogen an der Frontseite, frei an der schmalen Giebelseite) ist so in die Grotte hineingebaut, daß der nackte Felsen nicht allein die hintere Wand des Tempels bildet, sondern auch das Material für die liegende, an letztere angelehnte Colossalstatue des Buddha selbst. Die Figur des Gottes ist in allen Buddhatempeln, welche ich auf Ceylon besucht habe, stereotyp dieselbe, ebenso wie die monotone Wandmalerei, welche an den inneren Tempelwänden Scenen aus seiner irdischen Lebensgeschichte darstellt. Dieselbe erinnert in ihrer steifen Zeichnung und den einfachen grellen (vorzugsweise gelben, braunen und rothen) Farben vielfach an die altägyptischen Wandmalereien, obwohl si eim Einzelnen sehr verschieden sind. Die liegende Colossalfigur des Buddha, die auf dem rechten Arme ruht und in ein gelbes Gewand gekleidet ist, zeigt stets den gleichen apathischen und indifferenten Ausdruck und erinnert an das starre Lächeln der alten Aegineten-Statuen. Neben den meisten Buddhatempeln findet sich eine sogenannte Dagoba, eine glockenförmige Kuppel ohne Oefnnung, deren Inneres angeblich stets eine Reliquie des Gottes einschließt. Ihre Größe ist sehr verschieden, von der einer großen Kirchenglocke bis zum Umfange der Peterskuppel in Rom. In der Nähe der Dagoba steht gewöhnlich ein großer alter Bo-Gaha oder heiliger Feigenbaum (Ficus religiosa). An vielen Orten von Ceylon gehören diese „Buddhabäume" mit ihrem mächtigen Stämmen, dem phantastisch verzweigten Wurzelwerk und der colossalen Laubkrone zu den größten Zierden der malerischen Tempelumgebung; ihre herzförmigen, zugespitzten, langgestielten Blätter sind beständig in lispelnder Bewegung, gleich unserm zitternden Espenlaube.

Eine Felsentreppe hinter dem Tempel führt auf die obere Fläche des Felsens hinauf, von der man eine hübsche Aussicht über das benachbarte waldige Hügelland und weiterhin über die Ebene bis zum Flusse hat. Die nächste Umgebung des Tempels ist mit schönen Palmen- und Bananengruppen verziert, und hinter diesen bildet undurchdringliches Waldickicht mit Lianengeflecht einen geheimnisvollen Hintergrund, der Weihe des heiligen Ortes entsprechend. Vorn kauerte auf einem Felsen an der Treppe als charakteristische Staffage ein alter, kahlköpfiger Buddhapriester in gelbem Talar. Während ich eine Aquarell-Skizze aufnahm, kletterte ein singhalesischer Knabe auf eine nahe Cocospalme und holte mir einige goldgelbe Früchte derselben herab. Ich fand das säuerlichsüße kühle Wasser in ihrem Innern, die sogeannte „Cocosmilch", die ich hier zum ersten Male kostete, bei der drückenden Mittagshitze außerordentlich erquickend. Der Rückweg vom Felsentempel nach Kaduwella führte uns durch einen anderen Theil des Waldes, der wieder eine Anzahl neuer Insecten, Vögel und Pflanzen zeigte; unter Anderen den berühmten Tiek-Baum (Tectonia grandis), sowie einige Riesen-Exemplare der cactusförmigen Wolfsmilch (Euphorbia antiquorum) mit nackten, blaugrünen prismatischen Aesten. Der letzte Theil des Weges, durch sumpfige Wiesenflächen, war tüchtig heiß, und nach der Rückkehr in das Rasthaus war unser Erstes ein Schwimmbad im Flusse, eine herrliche Erquickung, auf welche das nachfolgende fröhliche Frühstück doppelt mundete. Am Nachmittage setzte ich mit Einigen aus der Gesellschaft auf einer Fähre über den Fluß und machte einen Streifzug in den Wald auf dem rechten (nördlichen) Ufer desselben. Hier lernte ich wieder ein Anzahl anderer, mir bis dahin unbekannter Pflanzenformen (namentlich Aroideen und Cannaceen) kennen und bewunderte auf's Neue den außerordentlichen Reichthum der Flora, der hier auf engem Raume ene Fülle ihrer schönsten und mannigfaltigsten Producte vereint. An den Ufern des Flusses selbst bilden herrliche Bambus-Gruppen, abwechselnd mit Terminalien, Cedrelen und Mangroven, den vorwiegenden Waldbestand. Ich schoß einige grüne Waldtauben und große Eisvögel, doppelt so groß und so glänzend als unsere einheimischen.

Spät am Abend kehrten wir reich beladen mit zoologischen, botanischen und artistischen Schätzen nach Colombo zurück. Ich habe nachher noch viele genußreiche Tage im Djungle und an den Flußufern von Ceylon verlebt (und zum Theil an viel schöneren als Kaduwella war). Wie aber so oft im Leben die  e r s t e n  Eindrücke von neuen und fremdartigen Gegenständen weitaus die tiefsten und bleibendsten sind, und von späteren, stärkeren derselben Art nicht verdunkel werden, so wird mir auch der erste Tag im Djungle von Kaduwella immer unvergeßlich sein.

VI. Peradenia.

In der Centralprovinz von Ceylon liegt 1500 Fuß über dem Meere deren Hauptstadt, die frühere Königsstadt der Insel, das berühmte Kandy, und nur wenige Meilen davon entfernt ein kleiner Ort, Peradenia, welcher vor 500 Jahren ebenfalls für kurze Zeit Residenz eines alten Königs war. In diesem Orte wurde 1819 von der englischen Regierung ein botanischer Garten angelegt und Dr. Gardner mit dessen Direktion betraut. Sein Nachfolger, Dr. Twaites, der verdienstvolle Verfasser einer ersten „Flora ceylanica", that während 30 Jahren Alles, um diesen Garten seinen besonderen klimatischen und localen Vorzügen entsprechend auszubauen und zu heben. Als er vor wenigen Jahren zurücktrat, wurde Dr. Henry Trimen zum Direktor ernannt, und von diesem erhielt ich, kurz nach meiner Ankunft auf Ceylon, eine überaus freundliche Einladung. Ich folgte derselben um so lieber, als ich von der seltenen Pflanzenpracht Peradenia´s schon in Europa viel gelesen und gehört hatte. Und meine hohen Erwartungen wurden nicht getäuscht. Wenn Ceylon in Wahrheit für den Botaniker wie für jeden Pflanzenfreund ein Paradies ist, so darf Peradenia wieder das Herz dieses botanischen Paradieses genannt werden. Peradenia und Kandy sind durch eine Eisenbahn (die erste in Ceylon) mit Colombo verbunden. Die Fahrzeit beträgt 4-5 Stunden. Ich fuhr am 4. December Morgens 7 Uhr von der Central-Station Colombo´s ab und war um 11 Uhr in Peradenia. Gleich allen echten „Europäern" in Ceylon mußte ich erster Classe fahren (Couleur blanche oblige). Zweiter Classe fahren nur die gelben und gelbbraunen „Burgers und Half-Casts", die Nachkommen und Mischlinge der Portugiesen und Holländer. Und dritter Classe fahren natürlich die „Natives", die braunen Singhalesen und die schwarzbraunen Tamils. Mich wundert nur, daß man für die letzteren nicht noch eine vierte, und für die niedersten, am meisten verachteten Kasten, die „Low-Casts", eine fünfte Wagenclasse eingerichtet hat. Die Natives sind übrigens große Freunde des Eisenbahnfahrens, des einzigen Vergnügens, für das sie viel Geld ausgeben; um so mehr als es billig ist. Gleich nach Eröffnung der Eisenbahn und bis auf den heutigen TGag fahren viele Eingeborene tagtäglich auf der wunderbaren Bahn hin und her, bloß des Vergnügens halber! Die Wagen sind luftig und leicht, diejenigen erster Classe mit guten Schutzmaßregeln gegen das heiße Klima, breiten Schutzdächern und Jalousien. Die Zugführer und die weißgekleideten, durch Sonnenhelme geschützten Schaffner sind Engländer. Gute Ordnung und Pünktlichkeit herrscht, wie auf allen englischen Bahnen. Die ersten beiden Stunden der Eisenbahnfahrt von Colombo nach Peradenia führen durch Flachland, das großentheils mit sumpfigem Djungle, abwechselnd mit Reisfeldern und Sumpfwiesen, bedeckt ist. Auf letzteren liegen zahlreiche schwarze Büffel, halb im Wasser; zierliche weiße Reiher lesen ihnen die Insekten ab. Weiterhin tritt die Bahn allmälig näher an das Gebirge heran, und bei der Station Rambukkana beginnt sie dasselbe zu erklimmen. Die einstündige Strecke zwischen dieser und der nächstfolgenden Station,  K a d u g a n n  a w a , gehört in landschaftlicher Beziehung zu den schönsten, welche ich kenne. Die Bahn windet sich in vielen Krümmungen an dem steilen nördlichen Felsengehänge einer mächtigen weiten Thalmulde aufwärts. Anfänglich wird der Blick noch vorzugsweise durch den mannigfaltigen Wechsel des nahen Vordergrundes gefesselt; mächtige graue Gneißblöcke erheben sich mitten aus den üppigen Massen dichtesten Waldes, welcher die engen Seitenschluchten erfüllt; Lianen in den zierlichsten Formen verschlingen die Wipfel der hoch daraus hervorragenden Bäume; reizende kleinen Wasserfälle stürzen von den Höhen herab; und in der Nähe der Bahnlinie ist oft die schöne, jetzt selten besuchte, früher dicht befahrene Landstraße sichtbar, welche die englische Regierung von Colombo nach Kandy anlegte und welche ihr die dauernde Herrschaft über letzteres erst ermöglichte.

Weiterhin schweift aber der Blick bald über den weiten grünen Thalkessel, welcher zu unseren Füßen sich immer großartig eröffnet, bald zu den hohen blauen Bergketten, die sich an seiner jenseitigen, südlichen Wand stolz und starr erheben. Obwohl im Ganzen die Gestalten der Hochlandberge einförmig und nicht sehr malerisch sind (meistens flachgewölbte Kuppen von Granit und Gneiß), so machen sich doch einzelne hervorragende Höhen besonders bemerkbar, so hier der abgestutzte Tafelberg, der den Namen des Bibelfelsen führt (Bible-Rock). Eine der großartigsten und überraschendsten Ansichten bietet aber der „Sensation- Rock". Hier läuft die Bahn, nachdem sie durch mehrere Tunnels hindurchgetreten, unter überhängenden Felsen unmittelbar am Rande eines Abgrundes hin, der fast senkrecht 1200-1400 Fuß in die grüne Tiefe hinabstürzt. Brausende Wasserfälle, die links von der hohen Felsenwand herabschäumen, gehen unter Brücken des Bahnkörpers hindurch und lösen sich rechts, mit gewaltigem Sprunge, in nebelhafte Staubbäche auf, ehe sie den Fuß des Abgrundes erreichen; im auffallenden Sonnenschein bilden sie schimmernde Irisbogen.

Der grüne Thalgrund tief zu unseren Füßen ist theils mit Djungle, theils mit Culturland bedeckt, in welchem sich viele zerstreute Hütten, Gärten und terrassenförmig abgestufte Reisfelder erkennen lassen. Ueber dem niederen Gebüsch ragen allenthalben die Riesenstämme der mächtigen  T a l i p o t -  P a l m e  hervor, der stolzen Königin unter den Palmen von Ceylon (Corypha umbraculifera). Ihr ganz gerader weißer Stamm gleicht einer schlanken Marmorsäule und erreicht über 100 Fuß Höhe. Jedes einzelne von den fächerförmigen Blättern der mächtigen Gipfelkrone bedeckt einen Halbkreis von 12-16 Fuß Durchmesser, eien Flächenraum von 150-200 Quadratfuß; sie finden gleich allen Theilen der Pflanze vielfache Verwendung, namentlich als Schutzdach, sind aber besonders berühmt, weil sie bei den Singhalesen früher die Stelle des Papieres ausschließlich vertraten und auch jetzt noch vielfach als solches dienen. Die alten „Puskola"-Manuscripte in den Buddha- Klöstern sind alle mit eisernen Griffeln auf solches „Ola"-Papier geschrieben, auf schmale Streifen von Talipot-Blättern, welche gekocht und getrocknet wurden. Die stolze Talipot-Palme blüht nur einmal in ihrem Leben, gewöhnlich zwischen dem 50. und 80. Lebensjahre; der stattliche pyramidenförmige Blüthenbusch, auf dem Gipfel unmittelbar oberhalb des Blätterschopfes, erreicht die Länge von 30-40 Fuß und setzt sich aus Millionen kleiner gelblich weißer Blüthen zusammen; sind die Nüsse derselben gereift, so stirbt der Baum ab. Ein glücklicher Zufall fügte es, daß gerade während meiner Anwesenheit eine seltene Menge von Talipot-Palmen in Blüthe standen; zwischen Rambukkana und Kadugannawa zählte ich deren über 60, auf der ganzen Bahnstrecke über 100. Viele Exkursionen wurden von Colombo hierher gemacht, um das seltene und großartige Schauspiel zu betrachten.

Auf dem Passe von Kadugannawa, nahezu 2000 Fuß über dem Meere, hat die Eisenbahn sowohl, wie die benachbarte Landstraße ihren höchsten Punkt erreicht; zu Ehren des Erbauers der letzteren, Capitän Dawson, steht hier eine leuchtthurmartige Denksäule. Wir befinden uns hier zugleich auf einer Wasserscheide. Die zahlreichen Bäche, die wir vorher gleich Silberfäden den grünen Sammetgrund des Thales durchziehen sahen, laufen sämmtlich entweder zum Kelany-Ganga oder zum Maha-Oya, die beide auf der Westküste münden. Die Bäche hingegen an dem östlichen Sattel des Kadugannawa ergießen sich alle in den unweit südlich entspringenden Mahawelli-Ganga, den größten Fluß der Insel, welcher 134 englische Meilen lang ist und an der Ostküste bei Trinkomalie mündet. Längs der Ufer des letzteren, neben denen sich Pflanzungen für Zuckerrohr ausdehnen, führte uns die Bahn in einer Viertelstunde nach Peradenia hinab, der letzten Station vor Kandy.

Als ich um 11 Uhr in  P e r a d e n i a   anlangte, fand ich auf dem Bahnhofe bereits Dr. Trimen vor, welcher mich auf das Freundlichste bewillkommnete und in seiner Kalesche nach dem eine englische Meile entfernten botanischen Garten führte. Unmittelbar vor letzterem überschreitet die Straße den schäumenden Fluß auf einer schönen Brücke von Satin-Wood, deren einziger Bogen über 200 Fuß Spannweite hat. Bei gewöhnlichem Wasserstande liegt dessen höchste Spannung etwa 70 Fuß über dem Flusse. Man bekommt aber eine Vorstellung von den ungeheuren Wassermassen, die nach heftigen Regengüssen in die Flüsse von Ceylon herabstürzen, wenn man erführt, daß dann bisweilen der Wasserstand des Stromes um 50-60 Fuß steigt und der Spiegel desselben nur 10-20 Fuß unter der Brücke liegt. Zum Eingang in den Garten führt eine Allee von prachtvollen alten  G u m m i b ä u  m e n  (Ficus elastica). Das ist derselbe indische Baum, dessen eingedickter Milchsaft das  K a u t s c h u k   liefert und von welchem man bei uns im kalten Norden sehr häufig unge Pflanzen im geheizten Zimmer sieht, um an dem uppigen Saftgrün des dicken lederartigen eiförmigen Blattes sich zu erfreuen. Während aber bei uns solche Gummibäume, wenn ihre fingerdicken Stämme die Decke des Zimmers erreichen und einige fünfzig Blätter auf ihren paar Aesten tragen, bereits bewundert werden, entwickelt sich hier im heißen Vaterlande dieselbe Pflanze zu einer riesigen Baumgestalt ersten Ranges, welche mit unseren stolzesten Eichen wetteifert. Eine ungeheure Krone von vielen tausend Blättern bedeckt mit ihren mächtigen 40-50 Fuß langen und horizontal ausgestreckten Zweigen den Flächenraum eines stattlichen Palastes, und von der Basis des dicken Stammes geht unten eine Wurzelkrone aus, welche oft zwischen 100 und 200 Fuß Durchmesser hat, weit mehr als die Höhe des ganzen Baumes beträgt. Diese erstaunliche Wurzelkrone besteht meistens aus 20-30 Hauptwurzeln, welche von ebensovielen vortretenden Rippen des unteren Stammendes abgehen und gleich kriechenden Riesenschlangen sich über den Boden ausbreiten; der Gummibaum heißt daher auch bei den Eingeborenen „Schlangenbaum" und ist von Dichtern mit dem von Schlangen umwundenen Laokoon verglichen worden. Häufig erheben sich dabei zugleich die Wurzeln über den Boden gleich starken senkrecht stehenden Brettern und bilden so mächtige Stützpfeiler, auf denen der Riesenstamm unbewegt dem Sturm Trotz bietet. Die Zwischenräume zwischen den Stützpfeilern bilden förmliche Kammern oder Schilderhäuser, in denen sich ein aufrecht stehender Mann verstecken kann. Aehnliche Pfeilerwurzeln entwickeln sich übrigens hier auch bei anderen Riesenbäumen aus verschiedenen Familien.

Kaum hatte ich meinem Erstaunen über diese Allee von Schlangenbäumen Ausdruck gegeben, als bereits, unmittelbar nach dem Eintritt in das Gartenthor, ein anderer wunderbarer Anblick das Auge fesselte. Da stand zur Begrüßung des Ankömmlings ein riesiges Palmenbouquet, in welchem neben allen einheimischen Palmen der Insel auch eine Anzahl ausländischer Vertreter dieser edelsten Tropenbäume versammelt waren; alle bekränzt mit blumenreichen Schlingpflanzen und den Stamm geschmückt mit den zierlichsten Farn-Parasiten. Eine zweite, aber noch schönere und größere Palmengruppe stand weiterhin am Ende der Eingangsallee und war zudem noch mit einem herrlichen Kranze von Blüthenpflanzen umgeben. Unser Fahrweg bog hier nach beiden Seiten ab und führte links eine kleine Anhöhe zum Bungalow des Directors hinauf. Das beneidenswerthe Daheim desselben ist gleich den meisten Villen in Ceylon ein niedriges einstöckiges Gebäude, von einer luftigen Veranda umgeben, deren weit vorspringendes Schutzdach von einer weißen Säulenreihe getragen wird. Säulen und Dach sind mit einer Fülle der schönsten Kletterpflanzen, großblüthigen Orchideen, duftenden Vanillen, prächtigen Fuchsien und anderen bunten Blumen geschmückt; und eine auserlesene Sammlung der schönsten blühenden Prachtpflanzen und Farne ziert die Beete, die das Haus umgeben. Darüber erheben sich die schattenspendenden Kronen der edelsten indischen Bäume. Zahlreiche bunte Schmetterlinge und Käfer, Eidechsen und Vögel beleben das reizende Bild. Besonders niedlich nehmen sich darin aber die zierlichen kleinen dreistreifigen Eichhörnchen aus, welche in den Gärten von Ceylon überaus häufig und sehr zutraulich sind (Sciurus tristriatus).

Da die Villa auf dem höchsten Hügel des Gartens liegt und unmittelbar unter derselben ein weiter sammtgrüner Rasenteppich sich herabsenkt, so umfaßt der Blick von der offenen Säulenhalle einen großen Theil des flacheren Gartens, mit einigen der schönsten Baumgruppen und mit einem Kranze hoher Bäume, welcher den Wiesengrund einschließt. Ueber diesen Parkwald erheben sich die bewaldeten Häupter der Bergkette, von welcher der Thalkessel von Peradenia umgeben ist. Der reißende Mahawelli-Fluß strömt in weitem Halbkreisförmigen Bogen um den ganzen Garten und trennt ihn von jener Bergkette. Der Garten liegt demnach eigentlich auf einer hufeisenförmigen Halbinsel; auf der Landseite, wo er an den Thalgrund von Kandy anstößt, ist er durch eine hohe und undurchdringliche Hecke von dichtem Bambusgestrüpp, bewaffnet mit der dernigen Rotang- Palme und anderen Kletterpflanzen vollständig geschützt. Da nun auch das Klima (bei 1500 Fuß Meereshöhe) außerordentlich günstig ist, und die tropische Hitze des eingeschlossenen Thalkessels im Verein mit großer Regenmenge, welche sich an den benachbarten Bergen niederschlägt, au sdem Peradenia-Garten ein natürliches Riesentreibhaus ersten Ranges macht, so läßt isch begreifen, daß hier die Tropenflora ihre wunderbare Schöpfungskraft im allerhöchsten Maße entfaltet.

Schon die erste Wanderung durch den Garten an der Hand des kenntnißreichen Directors überzeugte mit davon, daß das in der That der Fall sei; und obschon ich soviel von allen besonderen Reizen der üppigsten tropischen Vegetation gelesen und gehört, so lange ihren Anblick ersehnt und herbeigewünscht hatte, so übertraf doch jetzt der unmittelbare Genuß der fabelhaften Wirklichkeit in der That meine höchsten Erwartungen - und zwar, nachdem ich bereits in Bombay und in Colombo, sowie in der Umgebung dieser beiden Städte, die wichtigsten Formen der Tropenflora hatte kennen lernen! In der vier Tagen, welche ich jetzt in Peradenia verleben durfte, gewann ich für meine Anschauungen vom Leben und Wesen der Pflanzenwelt mehr, als durch das eifrigste botanische Studium zu Hause in ebensovielen Monaten. Ja, als ich zwei Monate später den Garten von Peradenia zum zweiten (und leider letzten!) Male betrat, und als ich noch drei glückliche Tage in diesem Paradiese verweilen durfte, da empfand ich beim endlichen Scheiden zuletzt noch dasselbe hohe Entzücken, wie damals beim ersten Anblick desselben - nur mit ungleich tieferem Verständniß und gereifter Erkenntniß. Ich kann daher meinem lieben Freund Dr. Trimen für seine gütige Gastfreundschaft und seine reiche Belehrung nicht dankbar genug sein; die sieben Tage in seinem reizenden Bungalow waren für mich sieben wahre Schöpfungstage!

Zur Zeit war in Peradenia auch noch ein anderer englischer Botaniker anwesend, Dr. Marshall Ward, der größtentheils in Deutschland seine Studien vollendet hatte, mit seinem officiellen Titel: „Royal Cryptogamist". Die englische Reigerung hatte ihn vor zwei Jahren hierher geschickt, um die „Coffee-Leaf-Disease" zu studiren, die furchtbare Pilzkrankheit der Blätter des Kaffeebaumes, welche seit einer Reihe von Jahren mit zunehmender Heftigkeit in den Kaffeepflanzungen wüthet, einen großen Theil dieser kostbaren Culturpflanze der Insel zerstörte und ungeheure Summen von Nationalvermögen vernichtete. Dr. Ward hatte eine Reihe vortrefflicher Beobachtungen und Experimental- Untersuchungen über dieselbe angestellt und die Naturgeschichte des mikroskopischen restähnlichen Pilzes (Hemileja vastatrix) vollständig bearbeitet; es war ihm aber leider nicht gelungen, irgend ein radicales Heilmittel dagegen zu finden. Zum Dank für seine mühseligen Arbeitene wurde er daher in der Presse - insbesondere von vielen Kaffeepflanzern - scharf angegriffen! Als ob es den Hunderten von Naturforschern, welche in Europa bei derartigen Pilzepidemien mit den genauesten Untersuchungen beschäftigt sind, jedesmal gelungen wäre, auch gleich nach der genauen Erkenntniß der Krankheit ein Heilmittel für dieselbe zu finden! Bekanntlich ist das nur höchst selten der Fall. Ueberhaupt ist unter den vielen Vorstellungen, welchen man in unsern „gebildeten Kreisen" alltäglich begegnet, sicherlich eine der thörichsten die, daß es „gegen jede Krankheit auch ein Mittel geben müsse"! Der erfahrenen Arzt und Naturforscher, der die thatsächlichen Verhältnisse kennt, weiß, daß das nur sehr selten vorkommt und wundert sich im Gegentheil eher darüber, daß überhaupt radicale Mittel gegen einzelne Krankheiten existieren (wie z. B. Chinin gegen Fieber).

Es würde natürlich viel zu weit führen und den geneigten Leser nur ermüden, wenn ich hier den vergeblichen Versuch wagen wollte, ihm ohne Beihilfe von Abbildungen eine ungefähre Vorstellung von dem botanischen Paradiese in Peradenia zu geben; selbst die zahlreichen Aquarell-Skizzen und Zeichnungen, die ich dort entworfen, würden dafür keine genügende Aushilfe liefern. Ich muß mich daher hier auf einige allgemeine Bemerkungen und Hervorhebung von einigen der wichtigsten Hauptformen beschränken. Weit entfernt davon, gleich den meisten unserer botanischen Gärten die Pflanzen in steifen Beeten, gleich Soldaten in Reihe und Glied, dem Besucher vorzuführen, ist die ganze Anlage des Gartens (der einen Flächenraum von mehr als 150 Acres umfaßt) vielmehr parkartig und ebenso auf ästhetische und physiognomische Wirkung, wie auf wissenschaftliche und systematische Belehrung berechnet. Die Hauptgruppen der Bäume, sowie der zusammengehörigen Pflanzenfamilien sind sehr anmutig auf schönen Rasenflächen vertheilt und gute Fahrwege führen von einer zur andern. In einem mehr versteckten Theile des Parks finden sich die weniger anziehenden Zuchtbeete und Pflanzschulen für die nützlichen Gewächse. Fast alle die zahlreichen Nutzpflanzen der Tropenzone (beider Hemisphären) sind hier vertreten und von vielen werden Samen, Früchte und Ableger an die Pflanzer und Gärtner der Insel vertheilt. Der Garten hat dadurch seit vielen Jahren auch eine sehr bedeutende praktische Wirksamkeit entfaltet, und sowohl als Versuchsstation wie als Acclimatisations-Garten sehr großen Nutzen gestiftet.

Die überaus günstigen klimatischen und topographischen Verhältnisse, unter denen der Garten gedeiht, würden ihn aber auch ganz vorzüglich zu einer weiteren, rein wissenschaftlichen Verwerthung eignen, zu einer  b o t a n i s c h  en  S t a t i o n. In ähnlicher Weise, wie unsere jungen Zoologen gegenwärtig in den neuerdings eingerichteten  z o o l o g i s c& nbsp;h e n   S t a t i o n e n   an der Meeresküste (in Neapel, Roscoff, Brighton, Triest etc.) unschätzbare Hilfsquellen für ihre tiefere wissenschaftliche Ausbildung und Thätigkeit finden, würde auch ein junger Botaniker in der „botanischen Station" zu Peradenia in einem Jahre mehr lernen und arbeiten können, als dahein unter viel ungünstigeren Verhältnissen in zehn Jahren! Bis jetzt ist gerade in der Tropen-Zone, der reichsten von allen, für solche Unterrichts- und Arbeits-Anstalten noch gar nichts gethan. Wenn die englische Regierung in Peradenia eine botanische Station und in Galla (z. B. in dem reizenden, vorzüglich geeigneten Bungalow von Capitän Bayley) eine zoologische Station errichten und unterhalten wollte, so würde sie damit, wie mit der Challenger-Expedition und mit ähnlichen großen wissenschaftlichen Unternehmungen, der Naturwissenschaft einen wichtigen Dienst leisten; sie würde damit auf´s Neue die Continental-Staaten von Europa beschämen, die ihr Geld hauptsächlich für Hinterlader und Kanonen verwenden!

Soll ich nun unter den vielen Wunderdingen von Peradenia wenigstens einige der wichtigsten kurz hervorheben, so muß ich wohl mit dem berühmten  R i e s e n -  B a m b u s  beginnen, dem allgemeinen Erstaunen der Besucher. Wandern wir vom Eingang des Gartens links nach dem Flusse hin und weiter an dessen reizendem Ufer entlang, so erblicken wir schon von fern ungeheure grüne Büsche von mehr als 100 Fuß Höhe und eben so viel Breite, welche ihr gewaltiges Haupt, - gleich dem wallenden Federbusche eines Giganten - hoch über den Fluß und über den benachbarten Weg hinüber neigen, Schatten und Kühlung über Beide verbreitend. Nähern wir uns, so sehen wir, daß jeder dieser Büsche aus zahlreichen (oft 60-80) cylindrischen schlanken Stämmen von 1-2 Fuß Dicke besteht. Unten dicht neben einander gedrängt und aus gemeiensamer Wurzel als Ausläufer eines kriechenden Stammes entsprossen, strahlen sie oben büschelartig auseinander und tragen auf zarten, nickenden Seitenzweigen eine dichte Fülle der zierlichsten Laubblätter. Und diese Reisenbäume sind nichts Andres als  G r ä s e r ! Gleich allen Grashalmen ist der mächtige hohe Rohrstamm in Knoten gegliedert; aber die Blattscheide, die bei unseren zarten Gräsern ein dünnes kleines Schüppchen am Grunde des Blattes darstellt, ist hier beim Riesenbambus eine feste holzartige vertiefte Platte, die ohne weitere Zubereitung als fester Panzer die ganze Brust eines starken Mannes decken kann. In einem einzelnen Stengelgliede kann ein dreijähriges Kind sich verstecken! Bekanntlich gehört der Bambus zu den nützlichsten Pflanzen der Tropen- Zone und über die Anwendung, welche alle einzelnen Theile dieser Baumgräser bei den Eingeborenen finden, ließe sich eben so wie über diejenige der Palmen in der That ein ganzes Buch schreiben.

Nächst den Bumbusen - oder auch  v o r  diesen! - sind es natürlich die  P a l m e n , die unser Interesse vor Allem fesseln. Außer den einheimischen Arten der Insel - die alle in Pracht-Exemplaren vertreten sind - finden wir da eine Menge von anderen Palmen-Species, welche theils dem Festlande von Indien, theils den Sunda-Inseln und Australien, theils Afrika oder dem tropischen Amerika angehören; so z. B. die Livistonia von China mit ihrer riesigen Krone von Fächerblättern, die berühmte Laodicea von den Seschellen mit ihrem colossalen Blattfächern, die Elaeis oder Oel-Palme von Guinea mit außerordentlich langen Fiederblättern, die berühmte Mauritia von Brasilien, die stolze Oreodoxa oder Königspalme von der Havanna etc. Von der letzteren hatte ich 1866 auf Teneriffa ein prachtvolles Riesenexemplar bewundert und gezeichnet, und war daher nicht wenig überrascht, hier in eine ganz stattliche Allee derselben einzutreten. Nicht minder interessant waren herrliche Gruppen von stacheligen Kletterpalmen oder Rotangs (Calamus) mit zierlich geschwungenen Fiederblättern; ihr dünner, aber sehr fester und elastischer, fingerdicker Stamm klettert hoch in die Gipfel der höchsten Bäume hinauf und kann 300-500 Fuß Länge erreichen; sie gehören zu den längsten aller Pflanzen!

Aber der Mensch soll bekanntlich „nicht ungestraft unter Palmen wandeln!" Während ich entzückt im hohen Grase am Flußufer unter der Riesenkrone einer Oelpalme umherwandelte und die Verschlingungen einer rankenden Kletterpalme aufmerksam verfolgte, fühlte ich plötzlich einige Stiche an den Beinen; beim Entblößen entdeckte ich ein paar kleine Blutegel, die sich an denselben festgebissen hatten, und zugleich über ein halbes Dutzend flinker Genossen, die mit erstaunlicher Schnelligkeit gleich Spannerraupen an den Stiefeln umporkrochen. Ich hatte hier zum ersten Male die persönliche Bekanntschaft des berüchtigten Land-Blutegels von Ceylon gemacht, jener schrecklichen Landplage der schönen Insel, die unter den zahlreichen Plagen derselben eine der größten bildet und von der ich später noch so viel zu leiden sollte. Diese Blutegel-Art (Hirudo ceylanica) gehört zu den kleinsten ihres Geschlechts, aber zugleich zu den unangenehmsten. Mit Ausnahme der Seeküste und des höheren Gebirgslandes sind sie überall auf der Insel in Busch und Wald milliardenweise verbreitet und in manchen Wäldern (besonders an Flußufern, und im feuchten Djungle der Hügellandschaft und der niederen Berge) kann man keinen Schritt thun, ohne von ihnen angefallen zu werden. Sie kriechen nicht allein auf dem Boden allenthalben beutegierig umher, sondern auch auf Gesträuch und Bäumen; von da lassen sie sich häufig auf Kopf und Nacken des Wanderers herabfallen, während sie gewöhnlich allerdings an den Beinen heraufklettern; sie können sogar im Sprunge ihre Beute erreichen! Vollgesogen erreichen sie die Größe eines kleinen medicinischen Blutegels; in nüchternem Zustande hingegen sind sie fadendünn, kaum 1/2 Zoll lang, und bohren sich mit großer Geschwindigkeit durch die Maschen der Strümpfe hindurch. Oft fühlt man den Biß sofort, oft aber auch nicht; einmal in einer Abendgesellschaft bemerkte ich ihre Anwesenheit erst an den rothen Blutstreifen, die an den weißen Beinkleidern herunterliefen. Um sich der Blutegel zu entledigen, genügt ein Tropfen Citronensaft, weshalb man auf den Spaziergängen im Unterlande stets eine kleine Citrone in die Tasche steckt. Statt dessen wandte ich eben so oft einen Tropfen Carbolsäure oder Spiritus an, welchen ich zum Sammeln kleiner Thiere stets bei mir führte. Die Folgen des Bisses sind sehr verschieden. Personen mit sehr empfindlicher Haut (- zu welchen ich leider auch gehöre! -) haben noch mehrere Tage nach dem Bisse an heftigem Jucken der Wunde zu leiden, und nicht selten folgt eine mehr oder weniger unangenehme Entzündung der betreffenden Hautstelle. Da nun gerade an solchen entzündeten und erhitzten Stellen nachfolgende Blutegel gern wieder von Neuem anbeißen, verschlimmert sich die beständig gereizte Wunde oft so, daß sie gefährlich werden kann. Als die Engländer 1815 Kandy eroberten, mußten sie sich vorher wochenlang durch das dichte Djungle des vorliegenden feuchten Hügellandes hindurcharbeiten und verloren dabei eine große Anzahl Soldaten durch die unaufhörlichen Angriffe zahlloser Blutegel. In Gegenden, wo sie besonders häufig sind, tragen die Europäer zum Schutze besondere „Leachgaiters", Strümpfe oder Gamaschen von Gummi oder von sehr dichtem Zeug, die unten über den Schuhen und oben über den Knien festgebunden werden. Ich schützte mich im Djungle dadurch, daß ich vor dem Ausgehen um meine hohen Jagdstiefel oben einen Ring von Carbolsäure strich, den die Blutegel niemals überschritten. In einigen Theilen der Insel machen sie aber durch ihre Masse - ebenso wie in anderen Theilen die Zecken oder Holzböcke (Ixodes) - den längeren Aufenthalt fast unmöglich.

Andere kleine Plagegeister im Garten von Peradenia (wie an allen wasserreichen Orten der Insel!) sind die Scharen der Moskitos und Stechfliegen; Moskito-Netze über den Betten sind daher allgemein gebräuchlich. Viel gefährlicher aber als diese lästigen Insecten sind die giftigen Skorpione und Tausendfüßler, von denen ich hier Pracht-Exemplare sammelte; erstere einen halben, letztere einen ganzen Fuß lang!

Zu den schönsten Theilen von Peradenia gehört der  F a r n -  G a r t e n. Unter dem dichten Schatten hoher Baumkronen und am kühlen Ufer eines rieselndes Baches findet sich da eine Gesellschaft von kleinen und großen, zarten und mächtigen, krautartigen und baumartigen Farnen versammelt, wie man sie nicht zierlicher und anmuthiger denken kann. Der ganze Reiz der Gestaltung, welcher die zierlichen gefiederten Wedel unserer heimischen Farnkräuter auszeichnet, findet sich ier in einer unendlichen Mannichfaltigkeit verschiedener Arten variirt vor, von den einfachsten bis zu den höchst zusammengesetzten; und während einige niedliche Zwerg-Farnkräuter fast mit einem zierlichen kleinen Moose zu verwechseln sind, erreichen die riesigen Baumfarne, deren schlanke schwarze Stämme eine schöne Fiederkrone am Gipfel tragen, den stolzen Wuchs der Palme. Gleich den Farnen sind auch die Farnpalmen oder Cacadeae, und nicht minder die zierlichen  S e l a g i n e l& nbsp;l e n  und Lycopodien, in Peradenia durch eine reiche Auswahl der interessantesten Arten vertreten, von sehr zarten moosähnlichen Formen an bis zu robusten strauchartigen Riesen- Arten, die fast an die ausgestorbenen Baum-Lycopodien der Steinkohlen-Periode erinnern. Ueberhaupt riefen mir viele Pflanzen- Gruppen in diesem Garten die fossile Flora der Vorwelt in´s Gedächtniß, wie sie der geniale Unger in seinen Bildern aus der Urwelt so trefflich dargestellt hat. Der Botaniker kann hier fast alle charakteristischen Familien der Tropen-Flora in ihren wichtigsten Repräsentanten lebend beobachten.

Soll ich schließlich noch zwei Erscheinungen hervorheben, die mir ganz besonders imponirten, so sind es erstens die Lianen und zweitens die Benyanen. Obgleich Kletter- und Schlingpflanzen auf der Insel überall in größter Fülle und Mannigfaltigkeit zu finden sind, so enthält doch der Peradenia-Garten einzelne Pracht- Exemplare, wie sie sonst wohl selten vorkommen; so z. B. ganz colossale Stämme von Vitis, Cissus, Purtada, Bignonia, Ficus etc. Ebenso gehören einige  B e n y a n e n  (Ficus indica) mit ungeheuren Luftwurzeln und einige verwandte Arten der Feigenbäume (Ficus galaxifera etc.) zu den gewaltigsten und schönsten Baumgestalten, die in Ceylon sah. Einer der ältesten Benyanenbäume, dessen mächtige Krone auf zahlreichen Pfeiler-Stämmen ruhte, bot einen ganz merkwürdigen Anblick; er war seines grünen Blattschmucks großentheils beraubt und seine kahlen Aeste schienen mit großen braunen Früchten behängt zu sein. Wie erstaunte ich aber, als ich mich näherte und als einzelne dieser Früchte sich ablösten und flatternd davonflogen! Es waren riesige  F l e d e r f ü&n bsp;c h s e  (Pteropus), aus jener merkwürdigen Gruppe der früchtefressenden Fledermäuse, die auf die Tropenzone der alten Welt (Asien und Afrika) beschränkt sind. Einige wohlgezielte Schüsse brachten ein halbes Dutzend derselben herab, worauf der ganze Schwarm (einige hundert Stück) sich auflöste und unter lautem Kreischen davon flog. Diejenigen herabgefallenen Thiere, welche nicht tödtlich getroffen waren, wehrten sich auf das Heftigste mit ihrem scharfen Gebiß und den spitzen Krallen, und es kostete einige Mühe, ehe ich sie mit Hilfe meines Jagdmessers vollständig bewältigt hatte. Der Körper dieser „fliegenden Hunde" oder „fliegenden Füchse" hat in Bezug auf Gestalt, Größe und Farbe viel Aehnlichkeit mit einem Fuchse, namentlich auch der Kopf. Aber die Gliedmaßen sind, wie bei allen Fledermäusen, durch eine große Flughaut verbunden, mittelst deren sie sehr geschickt und schnell umher fliegen. Der Fug ist sehr verschieden von demjenigen unserer Fledermäuse und gleicht vielmehr dem der Krähen. Die Flederfüchse nähren sich von Früchten und werden dadurch sehr schädlich; mit besonderer Vorliebe trinken sie den süßen Palmwein, und in den Gefäßen, welche die Singhalesen zum Sammeln desselben oben in den Palm-Kronen aufhängen, finden sie Morgens beim Einsammeln nicht selten betrunkene Flederfüchse. Diese Neigung erklärt sich wohl hinlänglich aus der nahen Blutsverwandtschaft, welche der phylogenetische Stammbaum der Säugethiere zwischen ihnen und den Affen, - also auch dem Menschen - nachweist.

In dem fuchsrothen Pelze der Flederfüchse fand ich große parasitische Insecten (Nycteribia) von seltsam spinnenähnlicher Form aus der Gruppe der Pupipara oder „Puppengebärer". Das sind (gleich den Flöhen) Dipteren oder Fliegen, welche in Folge ihrer parasitischen Lebensweise sich das Fliegen abgewöhnt und durch Nichtgebrauch ihre Flügel eingebüßt haben. Ihre Larven (oder Maden) entwickeln sich innerhalb des mütterlichen Körpers so weit, daß sie gleich nach der Geburt sich verpuppen und bald nachher ausschlüpfen. Die großen Nycteribien der Flederhunde liefen sehr behende auf dem Körper ihrer Wirthe umher, und auch auf meine Hand herüber, als ich sie zu fangen versuchte; sie verkrochen sich dann rasch in den Kleidern oder hakten sich mit ihren großen Krallen fest an der Haut an.

Aber auch noch eine interessante zoologische Bekanntschaft gefährlicherer Art sollte ich an demselben Tage machen. Als am Nachmittage ein heftiger Regen losbrach und ich eben beschäftigt war, einen riesigen schwarzen Tausendfuß in die Spiritus- Büchse zu stecken, kroch eine große  B r i l l e n s c& nbsp;h l a n g e , die gefürchtete „Cobra di capella" (Naja tripudians) durch die offene Gartenthür in mein Schlafzimmer. Ich hatte sie nicht bemerkt, obgleich sie kaum einen Fuß von mir entfernt war, und wurde erst aufmerksan, als mein Diener mit dem lauten Geschrei „Cobra, Cobra!" hereinstürzte. Mit seiner Hilfe wurde ich der stattlichen Giftschlange (von mehr als einem Meter Länge) bald Herr; und sie wanderte in dieselbe Spiritus-Büchse, in der vorher eines der merkwürdigen schlangenähnlichen Amphibien, die  B l i n d w ü h& nbsp;l e  (Caecilia) Platz genommen hatte.

VII. Kandy.

Unter den wenigen Städten, welche Ceylon besitzt, genießt das kleine Kandy, obwohl es kaum als „Stadt" bezeichnet werden kann, eines besonderen Rufes; theils als die gegenwärtige „Hautpstadt" der gebirgigen Central-Provinz, theils als die frühere Residenz der eingeborenen Kandy-Könige, theils aber - und ganz besonders - weil ein alter Tempel in Kandy den sogenannten „heiligen Zahn" des Buddha enthält, eine der berühmtesten Reliquien dieser Religion. Abgesehen hiervon, hatte ich in dem trefflichen Hauptwerke über Ceylon von Emerson Tennent eine überschwengliche Beschreibung von der unvergleichlich schönen Lage und Umgebung von Kandy gelesen; und auch die späteren Reisenden, welche in ihren Beschreibungen meistens Tennent copiren, wiederholen dieses enthusiastische Lob. Ich war daher nicht wenig auf Kandy gespannt, als ich am sonnigen Morgen des 6. December von dem drei englische Meilen entfernten Peradenia aus dasselbe zum ersten Male besuchte.

Nun habe ich aber schon oft auf meinen vielen Reisen die Erfahrung gemacht, daß weltberühmte Punkte, die seit langer Zeit „Mode" sind, und deren Lob ein Reisender dem andern nachzusingen sich verpflichtet fühlt, in der That kaum des Besuchs werth sind; während dicht daneben oft reizend schöne aber ungekannte Stellen sich finden, an denen Jeder - schon weil sie nicht im „Reisehandbuch" stehen! - ahnungslose vorübergeht. So ging es mir dann auch hier in Ceylon mit dem hochberühmten Kandy, und ich will nur gleich gestehen, daß mir der Besuch desselben von Anfang bis Ende eine große Enttäuschung brachte! Die „stolze Königsstadt" Kandy könnte eigentlich besser als ein „bescheidenes Dorf" bezeichnet werden, dessen wenige Straßen mehr singhalesische Erdhütten als europäische Bungalow´s enthalten; beide sind nicht einmal auf eine „weiße Stadt" (Fort) und eine „schwarze Stadt" (Pettah) vertheilt, wie es in Colombo, Galla, Matura und den anderen Städten der Insel der Fall ist. Zwei lange parallele Hauptstraßen sind gleich den wenigen Nebenstraßen, mit denen sie sich unter rechtem Winkel kreuzen, schnurgrade; der „reizende See" aber, der vor der Stadt liegt und als ihre besondere Zierde gepriesen wird, ist ein kleiner künstlich zugeschnittener Teich, von rechteckiger Form; seine geradlinigen Ufer sind mit steifen, ebenfalls ganz geraden Baum-Alleen bepflanzt. Wenn man daher über den kleinen Thalkessel, welcher Stadt und See umschließt, sich erhebt und auf einem der vielen künstlichen Promenaden-Wege einen der umgebenden Hügel besteigt, so ist der Anblick des ganzen steif und künstlich, aber nichts weniger als malerisch. Ganz besonders wird die Scenerie außerdem durch ein neuerbautes großes Gefängnis mit hohen, nackten Umfassungsmauern verunstaltet, viel zu groß und massig für die verhältnismäßig kleine Umgebung. Auch die grünen, theils cultivirten, theils bewaldeten Hügel, welche den Thalkessel rings einschließen, und über welche sich auf einigen Seiten höhere Berge erheben, bieten weder in Beziehung auf schöne Form, nohc auf malerische Gruppirung einen besonderen Reiz. So kam es denn, daß mein Skizzenbuch, welches ich mit den hoffnungsvollsten Absichten nach Kandy mitgenommen hatte, hier ganz leer blieb, und daß ich auch beim besten Willen hier nicht einen einzigen Punkt finden konnte, welcher eines Aquarells würdig gewesen wäre.

Das Hübscheste, was Kandy nach meinem Geschmacke aufzuweisen hat, ist der reizende Garten, welcher den modernen Palast des Gouverneurs umgibt. Er ist am Abhange eines Hügels geschmackvoll angelegt und enthält neben vielen prächtigen Bäumen eine Anzahl schöner Zierpflanzen, steht aber natürlich hinter dem Reichthum des benachbarten Peradenia weit zurück. Den Palast selbst, in welchem ich später, einer freundlichen Einladung des Gouverneurs folgend, einen sehr angenehmen Abend zubrachte, enthält nur wenige, aber sehr weite und luftige, elegant ausgestattete Säle, umgeben von anmuthigen Säulenhallen und Veranden. Zahlreiche Schlangen, Scorpione und anderes derartiges Tropen-Gesindel, besonders aber zahlreiche Blutegel sollen den Aufenthalt darin jedoch etwas ungemüthlich machen.

Der sogenannte „P a l a s t der alten Kandy-Könige", welcher in einiger Entfernung vor der Stadt nahe dem See-Ufer steht, ist ein ebenerdiges düsteres Gebäude, dessen dunkle modrige Räume weder innerlich noch äußerlich irgend etwas Bemerkenswerthes darbieten, mit Ausnahme der dichten Massen von Pilzen und anderen Kryptogamen, welche die dicken feuchten Steinmauern innen und außen überziehen. Eine in der Nähe befindliche offene, von Säulen getragene „Königliche Audienz-Halle" wird gegenwärtig für die öffentlichen Verhandlungen des District-Gerichtshofes benutzt. Auch der berühmte  B u d d h a -  T e m p e l  von Kandy, der mit dem benachbarten Königs-Palaste durch eine Mauer in Verbindung steht und von einem Wassergraben umgeben ist, erfüllt nicht die an seinen großen ruf geknüpften Erwartungen. Er ist von geringem Umfang, schlecht erhalten, ohne jeden besonderen Kunstwerth. Die primitiven Wandmalereien desselben und die geschnitzten Verzierungen aus Holz und Elfenbein sind dieselben, welche auch in anderen Buddha-Tempeln wiederkehren. Da Kandy erst zu Ende des 16. Jahrhunderts zur Residenz der eingeborenen Könige von Ceylon erhoben und der Palast derselben sowohl als der zugehörige Tempel erst um das Jahr 1600 erbaut wurden, so knüpft sich daran nicht einmal das Interesse des hohen Alters. Ebensowenig reales Interesse besitzt der weltberühmte „ B u d d h a -  Z a h n ", welcher unter einer silbernen Glocke in einem achteckigen, mit spitem Dache gedeckten Thurme des Tempels verborgen gehalten wird. Obgleich dieser Zahn seit mehr als zwei Jahrtausenden für viele Millionen von abergläubischen Menschen Gegenstand andächtigster Verehrung und Anbetung bis auf den heutigen Tag geblieben ist, und obgleich derselbe sogar in der Geschichte von Ceylon (von Emerson Tennent ausführlich beschrieben) eine große Rolle spielt, so ist er doch in Wirklichkeit nichts Anderes, als ein einfaches, roh geschnitztes, fingerförmiges Stück Elfenbein von zwei Zoll Länge und ein Zoll Dicke. Der „echte Buddha-Zahn" existirt sogar in mehreren Exemplaren; doch thut dies seiner Heiligkeit natürlich keinen Abbruch. Von Kandy aus unternahm ich in Gesellschaft meiner beiden botanischen Freunde Trimen und Ward einen Ausflug nach dem einige Meilen entfernten  F a i r y l a n d  , um dort den Vorgänger von Trimen, Dr. Twaites, zu besuchen. Derselbe führte die Direction des botanischen Gartens von Peradenia 30 Jahre hindurch und zog sich dann vor einigen Jahren, als er in den wohlverdienten Ruhestand trat, in die stille Einsamkeit des Hochlandes zurück. Sein kleines Bungalow liegt ganz versteckt in einer hohen Gebirgsschlucht, etwa acht englische Meilen südlich von Kandy entfernt, rings umgeben von Kaffee-Pflanzungen. Es waren die ersten, welche ich betrat; da ich jedoch später im Hochlande tagelang durch Kaffee-Pflanzungen wanderte, will ich hier nicht bei ihrer Schilderung verweilen. Dr.  T h w a i t e s  ist der verdienstvolle Verfasser einer ersten  F l o r a   v o n   C e y l o n , welche unter dem Titel: „E n u m e r a t i&n bsp;o   P l a n t a r u m    Z e y l a n i a e" 1864 in London erschien. Er hat darin gegen 3000 verschiedene Gefäß-Pflanzen beschrieben, also etwa den dreißigsten Theil aller Pflanzen-Arten, die damals von der ganzen Erde bekannt waren. Allein seitdem sind noch viele neue Arten auf der Insel entdeckt worden, und nach Schätzung von Dr.  G a r d n e r  dürfte dieselbe gegen 5000 Species besitzen; jedenfalls bedeutend mehr, als ganz Deutschland aufzuweisen hat. Das Exemplar der Flora von Ceylon, welches ich selbst bei mir führte, gehörte einem deutschen Botaniker aus Potsdam, Rietner. Derselbe war als junger Gärtner auf die Insel gekommen, hatte sich durch fleißige und umsichtige Thätigkeit später eine bedeutende Kaffee-Plantage erworben und war während eines Viertel-Jahrhunderts auch für die Naturgeschichte von Ceylon (insbesondere durch die Entdeckung neuer Insecten) vielfach thätig; leider starb er kurz vor der Rückkehr in die deutsche Heimath. Seine Wittwe, die gegenwärtig wieder in Potsdam lebt, und von der ich vor Antritt meiner Reise viele werthvolle Mittheilungen und Instructionen erhielt, hatte in freundlichster Weise mir neben anderen Büchern ihres verstorbenen Gatten auch die Flora von Thwaites zum Geschenk gemacht, welche der Verfasser selbst Letzterem dedicirt hatte. Es war nun keine geringe Freude für den trefflichen alten Herrn, als ich ihm dieses Exemplar der Flora mit seiner eigenhändigen Dedication zeigte; jedenfalls war es das erste Exemplar seines Werkes, welches ein Botaniker von Ceylon nach Deutschland gebracht hatte, und welches nun in der Hand eines Zoologen nach der Insel zurückkehrte!

VIII. - IX. Die Galla-Colombo-Straße und Punto-Galla.

VIII. Die Galla-Colombo-Straße.

Die ersten beiden Wochen in Ceylon waren mir in beständigem Schauen und Staunen wie ein Traum verflossen. Ich hatte in Colombo die wichtigsten Eigenthümlichkeiten der singhalesischen Natur und Menschenwelt kennen gelernt und in Peradenia die erstaunliche Gestaltungskraft der tropischen Flora bewundert. Nun mußte ich daran denken, den wissenschaftlichen Hauptzweck meiner Reise, die Untersuchung der vielgestaltigen und zum großen Theil noch so wenig bekannten indischen Seethiere, zur Ausführung zu bringen. Insbesondere war ich höchst gespannt, die jenigen Thierclassen, mit deren Studien ich mich seit mehreren Decennien besonders eingehend befaßt hatte: Moneren und Radiolarien, Spongien und Korallen, Medusen und Siphonophoren, an den Gestaden von Ceylon weiter zu erforschen; ich durfte hoffen, hier ganz neue Gestaltungsverhältnisse zu finden, welche dieselben unter dem Einflusse der Tropensonne und der indischen Lebensbedingungen entwickeln.

Die Bedingungen, unter denen die genannten Seethierclassen zu ihrer vollen Entwickelung gelangen, sind vielfach eigenthümlich und es ist keineswegs gleichgültig, welchen Küstenort wir zu ihrer Erforschung aufsuchen. Nicht allein die verschiedene Beschaffenheit des Meerwassers - Salzgehalt, Reinheit, Temperatur, Strömung, Tiefe des Meeres -, sondern gleicherweise (und oft in höherem Maße) die Beschaffenheit der benachbarten Küste (ob felsig oder sandig, aus Kalk oder Schiefer gebildet, ob reich oder arm an Vegetation) wirkt vielfach und bedeutend auf die Entwickelung der marinen Fauna. Insbesondere kann der geringere oder größere Zufluß von Süßwasser, sowie die schwächere oder stärkere Brandung der Wellen, die Existenz gewisser Seethiergruppen ebenso begünstigen, wie sie diejenige von anderen Gruppen verhindert. Für die massenhafte Entwickelung derjenigen Abtheilungen von schwimmenden Seethieren, deren Untersuchung mir besonders unteressant war: Radiolarien, Medusen, Siphonophoren, sind vorzüglich günstig Meeresbuchten mit tiefem, klarem und stillem Wasser, geschützt durch vorspringende felsige Landzungen, frei von größeren Süßwasser-Zuflüssen, und ausgestattet mit Strömungen, welche schwimmende Seethierscharen hineinführen. Solchen günstigen Verhältnissen verdanken wir z. B. im Mittelmeer das Hafenbecken von Messina, der Golf von Neapel, die Bucht von Villafranca den großen Ruf, in dem sie seit Jahrzehnten bei uns Zoologen stehen. Ein Blick auf die Karte von Indien belehrt uns nun, daß dergleichen geschützte Buchten hier äußerst wenig entwickelt sind, viel seltener und unbedeutender, als an den reich gegliederten und vielfach ausgeschnittenen Küsten unseres unvergleichlichen Mittelmeeres. An dem Gestade von Ceylon sind überhaupt nur drei solche Buchten vorhanden: an der südwestlichen Küste die beiden schönen Hafenbecken von  G a l l a  und  B e l l i g e m m  a , an der nordöstlichen Küste der ausgezeichnete große und inselreiche Golf von  T r i n k o m a l  i e . Dieser letztere wurde schon von Nelson für einen der besten Häfen der Welt erklärt. Die englische Regierung, die in allen Erdtheilen die wichtigsten, für ihre Weltherrschaft günstigsten Stützpunkte ebenso scharfblickend erkennt als zweckentsprechend und ausgiebigst benützt, säumte nach der Besitzergreifung von Ceylon nicht, Trinkomalie zu dessen Kriegshafen zu erheben und mit allen dazu gehörigten Vertheidigungsmitteln reichlichst auszustatten. Schon die Holländer hatten auf zwei vorspringenden Landzungen zum Schutze des Hafens zwei kleine Festungen erbaut: Fort Frederik im Nordosten, Fort Ostenburg im Süden. von den Engländern wurden diese Fortificationen verstärkt und weiter ausgebaut, sowie auch für die Hebung der kleinen Stadt Vieles gethan. Trotzdem bleibt Vieles zu thun noch übrig, besonders wenn man bedenkt, daß Trinkomalie der mächtigste und wichtigste Schutzhafen für das ganze englische Indien ist. In dem Kampfe, welchen das britische Weltreich früher oder später um den Besitz Indiens zu führen haben wird, dürfte dieser Platz voraussichtlich die größte Rolle spielen.

Der Hafen von Trinkomalie, ausgezeichnet nicht allein durch seine Größe und Tiefe, sondern auch durch seine reiche Küstengliederung und durch eine Anzahl bewaldeter Inseln, die seinen Eingang bewachen, läßt schon von vornherein eine besonders reiche Entfaltung des Seethierlebens erwarten. Und in der That scheinen viele Gruppen von Seethieren, vorzüglich die auf felsigem Boden kriechenden Weichthiere und Sternthiere (Mollusken und Echinodermen) hier eine größere Fülle verschiedener Arten zu bilden, als an den meisten übrigen Küstenpunkten der Insel. Insbesondere ist sein Reichthum an schönen Conchylien, prächtig gefärbten Schnecken und zierlich geformten Muscheln, seit langer Zeit berühmt. Auch haben einzelne Zoologen, welche Trinkomalie früher besuchten, dort viele neue Thierformen entdeckt. Es war daher natürlich, daß ich auf diesen Punkt vor allen anderen meine Aufmerksamkeit richtete und wenigstens einen Monat dort zu fischen beschloß. Allein als es an die Ausführung dieses Planes ging, stellten sich leider unübersteigliche Hindernisse derselben entgegen.

Die Verbindung von Trinkomalie mit den Hauptstädten der Insel ist noch heutzutage sehr unvollkommen und läßt viel zu wünschen übrig; ebensowohl zu Wasser als zu Lande. Für die projectirte Eisenbahn von Kandy nach Trinkomalie ist noch Nichts geschehen. Da Kandy fast in der Mitte zwischen der westlichen und östlichen Küste liegt, und mit der ersteren durch die Colombo-Eisenbahn schon seit Jahren verbunden ist, so erscheint die Fortsetzung der letzteren nach der Ostküste als eine Nothwendigkeit, besonders Angesichts der höhen strategischen Bedeutung von Trinkomalie und der Vorzüglichkeit seines Hafens, der in mercantilischer Beziehung noch sehr wenig benutzt ist. Trotzdem kann man auch gegenwärtig von Kandy nach Trinkomalie nur auf beschwerlichen Wegen gelangen, welche tagelang durch dichte unbewohnte Wälder führen. Die heftigen Regengüsse des Südwest-Monsuns hatten mehrere Brücken weggeschwemmt und ganze Strecken der Straße unfahrbar gemacht. Ich mußte fürchten, daß die Ochsenkarren, die meine 16 Kisten mit Instrumenten etc. dorthin bringen sollten, unterwegs stecken bleiben oder nur unter großen Hindernissen und Beschädigungen Trinkomalie erreichen würden. Nicht besser aber stand es leider mit dem Seewege. Die Regierung schickt allmonatlich einen kleinen Küstendampfer, den „Serendib", zweimal um die Insel herum, einmal mit der nördlichen, das andremal mit der südlichen Hälfte beginnend. Dieser kleine Dampfer vermittelt die einzige regelmäßige und directe Communication zwischen den Hauptpunkten der Küste; um Uebrigen verkehren zwischen denselben nur unsichere und mangelhafte Segelboote. Nun wollte es aber das Mißgeschick, daß gerade zu jener Zeit, als ich auf dem „Serendib" nach Trinkomalie fahren wollte, derselbe im Sturme Havarie erlitten hatte und behufs Reparatur nach Bombay geschleppt worden war. Ich mußte also zunächst auf den Besuch von Trinkomalie verzichten und ihn auf spätere Zeit verschieben. Zu meinem großem Bedauern kam aber auch später in Folge anderer Hindernisse dieser Plan nicht zur Ausführung.

Zunächst blieb mir nichts Anderes übrig, als mich nach der Südwestküste zu wenden, und mein zoologisches Laboratorium entweder in Galla oder in Belligemma aufzuschlagen.  G a l l a  (oder Point de Galle), die bedeutendste Hafenstadt der Insel, die bis vor wenigen Jahren die Hauptstation aller Indienfahrer und der gewöhnlichste Ankunftsplatz der europäischen Reisenden war, bot mir den Vortheil europäischer Civilisation, leichtere Beschaffung der nöthigsten Hilfsmittel und beständigen Verkehr mir gebildeten Engländern. Ich konnte dort sicher darauf rechnen, in dem schönen großen Hafen mit europäischen Booten zu fischen, auf den berühmten Korallenbänken eine Fülle interessanter Seethiere zu finden und diese mit verhältnismäßiger Leichtigkeit und Bequemlichkeit zu untersuchen und zu verpacken. Außerdem hatte ich den Vortheil, daß schon andere Zoologen vor mir dort gearbeitet und die Bekanntschaft mit Oertlichkeit und Thierwelt erleichtert hatten; insbesondere enthält Ransonnet´s schönes Werk viele wichtige Bemerkungen über die dortigen Korallenbänke. Ganz andere Verhältnisse mußte ich in  B e l l i g e m m  a  erwarten. Die schöne und geschützte Bucht dieses Ortes, fünfzehn Meilen südlich von Galla (halbwegs zwischen diesem und Matura, der Südspitze der Insel gelegen) besaß zwar bezüglich der Korallenbänke und der sonstigen topographischen und zoologischen Verhältnisse voraussichtlich viel Aehnlichkeit mit Galla; sie hatte aber, selten besucht und wenig erfoscht, den großen Reiz des Neuen und Unbekannten voraus. Die tropische Vegetation und die ganze Scenerie war nach Allem, was ich darüber gelesen und gehört, noch schöner und reicher als in Galla. Ganz besonders aber reizte mich der Umstand, daß ich hier einmal auf einige Monate dem Zwange und der Unnatur unseres Culturlebens gänzlich entfliehen konnte; ich durfte hoffen, inmitten aller Reize der üppigsten tropischen Natur mich ungestört ihrem Genusse hinzugeben; und mitten unter einfachen Naturmenschen eine Vorstellung von dem geträumten paradiesischen Urzustande unseres Geschlechts zu gewinnen. Denn Belligemma ist nichts weiter als ein großes, rein singhalesisches Dorf, bewohnt von Fischern, Hirten und Bauern; seine 4000 braunen Einwohner, unter denen sich kein einziger Europäer befindet, leben nur zum kleineren Theil im Dorfe selbst, am Strande der malerischen Bucht, zum größeren Theile zerstreut in Hütten, welche sich auf einen großen Flächenraum des herrlichsten Cocoswaldes vertheilen. Ganz allein in dem einsamen und stillen Rasthause von Belligemma durfte ich außerdem hoffen, meine Arbeiten zusammenhängender und ungestörter auszuführen als in dem geselligen Galla unter vielen wohlwollenden Freunden und neugierigen Bekannten. Freilich mußte ich aber auch darauf gefaßt sein, für die Einrichtung meines zoologischen Laboratoriums und die Ausführund meiner Arbeiten hier auf viel größere Schwierigkeiten zu stoßen; möglicherweise konnten unvorhergesehene und unüberwindliche Hindernisse meine Pläne viel eher vereiteln als in Galla.

Nach längerem Schwanken, und nachdem ich alle für und wider sprechenden Gründe reiflich erwogen, entschied ich mich endlich für Belligemma, und ich hatte diese Wahl nicht zu bereuen. Die sechs Wochen, welche ich dort verlebte, überreich an den wunderbarsten Eindrücken, werden mir immer unvergeßlich sein und bilden in dem Kranze meiner indischen Reiseerinnerungen eine der duftigsten und buntesten Blumengruppen. Wenn ich auch für meine speciellen zoologischen Arbeiten Vieles besser und bequemer in Galla gefunden hätte, so gewann ich doch für meine allgemeine Naturanschauung und Menschenkenntniß weit mehr in dem reizenden Belligemma.

Natürlich mußte ich für einen längeren Aufenthalt in diesem einsamen Fischerdorfe zahlreiche Vorkehrungen treffen. Das das einzige Unterkommen in demselben durch das Regierungs-Rasthaus geboten wird und da der Aufenthalt in solchen Rasthäusern nicht über drei Tage dauern darf, so erbat ich zunächst die Erlaubniß, dasselbe für mehrere Monate bewohnen zu dürfen. Der Gouverneur von Ceylon, Sir James Longden, an den ich von englischen Regierung besonders empfohlen war, und dem ich für seine freundliche Aufnahme hier meinen besten Dank abstgatte, ließ mir ein Empfehlungsschreiben an den Präsidenten der Südprovinz ausfertigen, in welchem mir nicht nur jene Erlaubniß gewährt, sondern auch sämmtliche Regierungsbeamten angewiesen wurden, mir in jeder Weise gefällig und dienstbar zu sein. Bei der musterhaften Ordnung und Disciplin des Regierungsmechanismus, die in den englischen Colonien ebenso wie im Mutterlange herrscht, ist eine solche officielle Emphehlung des Gouverneurs ein unschätzbarer und of ein unentbehrlicher Talisman. Ganz besonders gilt das von Ceylon, da diese Insel von der Regierung Indiens unabhängig ist und unmittelbar unter dem Colonialministerium in London steht; der Gouverneur ist ziemlich unumschränkter Alleinherrscher und kehrt sich an die Beschlüsse seines bloß berathenden Parlamentes sehr wenig. Man schiebt dieser absolutistischen Regierungsform, die gar nicht nach dem Geschmacke der constitutionellen Engländer ist, den größten Theil der vielen Mängel zu, unter denen die Verwaltung der schönen Insel leidet. Einer der größten ist aber jedenfalls der, daß der Gouverneur die Zügel der Regierung nicht länger als vier Jahre führen darf - ein viel zu kurzer Zeitraum, der kaum ausreicht, die Insel gehörig kennen zu lernen. Allein unter den eigenthümlichen Verhältnissen ihrer Bevölkerung, bei dem Umstande, daß unter den 2 1/2 Millionen Einwohnern sich nur 3000 Europäer befinden, ist die Concentration der Regierungsgewalt in einer Hand auchb in vieler Beziehung vortheilhaft. Im Allgemeinen gewann ich bei näherer Bekanntschaft mit den Verwaltungsverhältnissen die Ueberzeugung, daß auch hier, wie in den meisten andern Colonien, der praktische Sinn der Engländer regelmäßig das Richtige trifft und die Verwaltung mit größerer Umsicht und Einsicht leitet, als es der Mehrzahl der andern Culturvölker möglich sein würde.

Nachdem ich mich auch für Galla mit Empfehlungen versehen und noch mancherlei Einkäufe für die Ausstattung meines Aufenthalts in Belligemma besorgt hatte, packte ich meine 16 Kisten auf einen großen zweirädrigen Ochsenkarren, der dieselben innerhalb 8 Tagen bis Galla befördern sollte. Diese Bullock-Cart´s sind in ganz Ceylon, soweit Fahrstraßen existiren, die allgemein gebräuchlichen Lastfuhrwerke. Die größten Karren nehmen bis 40 Centrner Last auf ihre beiden gewaltigen Räder und werden von 4 starken Buckelochsen (oder Zebus) der größten Rasse gezogen. Das Joch der Deichsel wird nicht an der Stirn befestigt, sondern einfach auf den Nacken gelegt, unmittelbar vor den Fetthöcker, der als Widerhalt dient. Der ganze Karren ist von einem tonnenformigen Dack überwölbt, das aus gekreuzten Blattfiedern der Cocospalme gefertigt ist und dessen dichtes doppeltes Geflecht die darunter geborgene Fracht auch von den heftigsten Regengüssen schützt. Matten aus gleichem Geflecht werden auch vorn und hinten vor dem Eingang des Gewölbes befestigt. Die Last muß kunstrecht so gleichmäßig vertheilt werden, daß der Schwerpunkt in der Mitte über deer Axe des Räderpaares ruht. Der Fuhrmann sitzt vorn auf der Deichsel unmittelbar hinter dem Ochsen oder geht zwischen ihnen; unaufhörlich treibt er die Thiere durch Rufen oder durch Reiben des Schwanzes zwischen den Hinterbeinen zu rascherem Gange an. Hunderte solcher Ochsenkarren, bald mit zwei, bald mit vier Zebus bespannt, bilden die beständige Staffage aller Landstraßen. Dazwischen bewegen sich dann in rascherem Gange oder selbst in munterm Trabe die kleinen Ochsendroschken: „Bullock- Bandy´s" oder „Hackery´s"; das sind leichtere zweiräderige Karren derselben Form, die von einem niedlichen schnellfüßigen Laufochsen gezogen werden.

Am 9. December verließ ich das freundliche Whist-Bungalow, begleitet von den herzlichen Wünschen und guten Rathschlägen meiner lieben Gastfreunde. Die Fahrt von Colombo bis Galla bildet ein stehendes Lieblingscapitel in allen Reisebeschreibungen von Ceylon. Da bis vor wenigen Jahren alle Postdampfer zuerst in Galla landeten und da der erste Ausflug der Reisenden stets von dort nach der Hauptstadt gerichtet war, so wurden die Ankömmlinge auf dieser Strecke zuerst mit den Naturschönheiten der Insel bekannt. Allerdings sind dieselben aber auch hier ganz besonders reich und üppig entwickelt; der Cocospark mit seiner unendlichen Mannigfaltigkeit von reizenden Bildern, wie ich sie zuerst auf der Excursion nach Kaduwella sah, nimmt einen breiten Küstenstrich in dem ganzen südwestlichen Theile der Insel ein. Bald schlängelt sich die Straße mitten durch denselben hin, bald berührt sie unmittelbar die felsige oder sandige Meeresküste, bald durchschneidet sie dichtere Waldpartien, oder geht auf Brücken über die zahlreichen kleinen Flüsse, die an der Westküste münden. Während früher die ganze Strecke von Colombo bis Galla nur mit Wagen befahren wurde, ist gegenwärtig im ersten Drittel derselben eine Eisenbahn an die Stelle der Fahrstraße getreten. Die Bahn hält sich ebenfalls ganz nahe der Küste, durchschneidet fast geradlinig in südlicher Richtung den Palmenwald und endet vorläufig in Caltura. Die Fortsetzung der Bahn von hier nach Galla, die für letzteren Ort von größtem Vortheil sein würde, ist von der Regierung nicht gestattet worden, aus Besorgniß, daß dadurch Galla wieder sich heben und einen Vorsprung vor der Hauptstadt Colombo gewinnen könnte. Da der Verkehr zwischen beiden Städten sehr lebhaft und in stetigem Wachsthum begriffen ist, so kann über die gute Rentabilität der Eisenbahn kein Zweifel sein. Lediglich der maßgebende Wunsch, Colombo auf Kosten von Galla immer mehr zu heben, bestimmt die Regierung, selbst der wohlfundirten Gesellschaft, die das Capital für den Bahnbau nachgewiesen hatte, die Concession zu verweigern. Es ist das ein beständiges Object vieler Klagen, die man allerorten auf dieser Strecke hört. Der Reisende istö daher gezwungen, entweder ein sehr theures Privatfuhrwerk zu miethen oder sich dem Postomnibus anzuvertrauen, der täglich von Galla nach Caltura und zurück fährt; aber auch dieser ist theuer und dabei nichts weniger als bequem. Allerdings führt dieser Omnibus den stolzen Titel der „ K ö n i g l i c&n bsp;h e n   P o s t k u t s c  h e " (Royal Mailcoach) und zeigt auf seiner Thüre das englische Wappen mit der stolzen Ueberschrift: „H o n y   s o i t   q u i   m a l   y   p e n s e!" Diese Warnung klingt jedoch wie reine Ironie Angesichts der Beschaffenheit der Kutsche selbst und der Pferde, die mit deren Beförderung gequält werden. Der leicht gebaute Wagen erscheint kaum für die Aufnahme von einem halben Dutzend Passagiere ausreichend, wird aber bei günstiger Gelegenheit auch mit der doppelten Zahl vollgestopft. Sowohl die beiden schmalen Bänke im engen Innenraum als auch die hinten angebrachte Bank werden mit je drei Personen besetzt, obgleich sie kaum für zwei hinreichend sind. Die besten Sitze bleiben noch die vorn auf dem freien Bock neben dem Kutscher, unter einem weit vorspringenden Schattendach. Hier genießt man den freisten Umblick in die herrliche Scenerie nach allen Seiten, und bleibt dabei von den starken, nichts weniger als angenehmen Düften verschont, welche die schwitzenden, mit Cocosöl gesalbten Singhalesen, in dem engen Innenraum zusammengepreßt, entwickeln. Dabei beträgt der Fahrpreis der fünfstündigen Omnibusfahrt für jeden „weißen" Europäer 15 Rupien (= 30 Mark) - mithin für jede Stunde Fahrzeit 6 Mark! Der farbige Eingeborene zahlt nur die Hälfte. Der unangenehmste Umstand bei dieser Omnibusfahrt, wie bei allen ähnlichen Postkutschenfahrten in Ceylon ist die gräuliche Quälerei der armen Postpferde. Die guten Singhalesen scheinen nämlich seit Alters her und bis auf den heutigen Tag keine Vorstellung davon zu haben, daß Rosselenken eine Kunst ist, die gelernt sein will; und daß die Pferde für das Wagenfahren eingelernt oder „angepaßt" werden müssen. Vielmehr scheinen sie anzunehmen, daß sich das Alles von selbst versteht und daß die Thiere das Wagenziehen bereits durch Vererbung kennen. Ohne sie daher gehörig einzufahren, werden die ungelernten Pferde in ein ebenso unbequemes als unpraktisches Geschirr vor den Wagen gespannt und nun so lange in der verschiedensten Weise gemartert, bis sie aus Verzweiflung davon laufen. Da gewöhnlich dazu weder dei lautesten Zurufe noch harte Peitschenschläge ausreichen, so werden die mannigfaltigsten Marterwerkzeuge angewendet: die empfindlichen Nasenlöcher werden mit Haken auseinander gerissen; die Ohren werden an Knebel befestigt und mittelst dieser um ihre Axe gedreht, als ob sie aus dem Kopfe ausgeschraubt werden sollten; an den Vorderbeinen werden lange Stricke befestigt, an denen ein halbes Dutzend johlender und kreischender Jungen die armen Thiere vorwärts ziehen; andere zerren inzwischen hinten aus Leibeskräften am Schwanze und schlagen mit Stangen auf die Hinterbeine; ja bisweilen, wenn alles das nicht ausreicht, die gequälten Geschöpfe zur Verzweiflung zu bringen und zum Fortrennen zu veranlassen, wird ihnen eine brennende Fackel unter den Bauch gehalten. Kurz, es wird keine Marter gespart, welche jemals die heilige Inquisition zur Bekehrung ungläubiger Ketzer angewendet hat; und wenn ich oft oben auf dem Bocksitze eine Viertelstunde land und länger diese abscheuliche

Thierquälerei mit ansehen mußte, ohne sie hindern zu können, stieg immer unwillkürlich der Gedanke in mir auf, für welche Sünden diese armen Pferde gestraft werden sollten. Wer weiß, ob ähnliche Vorstellungen nicht auch in den Köpfen der schwarzen Kutscher und Pferdeknechte spuken, welche meistens dem Siva-Cultus und der Lehre von der Seelenwanderung anhängen. Vielleicht denken sie, druch diese Martern sich an den wandernden Seelen der grausamen Fürsten und Krieger zu rächen, die früher die Peiniger ihres Volkes waren.

Entweder derartige Vorstellungen oder gänzlicher Mangel an Mitgefühl, - vielleicht auch die sonderbare, selbst in Europa zuweilen auftauchende Vorstellung, daß die Thiere kein Gefühl besäßen, - erklären es, daß die Singhalesen diese und ähnliche Thierquälereien als eine Art amüsanter Unterhaltung betrachten. So sind die armen Ochsen überall mit den riesengroßen Namenszügen ihrer Besitzer bezeichnet, die aus dem lebendigen Fell ausgeschnitten werden. In den Dörfern an der Landstraße, wo die Pferde gewechselt werden, ist die Ankunft der Postkutsche stets das wichtigste Ereigniß des Tages und alle Einwohner strömen neugierig zusammen, theils um die durchkommenden Reisenden zu mustern und zu kritisieren, theils um dem aufregenden Schauspiel des Pferdewechsels beizuwohnen und sich an dem Martern der neu eingespannten Thiere activ zu betheiligen. Sind diese dann endlich in der Verzweiflung zur Flucht gebracht, so rennen sie gewöhnlich, von lautem Geschrei des johlenden Volkes begleitet, in gestrecktem Galopp oder in voller Carriere so lange als ihr Athem anhält und fallen dann erst in langsameren Trab. Schweißbedeckt, mit schäumendem Munde und zitternden Gliedern, kommen sie nach einer halben Stunde auf der nächsten Station an, wo sie von ihren Leidensgefährten abgelöst werden. Natürlich ist diese Fahrmethode für die Reisenden, die sich der gebrechlichen Postkutsche anvertrauen, weder angenehm noch gefahrlos. Häufig wird die letztere umgeworfen und zerbrochen; die verzweifelten Pferde springen nicht selten querfeldein oder drängen rückwärts den Wagen in ein Bananengebüsch oder in einen Graben hinein; ich gebrauchte daher in kritischen Momenten auf meinem hohen Bocksitze stets die Vorsicht, mich zum Sprunge bereits zu halten. Uebrigens ist kaum zu begreifen, wie die englische Regierung, die sonst so streng auf Ordnung und Zucht hält, diesem Unfug der Thierquälerei nicht längst ein Ende gemacht und namentlich für die armen Rosse ihrer eigenen „königlichen Postkutsche" durchgreifende Schutzmaßnahmen ergriffen hat. Großer Buddha, der du so sehr bestrebt warst, das Elend dieses Jammerdaseins zu mindern und die Leiden der gequälten Geschöpfe zu mindern, welchen großen Fehler hast du begangen! Welche Wohlthat hättest du der gequälten Menschheit und Thierheit erwiesen, wenn du statt des thörichten Verbotes, ein Thier zu tödten, vielmehr das segensreiche Gebot erlassen hättest, kein Thier zu quälen! Das erstere Verbot wird von den buddhistischen Singhalesen in der Regel mit großer Sorgfalt befolgt, wenn auch mit vielen Ausnahmen. Sie sehen es zwar sehr gern, wenn der Naturforscher ihnen die Affen und Flederfüchse wegschießt, welche ihre Bananen und Mangofrüchte stehlen; oder wenn der Pflanzer die Elephanten tödtet, welche ihre Reisfelder verwüsten, die Leoparden, welche ihre Ziegen verzehren, die Palmenmarder, welche ihre Hühner morden. Allein sie selbst weisen in der Regel jede derartige Zumuthung mit Abscheu von sich, und hüten sich sehr, ein Thier direct zu tödten. Aus diesem Grunde sind auch die Mitglieder der Fischerkaste meist Katholiken; sie haben den Buddha- Glauben verlassen, um am Tödten der Fische keinen Anstoß zu nehmen.

Bei der hartnäckigen Insubordination, welche die indischen Pferde ihren Peinigern entgegensetzen, und bei ihrer Neigung zu unvermutheten Seitensprüngen, sowie bei der verzweifelten Schnelligkeit ihres Laufes erfordert das Amt der Rosselenker natürlich besondere Geschicklichkeit. Sowohl der Kutscher als sein Assistent, der Pferdeknecht, muß beständig auf seiner Hut sein. Die Ausdauer und Behendigkeit des Letzteren ist bewunderungswürdig; ganz nackt, nur mit einer Schwimmhose und einem umgehängten Posthorn bekleidet, auf dem Haupte einen weißen Turban, läuft der schwarze Tamil lange Strecken neben dem dahinjagenden Wagen her, zieht dabei die Stränge der Pferde bald hier bald dorthin, und schwingt sich mitten im schnellsten Lauf auf den Wagentritt an der Deichsel. Wenn ein anderes Fuhrwerk entgegenkommt oder der Weg eine plötzliche Biegung macht, ergreift er rasch den Kopf der Pferde und lenkt sie mit gewaltigem Ruck nach der freien Seite. Wenn die Kutsche eine der langen hölzernen Brücken passirt, welche die breiten Flüsse überschreiten, hemmt er plötzlich den jähen Lauf der Thiere und führt sie in bedächtigem Schritt über die lockeren und klappernden Holzschwellen. Wenn ein Kind, wie es oft passirt, mitten über den Weg läuft, oder eine alte Frau dem Wagen nicht ausweicht, springt der Pferdeknecht rasch entschlossen vor die Pferde und schiebt sie mit kräftiger Hand hinweg. Kurz er muß beständig aufpasssen und bei der Hand sein.

Obgleich der Charakter der Landschaft auf der ganzen, siebenzig englische Meilen langen Strecke zwischen Colombo und Galla derselbe bleibt, so wird dennoch das entzückte Auge des Reisenden nie ermüdet. Der unendliche Reiz der Cocoswälder und die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit in der Gruppirung und Abwechselung ihrer Staffage läßt keine Gleichgültigkeit aufkommen. Die stechende Gluth der Tropensonne wird nur selten lästig, da sie sowohl durch die kühlende Seebrise als den Schatten der Wälder bedeutend gemildert wird. Zwar liefert das zierliche Fiederwerk der Cocospalmen, wie der meisten übrigen Palmen, nicht den dichten und erfrischenden Schatten unserer nordischen Laubwälder; denn durch die Spalten zwischen den Fiedern dringen allenthalben die Sonnenstrahlen, wenn auch gebrochen, hindurch. Allein vielfach sind die schlanken Stämme der Palmen mit den zierlichen Gewinden der kletternden Pfefferrebe und anderen Schlingpflanzen bedeckt; gleich den schönsten künstlichen Guirlanden schwingen sich die dicht beblätterten Ranken der letzteren von Krone zu Krone; von oben hängen sie gleich prächtigen Ampeln frei herunter. Manche von diesen Kletterpflanzen sind mit den herrlichsten Blüthen geschmückt, so die feuerrothe Prachtlilie, die blaue Thunbergia, die rosenrothe Bougainvillea, goldgelbe Schmetterlingsblüthen aus verschiedenen Gattungen u. s. w. Ferner stehen unter und zwischen den herrschenden Palmen vielfach andere Bäume, so namentlich der edle Mango und der gewaltige Brodfruchtbaum mit seiner dichten, dunkelgrünen Krone. Der schlanke, säulengleiche Stamm des zierlichen Melonenbaumes (Carica papaya) ist elegant getäfelt und mit einem regelmäßigen Diadem von breiten, handförmig eingeschnittenen Blättern geziert. Verschiedenen Arten von Jasmin, von Orangen- und Limonenbäumen sind über und über mit duftigen, weißen Blüthen bedeckt. Und dazwischen sind nun die niedlichen, weißen oder braunen Hütten der Singhalesen mit ihrer idyllischen Staffage überall zerstreut; man würde glauben, durch ein einziges ununterbrochenes Dorf mit Palmengärten zu fahren, wenn nicht hier und da ein dichtere Waldpartie dazwischen träte, und dann wieder ein ländlicher Bazar mit einer Reihe zusammengedrängter Häuser uns in ein wirkliches, dichter bevölkertes Dorf hineinführte.

Dann wendet sich streckenweise der Weg wieder zum Meere und führt oft unmittelbar an der felsigen Küste hin. Hier wechselt weicher, flacher Sandstrand mit felsigen Hügeln, und diese letzteren namentlich sind mit den seltamen  P a n d a n g s  oder  S c h r a u b e n  b ä u m e n  malerisch bekleidet. Die Pandangs (Pandanus odoratissimus) gehören zu den merkwürdigsten Charakterpflanzen der Tropen. Sie sind den Palmen nahe verwandt und werden auch Schraubenpalmen oder (unpassender) Schraubenfichten (Screw-Pines) genannt. Der niedere, cylindrische Stamm, der meist zwischen 20 und 40 Fuß Höhe erreicht, ist vielfach verbogen und gabelförmig oder nach Art eines Armleuchters verzweigt. Jeder Zweig trägt am Ende einen dichten Busch von großen, schwertförmigen Blättern (ähnlich den Darcaenen und der Yucca). Diese Blätter sind bald seegrün, bald dunkelgrün, zierlich umgebogen, und am Grunde dergestalt spiralig geordnet, daß der Zweig einer regelmäßig gewundenen Schraube gleicht. An der Basis der Blätterbüsche hängen weiße, wundervoll duftende Blüthentrauben oder große, rothe, einer Ananas ähnliche Früchte. Das Merkwürdigste an den Pflanzen sind aber zahlreiche dünne Luftwurzeln, die an vielen Stellen vom Stamme abgehen und sich nach unten gabelförmig verzweigen; unten am Boden angelangt, schlagen sie wieder Wurzeln und dienen als Stützpfeiler für den schwachen Stamm. Es sieht aus, als ob der Baum auf Stelzen ginge. Höchst phantastisch erscheinen diese Pandangs, wenn sie sich auf ihren Stelzenbeinen hoch über niederes Buschwerk erheben, wenn sie zwischen den zerklüfteten Felsen des Seestrandes sich anklammern oder schlangenartig zwischen denselben auf dem Boden fortkriechen. Der weiße Sandboden, welcher den flachen Meeresstrand bildet und mit dunkeln, felsigen Vorgebirgen vielfach wechselt, ist belebt von munteren, rasch entweichenden Sandkrabben, deren Schnellfüßigkeit ihren den classichen Namen Ocypode eingetragen hat. Aber auch zahlreiche Eremitenkrebse (Pagurus) wandeln bedächtiger zwischen ihren leichtfüßigen Cousinen einher und schleppen das Schneckenhaus, in dem sie ihren weichen, empfindlichen Hinterleib verbergen, mit vieler Würde. Hier und da sind Strandläufer, zierliche Reiher, Regenpfeifer und andere Strandvögel mit Fischfang am Strande beschäftigt und machen den fischenden Singhalesen erfolgreich Concurrenz. Die Letzteren treiben ihr Gewerbe theils einzeln, theils in Gesellschaften; sie fahren meist in mehreren Canoes mit mächtigen Netzen hinaus, welche sie gemeinschaftlich an den Strand ziehen. Die Einzelfischer hingegen fangen ihre Beute mit Vorliebe in den Wellen der schäumenden Brandung, und es gewährt ein unterhaltendes Schauspiel, wie die nackten, braunen Gestalten, nur durch einen großen breitkrämpigen Strohhut gegen den Sonnenstich geschützt, kühn in die brandenden Wogen hineinspringen und die Fische mit einem kleinen Handnetz herausfangen. Das erfrischende Seebad scheint ihnen eben so viel Vergnügen zu machen, wie ihren kleinen Kindern, die schaarenweise am Strande spielen und schon mit sechts oder acht Jahren sich als Meister in der edlen Schwimmkunst bewähren.

Gleich einem zierlichen, schmalen Atlasbande zieht sich der weiße oder gelbliche Saum des Seestrandes oft stundenlang längs der vielfach eingeschnittenen oder in schönen flachen Bogen ausgerandeten Küste hin und trennt die tiefblaue Fläche des indischen Oceans von den lichtgrünen Cocoswäldern. Dieser Saum erscheint uns um so reizender, als die schlanken Stämme der dicht gedrängten Cocospalmen stark über denselben überhängen, gleich als strebten ihre zierlichen Fiederkronen, die kühlende Seebrise voll einzuathmen und die Fülle des Sonnenlichtes ungetheilt zu genießen. Dazu ist de Boden zu ihren Füßen mit den schönstgen Strandblumen geziert, unter denen besonders drei hervortreten: die Geißfußwinde mit ihren zweilappigen Blättern und violettrothen Blüthen (Ipomoea pescapri), eine zierliche, rosenroth blühende Balsamine (Impatiens) und die stolze Trichterlilie von Ceylon (Pancration ceylanicum); die stattlichen weißen Blüthen der letzteren, mit schmalen, überhängenden Blumenblättern, stehen in Dolden auf schlanken Stengeln von 6-8 Fuß Höhe. Demnächst sind es dann wieder vorzugsweise die herrlichen Pothos- oder Gallapflanzen (Aroideae), die mit ihren gewaltigen Pfeilblättern den Weg verzieren. Wird die Sonnengluth gar zu unerträglich oder kommt plötzlich ein Regenschauer, so bricht der Singhalese zu seinem Schutze einfach ein solches Caladiumblatt ab; es schützt besser als ein baumwollener oder seidener Schirm und ist noch dazu auf das Zierlichste mit hellen Aderfiguren, oft auch mit purpurnen Flecken bemalt. So wachsen in diesem sonnigen Paradiese sogar die Parasols am Wege - oder vielmehr die „Entout-cas", da sie gleichzeitig ebenso gute Regen- als Sonnenschirme sind!

Besonders schöne Zierden der herrlichen Galla-Colombo- Straße sind die zahlreichen  F l u ß m ü n&nb sp;d u n g e n , welche den Cocospark unterbrechen, und die ausgedehnten Lagunen, welche namentlich in ihrer nördlichen Hälfte (zwischen Colombo und Caltura) die Küstenflüsse in Communication setzen. Die früheren Herren der Insel, die Holländer, fanden an diesen Wasserstraßen, als Erinnerungen an ihr Heimathland, solchen Gefallen, daß sie ein förmliches Canalnetz herstellten und darüber die Landstraßen sehr vernachlässigten. Gleich den bekannten „Treckchuiten" der Niederlande, fuhren damals zahlreiche Frachtboote auf den Küstenlagunen von Ort zu Ort und vermittelten hauptsächlich den Verkehr. Seitdem die Engländer nun die vorzügliche Landstraße hergestellt haben, sind jene Wasserbahnen ziemlich außer Gebrauch gekommen. Aber mit den dichten Bambus- und Palmenwäldern ihrer Ufer, mit den reizenden kleinen Inseln und Felsgruppen, die in den spiegelnden Wasserbecken reichlich zerstreut sind, gewähren sie dem vorüber eilenden Reisenden eine Fülle verlockender Bilder, besonders dort, wo über den dunkelgrünen, dichten Waldmassen sich ganze Schaaren schlanker Cocospalmen erheben - wie Humboldt treffend sagt: „ein Wald über dem Walde". Dazu bilden die aufsteigenden Hügelreihen in blauer Ferne einen passenden Hintergrund; hier und da treten auch die höheren Häupter des Berglandes darüber vor, unter allen immer am meisten auffallend der stattliche Kegel des Adams-Pik.

An den Windungen der größeren Flüsse, deren man auf dieser Strecke eine ganze Anzahl überschreitet, nimmt die heitere Landschaft einen ernsteren Charakter an; die dunklen Mangrovenwälder machen sich da vorzugsweise geltend. Meist ist hier das Ufer dicht mit solchen Manglebäumen gesäumt, deren verzweigte Luftwurzeln ein undurchdringliches Dickicht herstellen; früher waren dieselben auch bevölkert von Crocodilen; jetzt sind diese vor der unaufhaltbar vordringenden Cultur nach dem oberen Theile der Flüsse zurückgewichen. Der stattlichste unter diesen Flüssen ist der prachtvolle Kalu-Ganga, der „schwarze Fluß", den ich später im größten Theile seiner Länge befuhr; in seiner letzten Strecke ist er so breit wie der Rhein bei Cöln. An seiner Mündung liegt  C a l t u r a , ein großes Dorf, an welchem vorläufig die Eisenbahn aufhört. Am südlichsten Ende von Caltura wölbt sich ein prachtvoller Benyan- (oder Benjamin-) Baum gleich einem Triumphbogen über der Landstraße. Dieser riesige Feigenstamm (Ficus indica) hat Luftwurzeln getrieben, welche auf der entgegengesetzen Seite der Straße Grund gefaßt haben und zu mächtigen Stämmen herangewachsen sind; diese bilden jetzt zusammen mit dem Hauptstamme einen hochgewölbten gothischen Bogen, um so malerischer, als zahlreiche parasitische Farne, Orchideen, wilder Wein und andere Kletterpflanzen den Stamm überwuchert haben. In der Nähe am Strande entdeckte ich bei einem späteren Besuche von Caltura ein anders Baumwunder, einen Gummibaum, dessen Pfeilerwurzeln, vielfach gewunden und in Gestalt höher Bretterzäune aufsteigend, ein wahres Labyrinth bildeten; Schaaren von munteren Kindern spielten in den Nischen zwischen den einzelnen Wurzellatten Verstecken.

Ein anderer reizender Punkt ist das Rasthaus von  B e n t o t t e , an welchem die „königliche Postkutsche" eine Stunde anhält, um die Fahrgäste etwas ausruhen und sich durch ein Frühstück stärken zu lassen. Eine besondere Delicatesse desselben bilden die berühmten Austern des Ortes; man genießt sie entwader frisch oder gebacken, auch wohl in Essig eingemacht. Das Rasthaus liegt reizend auf einem Hügel zwischen hohen Tamarindenbäumen und gewährt einen prächtigen Blick auf das sonnenbeglänzte Meer und auf die Brücke, welche eine Flußmündung überschreitet. Unterhalb der Brücke sah ich nach eingenommenem Frühstück dem Austernfange zu und schlenderte dann eine Viertelstunde durch den malerischen Bazar des langgestreckten Dorfes. Der Handel und Wandel in diesen Bazaren stimmt ebenso vortrefflich zu der idyllischen Umgebung, wie die einfache Ausstattung der indischen Hütten und die primitive Kleidung ihrer halbnackten Bewohner. Den weitaus bedeutendsten Handelsartikel bilden Reis und Körry als wichtigste Nahrungsmittel, Betel und Areca als beliebteste Genußmittel. Diese sowohl als die meisten anderen Handelsartikel liegen in den einfachen Läden, deren einzige Oeffnung Thüre und Fenster zugleich ist, zierlich ausgebreitet auf den frischgrünen Bananenblättern; abwechselnd mit Haufen von Cocosnüssen, prächtigen Bananen-Trauben und duftenden Ananas, den stärkemehlhaltigen Wurzeln der Yams, der Colocasia u. s. w. Dazwischen erblicken wir die riesigen, oft 30-50 Pfund schweren Brodfrüchte und die nahe verwandten Yackfrüchte, ferner als besondere Delicatessen die edle Mango und die feine Annona (den „Custard-Apple" der Engländer). Während uns in diesen Fruchtläden, welche die Singhalesen oft niedlich mit Blumen und Zweigen verzieren, der Duft der edlen Früchte anzieht, werden wir dagegen an anderen abgestoßen durch intensive Gerüche, die nichts weniger als duftig sind; hier liegen in Haufen aufgestapelt frische und getrocknete Seethiere, hauptsächlich Fische und Krebse; von letzteren sind besonders große Garnelen oder „Shrimbs" beliegt, hier „Prawns" genannt, wichtige Ingredienzien für die Reiswürze, den Körry.

Man würde sehr irren, wenn man auf diesen singhalesischen Märkten den lauten Lärm und die wogende Unruhe suchte, welche das bunte Marktgetreibe der meisten Völker, insbesondere der südeuropäischen, charakterisiren. Wer z. B. den lebendigen Verkehr auf der reizenden Piazza dell´ erbe in Verona, oder das lebhafte Gewimmel auf der Santa Luzia in Neapel kennt, der möchte denken, daß ein tropischer Bazar auf Ceylon noch einen viel höheren Grad des lebendigsten Marktgewühles zeigte. Nichts von alledem! Der stille und sanfte Charakter des Singhalesenvolkes zeigt sich auch in ihrem Handelsverkehr. Das Interesse an demselben erscheint sowohl bei den Käufern als bei den Verkäufern gering; so gering wie der Werth der Kupfermünzen, um die man die schönsten Früchte kauft. Diese Münzen sind, beiläufig bemerkt, Kupferstücke von 1 Cent und von 5 Cents, von denen 100 (beziehungsweise 20) auf eine Rupie (oder einen indischen Silbergulden = 2 Mark) gehen; sie tragen als Gepräge eine Cocospalme. Sind die Singhalesen auch gegen den Werth des Geldes keineswegs gleichgültig, so bedürfen sie dessen doch in weit geringerem Maße als die meisten übrigen Völker der Erde. Denn an wenigen Stellen derselben schüttet die gütige Mutter Natur aus ihrem reichen Füllhorne eine solche unterschöpfliche Fülle der edelsten Gaben ununterbrochen aus, wie es auf dieser bevorzugten Insel der Fall ist. So viel Reis, als zum Leben absolut erforderlich ist, kann auch der ärmste Singhalese mit leichter Mühe sich erwerben: 10 - 15 Cents (oder ungefähr doppelt so viele Pfennige) sind für den Tag ausreichend; der Reichthum an Früchten, welchen das Land schenkt, die Fülle von Fischen, welche das Meer liefert, ist so groß, daß es auch an der Körryzuthat zum Reis und an mannigfacher Abwechselung nicht fehlt.

Warum sollten da die Singhalesen das Leben sich durch Arbeit sauer machen? Nein, dazu besitzen sie viel zu viel Bequemlichkeit oder „Lebensphilosophie". Und so sieht man sie denn allenthalben in ihren einfachen Hütten zur behaglichen Ruhe ausgestreckt oder plaudernd in Gruppen auf dem Boden hockend; die wenige Arbeit, welche ihr kleines Stück Gartenland erfordert, ist in kürzester Frist gethan, und die übrige Zeit gehört dem Spiele des Lebens. Und auch dieses ist nichts weniger als aufregend und leidenschaftlich. Vielmehr erscheint über das ganze Thun und Treiben dieser glücklichen Naturmenschen ein Zauber des Friedens und der Ruhe ausgebreitet, der uns abgejagte Culturmenschen des neunzehnten Jahrhunderts gar seltsam und verführerisch anmuthet.

Ihr beneidenswerthen Singhalesen! Euch plagt weder die Sorge um den nächsten Tag, noch um die ferne Zukunft. Wahr ihr für Euch und Eure Kinder zum Leben braucht, das wächst Euch von selbst in den Mund; und war Ihr sonst noch als Luxus begehrt, könnt Ihr mit leichtester Mühe verdienen. Ihr seid wahrhaft „wie die Lilien auf dem Felde", die rings um Eure einfachen Hütten wuchern; sie säen nicht, sie ernsten nicht, und die himmliche Natur ernährt sie doch! Euch beseelt kein politischer oder militärischer Ehrgeiz; keine angstvolle Betrachtung über die wachsende Geschäfts-Concurrenz oder das Fallen und Steigen der Papier-Curse trübt Euren Schlaf. Jene höchsten Ziele des höheren Cultur-Menschen, der Geheimeraths-Titel und der Ordens-Stern sind Euch unbekannt. Und trotzdem freut Ihr Euch Eures Lebens! Ja ich glaube fast, Ihr beneidet nicht uns Europäer um unsere tausend überflüssigen Bedürfnisse; Ihr begnügt Euch damit, eiknfache Menschen zu sein, Natur-Menschen, welche im Paradiese leben und dies Paradies genießen! Wie Ihr da träumerisch hingestreckt unter dem Palmendache Eurer Hütten liegt und das Spiel der zitternden Lichter zwischen den Fiedern der Cocos-Wedel betrachtet; wie Ihr Euch am unvergleichlichen Genuß des Betel-Kauens erquickt und dazwischen mit Euren niedlichen Kindern spielt; wie Ihr ein erfrischendes Bad am Flußufer auf offener Straße nehmt und bei der folgenden Toilette bloß bestrebt seid, den zierlichen Schildpatt-Kamm möglichst blendend in den kunstgerecht gewundenen Zopf zu stecken! Ja, welcher sorgenschwere Culturmensch sollte Euch da nicht um Euren naiven Naturzustand und Euren Paradieses-Frieden beneiden? Solche und ähnliche Betrachtungen erfüllten meine Seele, als ich auf der letzten Station vor Galle während des Pferdewechsels die Gruppen ruhender Singhalesen betrachtete, die im Frieden ihrer Hütten unter Bananen-Schatten sich ihres Daseins erfreuten! Hier schien fürwahr der harte „Kampf ums Dasein" aufzuhören; wenigstens  s c h i e n  es so. Ich wurde erst aus diesen Träumen geweckt, als die beiden Rossebändiger mich aufforderten, wieder meinen hohen Bocksitz einzunehmen. Die edlen Malabaren belehrten mich dann zugleich in gebrochenem Englisch, daß es Zeit sei, an das landesübliche Trinkgeld zu denken; nach der Ankunft in Galle seien sie zu sehr beschäftigt und auch die Zeit zu kurz, um diesen wichtigen Gegenstand gehörig zu bedenken. Da ich bemerkt hatte, daß ein vornehmer, vorher ausgestiegener Singhalese als Trinkgeld Jedem der Beiden eine „Doppel-Anna", ein kleines Silberstück von 25 Pfennig Werth, verabreicht hatte, glaubte ich meinen höheren Werth als „weißer Mann" hoch genug zu taxiren, wenn ich das Vierfache dieser Summe gab, nämlich Jedem einen Schilling. Indessen sowohl der Kutscher als der Pferdeknecht wiesen ihren Schilling mit Entrüstung zurück und hielten mir eine Vorlesung über die Bedeutung meiner weißen Haut, die mir höchst schmeichelhaft war. Der Grundgedanke derselben bestand darin, daß jeder weiße „Gentleman" mindestens das Doppelte (eine Rupie) Jedem von ihnen als Trinkgeld verabreichen müsse, daß aber ein so weißer Mann, wie ich, mit blonden Haaren, jedenfalls zu einer der höchsten Kasten gehöre und demnach noch einen beträchtlichen Zuschlag zahlen müsse. Obwohl mir nun eine derartig hohe Taxation meiner hellfarbigen Persönlichkeit nur angenehm sein konnte, ließ ich mich doch zu weiteren Ueberschreitungen der „Weißen Taxe" nicht bewegen, zahlte Jedem der beiden Rosselenker eine Rupie und hatte schließlich noch die Genugthuung zu hören, daß sie mich für einen vollendeten „Gentleman" erklärten. Angesichts der kostbaren Naturgenüsse, welche diese herrliche fünfstündige Wagenfahrt mir gewährt hatte, fand ich sogar den hohen Fahrpreis von 17 Gulden noch recht billig und bedauerte es trotz der Hitze und Ermüdung sehr, als gegen 4 Uhr der Leuchtthurm von Galla sichtbar wurde. Bald darauf rollte die Postkutsche polternd über die Zugbrücke des alten Festungsgrabens, dann durch einen langen dunklen Thorweg und hielt vor dem eleganten „Oriental Hotel" von Punto-Galla.


IX. Punto-Galla

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Auf einer vorspringenden felsigen Landzunge, welche von Westen her das geräumige, nach Süden offene Hafenbecken umfaßts, liegt stolz und schön Punto-Galla oder „ P o i n t   d e   G a l l e "; seit grauem Alterthume eine der wichtigsten und berühmtesten Städte von Ceylon. Der singhalesische Name  G a l l a  bedeutet „ F e l s e n ", und hat keinen Zusammenhang mit dem lateinischen  G a l l u s , wie die ersten europäischen Besitzer der Insel, die Portugiesen annahmen; als Illustration dieser falschen Deutung findet sich noch heute an der alten Stadtmauer das bemooste Steinbild eines Hahnes, mit der Jahreszahl 1640.

Wie aus mehreren Zeugnissen von Autoren des classischen Altherthums hervorgeht, war Galla schon vor mehr als zweitausend Jahren einbedeutender Handelsplatz und wahrscheinlich durch lange Zeit die größte und reichste Stadt der ganzen Insel. Oestliche und westliche Hälfte der alten Welt reichten sich hier die Hand; die arabischen Seefahrer, die vom rothen Meere und vom persischen Golfe aus sich so weit nach Osten vorgewagt hatten, traten hier in Handelsverkehr mit den Malayen des Sunda-Archipels und mit den Chinesen des fernen Ostens. Das östliche  T a r s i s  der alten Phönicier und Hebräer kann nichts Anderes als Galla gewesen sein; die Affen und Pfauen, das Elfenbein und Gold, welche jene Seefahrer aus dem sagenreichen Tarsis holten, werden sogar von den alten hebräischen Schriftstellern mit denselben Namen bezeichnet, welche noch heute die Tamils auf Ceylon dafür gebrauchen; die nähere Beschreibung aber, welche sie von dem vielbesuchten Handelshafen Tarsis geben, paßt von allen Häfen der Insel nur auf die ausgezeichnete „Felsenspitze": Punto Galla. Die natürlichen Vortheile der geographischen Lage von Galla, nahe der Südspitze vov Ceylon, unter 6 Grad nördlicher Breite, sowie der klimatischen und topographischen Verhältnisse (- vor Allem des prächtigen, nur gegen Süden geöffneten Hafenbeckens -) sind so bedeutend und fallen so sehr in die Augen, daß sie dieser schönen Stadt den natürlichen Vorrang als ersten Handelsplatz vor allen anderen Hafenstädten der Insel zu wahren scheinen. Allein die fortgesetzten Bemühungen der englischen Regierung, die Hauptstadt Colombo auf Kosten von Galla zu heben, und besonders die bessere Verbindung von Colombo mit dem Inneren der Insel, sowie die größere Nähe der centralen Kaffee-Districte, haben neuerdings Galla sehr bedeutenden Abbruch gethan. Wie schon früher bemerkt, hat sich daher in der letzten Jahren der größte Theil des Handelsverkehrs von da nach Colombo herüber gezogen, und der schöne Hafen von Galla ist lange nicht mehr das, was er früher gewesen. Trotzdem wird Galla als bedeutendster Handelshafen nächst Colombo seinen Rang behaupten, und insbesondere wird es der natürliche Ausfuhrplatz für die reichen Producte der Südprovinz bleiben. Unter diesen stehen oben an die mannigfachen Erzeugnisse der Cocos-Palme: das treffliche Cocos-Oel, ,der Coir, die feste Faser der Nußschale, die vielfach zu Stricken und Geweben verarbeitet wird, der Palmzucker, aus dessen gegohrendem Safte Arrak destillirt wird, u. s. w. Früher spielte hier auch der Handel mit Edelsteinen eine große Rolle, wie in neuester Zeit der Handel mit Graphit oder „Plumbago". Wenn man sich endlich entschließen wollte, die Eisenbahn von Caltura bis Galla fortzuführen, und die Felsen und Korallen, die einen Theil des trefflichen Hafens gefährden, mit Dynamit wegzusprengen, so könnte die verlorene Blüthe von Punto-Galla auf´s Neue und glänzender wieder hergestellt werden. Die Lage von Punto-Galla ist ganz reizend und es ist natürlich, daß fast in allen früheren Reisebeschreibungen dieser Punkt, auf dem die Europäer gewöhnlich zuerst landeten, besonders gepriesen und ausführlich beschrieben wird. Die europäische oder „ w e i ß e   S t a d t " - das „ F o r t " - nimmt den ganzen Rücken der oben erwähnten, von Nord nach Süd vorspringenden Landzunge ein und besteht aus einstöckigen Steinhäusern, die von säulentragenden Veranden umgeben und durch weit vorspringende Ziegeldächer geschützt sind. Niedliche Gärten zwischen denselben dienen nicht weniger zum Schmucke der Stadt, als breite Alleen von schattenspendenden Suriya- Bäumen (Thespesia populnea) und Malvenbäumen (Hibiscus rosa sinensis). Die letzteren vertreten hier die Stelle der Rosen; sie sind mit glänzenden frischgrünen Blättern und prächtigen rothen Blüthen dicht bedeckt, führen aber bei den Engländern den prosaischen Namen der Schuhblumen (Shoeflower), weil ihre abgekochten Früchte zum Schwarzfärben der Schuhe verwendet werden. Unter den öffentlichen Gebäuden zeichnet sich die protestantische Kirche, in hübschen gothischen Stile erbaut und auf einem der höchsten Punkte des hügeligen Forts gelegen, besonders aus. Ihre dicken Steinmauern erhalten den hochgewölbten, von schönen Bäumen umgebenen Raum herrlich kühl, und es war für mich eine wahre Erquickung, als ich an einem glühend heißen Sonntag- Vormittag, ermüdet von einer weiten Excursion, vor den Helios- Pfeilen in diese schattenreiche Grotte flüchten konnte. Gegenüber dieser Kirche steht das öffentliche Gebäude von Galle, das „ H a u s   d e r   K ö n i g i n " (Queens-House). Früher diente es als Sitz des holländischen und später des englischen Gouverneurs. Reisende von hohem Range, oder mit besonderen Empfehlungen ausgerüstet, wurden vom Gouverneur hier gastlich aufgenommen. Daher ist das Regierungs-Gebäude von Galla mit seiner nächsten Umgebung gewöhnlich das erste Stück von Ceylon, welches in älteren Reisebeschreibungen geschildert und bewundert wird. Von deutschen Reisenden haben Hoffmeister und Ransonnet dasselbe bewohnt. Seit einigen Jahren ist jedoch das „Haus der Königin" in Privatbesitz übergegangen und gehört jetzt dem ersten Handlungshause der Stadt, der Firma Clark, Spence u. Co. An den jetzigen Chef dieses Hauses, Mr. A. B.  S c o t t , war von Freund St. freundlichst empfohlen worden und ich fand bei ihm die gastlichste Aufnahme. Von den prächtigen geräumigen Hallen des Queens-Haus stellte er mir zwei der besten, nebst einer luftigen schönen Verande zur freien Verfügung und that außerdem Alles, mir den Aufenthalt in Galla so angenehm und nützlich, als nur möglich zu machen. Nicht allein fühlte ich mich in dem liebenswürdigen Familienkreise des Mr. Scott bald wie zu Hause, sondern ich lernte auch in ihm selbst seinen englischen Kaufmann kennen, dessen hohe und vielseitige Bildung seiner hervorragenden äußeren Stellung vollkommen entspricht. Derselbe bekleidet gegenwärtig mehrere Consulate, und es ist nur zu beklagen, daß ihm nicht auch die Vertretung unseres Vaterlandes zugefallen ist. Der gegenwärtige deutsche Consul in Galla, Mr. Vanderspaar, spricht weder Deutsch, noch zeigt er für Deutschland das geringste Interesse und ich entnehme den Berichten früherer Reisenden die Notiz, daß bereits sein Vater und Vorgänger sich durch dieselben negativen Eigenschaften auszeichnete. Daß man zu wissenschaftlichen Zwecken eine Tropen- Reise machen könne, schien er nicht zu begreifen. Mr. Scott hingegen ist mehrere Jahre in Deutschland (u. A. längere Zeit auf der Handelsschule in Bremen) gewesen, spricht vollkommen Deutsch und ist von der deutschen Literatur und Wissenschaft mit hoher Achtung erfüllt. Da ich nun das Glück hatte, hier als derzeitiger persönlicher Vertreter der letzteren angesehen zu werden, genoß ich die Vortheile seiner reichen Mittel in vollem Maße. Ich wurde in Folge dessen selbst wieder schwankend, ob ich nicht seiner gütigen Aufforderung folgen und statt in Belligemma, mein zoologisches Laboratorium in Queens-House für mehrere Wochen aufschlagen solle. Ich würde hier jedenfalls inmitten des angenehmsten europäischen Comforts und des freundlichsten Familienverkehrs mich weit behaglicher als unter den Indiern im Rasthause von Belligemma befunden und auch viele meiner wissenschaftlichen Zwecke weit leichter und bequemer erreicht haben. Indessen blieb ich dieser verlockenden Versuchung gegenüber standhaft und wurde dafür auch reichlich belohnt, daß ich die ursprüngliche Natur von Ceylon und seinen Eingeborenen dort weit besser kennen lernte, als hier in dem civilisirten Galla. Die wenigen Tage, welche ich jetzt in Galla blieb, sowie einige weitere Tage, welche ich auf der Rückkehr von Belligemma im Hause von Mr. Scott zubrachte, wurden mit dessen umsichtiger Hilfe so gut benutzt, daß ich trotz der kurzen Zeit eine gute Uebersicht über die herrliche Natur seiner Umgebung und über den Reichthum seiner prächtigen Korallenbänke gewann. Zu jeder Stunde stand mir eine der beiden Equipagen von Mr. Scott zur Verfügung für meine Excursionen zu Lande, ebenso sein treffliches, mit drei Malabaren bemanntes Boot für die Ausflüge zu Wasser. Außerdem machte mich Mr. Scott mit mehreren angesehenen Engländern bekannt, die für meine wissenschaftlichen Zwecke von besonderem Nutzen sein konnten; von diesen bin ich namentlich Capitän Bayley und Capitän Blyth zu großem Danke verpflichtet.

Der erste und nächste Spaziergang, den man nach der Ankunft in Galla machen kann, ist ein Rundgang auf den hohen Wällen des Forts. Diese Wälle, von den Holländern aus Backsteinen sehr solid gebaut, fallen allenthalben steil in das Meer ab und gewähren auf der östlichen Seite eine prächtige Aussicht über den ganzen Hafen und die bewaldeten Hügel, welche denselben einschließen, überragt von den blauen Bergketten des fernen Hochlandes. Auf der südlichen und westlichen Seite hingegen erblickt man zu ihren Füßen die wundervollen Korallenbänke, welche die felsige, das Fort tragende Landzunge rings umgürten, und welche während der Ebbe einen großen Theil ihres blumenähnlichen Thierschmuckes durch das seichte Wasser hindurch schimmern lassen. Besonders prächtige Korallen-Gärten sieht man da in der Nähe des Leuchtthurms, der auf der südwestlichen Ecke des Forts sich erhebt.

Zwei alte dunkle Thore, deren Steinpfeiler gleich dem größten Theile der Wälle mit Farnen und Moosen üppig bewachsen sind, führen aus dem Innern des Forts in das Freie. Durch das östliche Thor gelangt man unmittelbar an den Quai des Hafens und auf den Molo, der hier ostwärts in denselben vorspringt. Durch das nördliche Thor dagegen kommt man auf die grüne Esplanade, einen flachen, ausgedehnten, mit Rasen bewachsenen Spiel- und Exercierplatz, welcher das Fort von der „Pettah" oder der „ S c h w a r z e  n   S t a d t " trennt. Die letztere besteht größtentheils aus einfachen Hütten und Bazaren der Eingeborenen; ein Theil derselben zieht sich ostwärts um den Quai des schönen Hafens herum; ein anderer Theil längs des Strandes und der Colombo-Straße. Beide verlieren sich ohne scharfe Gränze in Häusergruppen und einzelnen Hütten, die allenthalben in den umgebenden Cocoswäldern zerstreut sind, theilweise auch in das waldige Gartenland der aufsteigenden Hügel hinaufgehen. Auf einem der nächstgelegenen Hügel erhebt sich in schönster Lage, dem Fort gegenüber, die katholische Kirche. Dieselbe ist mit einer katholischen Schule und Missionsanstalt verbunden; in dem Vorstande derselben, Padre Palla (dem Nachfolger des angesehenen, in früheren Reiseberichten oft erwähnten Padre Miliani), lernte ich einen angenehmen und namentlich in musikalischer Beziehung sehr gebildeten Triestiner kennen; es gewährte ihm großes Vergnügen, daß ich mich in seiner geliebten italienischen Muttersprache mit ihm über Triest und Dalmatien unterhalten konnte. Der wohlgespflegte Garten der Mission ist gleich den meisten Gärten in der paradiesischen Umgebung von Galla reich an den herrlichsten Erzeugnissen der Tropenzone; jedem Botaniker und Pflanzenfreunde geht dabei das Herz auf.

Aber der reizendste Punkt in der ganzen Umgebung von Galla ist meinen Geschmacke nach die  V i l l a   m a r i n a   d e s   C a p i t ä n   B a y l e y . Dieser unternehmende und vielseitig thätige Mann war früher Schiffscapitän und ist jetzt Agent der P. and O.-Company. Mit seinem Natursinn hat er sich für den Bau seines Daheims einen Punkt ausgesucht, wie er hier nicht schöner gefunden werden kann. Ungefähr in der Mitte der weiten Bogenlinie, welche nördlich das prächtige Hafenbecken von Punto-Galla umfaßt, springen ein paar höhe Gneisfelsen weit in das Meer vor; einige kleine Felseninseln, dicht mit Pandangs bewachsen, sind ihnen unmittelbar vorgelagert. Einen dieser Felsen nun (und zwar den am meisten nach Osten gelegenen) hat Capitän Bayley erworben und sich darauf mit eben so viel Geschmack als praktischer Ausbeutung der gegebenen Localität ein kleines Schloß nebst Garten gebaut, ein wahres „Miramare von Galla". Sowohl aus den westlichen Fenstern der Villa selbst, als auch besonders von der daran gelegenen Terrasse genießt man eine Aussicht auf die gegenüberliegende Stadt und den dazwischen gelegenen Hafen, die von keinem andern Aussichtspunkt der Umgebung übertroffen wird. Der Leuchtthurm auf der Kante und die protestantische Kirche in der Mitte des Forts nehmen sich vortrefflich aus; besonders wenn die Morgensonne über dieselbe ihren Goldglanz ausstrahlt. Einen prächtigen Mittelgrund liefern die malerischen schwarzen Felsinseln, die mit den üppigsten Schraubenpalmen (Pandanus) phantastisch verziert sind; an ihrem Fuße liegen mehrere singhalesische Fischerhütten. Für den Vordergrund endlich geben die zerklüfteten und wild aufeinander gethürmten schwarzen Felsen in der nächsten Umgebung der Villa ein groteskes Motiv ab; oder will man das Bild freundlicher haben, so nimmt man dazu ein Stück des reizenden, mit den schönsten Tropenpflanzen reich ausgestatteten Gartens. Unter den vielen Zierden dieses Gartens waren mir besonders mehrere Prachtexemplare der ägyptischen  D h u m -  P a l m e  interessant (Hyphaene thebaica). Der starke Stamm dieser Palme bildet nicht, wie bei den meisten Bäumen dieser Familie, eine schlanke Säule, sondern ist gabelförmit verzweigt, gleich den Drachenbäumen (Dracaena); jeder Ast trägt eine Krone von fächerförmigen Blättern. Ich hatte diese ausgezeichnete Palme, die hauptsächlich in Ober-Aegypten wächst, früher in dem arabischen Dorfe Tur, am Fuße des Sinai, kennen gelernt und in meinen „Arabischen Korallen" eine Abbildung derselben gegeben (1876, Taf. IV, p. 28). wie mußte ich daher erstaunt sein, dieselbe hier in einem so veränderten Gewande anzutreffen, daß ich sie kaum wiedererkennen konnte.

Die  A n p a s s u n  g  an die gänzlich verschiedenen Lebensbedingungen hatte aus der ägyptischen  D h u m -  P a l m e  in Ceylon einen ganz anderen Baum gemacht. Der mächtige Stamm erschien mindestens doppelt so stark, weit kräftiger als in seinem Vaterlande; die Gabeläste zahlreicher, aber kürzer und gedrungener, weit enger zusammengedrängt; die riesigen Fächerblätter weit größer, üppiger und fetter; auch die Blumen und Früchte, soweit ich mich wenigstens erinnern konnte, schienen an Umfang und Schönheit bedeutend zugenommen zu haben. Jedenfalls hatte sich der ganze Habitus des schönen Baumes in dem Treibhausklima von Ceylon so sehr verändert, daß die ererbte Physiognomie desselben in wesentlichen Zügen verwischt erschien. Und das Alles hatten die veränderten Anpassungsbedingungen, vor Allem die weit größere Quantität von Feuchtigkeit bewirkt, die von frühester Jugend an auf den nordafrikanischen, des trockenen Wüstenklimas gewohnten Baum eingewirkt hatten. Die stattlichen Bäume waren aus ägyptischen Samen gezogen, und hatten im Laufe von 20 Jahren eine Höhe von mehr als 30 Fuß erreicht! Ein großer Theil der reizenden Villa wird von einem großartigen Farngarten eingenommen. Gerade die Farne gedeihen in dem natürlichen Treibhausklima der Insel vorzüglich gut, und Capitän Bayley hatte neben einer Auswahl der schönsten einheimischen auch eine Anzahl merkwürdiger ausländischer Tropenfarne hier zusammengestellt. Da konnte man mit einem Blick die ganze Fülle der zierlichen und mannigfachen Formen überschauen, welche die gefiederten Wedel dieser schönen Kryptogamen entwickeln; auch an stattlichen Baumfarnen, an zierlichen Selagninellen und Lycopodien fehlt es nicht. Nicht minder anziehend waren prächtige Schlingpflanzen, herabhängend aus schönen, an der Decke befestigten Ampeln, Orchideen, Bromelien, Begonien u. s. w.

Aber auch für den Zoologen besitzt das Miramare von Galla, ebenso wie für den Botaniker, ein hohes Interesse. Eine kleine Menagerie unten im Hofe enthält mancherlei seltene Säugethiere und Vögel (u. A. einen neuholländischen Strauß, mehrere Eulen und Papageien und ein einheimisiches Schuppenthier, Manis). Letzteres, sowie einige seltene Fische, hatte Capitän Bayley die Güte, mir zum Geschenk zu machen; wie er mir auch später zu Weihnachten ein paar interessante Loris (Stenops) nach Belligemma sendete. Aber weit anziehender noch als diese seltenen Thiere waren für mich die prachtvollen Korallen, die rings um die umgebenden Felsen in üppigster Fülle wucherten; sogar der kleine Hafen, den der Capitän für seine Barke eingerichtet hatte, und der steinere Molo, auf dem man landete, erschienen dicht damit verziert; und ich konnte in wenigen Stunden hier meine Korallensammlung wesentlich bereichern. Auch ist ein großer Theil des mannigfaltigen Gethiers, das die ausgedehnten Korallenbänke bei Galla belebt, hier auf engem Raum zusammengedrängt zu finden: riesige schwarze Seeigel und rothe Seesterne, zahlreiche Krebse und Fische, bunte Schnecken und Muscheln, ferner seltsame Würmer verschiedener Classen und wie all´ die bunte Gesellschaft heißt, die auf den Korallenstöcken und zwischen deren Aesten ihr Wesen treibt. Es würde sich daher die Villa des Cepitän Bayley, die er gegenwärtig wegen seiner Uebersiedelung nach Colombo verkaufen will, ganz vorzüglich zur Anlage einer zoologischen Station eignen, zumal die bequem gelegene Stadt nur eine halbe Stunde entfernt ist.

Wandert man längs des felsigen Seestrandes noch weiter östlich um die Bucht von Galla herum, so gelangt man aufwärts steigend zu einem höheren Aussichtspunkte, der ebenfalls einen prächtigen Blick auf die Stadt und den Hafen gewährt, und mit Recht „B e l l a   V i s t a" heißt. Hier hat sich ein protestantischer Geistlicher, Reverend Marx, eine hübsche Villa gebaut und eine Missionsanstalt eingerichtet. Die hohe Bergwand, die von hier aus nach Süden vorspringt und die östliche Umfassungsmauer des Hafens bildet, ist dicht bewaldet. Sie endigt in einer steilen Felsenspitze, die dem Leuchtthurme östlich gegenüber liegt und vor Jahren einmal befestigt werden sollte. Der Plan wurde später wieder aufgegeben. Einige eiserne Kanonen schauen noch jetzt aus dem Gewirre der wuchernden Schlingpflanzen hervor; eine muntere Affenherde trieb auf denselben ihr Spiel, als ich am Samtag Nachmittag dort umherkletterte. Ein enger Pfad, den ich von dort aus weitger verfolgte, führte mich nach Süden, längs der steilen Felsenküste, in einen dichten Wald, voll der prächtigsten Pandangs und Schlingspflanzen. Derselbe wird von einer tiefen Schlucht durchschnitten, in deren Grunde ein munterer Bach zum nahen Meere herabspringt. Nahe vor seiner Mündung fällt der Bach in ein natürliches Felsenbecken; das ist ein Liebslingsplatz zum Baden für die Eingeborenen. Als ich unvermuthet aus dem Dickecht hervortrat, überraschte ich eine Gruppe von Singhalesen beiderlei Geschlechts, die in diesem „Onawatty- Bassin" lustig umherplätscherten.

Ein ähnliches natürliches Felsenbassin, aber von weit größerem Umfang und künstlich noch erweitert, findeet sich unterhalb der vorher genannten Felsenspitze, dem Leuchtthurme schräg gegenüber. Dasselbe heißt „Watering place", weil seine reichen Quellen die meisten Schiffe mit einem Vorrathe des besten Trinkwassers versorgen. Die steilen Felsenwände, die dies Bassin umgeben, sind mit stacheligen, wilden Dattelpalmen (Phoenix sylvestris), mit weißblüthigen Asclepiadeen und mit graugrünen Euphorbienbäumen bewachsen. Diese Euphorbia antiquorum gleicht einem riesigen Armleuchter-Cactus und trägt ihre steifen Aeste in regelmäßigen Wirteln; sie gehört nebst ihrem Nachbar, dem stelzenfüßigen Pandang, zu den sonderbarsten Gewächsen dieser Wälder.

Einen ganz anderen Charakter als diese wilden, felsigen Berge im Südosten von Galla zeigen die sanften Thäler, welche sich zwischen bewaldeten Hügelreihen im Norder der Stadt ausdehnen. Hier macht sich wieder ganz der idyllische Charakter der Südwestküste geltend. Der beliebteste Ausflug nach dieser Richtung ist der Hügel von Wackwelle, auf dessen Höhe ein reizender Fahrweg durch Cocospark hinführt. Er wird von Picknickpartien aus der Stadt viel besucht und seit Kurzem hat hier ein speculativer Wirth sogar eine Restauration errichtet und läßt sich von jedem Besucher, auch wenn er Nichts verzehrt, einen Sixpence für den Genuß der hübschen Aussicht zahlen. Die letztere betrifft vorzugsweise das waldige breite Thal des Ginduraflusses, welcher eine halbe Stunde nordwärts von der Stadt in das Meer sich ergießt. Gleich einem blinkenden Silberbande windet sich der Fluß durch die frischgrünen Reisfelder, die „Paddy-Fields", welche die breite Thalsohle einnehmen. Die Abhänge ringsum sind mit dem schönsten Baumwuchs geschmückt. Zahlreiche Affen und Papageien beleben dieselben. Im Hintergrunde erblickt man die blauen Berge des Hochlandes. Unter diesen macht sich in der Landschaft von Galla durch seine sonderbare Form besonders der stattliche „Haycock" bemerkbar; er gleicht einem glockenähnlichen Heuschober und hat davon seinen Namen erhalten. Weithin von ferne sichtbar, dient er als Landmarke für die nahenden Schiffe.

Aber mehr noch als dieses reizende Gartenland in der nächsten Umgebung von Punto-Galla interessirten mich die unterseeischen  K o r a l l e n -  G ä r t e n , welche sein Fort einschließen; ich bedaure es noch heute lebhaft, daß ich ihrm Studium nicht mehrere Wochen, statt weniger kurzer Tage widmen konnte. Der Wiener Maler Ransonnet war in dieser Beziehung glücklicher. Er konnte während mehrerer Wochen, unterstützt durch die besten Hilfsmittel und namentlich durch eine vortreffliche Taucherglocke, die Korallenbänke von Galla genau untersuchen und hat von denselben in seinem illustrirten Werke über Ceylon (Braunschweig, Westermann 1868) eine vortreffliche Schilderung gegeben. Auf vier Farbendrucktafeln, für welche er die Skizzen unter Meer, in der Taucherglocke aufnahm, hat er das bunte Thierleben dieser geheimnisvollen Korallenwelt recht anschaulich wiedergegeben.

Schon vor neun Jahren, al sich im Frühjar 1873 die Korallenbänke des rothen Meeres bei Tur, an der Sinaiküste, besuchte und dort zum ersten Male einen Blick in die wundervolle Gestaltenwelt dieser unterseeischen Zaubergärten thun konnte, hatten dieselben mein höchstes Interesse erregt, und ich hatte versucht, in meiner populären Vorlesung über „Arabische Korallen" (Berlin, 1876, mit fünf Farbendrucktafeln) die Organisation dieser merkwürdigen Thiere und ihr Zusammenleben mit verschiedenen anderen Geschöpfen in kurzen Zügen zu schildern. Die Korallen von Ceylon, die ich jetzt zunächst hier in Galla, später genauer in Belligemma kennen lernte, riefen mir jene herrlichen Erinnerungen lebhaft in das Gedächtniß zurück und bereicherten mich außerdem mit einer Fülle neuer Anschauungen. Denn die indische Seethier-Fauna von Ceylon ist zwar im Ganzen mit der arabischen des rothen Meeres sehr nahe verwandt und beide haben sehr viele Gattungen und Arten gemeinschaftlich. Aber die Zahl und Mannigfaltigkeit der verschiedenen Lebensformen ist in dem weiten Becken des indischen Oceans mit seiner verschiedenartigen Küstenentwickelung bedeutend größer, als in dem abgeschlossenen arabischen Golfe mit seinen einförmigen Lebensbedingungen. Auch fand ich die allgemeine Physiognomie der Korallenbänke an beiden Orten trotz aller gemeinsamen Züge doch verschieden. Während diejenigen von Tur sich durch vorwiegend warme Farbentöne, Gelb, Orange, Roth, Braun auszeichnen, herrscht dagegen auf den Korallenbänken von Ceylon die grüne Farbe in den mannigfachsten Schattirungen und Tönen vor. Gelbgrüne Alcyonien stehen neben seegrünen Heteroporen, malachitgrüne Anthophyllen neben olivengrünen Milleporen, smaragdgrüne Madreporen und Astraeen neben braungrünen Montiporen und Mäandrinen. Schon Ransonnet (l. c. p. 134) hat mit Recht darauf hingewiesen, wie auffallend in Ceylon die  g r ü n e   F a r b e  allenthalben dominirt. Nicht allein erscheint der größte Theil dieser „immergrünen Insel" das ganze Jahr hindurch mit einem unverwelklichen tiefgrünen Pflanzenteppich geziert, sondern auch die Thiere der verschiedensten Classen, welche denselben beleben, sind zum großen Theile ganz auffallend grün gefärbt. Namentlich prangen viele der häufigsten Vögel und Eidechsen, Schmetterlinge und Käfer im glänzendsten Grün. Nicht minder sind aber auch zahlreiche Meeresbewohner der verschiedensten Classen grün gefärbt, so namentlich sehr viele Fische und Krebse, Würmer (Amphinome) und Seerosen (Actinia); ja sogar Thiere, die anderwärts selten oder nie die grüne Livree tragen, sind hier mit derselben geschmückt, so z. B. mehrere Seesterne (Ophiura), Seeigel, Seegurken; ferner Riesenmuscheln (Tridacna) und Spiralkiemer (Lingula) u. dergl. mehr. Die Erklärung dieser merkwürdigen Erscheinung ergibt sich aus der Darwin´schen Züchtungslehre, insbesondere aus dem Anpassungsgesetz der „gleichfarbigen Zuchtwahl oder sympathischen Farbenwahl", welches ich in meiner „Natürlichen Schöpfungsgeschichte" (VII. Aufl. S. 235) erläutert habe. Je weniger die bestimmende Färbung eines Thieres von derjenigen seiner Umgebung abweicht, deste weniger wird es von seinen Feinden bemerkt, desto leichter kann es sich unbemerkt seiner Beute nähern, desto mehr ist es mithin geschützt und im „Kampfe um´s Dasein" begünstigt. Die natürliche Züchtung wird mithin die Uebereinstimmung in der verherrschenden Färbung der Thiere und ihrer Umgebung beständig verstärken, weil sie den ersteren vortheilhaft ist. Die grünen Korallenbänke von Ceylon mit ihren vorwiegend grünen Bewohnern sind für diese Theorie eben so lehrreich, als die grünen Landthiere, welche die immergrünen Walddickichte der Insel beleben. Was aber die Reinheit und Pracht der grünen Farbe betrifft, so werden die letzteren von den ersteren sogar übertroffen.

Man würde indessen irren, wenn man aus diesem überwiegenden Grün auf eine ermüdende Monotonie des Colorits schließen wollte. Vielmehr wird man nicht satt, dasselbe zu bewundern, weil einerseits die mannigfaltigsten und schönsten Abstufungen und Modificationen darin zu verfolgen sind, und weil andererseits allenthalben lebhaft und buntgefärbte Gestalten darin zerstreut sind. Wie die prächtigen rothen, gelben, violetten und blauen Farben vieler Vögel und Insecten im dunkelgrünen Walde von Ceylon doppelt schön erscheinen, so auch die gleichen lebhaften Farben vieler Seethiere auf den Korallenbänken. Ganz besonders zeichnen sich durch solche Prachtfarben, verbunden mit zierlichster und höchst sonderbarer Zeichnung, viele kleine Fischchen und Krebschen aus, die zwischen dem Astwerk der vielverzweigten Korallenbäume ihre Nahrung suchen. Aber auch einzelne stattliche Korallen sind recht bunt und auffallend gefärbt, so z. B. viele Pocilloporen rosenroth, viele Sternkorallen roth und gelb, viele Heteroporen und Madreporen violett und braun u. s. w. Leider sind nur diese herrlichen Farben meistens sehr vergänglich und verschwinden bald, nachdem man die Korallen aus dem Wasser herausgenommen hat, oft schon bei bloßer Berührung. Die empfindlichen Thiere, die mit ausgebreitetem Fühlerkranze im schönsten Farbenglanze prangen, ziehen sich dann plötzlich zusammen und werden unansehnlich, trübe oder farblos.

Wenn nun schon die Farbenpracht der Korallenbänke und ihrer bunten Bewohner das Auge entzückt, so wird dasselbe doch noch weit mehr gefesselt durch die Schönheit und Mannigfaltigkeit der Formen, welche diese Thiere entfalten. Wie die strahlige Gestalt der einzelnen Korallenperson einer regelmäßigen Blume gleicht, so ahmt die zusammengesetzte Form der verästelten Stöcke diejenige der verzweigten Pflanzen, der Bäume und Sträucher nach. Wurden ja doch eben deshalb die Korallen früher allgemein für wirkliche Pflanzen gehalten, und es dauerte lange, ehe man sich von ihrer wahren Thiernatur überzeugte.

Einen entzückenden und wirklich märchenhaften Anblick gewähren diese vielgestaltigen Korallengärten, wenn man bei ruhiger See während der Ebbe im Boote über dieselben hinfährt. In der unmittelbaren Umgebung des Forts von Galla ist der Meeresboden von so geringer Tiefe, daß man dann selbst der Spitzen der steinharten Thiergebilde mit dem Kiel des Bootes streift, und durch das krystallklare Wasser hindurch selbst von oben, von den Wällen Forts, die einzelnen Korallenbäumchen unterscheidet. Eine Fülle der schönsten und merkwürdigsten Gestalten ist hier auf so engem Raume vereinigt, daß ich im Laufe von wenigen Tagen eine prächtige Sammlung zu Stande bringen konnte.

Der Garten von Mr. Scott, in welchem mein gütiger Gastfreund mir dieselben zum Trocknen aufzustellen gestattete, bot in diesen Tagen einen wunderbaren Anblick. Die herrlichen Tropengewächse desselben schienen mit den fremden Seebewohnern, die sich zwischen sie gedrängt hatten, um den Presi der Schönheit und Farbenpracht zu streiten, und der glückliche Naturforscher, der trunkenen Auges zwischen ihnen auf- und abwanderte, mußte zweifelhaft bleiben, ob er der Fauna oder der Flora den ersten Preis der Schönheit zuerkennen solle. Die Korallenthiere des Meeres ahmten hier in wunderbarer Mannigfaltigkeit die Formen der schönsten Pflanzengebilde nach; und die Orchideen und Gewürzlilien des Gartens spiegelten umgekehrt die Gestalten der Insecten vor. Die beiden großen Reiche der organischen Welt schienen hier ihre Gestalten auszutauschen.

Die Mehrzahl der Korallen, welche in in Galla und später in Belligemma sammelte, verschaffte ich mir mit Hilfe von  T a u c h e r n . Ich fand dieselben hier eben so geschickt und ausdauernd, wie vor neun Jahren die arabischen Taucher in Tur. Mit einem starken Stemmeisen bewaffnet, lösten sie die Kalkgerüste selbst größerer Korallenstöcke unten, wo sie auf dem Felsboden befestigt saßen, ab und hoben sie mit großer Geschicklichkeit zum Boote empor. Manche derselben wogen 50-80 Pfund und es kostete keine geringe Mühe und Sorgfalt, sie unversehrt in das Boot zu heben. Einige Korallenstöcke sind so zerbrechlich, daß sie beim Herausnehmen aus dem Wasser durch ihr eigenes Gewicht zusammenbrechen, und so ist es leider gerade bei manchen der zierlichsten Formen unmöglich, sie unbeschädigt nach Hause zu transportiren. Das gilt z. B. von gewissen zarten Turbinarien, deren blattförmige Stöcke in Gestalt einer kegelförmigen Tüte aufgerollt sind, und von den vielzackigen Heteroporen, welche einem colossalen Hirschgeweihe mit hundert Aesten gleichen.

Die volle Schönheit der Korallenbänke erblickt man übrigens nicht bei der Ansicht von oben, auch wenn man in seichtem Wasser bei Ebbe unmittelbar über dieselben hinfährt und ihre Spitzen mit dem Boote berührt. Vielmehr ist es dazu erforderlich, selbst in das flüssige Element hinabzutauchen. In Ermangelung einer Taucherglocke versuchte ich schwimmend den Grund zu gewinnen und die Augen unter Wasser offen halten; bei einiger Uebung gelingt das leicht. Ganz wunderbar erscheint dann der mystische grüne Schimmer, der über dieser ganzen unterseeischen Welt ausgebreitet liegt. Das entzückte Auge wird durch die merkwürdigsten Lichteffecte überrascht, ganz verschieden von denjenigen der gewohnten Oberwelt mit ihrem „rosigen Licht". Und doppelt seltsam und interessant erscheinen da unten die Formen und Bewegungen all´ der tausend verschiedenen Thiere, von denen es in den Korallengärten wimmelt. Der Taucher befindet sich in der That in einer neuen Welt. Gibt es doch eine ganze Anzahl von merkwürdigen Fischen, Krebsen, Schnecken, Muscheln, Sternthieren, Würmern u. s. w., deren Nahrung ausschließlich aus dem Fleische der Korallenthiere besteht, auf welchen sie ihre ständige Wohnung haben; und gerade diese Korallenesser - die man eigentlich als „Parasiten" bezeichnen kann - haben durch Anpassung an ihre absonderliche Lebensweise die wunderlichsten Formen erworben; sie sind namentlich mit Schutz- und Trutzwaffen von der seltsamsten Gestalt ausgerüstet.

Wie aber der Naturforscher in den Tropen „nicht ungestraft unter Palmen wandelt", so schwimmt er auch nicht ungeahndet unter Korallenbänken. Die Oceaniden, unter deren Hut diese kühlen Zaubergärten des Meeres stehen, bedrohen den fremden Eindringling mit tausend Gefahren. Die Feuerkorallen (Millepora) ebensowohl als die zwischen ihnen schwimmenden Medusen brennen bei der Berührung gleich den schlimmsten Brennnesseln. Der Stich der Flossenstacheln von manchen Panzerfischen (Synanceia) ist ebenso schmerzhaft und gefährlich als derjenige des Scorpions. Viele Krabben kneipen mit ihren mächtigen Scheeren auf das Empfindlichste. Schwarze Seeigel (Diadema) bohren ihre fußlangen Stacheln, die mit feinen Widerhaken besetzt sind, in das Fleisch des Fußes, wo sie abbrechen und stecken bleiben; sie verursachen gefährliche Wunden. Aber am schlimmsten wird die Haut beim Fange der Korallen selbst zugerichtet. Die tausend harten Stacheln und Kanten, mit welchen ihr Kalkgerüsst bewaffnet ist, verursachen beim Versuche, sie abzulösen und in das Boot zu schleppen, unzählige kleine Wunden. In meinem ganzen Leben habe ich keine so zerfetzte und geschundene Haut gehabt, wie nach mehrtägigem Tauchen und Korallenfischen in Punto-Galla. Noch mehrere Wochen nachher hatte ich an den Folgen zu leiden. Aber was sind diese vorübergehenden Leiden für den Naturforscher im Verhältniß zu den märchenhaften Anschauungen und Naturgenüssen, mit denen ihn der Besuch dieser wunderbaren Korallenbänke für sein ganzes Leben bereichert!

X. Belligemma.

 B e l l a   g e m m a ! „Schöner Edelstein"! Wie oft gedenke ich dein! Wie oft schon taucht jetzt schon, wenige Monate nachdem ich von dir scheiden mußte, dein unvergeßliches Bild vor mir auf und zaubert mir eine Fülle der schönsten Erinnerungen vor! Wie herrlich wird dieses Bild mir erst später, in wachsendem Reize erscheinen, wenn der blaue Duft der geheimnißvollen Ferne mehr und mehr sich über deine lieblichen Formen legt. Fürwahr, wenn man Ceylon das Diadem von Indien nennt, dann darfst du als einer der schönsten Edelsteine in diesem Diademe gepriesen werden: Bella gemma della Taprobane!

Der geneigte Leser wird mir hoffentlich verzeihen, wenn ich hier gleich das Geständniß einschalte, daß der Name  B e l l i g e m m  a  eigentlich anders geschrieben wird und etwas ganz Anderes bedeutet als „Bella gemma". Der singhalesische Name des Dorfes heißt ursprünglich  W e l i g a m a  und bedeutet: Sanddorf (Weli = Sand, Gama = Dorf). Allein die Engländer sprechen den Namen beständig „Belligemm" aus und so brauchen wir bloß ein a an die Stelle des i zu setzen, um zu dem italienischen Worte zu gelangen, das die seltene Schönheit des Ortes treffend bezeichnet. In meiner Erinnerung wenigstens bleibt das Bild von „Bella-Gemma" immer mit der Vorstellung eines auserlesenen Edelsteins von Naturpracht verknüpft; während der sandige Strand, der „Weligama" seinen Namen gegeben hat, ganz darin zurücktritt.

Natürlich hatte ich in Punto-Galla und Colombo mich möglichst gut über die Verhältnisse von Belligemma zu unterreichten gesucht, nachdem ich einmal den Entschluß gefaßt hatte, dort für ein paar Monate mein zoologisches Laboratorium aufzuschlagen. Allein trotz vielen Umherfragens hatte ich nicht viel mehr erfahren, als daß die Lage des Dorfes mitten im Cocoswalde sehr schön, das geschützte Hafenbecken reich an Korallen und das Regierungs-Rasthaus leidlich gut sei; in negativer Hinsicht wurde mir mitgetheilt, daß weder irgend ein Europäer, noch irgend eine Spur von europäischen Comfort und gewohnter Civilisation daselbst existire. Alles das hatte, wie ich bald erfuhr, seine Richtigkeit. Jedenfalls schwebte also über meiner nächsten Zukunft der mystische Schleier des Abenteuerlichen und Seltsamen; und ich bekenne, daß ich nicht ohne ein gewisses unheimliches Gefühl der Unsicherheit und der völligen Isolirung am 12. December in Punto-Galla der europäischen Cultur Valet sagte. Ich hatte schon in Colombo und noch mehr in Kandy erfahren, wie merkwürdig nahe auf Ceylon die unberührte Ur-Natur der europäischen Firniß-Cultur auf den Leib rückt, und wie die Distanz weniger Meilen den dichten Urwald von der bevölkerten Stadt trennt. Hier im südlichsten Theile der Insel konnte ich das noch in erhöhtem Maße erwarten. Meine ganz Hoffnung beruhte also einerseits auf der Wirksamkeit der officiellen Regierungs-Empfehlung, andererseits auf meinem erprobten Reiseglück, das mich bei derlei abenteuerlichen Wagnissen noch niemals im Stiche gelassen hatte.

So bestieg ich denn voll hochgespannter Erwartung am Morgen des 12. December in Galla den leichten Wagen, der mich längs der Südküste nach Belligemma bringen sollte. Es war Morgens 5 Uhr und also noch ganz dunkel, als ich das Fort verließ und durch die Pettah längs des Hafens nach Süden fuhr. Sanft schlafend lagen die Singhalesen, in weiße Baumwolltücher gehüllt, auf den Palmenmatten vor ihren dunkeln Hütten. Kein Laut war zu hören. Die tiefste Stille und Einsamkeit lagerte über der schönen Landschaft. Diese verwandelte sich aber mir einem Schlage, als der Zauberstab der aufgehenden Sonne sie plötzlich berührte. Ihre ersten blinkenden Strahlen weckten Leben und Bewegung in dem schlafenden Palmenwald. Einzelne Vögel ließen ihre Stimme in den Gipfeln der Bäume ertönen; die niedlichen Palmen-Eichhörnchen verließen ihr Nest und begannen ihre Morgenpromenade an den Cocosstämmen auf- und abwärts, und die träge „Cabragoya", die grüne Rieseneidechse (Hydrosaurus) streckte am Rande der Wassergräben ihre faulen Glieder. In den Gärten draußen, entfernter von der Stadt, sprangen muntere Affen auf den Fruchtbäumen umher, von denen sie sich soeben ihr Frühstück gestohlen hatten. Nun fingen auch die Singhalesen an munter zu werden und ganze Familien nahmen ihr Morgenbad ungenirt an der offenen Landstraße

Zu den fremdartigsten Eindrücken, welche den Europäer in der Mitte der Tropenzone, so nahe dem Aequator, überraschen, gehört der Mangel der Dämmerung, jener duftigen Uebergangsperiode zwischen Tag und Nacht, die in unserer Naturanschauung und Poesie eine so große Rolle spielt. Kaum ist Abends die strahlende Sonne, die noch soeben die ganze Landschaft vergoldet hatte, in den blauen Ocean gesunken, so breitet auch schon die schwarze Nacht ihre sanften Fittiche über Land und Meer; und ebenso plötzlich weicht die letztere Morgens wieder dem anbrechenden Tage. Aurora, die rosenfingerige Eos, hat hier ihre Herrschaft verloren. Um so größer erscheint freilich auch der Glanz des jungen Tages und um so prachtvoller das frische Morgenlicht, welches tausendfach gebrochen zwischen den feinen Fiedern der Palmwedel glitzert. Die zahllosen Tautropfen und die glatten Flächen der breiten frischgrünen Bananen- und Pothosblätter werfen das Licht gleich tausend Spiegeln zurück. Der sanfte Morgenwind vom Meere her setzt die zierlichen Formen in lebendige Bewegung und bringt zugleich erfrischende Kühle. Alles athmet ein frisches und junges Leben voll Glanz und Pracht.

Die fünfzehn Meilen guten Weges zwischen Punto-Galla und Belligemma zeigen ganz denselben Charakter, der früher von der Galla-Colombo-Straße geschildert wurde; sie bilden die directe südliche Fortsetzung dieser herrlichen Küstenstraße. Nur erscheint hier, weiter gen Süden, der prachtvolle Cocoswald womöglich noch glänzender und reicher als dort; insbesondere bilden zahlreiche Schlingpflanzen zwischen den Palmensäulen reizende Guirlanden, und die Bananengruppen, die Papaya- und Brodfruchtbäume rings um die Hütten, die zierlichen Manihot- und Yamsstauden an deren Verzäunung, die riesenblättrigen Caladien und Colocasien am Wege erschienen mir großartiger und kräftiger als je vorher. Dabei wird der Cocoswald häufig durch kleine Weiher belebt, die mit Lotosblumen und anderen Wasserpflanzen bedeckt sind; und dann wieder von reizenden Bächen durchflossen, deren Ränder dicht mit den zierlichsten Farnen geschmückt sind. Dannkommen dazwischen felsige Hügel, mit Schraubenpalmen oder duftigen Pandangs bedeckt; und damit wechselnd lachender Sandstrand voll der schönsten rothen Windlinge, weißer Lilien und anderer prächtiger Blumen.An den Mündungen der kleinen Küstenflüsse, die unsere Straße überschreitet, erscheinen wiederum die herrlichen Bambusen und die dunkeln Mangroven; auch die seltsame stammlose Nivapalme ragt mit ihren zierlichen Fiederkämmen aus dem Wasser.

Sie wird das Auge nicht müde, an den schönsten Gestalten der Tropenflora sich zu weiden, und ich bedauerte es fast, als nach mehreren Stunden schneller Fahrt mein schwarzer Tamil-Kutscher auf ein entferntes, im Bogen vorspringendes Felsenvorgebirge hinwies, mit den Worten: „Dahinter Weligama." Bald wurden die zerstreuten Hütten am Wege zahlreicher und gruppirten sich zu einer Dorfstraße; beiderseits frischgrüne Reisfelder, vom schönsten Walde unterbrochen. Die Steine der Mauern bestanden großentheils aus prächtigen Korallenblöcken. An einer Biegung des Weges erschien links auf der Anhöhe ein stattlicher Buddha-Tempel, mit Namen: Agrabuddha-Ganni, seit alten Zeiten ein berühmter Wallfahrtsort. Gleich darauf zeigte sich zur Rechten des Weges, von Kittulpalmen überschattet, die colossale, in dem schwarzen Felsen ausgemeißelte Reliefstatue eines altberühmten Königs, Cutta Raja. Sein gewaltiger Leib ist mit einem Schuppenpanzer bedeckt und mit einer Mitra gekrönt. Er wird in alten Chroniken nicht nur als Eroberer, sondern auch als Wohlthäter der Insel gepriesen: namentlich soll er zuerst den Gebraucht der Cocosnuß eingeführt haben. Bald darauf fuhren wir durch einen kleinen Bazar und nach wenigen Schritten hielt mein Wagen vor dem spannungsvoll erwarteten Rasthaus von Belligemma.

Eine dichte braune Volksmenge stand voller Neugierde vor dem Thore, welches die Umzäunung des Rasthausgartens schließt, versammelt. Unter ihnen bemerkte ich eine Gruppe von vornehmen Eingeborenen im höchsten Staate. Der Präsident der Südprovinz (- oder der „Governments-Agent", wie sein bescheidener Titel lautet -) hatte dem Befehle des Gouverneurs zufolge dem Gemeindevorstand des Dorfes meine bevorstehende Ankunft angezeigt, ihn angewiesen, mich bestens zu empfangen und mir in jeder Weise behilflich zu sein. Der erste Häuptling oder der „Mudlyar", ein stattlicher Mann von etwa 60 Jahren, mit gutmütigem, freundlichen Mienen und starkem Backenbarte, trat auf mich zu und begrüßte mich mit einer feierlichen Anrede in gebrochenem Englisch; er versicherte mir in höflichster und würdigster Form, daß sein ganzer „Korle" oder Dorfbezirk sich durch meinen Besuch hochgeehrte fühle und daß die 4000 braunen Bewohner desselben sich bemühen würden, mir den Aufenthalt recht angenehm zu machen; er selbst sei jeder Zeit zu meinem Dienste bereit. Ein kräftiger Pauken- und Trommeltusch, ausgeführt, von mehreren im Hintergrunde kauernden Tam-Tam- Schlägern, bekräftige am Schlusse der feierlichen Empfangsrede deren officielle Bedeutung.

Nachdem ich geantwortet und gedankt hatte, folgte die Vorstellung der Honorationen, welche das feierliche Gefolge des Mudlyar bildeten: des zweiten Häuptlings (Aretschi), des Zolleinnehmers oder Collectors und des Doctors; an diese wichtigen Regierungsbeamten schlossen sich dann noch mehrere der angesehensten Einwohner des Dorfes an, Alle in liebenswürdigster Weise mich ihres guten Willens und ihrer hilfsbereiten Unterstützung versichernd. Ein Trommeltusch der Tam-Tam-Schläger am Schlusse jeder Rede diente dazu, ihre schönen Versprechungen zu besiegeln. Der Doctor und der Collector, die beide geläufig Englisch sprachen, dienten mir als Dolmetscher zum Verständniß der singhalesischen Reden. Die umgebende Volksmasse hörte mit stiller Spannung zu und musterte meine Person und meine Reiseeffecten mit größtem Interesse.

Die ganze Empfangsfeierlichkeit war um so seltsamer, als die Tracht der meisten Standesbeamten von Belligemma ein komisches Gemisch von europäischem und singhalesischem Costüm zeigte; das erstere für die obere, das letztere für die untere Hälfte des Körpers bestimmt. Fangen wir von oben an, so erfreut unser Auge zunächst ein hoher englischer Cylinderhut, unter allen Kopfbedeckungen unzweifelhaft die häßlichste und unpraktischste. Da die Singhalesen aber sehen, daß bei allen feierlichen Gelegenheiten die Europäer dieses Cylinder-Epithel als ein unentbehrliches Emblem des höheren Gentleman betrachten, und dasselbe selbst bei der größten Hitze nicht fehlen darf, so würden sie es für einen gewaltigen Etiquettefehler halten, auf diese sonderbare Zierde zu verzichten. Das gutmüthige braune Gesicht, welches dieser schmalkrämpige Schornstein nur wenig beschattet, wird von einem stattlichen schwarzen Backenbart eingerahmt; dieser ist am Kinn in der Mitte ausgeschnitten und beiderseits von mächtigen weißen, oben spitz vorspringenden „Vatermördern" überragt; darunter ein buntseidnes Halstuch in zierlicher Schleife. Endlich fehlt nicht der schwarze Frack mit schmalen Schößen, ebenso wenig wie die weiße Weste darunter, mit bunten Steinen und Goldschmuck verziert. Dagegen prangt nun an Stelle der Beinkleider die echt nationale Bedeckung der unteren Körperhälfte der Singhalesen, der rothe oder rothbunte Comboi - eine breite Schürze, die an den rothen Rock der deutschen Bauernmädchen erinnert. Die zierlichen kleinen Füße, die darunter hervorschauen, entbehren jeder Bedeckung oder sind nur durch Sandalen geschützt.

Nach dem ersten freundlichen Empfange, der alles Gute versprach, führte mich mein neuer Beschützer in feierlichem Zuge durch das Thor in den lieblichen, von einer niedrigen weißen Mauer umschlossenen Garten des Rasthauses. Der erste Anblick des letzteren übertraf meine Erwartungen: ein stattliches, einstöckiges, steinernes Gebäude, von einer Veranda umgeben, deren weiße Säulen ein weit vorspringendes Ziegeldach tragen. Der weite grüne Rasenplatz vor seiner breiten Ostfront ist in der Mitte mit einem prachtvollen Tiek-Baume geziert, dessen säulengleicher runder Stamm wohl 80-90 Fuß Höhe erreicht. Die kletterenden Leguminosen, die denselben umschlingen, lassen oben an den aufstrebenden Zweigen reizende Festons herabfallen. An der Südseite des Rasthauses weideten ein paar Kühe friedlich auf dem grünen Rasen, der hier von einem halben Dutzend der prachtvollsten Brodfruchtbäume überschattet ist; während der knorrige dicke Stamm der letzteren und die mächtige Krone mit ihren weithinragenden Aesten an die schönsten Prachtexemplare unserer deutschen Eichen erinnern, verleihen ihnen dagegen die colossalen, dunkel glänzenden und tief eingeschnittenen Blätter, sowie die gewaltigen hellgrünen Früchte, ein weit stolzeres und imposanteres Aussehen.

Zwischen den dunklen Kronen dieser herrlichen Artocarpus-Riesen öffnit sich die freundlichste Aussicht auf das sonnige, fast kreisrunde Hafenbecken von Belligemma, auf dem soeben zahlreiche Boote mit vollen Segeln vom Fischfange zurückkehren; das langgestreckte felsige Vorgebirge gegenüber, im Süden, ist theils mit Djungle, theils mit Cocoswald bedeckt; die Hütten des Fischerdorfes Mirissa schimmern von seinem weißen Strande herüber. Unmittelbar vor dem Rasthause aber, kaum zwei Minuten entfernt, liegt eine liebliche kleine Felseninsel,  G a n - D u v a , ganz mit den schönsten Cocospalmen geschmückt. Indem wir weiter um das Rasthaus herumgehen, treten wir in den Fruchtgarten voll lachender Bananen und Manihotstauden, der sich westwärts hinter demselben ausdehnt und an einen dicht bewaldeten Hügel anlehnt. Ein Nebengebäude an seinem Fuße enthält die Küche und einige Vorrathsräume, die mir für meine Sammlungen sehr zu Statten kamen. Der erwähnte Hügel erhebt sich an der Nordseite des Rasthausgartens zu einer steilen Lehne, über der sich der dichteste, von Affen und Papageien bevölkerte Waldpark ausdehnt, während ihre Gehänge mit dem üppigsten Buschwerk verziert und von einem Teppich dichter Kletterpflanzen überwuchert sind.

Von der reizenden Lage und der idyllischen Umgebung des Rasthauses gleich beim ersten Anblick entzückt, wollte ich voll Spannung über die breite Freitreppe an der Ostfront in das Innere eintreten. Da empfing mich unten an der Treppe mit einer neuen Begrüßungsrede (- halb Englisch, halb Pali -) der Verwalter meines neuen Wohnsitzes, der alte „Resthaus-Keeper". Beide Arme über der Brust gekreuzt, den braunen Oberkörper tief übergebeugt, fast knieend, näherte sich mir der würdige alte Greis mit der unterwürfigsten Miene und bat mich, mit dem einfachen Unterkommen in Belligemma fürlieb zu nehmen; was das Dorf von Reis und Curry, von Früchten und Fischen biete, das wolle er mir reichlichst spenden; an Cocosnüssen und Bananen sei kein Mangel. Im Uebrigen solle ich Alles erhalten, was überhaupt hier zu bekommen sei; und am bereitwilligsten Dienste solle es nicht fehlen. Diese und andere schöne Dinge versprach mir der alte Mann in wohlgefügter Rede, die sogar mit einigen philosophischen Sentenzen gewürzt war. Indem ich nun dabei in sein gutmüthiges breites Gesicht sah und unter den kleinen Augen die kurze, breite, aufgestülpte Nase betrachtete und unter den dicken Lippen den langen wirren Silberbart, file mir plötzlich die bekannte Büste des alten Sokrates ein, die in manchem Stück an einen Satyrkopf erinnert; und da ich den langen singhalesischen Namen meines philosophischen Wirthes nicht behalten konnte, nannte ich ihn schlechtweg  S o k r a t e s . Diese Umtaufung rechtfertigte sich später um so mehr, als der weise Alte in der That sich vielfach als Philosoph erwies; auch stand er mit der Reinlichkeit auf sehr gespanntem Fuße, was - wenn ich nicht irre - nicht minder bei seinem griechischen Vorbilde der Fall war. Nun schien es, als ob ich gleich beim Eintritte in mein idyllisches Heim die vertrauten Eindrücke des classischen Alterthums nicht los werden sollte. Denn als mich Sokrates über die Freitreppe in den offenen Mittelraum des Rasthauses hineinführte, stand da mit erhobenen Armen, in einer betenden Stellung, eine reizende, nackte, braune Figur, die nichts Anderes sein konnte, als die berühmte Statue des betenden Knaben, des „Adoranten". Wie erstaunte ich aber, als die zierliche Broncestatue plötzlich lebendig wurde, die Arme senkend vor mir niederkniete, die schwarzen Augen bittend zu mir aufschlug und dann stumm in demüthigster Weise das schöne Haupt neigte, so daß die langen schwarzen Locken auf den Boden herabfielen. Sokrates belehrte mich, daß dieser Knabe ein Pariah sei, ein Angehöriger der niedersten Kaste, der „Rodiah", der frühzeitig seine Eltern verloren, und dessen er sich daher aus Mitleid angenommen habe. Er sei ausschließlich für meinen persönlichen Dienst bestimmt, habe den ganzen Tag nur auf meine Wünsche zu achten, und sei ein guter Junge, der sicher seine Pflicht ordentlich üben werde. Auf die Frage, wie ich meinen neuen Leibpagen denn zu rufen habe, antwortete mir der Alte, daß er  G a m a m e d a  ; (oder „Mittendorf") heiße (Gama = Dorf, Meda = Mitte). Natürlich fiel mir dabei sofort  G a n y m e d e  s ein, denn einen edleren Körperbau, ein feineres Ebenmaß der zierlichen Glieder konnte der schöne Liebling des Zeus wohl nicht besessen haben. Da nun Gamameda gerade als Mundschenk eine vorzügliche Fertigkeit entwickelte, und es sich nicht nehmen ließ, mir jede Cocosnuß selbst zu öffnen, jedes Glas Palmenwein selbst einzuschenken, so war es gewiß nur gerechtfertigt, daß ich ihn Ganymedes nannte. Unter den vielen schönen Figuren, welche in meiner Erinnerung das Paradies von Ceylon beleben, ist Ganymedes mir eine der liebsten und werthesten geblieben. Denn nicht allein erfüllte er seine Dienstpflichten mit der größten Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit, sondern entwickelte auch bald eine besondere Anhänglichkeit und Diestwilligkeit für meine Person, die mich wahrhaft rührte. Der arme Junge war bisher, als unglückliches Glied der Rodiah-Kaste schon von Geburt an der tiefsten Verachtung seiner Landsleute geweiht, Gegenstand vielfacher Rohheiten und selbst Mißhandlungen gewesen; mit Ausnahme des alten Sokrates (- der ihn übrigens auch ziemlich barsch behandelte -) hatte sich vielleicht noch Niemand seiner angenommen. Es war daher offenbar für ihn ebenso überraschend als beglückend, daß ich ihm von Anfang an freundlich entgegenkam. Ganz besonders dankbar aber erwies er sich für folgenden kleinen Dienst. Wenige Tage vor meiner Ankunft hatte er sich einen Dorn tief in den Fuß gestochen; beim Herausziehen desselben war ein Stück abgebrochen und in der Wunde stecken geblieben. Ich entfernte denselben durch eine ziemlich mühsame Operation und behandelte die schmerzhafte Wunde mit Carbolsäure so glücklich, daß sie schon nach kurzer Zeit geheilt war. Seitdem folgte mir Ganymed wie mein Schatten und suchte mir alle Wünsche von den Augen abzusehen. Kaum hatte ich mich früh von meinem Lager erhoben, so stand er schen vor mir mit der frisch geöffneten Cocosnuß, aus der er mir den kühlen Labetrunk des Morgens kredenzte. Bei Tisch verwendete er kein Auge von meinen Bewegungen und wußte immer schon im Voraus, was ich begehrte. Beim Arbeiten putzte er meine Instrumente und die Gläser für das Mikroskop. Glücklich aber war Ganymed, wenn es hinaus in den Cocoswald oder an den Seestrand ging, zum Malen und Sammeln, Jagen und Fischen. Wenn ihm dann erlaubte, den Malkasten oder die photographische Camera zu tragen, das Jagdgewehr oder die Botanisirtrommel umzuhängen, dann schritt er mit strahlendem Antlitz hinter mir her, stolz herabblickend auf die verwunderten Singhalesen, die in ihm nur den unwürdigen Rodiah gesehen hatten und eine derartige Auszeichnung für unbegreiflich fanden. Besonders ärgerlich war darüber mein Dolmetscher, der neidische William; er suchte den guten Ganymed bei jeder Gelegenheit anzuschwärzen, überzeugte sich aber bald, daß ich meinem Liebling kein Leid anthun lasse. Viele hübsche und werthvolle Erwerbungen meiner Sammlung verdanke ich nur dem unermüdlichen Eifer und der Geschicklichkeit des letzteren. Mit dem scharfen Auge, der geschickten Hand und der flinken Behendigkeit der singhalesischen Kinder wußte er sich ebenso des fliegenden Schmetterlings wie des schwimmenden Fisches zu bemächtigen, und bewunderungswürdig war seine Gewandtheit, wenn er auf der Jagd katzengleich einen hohen Baum erkletterte oder in das dichte Djungle sprang, um die hineingefallene Jagdbeute herauszuholen. Die Rodiahkaste, zu welcher Gamameda gehörte, ist zwar rein singhalesischen Ursprungs, wird aber von allen allen Bewohnern der Insel (- trotzdem hier das Kastenwesen lange nicht so schroff als auf dem indischen Festlande entwickelt ist -) als eine sehr tief stehende verachtet, gleich den Pariah. Die Angehörigen derselben treiben meistens nur Gewerbe, welche als verächtlich gelten; dazu gehört sonderbarer Weise das Waschen. Kein Indier höherer Kaste wird mit einem Rodiah in nähere Gemeinschaft treten. Als ob aber die gütige Mutter Natur das schwere Unrecht, das so einem ihrer Kinder geschieht, wieder gut machen wollte, hat sie die armen verstoßenen Rodiah nicht allein mit der großen Glücksgabe der Zufriedenheit und Genügsamkeit ausgestattet, sondern ihnen auch das anmuthige Geschenk eines besonders schönen Körperbaues verliehen; und da sie nur die nothdürftigste Kleidung tragen, hat man stets Gelegenheit, denselben zu bewundern. Sowohl die Knaben und die Jünglinge als auch die jungen Mädchen sind durchschnittlich von stattlicherem Wuchs und edlerer Gesichtsbildung, als die übrigen Singhalesen; vielleicht ist es gerade dieser Umstand, der den Neid und Haß der letzteren erregt.

Im Allgemeinen ist auf Ceylon überhaupt das starke Geschlecht zugleich das schöne; und ganz besonders zeichnen sich Knaben durch einen gewissen schwärmerischen Ausdruck der edlen arischen Gesichtszüge aus. Vorzüglich spricht sich dieser in dem feingeschnittenen Munde und in dem tiefdunklen, seelenvollen Auge aus, welches mehr verspricht, als das Gehirn hält; dazu ist das schöne Oval des Gesichts von einer dichten Fülle langer rabenschwarzer Locken eingerahmt. Da die Kinder beiderlei Geschlechts (wenigstens auf den Dörfern) bis zum achten oder neunten Jahre ganz nackt gehen oder nur einen schmalen Lendenschurz tragen, so bilden sie die passendste Staffage zu der paradiesischen Landschaft; oft meint man lebendige griechische Statuen vor sich zu haben. Ransonnet hat auf Taf. IV seines Werkes über Ceylon in der Abbildung eines vierzehnjährigen Knaben Siniapu jene charakteristischen Züge sehr gut wiedergegeben. Diesem ganz ähnlich war auch Gamameda, nur hatten seine Züge noch etwas Weicheres und Mädchenhafteres, erinnernd an Mignon.

Im Alter verliert sich der Reiz jener milden und anmuthigen Gesichtsbildung ganz, besonders beim weiblichen Geschlecht, und es tritt eine gewisse Härte oder Stumpfheit und Ausdruckslosigkeit an deren Stelle. Oft springen auch die Knochentheile des Gesichts dann sehr unangenehm hervor. Ein auffallendes Beispiel solcher Häßlichkeit bot der alte  B a b u a , die dritte Persönlichkeit, die sich mir im Rasthause vorstellte, und zwar als dessen Koch. Der hagere Alte mit seinen dürren Gliedern entsprach keineswegs dem behaglichen Bilde, welches wir uns gewöhnlich von einem wohlbeleibten Koch machen; vielmehr erinnerte er an die vierhändigen Vorfahren des Menschengeschlechts; und wenn er den breiten Mund seines hageren, dunkel broncegelben Gesichts zu einem grinsenden Lächeln verzog, bekam er viel Aehnlichkeit mi tienem alten Pavian. Es war daher ein komischer Zufall, daß der Name Babuin in der That der systematische Name einer broncefarbigen Pavianart ist (Cynocephalus Babuin). Im Uebrigen war der alte „Hundskopf" mit sinem mächtigen Unterkiefer und der niedrigen Stirn (- vielleicht mit einem Antheil Negerbluts in seinen Adern -) ein sehr harmloser und gutmüthiger Gesell. Sein Ehrgeiz war befriedigt, wenn er mir zu dem tagtäglich zweimal aufgetragenen Reis irgend eine neue Curry-Art als Würze vorsetzte und ich dieselbe lobte. Etwas mehr Reinlichkeit in seiner primitiven Küche wäre freilich bei ihm ebenso wie bei Sokrates sehr erwünscht gewesen.

Zu diesen drei ständigen Bewohnern des Rasthauses kam nun noch als vierter dienstbarer Geist mein Dolmetscher, Namens  W i l l i a m . Ich haatte denselben (zunächst für einen Monat) in Punto-Galla engagirt. Meine englischen Freunde hatten mir dort zwar, der Landessitte entsprechend, gerathen, mehrere Diener für den Aufenthalt in Belligemma zu miethen: einen als Dolmetscher, einen zweiten als Jäger, einen dritten als Leibdiener u. s. w. Ich hatte aber schon zu viel von der Last und dem Aerger der vielen Diener in Indien kenne gelernt, um an dieser übertriebenen Arbeitstheilung Gefallen zu finden, und war daher froh, in William einen Mann zu treffen, der sich bereit erklärte, die Functionen des Dolmetschers, des Leibdieners und des Assistenten gemeinschaftlich auszuüben. Er war mehrere Jahre Soldat und Officiersbursche gewesen, besaß gute Zeugnisse darüber und war ein leidlich gewandter und gutwilliger Gehilfe. Als echter Vollblut-Singhalese hatte er allerdings eine ausgesprochene Scheu vor Arbeit im Allgemeinen, und vor harter Arbeit im Besonderen; auch hielt er es für zweckmäßig, für jede Arbeitsleistung so viel Zeit und so wenig Kraft als möglich aufzuwenden. Das Hauptinteresse des Tages concentrirte sich für ihn, wie für jeden singhalesischen Jüngling, in der kunstgerechten Herstellung seiner Frisur. Die langen schwarzen Haare zu waschen und kämmen, dann zu trocknen und mit Cocosöl zu salben, darauf in einen regelrechten Zopf aufzuwinden und diesen mit einem großen Schildpattkamm zu befestigen, das war für William das wichtige Drama in sechs Acten, zu dessen Aufführung er jedem Morgen mehrere Stunden brauchte. Um sich von dieser Anstrengung zu erholen, hatte er dann mehrere Stunden Ruhe nöthig. Seine Hauptaufgaben als Dolmetscher und als Wärter der Kleider und Wäsche erfüllte er mit großer Gewissenshaftigkeit; hingegen wies er mit großer Indignation jede Zumuthung anstrengender mechanischer Arbeit von sich, indem er würdevoll versicherte, daß er kein „Kuli" sei. Im Uebrigen besorgte er seine leichte Hausarbeit mit ziemlicher Geschicklichkeit und half namentlich gern beim Arbeiten mit dem Mikroskop.

Die schöne Leserin wird nun vermuthlich neugierig nach den weiblichen Bewohnern des Rasthauses von Belligemma fragen; ich muß aber bedauern, von diesen Nichts melden zu können, aus dem einfachen Grunde, weil keine vorhanden waren. Nicht allein die Köchin Babua und Zimmermädchen William, sondern auch die Waschfrau, die jede Woche meine Wäsche abholte, um sie auf Steinen im Flusse weiß zu klopfen, - sie alle waren männlichen Geschlechts, wie überhaupt fast alle Dienstboten in Indien. Auch sonst war in Weli-Gama vom schönen Geschlechte fast Nichts zu sehen; doch darüber später!

XI. Ein zoologisches Laboratorium in Ceylon.

Meine erste Aufgabe in Belligemma war nun, mit Hilfe meiner vier dienstbaren Geister mich in dem Rasthause, so gut es ging, häuslich einzurichten, und mein zoologisches Laboratorium aufzuschlagen. Das Haus enthielt nur drei geräumige Zimmer, von denen das mittlere, das „Dining Room", als Speise- und Conversation-Saal für alle etwaigen Gäste des Hauses (insbesondere auch für durchreisende Regierungsbeamte) diente; ein großer Eßtisch, zwei Bänke und mehrere Stühle bildeten seine Ausstattung. Zu beiden Seiten desselben war ein großes Fremdenzimmer mit einer gewaltigen indischen Bettstelle, in welcher der träumende Schläfer sich bequem rings um seine Achse drehen konnte, ohne mit den Fußspitzen den Rand zu berühren. Ein großes, darüber ausgebreitetes Mosquitonetz mochte früher wohl gute Dienste geleistet haben, war aber jetzt nur noch als Idee vorhanden; ebenso befand sich auch die Matratze in einem Zustande, welcher es mir räthlich erscheinen ließ, auf deren Gebrauch zu verzichten, und mich nach Art der Eingeborenen mit ein Palmenmatte zu begnügen. Außer der gewaltigen Bettstatt befinden sich in jedem der beiden Zimmer noch ein kleiner Tisch mit Waschgeräth und ein paar Stühle. Die großen Fenster in den weißen Wänden waren, wie allenthalben, ohne Glasscheiben, dagegen durch grüne hölzerne Jalousien verschließbar. Der Boden war mit Steinfliesen belegt. Das hellere, nach Süden gelegene Zimmer, welches ich zu meinem Gebrauch wählte, gewährte durch eine, nach Süden auf die Veranda geöffnete Thür einen prächtigen Blick auf das reizende Hafenbecken. Ich hätte sehr gerne diesen Raum bloß zum Arbeiten benutzt und zum zoologischen Laboratorium eingerichtet, dagegen das andere, nördlich gelegene Zimmer zum Wohn- und Schlafzimmer. Allein dieses mußte für den Gebrauch durchreisender Fremden reserviert bleiben.

Angesichts der primitiven Einfachheit des Ameublements mußte es natürlich meine erste Sorge sein, mir dasjenige Hausgeräth anzuschaffen, ohne welches an Arbeiten in diesen großen leeren Räumen überhaupt nicht zu denken war, vor Allem große Tische und Bänke, sodann womöglich Commoden und Schränke. Aber das hatte freilich seine großen Schwierigkeiten, und obgleich meine neuen Freunde mit dabei nach Kräften unterstützten, ließ das fertige Laboratorium doch mancherlei zu wünschen übrig. Der erste Häuptling versorgte mich mit Brettern, welche ich über meine entleerten Kisten legte, auf diese Weise Bänke Aufstellung der Gläser herrichtend. Vom zweiten Häuptling erhielt ich zwei große alte Tische. Der Steuereinnehmer (der überhaupt sehr gefällig und gebildet war) lieh mir ein paar kleine verschließbare Schränke oder Almeiras, in denen ich meine kostbaren Instrumente, die Chemikalien und Gifte einschließen konnte. Der Schulmeister versah mich mit einen kleinen Büchergestell; und so brachten die guten Leute mir noch mancherlei kleines Hausgeräth, mit dem ich mein Laboratorium leidlich ausstatten konnte. Die Gegenleistung für diese kleinen Gefälligkeiten bestand zunächst nur in der Befriedigung ihrer Neugierde; aber freilich nahm diese leider bald Dimensionen an, die mir höchst lästig wurden und einen großen Theil meiner kostbaren Arbeitszeit raubten.

Abgesehen von den angeführten nothwendigsten Mobilien (- die für die miesten Singhalesen bereits überflüssige Luxusartikel sind -), war übrigens für meine sonstige Ausstattung in Belligemma so gut wie Nichts zu bekommen, und war daher ein wahres Glück, daß ich mir alle Erfordernisse meienr häuslichen Einrichtung und meiner zoologischen Arbeitszwecke von Europa mitgebracht hatte. Es existirte zwar im Dorfe ein sogenannter Zimmermann und eine Art Schlosser, deren Unterstützung ich öfter gut hätte brauchen können. Allein die primitive Beschaffenheit ihers Handwerkszeuges bezeugte genügend den Grad ihrer Kunstferigkeit; nicht minder als ihre staunende Bewunderung der einfachen Geräthe, die ich selbst bei mir führte. Auch stellte sich bald heraus, daß ich eigentlich Alles selbst thun mußte; denn sobald ich einmal einen solchen singhalesichen Handwerker zu Hilfe genommen hatte, war nach vollbrachter Arbeit in der Regel meine erste Aufgabe, dieselbe von vorn anzufangen. Für Reparaturen an Instrumenten u. s. w., deren leider bald viele nöthig wurden, war natürlich an Hilfe von solchen Leuten nicht zu denken. Trotz dieser Hindernisse gelang es mir doch, in wenigen Tagen mein Zimmer in ein leidlich gutes Laboratorium, entsprechend den Bedürfnissen unserer heutigen marinen Zoologie zu verwandeln. Mikroskope und anatomische Instrumente waren aufgestellt, ein Dutzend großer und ein paar hundert kleiner Gläser uaf Gestellen vertheilt, der mitgebrachte Alkohol in Flaschen gefüllt und mit Terpentinöl und Thymol versetzt, um ihn vor etwaigen Trinkgelüsten meiner Diener zu bewahren. Einer der beiden Schränke enthielt meine gut ausgestattete Hausapotheke, sowie die Patronen, Munitionskasten und die Hexenküche, welche aus den verschiedenen mikro-chemischen und photographischen Utensilien bestand, aus den Giften zum Präparieren und Conserviren der Thiere u. s. w. Im anderen Schranke ware die sämmtlichen Bücher und Papiersachen, sowie die Utensilien zum Zeichnen, zum Aquarell- und Oelmalen untergebracht, ferner eine Anzahl zerbrechlicher und delicater Instrumente. Die Füße dieser beiden Schränke, sowie die Füße der Tische standen in wassergefüllten Thonschalen (ähnlich unseren Blumenuntersetzern), um sie vor den Angriffen der Alles zerstörenden Termiten und Ameisen zu schützen. In einer Ecke des Zimmers standen die Netze und Fischereigeräthe, in der anderen die Gewehre, die Jagdutensilien und die Botanisirtrommeln; in der dritten die Löthapparate und Blechkisten; die vierte Ecke nahm die riesige Bettstelle ein, welche tagsüber als Präpariertisch fungierte. An den Wänden ringsum standen ein paar Dutzend leerer Kisten zur Aufnahme der Sammlungen, sowie die Blechkoffer, welche Kleider und Wäsche enthielten. Darüber waren Nägel eingeschlagen, um Barometer, Thermometer, Waagen und eine Menge verschiedener Dinge zum alltäglichen Gebrauche aufzuhängen. So sah es denn schon nach ein paar Tagen im Rasthause zu Belligemma fast so aus, wie in den marinen Laboratorien, die ich mir für einen halbjährigen Winteraufenthalt vor 22 Jahren in Messina und ebenso vor 15 Jahren auf der canarischen Insel Lanzarote eingerichtet hatte; nur mit den Unterschiede, daß meine zoologische und künstlerische Ausstattung diesmal weit vollständiger und vielseitiger war; freilich war dafür andererseits der Comfort der Hauswirthschaft hier viel einfacher und primitiver. Indessen tröstete mich für mancherlei Mängel der Gedanke, daß ich kaum sechs Breitengrade vom Aequator entfernt war und daß jedenfalls noch niemals zuvor in Ceylon ein so gut ausgerüstetes Laboratorium für marine Zoologie bestanden hatte. Um so größer war zugleich die Spannung, mit der ich nun an die Arbeit ging.

Die Schwierigkeiten, auf welche derartige Arbeiten, und ganz besonders die subtilen Untersuchungen über Körperbau und Entwickelung der niederen Seethiere, in der Tropenzone stoßen, sind von allen Naturforschern, die dergleichen in den letzten Decennien versuchten, lebhaft empfunden und beklagt worden. Ich war daher von vornherein darauf gefaßt, mußte aber bald erfahren, daß sie hier in Ceylon größer und mannigfaltiger seien, als ich gedacht hatte. Nicht allein das übermäßig heiße und und feuchte Klima mit allen seinen verderblichen Einflüssen, sondern auch das Leben innerhalb eines uncultivirten Dorfes unter einer halbwilden Bevölkerung, sowie der Mangel an vielen gewohnten Hilfsmitteln der Civilisation bereitete den beabsichtigten Untersuchungen und Sammlungen tausend Hindernisse. Seufzend dachte ich oft an die vielen Bequemlichkeiten und Vortheile, die ich auf meinen zahlreichen zoologischen Reisen an die Mittelmeerküste stets genossen hatte und die ich hier schmerzlich entbehrte. Eine der größten Schwierigkeiten bereitete schon von vornherein die Beschaffung eines brauchbaren Bootes zum Fischen, sowie anstelliger Fischer und Bootsleute. Es sind nämlich in Belligemma, wie überall an der Küste von Ceylon (- mit einziger Ausnahme der Hauptstädte -), ausschließlich die sonderbaren  A u s l e g e r -  K a n o e s  in Gebrauch, von denen ich früher (bei der Ankunft in Colombo) gesprochen habe. Wie früher erwähnt, sind dieselben bei 20-25 Fuß Länge so schmal (kaum 1 1/2 Fuß breit), daß keine erwachsene Person darin beide Beine nebeneinander stellen kann. Man sitzt also in einem Boote eingeklemmt fest, und mein Freund, Professor H. Vogel in Berlin, der sie hier ebenfalls früher benutzte, hat sie in seiner anziehenden Reisebeschreibung sehr treffend als „Wadenquetscher" bezeichnet. Von Arbeiten in einem solchen ausgehöhlten Baumstamme, oder gar von Hin- und Hergehen in demselben, sowie von den freien Bewegungen, die zum Dredschen, zum Hantiren mit dem Schleppnetze erforderlich sind, kann demnach gar keine Rede sein; ich mußte auf letzteres zunächst überhaupt verzichten. Einen anderen Uebelstand dieser Canoes bilden die beiden charakteristischen „Ausleger", die zwei parallelen Stämme oder Bambusstäbe, welche von einer Seite desselben rechtwinklig abgehen und an ihren Außenenden durch einen stärkeren (dem Boote parallel laufenden) Stamm verbunden sind; der letztere, 8-10 Fuß abstehend, schwimmt flach auf dem Wasserspiegel und verhindert das Umschlagen des schmalen und hohen Canoes. Dasselbe gewinnt dadurch einen hohen Grad von Sicherheit, aber freilich auch zugleich von Schwerfälligkeit. Denn man kann immer nur mit einer Flanke des Bootes sich der Küste oder einen anderen Gegenstande nähern und das Wenden dauert lange. Ein eigentliches Steuer fehlt ganz; dasselbe wird durch ein gewöhnliches Ruder ersetzt, welches abwechselnd von beiden (ganz gleich gebauten und spitzauslaufenden) Enden des Canoe´s zum Steuern benutzt wird. Die kleinen Boote werden von zwei, die größeren von vier oder sechs Ruderern in Bewegung gesetzt. Außerdem ist aber auch ein niedriger Mast mit einen großen viereckigen Segel vorhanden. Letzteres leistet bei gutem Winde vorzügliche Dienste; das leichte Canoe, dessen schmaler Boden dem Wasser bei seinem geringem Tiefgange nur sehr wenig Widerstand bietet, gleitet dann pfeilschnell über den Meeresspiegel fort. Ich habe öfter darin 10-12 Seemeilen in der Stunde gemacht, wie in einem rasch fahrenden Dampfschiffe. Drückt der Wind allzu stark auf das Segel, so daß das Boot nach einer Seite umzuschlagen droht, so klettern die behenden Bootsleute mit affenartiger Geschicklichkeit rasch nach der anderen Seite über die Ausleger auf den außen schwimmenden Parallelstamm, um diesen zu beschweren und niederhocked als Gegengewicht zu dienen.

Natürlich war es ganz unmöglich, in einem solchen Ausleger- Canoe ohne Weiteres eine Kiste mit großen Gläsern und die verschiedenen Instrumente unterzubringen, die ich zum Fange der pelagischen Seethiere und insbesondere der Medusen stets benutze. Ich mußte mir daher in meinem Canoe erst ein besonderes Gestell aus quer übergelegten und beiderseits breit vorragenden Brettern bauen, auf dem ich bequem sitzen und mich frei bewegen konnte. Auf beiden Enden des Gestells wurden mit Stricken aus Cocosfasern die beiden Kisten befestigt, in denen ich vier große und ein Dutzend kleinere Gläser untergebracht hatte. Dergleichen Stricke dienen auch ausschließlich zur Befestigung und Verbindung der verschiedenen Canoe-Theile. Die Eingeborenen verwenden dafür keinen einzigen Nagel oder sonst einen Eisentheil; Alles besteht aus Holz und Cocosbast. Sogar die senkrecht stehenden Seitenbretter, welche auf beiden freien Seitenrändern des ausgehöhlten Baumstammes sich 3-4 Fuß hoch erheben, sind mit Bindfaden als Palmfasern daran befestigt. Aus solchen festen Coir-Fasern, aus den Schalen der Cocosnüsse bereitet, bestanden auch alle die Stricke und Bindfaden, die ich für meine Arbeiten verwendete. Bei dieser Einrichtung und der weiteren Ausstattung meines Bootes, sowie bei Beschaffung und Instruction der Bootsleute, war mir von größtem Nutzen die Hilfe eines Mannes, dem ich auch sonst für manche werthvolle Dienste zu großem Danke verpflichtet bin; es war dies der zweite Häuptling von Belligemma, der  A r e t s c h i  Abayawira. Schon der Regierungsagent der Südprovinz hatte mir von seinen vorzüglichen Eigenschaften erzählt und mir einen besondere Empfehlung an ihn mitgegeben. Ich fand in ihm einen ungewöhnlich intelligenten und geweckten Singhalesen von ungefähr 40 Jahren, dessen Kenntnisse und dessen Interessenkreis weit über diejenigen seiner meisten Landsleute hinausragten. Von der gewöhnlichen Stumpfheit, Faulheit und Gleichgültigkeit der letzteren war an ihm Nichts zu bemerken; vielmehr zeigte er lebhaftes Interesse für Cultur und war nach Kräften bemüht, deren Vortheile in seinem Wirkungskreise geltend zu machen. Er sprach ziemlich gut Englisch und drückte sich dabei mit einen natürlichen Verstande und einem klaren Urtheile aus, das mich oft in Erstaunen setzte. Ja, der Aretschi war sogar Philisoph (- in höherem Grade als der alte Sokrates vom Rasthaus -) und ich erinnere mich mit lebhaften Vergnügen der eingehenden Gespräche, die ich mit ihm über verschiedene allgemeine Themata hatte. Frei von dem Aberglauben und der Gespensterfurcht, die seine buddhistischen Landsleute und Glaubensgenossen allgemein beherrscht, hingegen mit offenem Auge für die Wunder der Natur und für deren causale Erklärung, hatte er sich zu einem selbstständigen Freidenker entwickelt und war nun glücklich, als ich ihn über so viele bis dahin ihm räthselhafte Dinge aufklären konnte. Ich sehe ihn noch vor mir, den stattlichen braunen Mann mti dem ausdrucksvollen regelmäßigen Gesichte, wie sein schwarzes Auge hell aufleuchtete, wenn ich ihn über manche Naturerscheinung unterrichtete, und wie er dann mit seiner sanften, klangreichen Stimme mich ebenso freundlich als ehrfurchtsvoll ersuchte, ihn auch noch über diese und jene verwandte Frage aufzuklären. Ueberhaupt fand ich die guten und liebenswürdigen Seiten des singhalesischen Volkscharakters, das sanfte, weiche und stille Wesen, sowie den natürlichen Anstand beim Aretschi in angenehmster Weise entwickelt; und wenn ich jetzt mein grünes Paradies in der Erinnerung mit den schlanken braunen Gestalten der Eingeborenen bevölkere, so erscheint mit der Aretschi neben dem Ganymed als deren idealer Typus. Auch der siebenzehnjährige Neffe des Aretschi, welcher auf die Normalschule in Colombo sich zum Lehrer ausbildete, damals aber seine Ferien in Belligemma zubrachte, war ein sehr geweckter und netter junger Mann; auch er war mir in vieler Beziehung hilfreich und nützlich.

Mit Hilfe des Aretschi gewann ich für den Dienst meines Bootes und für die Hilfe bei meinen marinen Excursionen vier der besten Fischer und Schiffer von Belligemma. Ich zahlte ihnen täglich für jede Excursion fünf Rupien (= 10 Mark); wenn sie indessen auf den Korallenbänken tauchten, oder wenn wir einen halben Tag unterwegs auf dem Meere waren, legte ich immer noch ein paar Rupien zu. In den ersten Tagen hatte ich mit ihnen große Schwierigkeiten; und als ich mit dem feinen pelagischen Netze an der Meeresoberfläche fischte, als ich ihnen zuerst die kleinen Medusen und Polypen, die Siphonophoren und Ktenophoren zeigte, um deren Fang es mir hauptsächlich zu thun war, merkte ich an ihren Mienen deutlich, daß sie mich für einen Narren hielten. Allmälig indessen und mit einiger Geduld lernten sie begreifen, was ich wollte, und suchten dann meine Sammlung eifrig zu bereichern. Besonders geschickt und nützlichf erwiesen sich zwei von meinen Fischern beim Tauchen auf den Korallenbänken, und ich verdanke ihnen einen großen Theil der prächtigen Korallen und der merkwürdigen mit diesen zusammenlebenden Seethiere, welche ich von Belligemma mit nach Hause gebracht habe.

Weit größere Schwierigkeiten aber als das Canoe und seine Bemannung stellte meiner pelagischen Fischerei das Klima von Ceylon entgegen, jener furchtbare und unüberwindliche Feind des Europäers, welche so viele seiner Arbeiten und Bemühungen in der Tropenzone vereitelt. Ich sollte gleich auf meiner ersten Ausfahrt in der Bucht von Belligemma darüber belehrt werden. Ueber mancherlei Vorbereitungen und Einrichtungen war es neun Uhr Morgens geworden, ehe ich vom Strande stoßen konnte. Erbarmungslos brannte bereits die Tropensonne vom tiefblauen, wolkenlosen Himmel und warf bei vollkommener Windstille eine Strahlenfülle auf den glatten Meeresspiegel, deren Reflex das Auge nicht ertragen konnte. Ich mußte meine blaue Brille aufsetzen, um überhaupt die Augen offen halten zu können. Sodann ließ ich das Canoe weiter hinausrudern, in der Hoffnung, dort etwas niedrigere Temperatur zu finden; allein die unerträgliche Hitze schien draußen eher noch zuzunehmen, und der blendende Meeresspiegel, auf dem sich kein Lüftschen regte, schein eine flüssige Masse von geschmolzenem Blei zu sein. Ich hatte kaum eine Stunde, im Schweiße gebadet, gefischt, als ich völlig erschöpft war; ich fühlte, wie meine Kräfte zusehends schwanden; Ohrensausen und ein beständig zunehmendes Gefühl von Druck im Kopfe ließen mich einen Sonnenstich befürchten. Ich griff daher zu einem Mittel, das ich schon früher unter ähnlichen Verhältnissen oft angewendet. Da meine leichte Kleidung bei der ungequemen Fischerei ohnehin völlig durchnäßt war, goß ich mir ein paar Eimer Seewasser über den Kopf und bedeckte den letzteren mit einem nassen Handtuche, über welches der breitkrämpige Solahut gesetzt wurde. Dieses Mittel hatte die beste Wirkung und ich bediente mich seiner von da an fasst täglich, sobald Vormittags zwischen 10 und 11 Uhr der steigende Sonnenbrand jenes betäubende Druckgefühl des Kopfes zu erzeugen begann. Bei der ständigen Temperatur von 22-26o R., welche das Meerwasser fast ebenso wie die Atmosphäre größtentheils zeigte, ist die Abkühlung des Kopfes durch das verdunstende Wasser eine sehr wohlthätige Erfrischung; aber selbst der mehrstündige Aufenthalt in nassen Kleidern, der in unserm kalten Klima eine gefährliche Erkältung herbeiführen würde, ist dort ebenso angenehm als gefahrlos. Der Reichthum der Bucht von Belligemma an pelagischen Thieren der verschiedenen Classen erwies sich schon bei dieser ersten Excursion als sehr groß. Die Gläser, in welche ich die schwimmenden Bewohner der Meeresfläche aus dem feinen Gazenetze entleert hatte, waren bereits nach wenigen Stunden ganz gefüllt. Zwischen tausenden von kleinen Krebsen und Salpen schwammen zierliche Medusen und prächtige Siphonophoren umher; zahlreiche Larven von Schnecken und Muscheln tummelten sich mittelst ihres Wimpersegels, gekreuzt von flatternden Seeschmetterlingen und Pteropoden; Larven von Würmern, Crustaceen und Korallen wurden in Unmasse den raubgierigen Pfeilwürmern oder Sagitten zur Beute. Fasst alle diese Thiere sind farblos und glasartig durchsichtig, wie das Meerwasser, in dem sie ihren harten Kampf um´s Dasein führen; der letztere selbst hat nach den Grundsätzen der Darwin´schen Selections-Theorie die transparente Beschaffenheit dieser pelagischen „Glasthiere" allmälig hervorgerufen. Die Mehrzahl derselben war mir, wenn auch nicht der Art, so doch der Gattung nach wohlbekannt; denn das reiche Mittelmeer, namentlich die berühmte Meerenge von Messina, liefert unter günstigen Umständen bei der Fischerei mit dem feinen Gazenetze einen ähnlichen „pelagischen Mulder", wie wir diesen formenreichen Auftrieb kurz nennen. Doch bemerkte ich zwischen den alten Bekannten doch eine Anzahl neuer, und zum Theil sehr interessanter Formen, die zur baldigen Untersuchung reizten. Ich ließ daher nach zweistündigem Fischen meine Leute zurückrudern und betrachtete währenddessen die erbeuteten Schätze, so gut es ging. Aber da bemerkte ich bald zu meinem Leidwesen, daß schon kurze Zeit nach dem Fange, meistens eine halbe, oft schon eine Viertelstunde nachher die meisten der zarten Geschöpfe starben; ihre glasartigen Leichen trübten sich rasch und bildeten, auf dem Boden der Glashäfen angehäuft, eine weiße pulverartige Masse. Auch entwickelte sich schon, ehe ich das Land wieder erreicht hatte, jener charakteristische Geruch, den die weichen, sich rasch zersetzenden Leichen derselben alsbald hervorrufen. Dieselbe Zersetzung, welche im Mittelmeer, unter sonst ähnlichen Verhältnissen, erst nach Verlauf von 5-10 Stunden eintritt, geschah hier, unter einer 8-12o R. höheren Temperatur, schon nach einer halben Stunde.

Sehr besorgt über diese Wahrnehmung ließ ich die Rückfahrt möglichst beschleunigen und war schon kurz vor 12 Uhr wieder am Strande. Aber da trat wieder ein neues Hinderniß entgegen. Fast die ganze Bevölkerung von Belligemma stand trotz der glühenden Mittagshitze dichtgedrängt am Strande, um ihre Neugierde über meine wunderliche neue Fischerei-Methode zu befriedigen. Jeder wollte sehen, was ich gefangen und wozu ich den Fang gebrauche, oder vielmehr, in welcher Form ich denselben verzehre; denn daß man nur zum Essen Seethiere fängt, ist ja selbstverständlich. Das Erstaunen der braunen Versammlung, durch ich mir mühsam meinen Weg bahnte, war daher nicht gering, als sie in den großen Glashäfen bloß den weißen Boden des pelagischen Mulders und nur wenige winzige Thierchen oberhalb desselben im Wasser schwimmen sahen. Wie mir mein Begleiter, der Aretschi, später mittheilte, fand seine Erzählung, daß das Alles nur zum Zwecke wissenschaftlicher Beobachtungen und Sammlungen geschehe, bei seinen Landsleuten weder Glauben noch Verständniß; vielmehr witterten die Meisten hinten diesem Treiben eine geheimnisvolle Hexerei, die Bereitung von Zaubertränken u. dgl., während realistische Gemüther meinten, daß ich neue Arten Curry = Gewürz zum Reiss erfinden wolle, die Aufgeklärten aber mich einfach für einen europäischen Narren ansahen.

Eine kostbare Viertelstunde ging mir so verloren, ehe ich duch die neugierige Masse meinen Weg zuz dem nahen Rasthause gebahnt hatte, und ich begann dort in gewohnter Weise die tausend niedlichen Sachen zu sortiren und auf zahlreiche Glasgefäße mit frischem Seewasser zu vertheilen. Aber leider bemerkte ich sofort, daß mindestens neun Zehntheile des ganzes Fanges schon unbrauchbar und verdorben waren, und darunter gerade die meisten von denjenigen Thieren, deren neue Formen mich besonders interessirt hatten. Aber auch das letzte Zehntheil war schon so erschöpft, daß dasselbe größtentheils bald abstarb; nach wenigen Stunden war Alles eine große Leichenkammer! An den folgenden Tagen suchte ich nun zwar auf alle Weise und mit allen bekannten Vorsichtsmaßregeln jenen fatalen Einflusse der Tropensonne zu begegnen; allein nur mit sehr ungenügendem Erfolge. Es war eben einfach unmöglich, auf irgend eine Art die erforderliche niedrige Temperatur des Wassers herzustellen. Ich gewann die Ueberzeugung, daß die erste Bedingung für erfolgreiche Untersuchungen über Seethiere in einem so heißen Lande, wie Ceylon, die Einrichtung von kühlen Räumen und gekühlten Wassergefäßen ist. Da gegenwärtig in Colombo das Eis, das früher von Nordamerika importirt wurde, billider und in großartigem Maßstabe durch Eismaschinen künstlich hergestellt wird, so würde dort die Einrichtung von derartigen Kältekammern und gekühlten Aquarien auch nicht so schwierig sein. Aber es gehören dazu bedeutende Mittel, und über diese konnte ich nicht verfügen.

Eine zweite wichtige Bedingung für ein günstigen Erfolg solcher zoologischer Arbeiten würde sodann die praktische Einrichtung des gekühlten Arbeitsraumes sein, vor Allem seine Ausstattung mit Glasfenstern. Die letzteren fehlen in Ceylon fast vollständig. Im Rasthause von Belligemma, wie in den meisten Gebäuden der Insel, finden sich an Stelle der Glasfenster hölzerne Läden oder Jalousien. Darüber bleibt gewöhnlich eine breite Spalte für den Luftdurchzug offen, und außerdem finden sich oben, am Rande der Stubendecke, sowie über den Thüren, allenthalben breite, meist gar nicht verschließbare Spalten. Diese Oeffnungen sind zwar für die beständige Lufterneuerung und Abkühlung der inneren Wohnräume sehr praktisch und angenehm, aber für den Naturforscher, der dort mit dem Mikroskope arbeiten soll, eben so hinderlich als nachtheilig. Denn alle möglichen fliegenden und kriechenden Thiere haben dort freien Zutritt und vor allem sind die Scharen der Mücken und Fliegen, der Ameisen und Termiten äußerst lästig. Der Luftzug weht die Papiere fort, bedeckt die Instrumente mit Staub und wirft oft als erstarkender Windstrom Alles durcheinander. Nicht minder nachtheilig sind aber auch jene üblichen Fenstereinrichtungen für die Gewinnung guten Lichtes, welches für das Arbeiten mit dem Mikroskope, namentlich bei stärkeren Vergrößerungen eins der ersten und wichtigsten Erfordernisse ist. Oft war es bei den augenblicklichen Stande der Sonne und des Windes gar nicht möglich, irgend ein passendes Plätzchen für meinen Arbeitstisch zu finden, weder in dem dunklen Zimmer innen, noch in der allzuluftigen Veranda draußen; bei der letzteren ist noch das allzuweit vorspringende Schattendach nachtheilig.

Zu diesen und anderen localen Schwierigkeitene meiner zoologischen Arbeiten in Belligemma kamen nun noch diejenigen, die mir als dem Verkehre mit den Eingeborenen und namentlich aus ihrer maßlosen Neugier erwuchsen. Die guten Belligammesen hatten natürlich von all´ den Instrumenten und Apparaten, die ich mitgebracht, niemals etwas gesehen und wollten nun wissen, wozu das Alles diene; insbesondere war aber die Art und Weise meiner Arbeiten, wie überhaupt Alles, was ich that oder ließ, für sie eine unerschöpfliche Quelle der Unterhaltung. Wie alle Naturvölker, so sind auch die Singhalesen in vielen Beziehung permanente Kinder; unter den glücklichen Verhältnissen dieser paradiesichen Insel um so mehr, als ihnen die reiche Natur den Kampf um´s Dasein äußerst leicht macht und harte Arbeit ganz erspart. Harmloses Spielen und endloses Klatschen bilden ihre Hauptunterhaltung, und jeder neue Gegenstand ist daher eine neue Quelle des Interesses. Nun wurde zwar, als ich mich über den lästigen Andrang der Neugierigen und die allzuvielen Besuche bei den angeseheneren Personen beklagte, die Hauptmasse der ersteren entfernt; aber jetzt traten die letzteren an deren Stelle und blieben um so länger bei mir sitzen. Den „Doctor" interessirten besonders meine Mikroskope, den „Collector" meine Malapparate, den „Gerichtspräsidenten" die anatomischen Instrumente (vielleicht als Marterwerkzeuge?), den „Schulmeister" meine Bücher, den „Postmeister" meine Koffer u. s. w. Alle diese und anderen Gegenstände, vom ersten bis zum letzten, wurden tausendmal angesehen, befühlt und umgedreht und tausend törichte Fragen über deren Zweck und Beschaffenheit gestellt. Vollends meine wachsende Sammlung war für Alle ein Gegenstand höchster Neugierde. Ich glaubte nun diese am besten dadruch zu befriedigen, daß ich zu bestimmten Stunden an einigen Wochentagen förmliche Demonstrationen mit erläuternden Vorträgen hielt - ein Auskunftsmittel, das ich oft am Mittelmeer mit Erfolg angewendet. Allein erstens glaubten mir die guten Leute das Meiste nicht, oder sie verstanden es nicht; und zweitens überzeugte ich mich bald, daß jene kindische Neugierde sich hier noch fast nirgends zu wahrer Wißbegierde entwickelt habe. Der ursächliche Zusammenhang der Erscheinungen interessirte die guten Kinder blutwenig!

Es würde ermüdend sein, wollte ich hier alle die anderen Hindernisse noch einzeln aufführen, mit denen meine zoologischen Arbeiten in dem primitiven Laboratorium von Belligemma zu kämpfen hatten. Ohne die Beihilfe eines europäisch gebildeten Assistenten, und ganz auf meine eigene Kraft angewiesen, vermochte ich viele derselben nicht zu überwinden, und verlor einen großen Theil der kostbaren Zeit mit Nebenarbeiten, die bei dergleichen Beobachtungen an europäischen Küsten überhaupt nicht in Frage kommen. Auch war die knapp zugemessene Zeit meines dortigen Aufenthaltes überhaupt zu kurz, um eine Reihe von zusammenhängenden Untersuchungen, namentlich über Entwickelungsgeschichte, so ausführen zu können, wie ich ursprünglich beabsichtigt hatte. So wurde mir schließlich zum wahren Troste der anfangs sehr bedauerte Umstand, daß der Reichthum der Bucht von Belligemma an neuen oder eigenthümlichen Seethieren sich bei Weitem nicht so groß erwies, als ich erwartet hatte. Schon die ausgedehnten Forschungen der letzten Decennien (insbesondere durch die Challenger Expedition) war mehr und mehr die Erkenntniß gereift, daß die Meeresbewohner der verschiedenen Oceane sich lange nicht in so hohem Grade unterschieden, als die Landbewohner der verschiedenen Continente. Meine Untersuchungen in Belligemma lieferten dafür einen neuen Beweis. Ich fand zwar daselbst eine große Zahl von neuen und zum Theil auch sehr interessanten Thierformen, namentlich aus den niedrigsten Abtheilungen der Seethiere: Radiolarien und Infusorien, Schwämme und Korallen, Medusen und Siphonophoren; allein im Großen und Ganzen erwies sich doch die marine Fauna der Meeresoberfläche sowahl, als auch der Küste, mit der genauer bekannten Seethierwelt des tropisch-pacifischen Oceans (z. B. der Philippinen und Fidschi-Inseln) sehr nahe verwandt. Andere Küsten von Indien mögen wohl reicher an mannigfaltigen und eigenthümlichen Seethierformen als Ceylon sein. Ein ungünstiger Umstand scheinen mir für letzeres namentlich die ungeheuren Regenmassen zu sein, welche tagtäglich herabstürzen. Während die Flora der Insel diesen gerade ihren besonderen Reichthum verdankt, wir die Entwickelung und das Gedeihen der Fauna umgekehrt dadurch vielfach gehindert. Die zahlreichen Flüsse, welche große Mengen von rother Erde täglich in das Meer führen, trüben dasselbe an den meisten Küstenbezirken in hohem Maße und verdünnen seinen Salzgehalt; sie vernichtene jene reine und klare Beschaffenheit des Seewassers, welche für diese und besonders pelagische Seethiere eine der ersten Lebensbedingungen ist. Wenn meine zoologische Sammlung in Belligemma trotzdem bald ansehnlich wuchs und ich schließlich ein reicheres Arbeitsmaterial von dort mit nach Jena brachte, als ich in dem noch übrigen Reste meines Lebens bewältigen kann, so verdanke ich das großentheils der unermüdlichen Hilfe meines treuen Ganymedes. Meine Sammlung erregte sein höchstes Interesse und er war unablässig bemüht, dieselbe mit Land- und Seethieren aller Art zu bereichern. Durch seine Vermittlung ließen sich auch eine Anzahl Fischerknaben bereit finden, für mich zu sammeln, und der Naturalienhandel mit den kleinen Singhalesen gestaltete sich bald sehr ergötzlich. Bisweilen erschien zu den Stunden, die ich dafür festgesetzt hatte, ein ganzer Trupp von den niedlichen braunen nackten Gesellen. Der Eine brachte mir ein paar bunte Fische oder Krabben, der Andere einen schönen Seestern oder Seeigel, der Dritte einen schwarzen Skorpion oder Tausendfuß, Vierte ein paar glänzende Schmetterlinge oder Käfer u. s. w. Mir kamen dabei oft die unterhaltenden Scenen in Erinnerung, die ich bei ähnlichen Gelegenheiten am Mittelmeere, besonders in Neapel und Messina, genossen hatte. Aber wie verschieden war das Benehmen der kleinen Naturalienhändler hie rund dort! Die italienischen Fischerknaben pflegten laut und lärmend ihre Waaren anzupreisen; sie forderten das Zehnfache des Preises und waren auch mit hoher Bezahlung nie zufrieden. Hingegen nahten sich die kleinen Singhalesen mir nur scheu und ehrfurchtsvoll; sie legten still ihre Beute vor mich hin und erwarteten schweigend, was ich ihnen dafür geben würde; in der Regel waren sie mit einer kleinen Kupfermünze zufrieden, glücklich aber, wenn ich für besonders erwünschte Gegenstände ihnen etwas von den Tauschartikeln gab, die ich mitgebracht hatte, und von denen ich nachher sprechen werde.

Leider fehlte es mir an Zeit und Hilfsmitteln, um alle die interessanten Naturalien, die ich auf diese Weise in Belligemma sammelte, in wünschenswerther Qualität zu conserviren. Auch hier traten wieder die Hindernisse des tropischen Klimas und der zerstörenden Insecten feindlich entgegen. Ganz besonders gilt das von den Präparaten, die ich trocken aufzubewahren suchte. Das Trocknen an sich gehört in einem so äußerst feuchten und heißen Klima schon zu den schwierigsten Problemen; denn die Feuchtigkeit der Luft ist so vollkommen, daß selbst die bereits getrockneten Gegenstände immer wieder sich mit Schimmel bedecken und langsam zersetzen. Viele Objecte können aber überhaupt nicht genügend ausgetrocknet werden. Obgleich ich die Bälge der geschossenen Vögel und Säugethiere, welche ich mit vieler Mühe präpariert hatte, wochenlang täglich in der Sonne hängen ließ, wurden sie dennoch während der Nacht stes vollständig wieder durchfeuchtet. Nach schlimmere Feinde der trockenen Naturaliensammlungen sind die Legionen zerstörender Insecten, vor allen die Scharen der Termiten und Ameisen. Kein Raum ist vor ihnen sicher. Selbst wenn nicht überall in den Zimmern die großen Luftlöcher existirten, welche behufs der beständigen Ventilation nie geschlossen werden, und wenn nicht jederzeit alle kriechenden und fliegenden Bestien ungehindert dadurch eindringen könnten, würde es doch unmöglich sein, sich gegen jene Plagegeister zu schützen. Denn den Massenangriffen ihrer Millionen von kräftigen Kiefern widersteht keine Wand; sie dringen ebensowohl oben durch das Dach ein und ringsum durch die Seitenwände, als von unten durch den Boden, den sie geschickt unterminiren. Oft wird man plötzlich morgens beim Aufstehen durch kleine kegelförmige Erdhaufen überrascht, welche die wühlenden Termiten und Ameisen mitten zwischen den Steinen des Fußbodens in der Nacht aufgeworfen haben und von denen am Abend zuvor noch nichts zu sehen war. Wie rasch und energisch jene kleinen Feinde oft in wenigen Tagen ihr großartiges Zerstörungswerk ausführen, sollte ich selbst an meiner Sammlung von Trockenpräparaten noch vor Ablauf des ersten Monats erfahren. Ich hatte im Laufe dieser vier Wochen eine hübsche Sammlung von trockenen Schmetterlingen und Käfern, Bälgen von Vögeln und Säugethieren, interessanten Früchten und Hölzern, Farnen und anderen getrockneten Pflanzen zusammengebracht und sie in einem Nebenraume des Rasthauses anscheinend sicher eingeschlossen. Fast täglich sah ich nach, ob nicht zerstörende Feinde eingedrungen seien und entfernte sofort die Vorposten der Ameisen- und Termiten-Colonnen, die dann und wann erschienen. Durch reichliches Einlegen von Kampfer, Naphthalin und Carbolsäure glaubte ich meine Schätze hinreichend gesichert zu haben. Einige größere Excursionen, die ich am Ende der vierten Woche unternahm und dringliche Arbeiten anderer Art hatten mich ein paar Tage an der regelmäßigen Revision gehindert. Wie erschrak ich daher, als ich nach Verlauf von drei Tagen wieder in das verschlossene Museum eintrat und einen großen Theil der gesammelten Schätze in einen Haufen von Staub und Moder verwandelt fand! Mehrere Regimenter von großen rothen Ameisen hatten von oben, einige Divisionen kleiner schwarzer Ameisen durch die Seitenwand und eine Legion weißer Termiten vom Boden aus einen combinirten Angriff gemacht, dessen Wirkung entsetzlich war!

Von diesem Moment an gab ich das Sammeln trockener Präparate größtentheils auf und suchte um so mehr Naturalien in Alkohol und in Wickersheim´scher Flüssigkeit zu conserviren. Die letztere, neuerdings über Gebühr gepriesen, erwies sich sehr unbrauchbar. Aber auch mit dem Weingeiste hatte ich große Schwierigkeiten; denn die mitgenommenen Vorräthe waren bald erschöpft. Der einheimische Arrak, den die Eingeborenen bereiten, ist von sehr geringer Qualität, und der bessere Weingeist, den man in den Städten haben kann, wegen der enorm hohen Spiritussteuer so kostbar, daß ich ihn nur in kleinen Quantitäten verwenden konnte. Außerdem aber wurde mir die Freude an diesen Alkohol- Sammlungen gar sehr verleidet durch die schreckliche Arbeit des Zulöthens der Bleckkisten, die ich ebenfalls selbst besorgen mußte. So einfach diese Kunst in der Theorie ist, so schwierig in der Praxis, wenigstens unter so primitiven Verhältnissen, wie ich in Belligemma fand. Bei einer beständigen Lufttemperatur von 22- 24o R. auch noch stundenlang den glühenden Löthkolben vor dem schweißtriefenden Gesichte zu halten, gehört zu den wahren Höllenqualen, um so mehr, als eine ganz tüchtige mechanische Anstrengung mit dem Löthen großer Blechkisten verbunden ist. Ich denke noch jetzt mit Entsetzen an jene sauere Zwangsarbeit, die mich oft die ganze Sammlung verwünschen ließ! Freilich habe ich jetzt andererseits um so mehr Freude an den theuer erkauften Schätzen. Die dreißig Kisten voll Naturalien, die ich in Belligemma sammelte, und zu denen noch zwanzig andere in Punto-Galla hinzukamen, lohnten alle jene Mühen reichlich.

Wenn nun auch viele specielle Hoffnungen, die ich an mein zoologisches Laboratorium in Belligemma geknüpft hatte, nicht in Erfüllung gingen, so gewann ich desto mehr für meine allgemeine Anschauung der Tropennatur; und die sechs Wochen, welche ich hier allein unter den Singhalesen zubrachte, bereicherten mich mit einen wahren Schatze der interessantesten Eindrücke.

XII. Sechs Wochen unter den Singhalesen.

Das tägliche Leben im Rasthause von Belligemma gestaltete sich, nachdem ich einmal die vielen Schwierigkeiten der ersten Einrichtung überwunden hatte, recht befriedigend, und bot weniger Mängel, als ich von vornherein gefurchtet hatte. Meine vier dienstbaren Geister erfüllten ihre Aufgaben ganz leidlich, und wenn es ja einmal an irgend Etwas fehlte, so war der gute Ganymed sofort bemüht, dasselbe herbeizuschaffen. Beid er Masse verschiedener Aufgaben, die mir einerseits die Naturaliensammlung und die Arbeit im zoologischen Laboratorium, andererseits die malerische Ausbeutung der herrlichen Umgebung von Belligemma beständig stellte, war ich natürlich vor Allem darauf bedacht, die kostbare Zeit meines hiesigen Aufenthalts so gut wie möglich auszunutzen. Eingedenk der vielen und großen Opfer, die ich meiner indischen Reise gebracht, sagte ich mir jeden Morgen beim Aufstehen, daß der beginnende Tag wenigstens fünf Pfund Sterling werth sei, und daß ich am Abend mindestens so viel Arbeit gethan haben müsse, als diesem Werthe eines „Hundert-Mark-Scheines" entspreche. Demgemäß machte ich es mir zum festen Gesetze, keine Stunde ungenutzt zu verlieren, und insbesondere auf die landesübliche Siesta während der heißen Mittagsstunden gänzlich zu verzichten; gerade diese wurden meine ergiebigste und ungestörteste Arbeitszeit.

Da Belligemma noch nicht ganz sechs Grad vom Aequator entfernt ist, und da demnach selbst am kürzesten Tage des Jahres der Unterschied von Tag und Nacht noch nicht eine ganze Stunde beträgt, so konnte ich für jeden Tag nahezu volle zwölf Arbeitsstunden aufwenden. Ich stand demnach regelmäßig schon vor der Sonne, um 5 Uhr morgens auf, und hatte mein erstes kühles Morgenbad bereits genommen, wenn Helios sich über den Palmenwäldern des Mirissa-Cap, meinem Rasthause gegenüber erhob. Auf der Veranda des letzteren, auf der ich das plötzliche Erwachen des jungen Tages gewöhnlich beobachtete, stand Ganymed schon bereit mit einer geöffneten Cocosnuß, deren kühle Milch morgens stets mein erster Labetrunk war. Inzwischen schüttelte William die Kleider aus, um die etwa hineingekrochenen Tausendfüße, Skorpione und anderes Ungeziefer zu entfernen. Alsbald erschien dann auch Socrates und servirte mit demüthigster Miene den Thee nebst einer Bananentraube und dem landesüblichen Maisbrote. Den altgewohnten theuren Kaffee, meinen Lieblingstrank, hatte ich mir in Ceylon abgewöhnen müssen. Denn der edle Mokkatrunk ist auf dieser Insel, deren Kaffeedistricte ihren Hauptreichthum bilden, gewöhnlich so schlecht, daß man den weit besseren Thee allgemein vorzieht. Es soll das hauptsächlich daran liegen, daß die Kaffeebohnen auf der Insel selbst nie gehörig austrocknen, und erst in Europa jenen Grad von Trockenheit erlangen, der eine sorgfältige Zubereitung ermöglicht.

Um 7 Uhr erschienen gewöhnlich meine Bootsleute und holten meine Netze und Gläser für die tägliche Canoefahrt. Diese dauerte meistens 2-3 Stunden. Nach der Rückkehr vertheilte ich sofort die gefangene Ausbeute in eine Reihe von Glasbehältern verschiedener Größe und suchte von den wenigen, noch lebenden Seethieren zu retten, was irgend noch zu retten war. Die wichtigsten Formen wurden sofort mikroskopiert und gezeichnet. Dann nahm ich mein zweites Bad und hierauf um 11 Uhr das sogenannte „ B r e a k f a s t  ", das zweite Frühstück. Den Hauptbestandtheil desselben bildete das nationale „ C u r r y   a n d   R i c e ". Der Reis selbst erschien stets in gleicher Weise, einfach gekocht; bei der Bereitung des Cörry aber, der ragout-ähnlichen hochwichtigen Reiswürze, wendete Babua allen Scharfsinn, den die stiefmütterliche Natur in sein kleines Gehirn verpackt hatte, auf, um mich täglich durch eine Neuigkeit zu überraschen. Bald war der Cörry  s w e e t  (d. h. wenig gewürzt oder selbst süß), bald  h o t  (d. h. scharf mit spanischem Pfeffer und dergleichen brennenden Gewürzen versetzt); bald erschien dieses undefinirbare ragoutförmige Mixtum compositum mehr vegetabilisch, in manngfaltigster Weise aus Cocosnuß und verschiedenen Früchten oder Gemüsen zusammengesetzt; bald mehr animalisch, mit Fleisch verschiedener Art aufgestattet. Das letztere erregte meine ganz besondere Bewunderung; denn Babua schien zu ahnen, daß für mich als Zoologen alle Thierclassen ein gewisses Interesse darböten, und daß daher auch deren Verwerthbarkeit für den Cörry ein wichtiges zoologisches Problem sei. Wenn Montags die Wirbelthiere durch delicaten Fisch im Cörry vertreten waren, folgten denselben Dienstags die noch feineren Prawns oder Garnelen, kleine Krebse als Typen der Gliederthiere. Wenn Mittwochs Tintenfische oder Kalmare (Sepia und Loligo) als höchstorganisirte Vertreter der Mollusken erschienen, wurden dieselben Donnerstags durch gekochte Schnecken, bisweilen auch durch geröstete Austern überboten. Freitags folgte der merkwürdige Stamm der Sternthiere oder Echinodermen, durch die Eiermassen der Seeigel oder durch die zähe Lederhaut der Holothurien (Trepang) repräsentiert. Samstags erwartete ich nun zu den Pflanzenthieren zu kommen und entweder Medusen oder Korallen, Spongien oder Gasträaden in der Cörry-Tunke zu finden. Diese Zoophyten hielt unser Koch offenbar, an die älteren zoologischen Systeme sich anschließend, für Pflanzen, und ersetzte sie daher durch fliegende Thiere; bald waren es Fledermäuse oder Vögel, bald dickleibige Nashornkäfer oder Nachtschmetterlinge. Sonntags stand natürlich eine ganz besondere Ueberraschung bevor; da erschien im Cörry erster Classe entweder ein indisches Huhn oder statt dessen eine fette Eidechse (Iguana), bisweilen eine Schlange, die ich anfänglich für Aal hielt. Offenbar war demnach Babua von der nahen Stammverwandtschaft der Vögel und Reptilien vollständig überzeugt und hielt es für gleichbedeutend, ob er die jüngere oder ältere Sauropsiden- Form für den Tisch verwende. Zum großen Glück für meine europäischen Vorurteile wurde ich mit dieser zoologischen Mannigfaltigkeit des Cörry erst allmälig bekannt; gewöhnlich erst nachdem ich ihn mit stiller Resignation verschluckt hatte. Außerdem waren eine solche Masse von Gewürzen, sowie Fragmente von Wurzeln, Blättern und Früchten in der dicken Sauce des Cörry vertheilt, daß erst genauere anatomische Untersuchung über die eigentlichen Grundbestandtheile aufklärte; vor dieser hütete ich mich wohl!

In den ersten Wochen blieb ich einigermaßen zweifelhaft, ob ich es bei dieser nationalen „Curry and Rice"-Kost ein paar Monate aushalten würde. Es ging mir aber damit ebenso, wie es Goethe in Leipzig mit dem dicken Merseburger Bier ging; anfangs konnte ich es kaum genießen, und nachher konnte ich mich nur schwer davon trennen. Schon im Laufe der zweiten Woche machte ich aus der Nothwendigkeit eine Tugend und nahm mir vor, den Geschmack des Cörry recht schön oder wenigstens interessant zu finden; und nach Verlauf eines Monats war ich gastronomische Anpassung schon so sehr zum Indier geworden, daß ich nach neuen Cörry-Arten begehrte und den Ertrag meiner eigenen Jagdbeute zur Erfindung selcher verwerthete; es traten nun Cörry-Formen aus Affen- und Flederfuchsfleisch auf, die selbst Babua in Erstaunen setzten!

Ein großer Trost blieben mir unter allen Umständen die wundervollen Früchte, die tagtäglich auf dem Tische des Rasthauses prangten und mich für alle Cörry-Qualen reichlich entschädigten. Vor Allem muß ich dankbarst der herrlichen  B a n a n e n  oder Pisangs gedenken, jener edelsten Tropengabe, die ihren Namen „Paradiesesfeigen" mit Recht verdient (M u s a   s a p i e n t u m ). Wenn diese unvergleichliche Frucht überall in der Tropenzone zu den dankbarsten Culturpflanzen gehört und ihrem Besitzer die geringe auf sie verwendete Pflege tausendfach lohnt, so ist das doch in Ceylon ganz besonders der Fall. Denn wir sind ja hier im „P a r a d i e s e  von Lemurien"! Die possierlichen Halbaffen oder Lemuren, die ich mir lebend im Rasthause hielt (S t e n o p s   g r a c i l i s), ließen darüber keinen Zweifel aufkommen; sie zogen ihre süßen „Paradiesesfeigen" aller anderen Kost vor. Viele verschiedene Spielarten werden von den Singhalesen cultivirt. Als die feinsten gelten die kleinen, goldgelben „Ladies-Finger", die in der That nicht viel größer sind, als der Finger einer wohlgebildeten Dame und sich durch besondere Süßigkeit auszeichnen. Dagegen besitzen die riesigen Wasserbananen die Gestalt, Größe und Farbe einer stattlichen Gurke, und sind besonders erquickend durch ihren kühlen durststillenden Saft. Die dicken Kartoffelbananen umgekehrt sind geschätzt wegen ihres Mehlreichthums und ihrer Nahrhaftigkeit; 3-4 Stück genügen, den Hunger zu stillen. Die Ananasbananen zeichnen sich durch ihr feines Arom aus, die Zimmtbananen durch den gewürzigen Geschmack u. s. w. Gewöhnlich wird die edle Frucht roh verzehrt, aber auch gekocht und geröstet, eingemacht und mit Fett gebraten, schmeckt sie vortrefflich. Wohl keine andere Frucht der Erde ist gleichzeitig in so hohem Maße wohlschmeckend und nahrhaft, gesund und ergiebig. Ein einziger Bananenbaum trägt eine Fruchttraube, die mehrere hundert Früchte zusammengepackt enthält, und ein solcher prächtiger Baum, mit der herrlichen Krone seiner frischgrünen überhängenden Riesenblätter von zehn Fuß Länge ist eine einjährige Pflanze! Dabei wetteifert die landschaftliche Schönheit der Paradiesfeige mit ihrem unschätzbaren Nutzen. Für alle indischen Hütten liefert sie den reizendsten Schmuck. Wenn ich nur eine einzige edle Tropenpflanze in meinen europäischen Garten verpflanzen könnte, so würde ich der herrlichen „M u s a   s a p i e n t u m " vor allen anderen den Vorzug geben. Die „Muse der Weisen" ist von Werth ein vegetabilischer „Stein der Weisen". Nächst den Bananen, deren ich täglich dreimal mehrere Stück in Belligemma verzehrte, bildeten die Hauptzierde der dortigen Tafel prächtige Ananas (ein paar Pfennige werth!); ferner die edle Mango (Mangifera indica), eiförmige grüne Früchte von 1/4 bis 1/2 Fuß Länge; ihr cre**me-artiges goldgelbes Fruchtfleisch zeichnet sich durch ein feines, jedoch etwas an Terpentin erinnerndes Arom aus. Sehr angenehm fand ich die Früchte der Passionsblume (Passiflora); sie erinnern an Stachelbeeren. Weniger entzückt war ich von den berühmten Custardäpfeln, den schuppigen Früchten der Annona squamosa und von den indischen Mandeln, den harten Nüssen der Terminalia catappa. Auffallend gering ist in Ceylon die Qualität der Äpfel und der Orangen; letztere bleiben grün, sind faserig unf saftlos; die geringe Güte dieser und anderer Früchte ist jedoch wohl vorzugsweise auf den Mangel sorgfältiger Pflege zu setzen; die Singhalesen sind viel zu bequem, um sich mit der Züchtung ihrer Culturpflanzen viel Mühe zu geben.

Nachdem ich mich an den Früchten meines bescheidenen Frühstücks im Rasthause von Belligemma gelabt hatte, verwendete ich die heißen Mittagstunden, von 12-4 Uhr, gewöhnlich zur anatomischen und mikroskopischen Arbeit, zum Beobachten und Zeichnen, sowie zum Einmachen und Verpacken des gesammelten Materials. Die folgenden Abendstunden, von 4-6 Uhr, wurden dann in der Regel zu einer Excursion in die reizende Umgebung verwendet; bald nahm ich einige Aquarelskizzen derselben auf, bald suchte ich sie in Photographie zu verewigen. Dazwischen wurden im Walde Affen und Vögel geschossen, Insecten und Schnecken gesammelt, oder am Strande die Korallenriffe abgesucht und die wachsende Sammlung mit deren mannigfaltigen Producten vermehrt. Reich beladen mit Schätzen kehrte ich gewöhnlich eine halbe Stunde oder eine Stunde nach Sonnenuntergang in das Rasthaus zurück. Eine Stunde kostete in der Regel noch die Verpackung der eben gesammelten Sachen, das Abbalgen und Präparieren der geschossenen Thiere, das Pressen der Pflanzen u. s. w. So wurde es meistens 8 Uhr, ehe ich zu meiner zweiten Hauptmahlzeit, zu den sogenannten „D i n n e r" gelangte. Auch bei diesem war wieder die wichtigste Schüssel der ewige „Curry and Rice". Indessen kam dazu gewöhnlich noch ein Fisch oder Krebs, den ich mir vortrefflich schmecken ließ, nachher auch wohl noch eine Eierspeise oder Mehrspeise, und zum Schlusse wieder die köstlichen Früchte. An  F i s c h e n  war in Belligemma natürlich kein Mangel. Unter allen als der feinste galt mit Recht der köstliche Seir-Fisch (C y b i u m   g u t t a t u m), ein großer platter Stachelflosser aus der Familie der Makrelen oder Scomberoiden. Aber auch die Familien der Panzerwanzen (Cataphracti), der Schuppenflosser (Squamipennes), der Lippfische (Labroides) lieferten recht wohlschmeckende Vertreter.Weniger zu rühmen waren die abenteuerlich gestalteten Rochen und Haifische, die täglich in Riesenexemplaren auf dem Fischmarkte erschienen. Indem Babua mir dieselben mit einer scharfgewürzten Pfeffersauce schmackhaft zu machen suchte, rechnete er vermuthlich auf das besondere phylogenetische Interesse, das diese alten „Urfische", die Vorfahren der höheren Wirbelthiere (mit Inbegriff des Menschen) für mich besitzen. Wie der geneigte Leser aus diesem Menu von Belligemma ersieht, war ich auf dem besten Wege, dort vollständiger  V e g e t a r i e  r  zu werden. Zwar machte Socrates einige Male den Versuch, mich durch die außerordentliche Leckerei von Beefsteak und Mutton-Chop zu erfreuen; allein ich unterlasse, dem Leser meine Muthmaßungen über die wahre Natur der Thiere, denen ich diese Gerichte verdankte, mitzutheilen.

Dagegen muß ich nun das Geständniß ablegen, daß ich den Mangel dere europäischen Fleischkost mir bisweilen durch die Erträgnisse meiner Jagd zu ersetzen suchte. Obenan unter den Delicatessen, die ich mir durch meine Flinte verschaffte, stand Affenbraten; ich fand dieses edle Hochwild sowohl frsich geröstet als in Essig gelegt ganz vorzüglich und lernte ahnen, daß der „Cannibalismus" eigentlich zur raffinirten Gourmandie gehört! Weniger appetitlich fand ich das Fleisch der Flederfüchse (Pteropus), welchem ein eigenthümlicher Moschusgeruch anhaftet. Dagegen näherte sich der Geschmack der großen Eidechsen (Monitor dracaena) ziemlich dem des Kalbfleisches; und die Schlangensuppe erinnerte einigermaßen an Aalsuppe. Untern den verschiedenen Vögeln wurden insbesondere wilde Tauben und Krähen, ferner wilde Enten und Reiher als Surrogate der Hühner verwendet. Rechne ich dazu nun noch all die verschiedenen „Frutti di mare", die pikanten Seefrüchte: Muscheln, Schnecken, Seeigel, Holothurien u. s. w., so gewinnt der Küchenzettel von Belligemma eine weit größere Mannigfaltigkeit, als es zuerst den Anschein haben mochte. Zum Ueberfluß hatte mich mein lieber Gastfreund von Punto-Galla, Mr. Scott, auch noch mit verschiedenen europäischen Conserven, Schottischer Marmelade, Liebig´s Fleisch-Extract etc. ausgestattet, wie er auch für nöthigen Getränke Sorge getragen hatte. Was diese wichtige Frage des Getränkes betrifft, so schien sie anfangs sehr bedenklich. Denn das gewöhnliche Trinkwasser gilt fast allenthalben im Flachlande von Ceylon als sehr schlecht und ungesund, während das Hochland überreich am schönsten und frischesten Quellwasser ist. Die großen Regenmengen, die täglich auf die Insel herabstürzen, schwemmen beständig eine Masse Erdreich und vegetabilische Reste mit sich fort in die Flüsse; auch das stagnirende Wasser der Lagunen steht mit diesen vielfach in Communication. Allgemeine Regel ist es daher, das Wasser nur abgekocht zu trinken, als schwachen Thee, oder versetzt mit etwas Claret oder Whisky. Von Letzterem hatte mir mein Freund Scott eine mehr als ausreichende Quantität geschickt. Mein Lieblingsgetränk wurde jedoch bald die Milch der Cocosnuß, die ich eben so angenehm und erfrischend, als gesund fand.

War abends das frugale Dinner glücklich vorüber, so machte ich in der Regel noch einen kurzen Spaziergang am einsamen Meeresstrande, oder ich ergötzte mich an der Illumination des Cocoswaldes durch Tausende von prächtigen Leuchtkäfern und Feuerfliegen. Dann schrieb ich noch einige Notizen oder versuchte beim Scheine meiner Cocoslampe zu lesen. Indessen wurde ich gewöhnlich bald so sehr von Müdigkeit übermannt, daß ich mich schon um 9 Uhr zu Bett verfügte, nachdem durch sorgfältiges Schütteln, wie morgens aus meinen Kleidern, die Scorpione und Tausendfüße daraus entfernt worden waren. Die großen schwarzen Scorpione (von 6 Zoll Länge) sind hier so häufig, daß ich einmal im Laufe einer Stunde ein halbes Dutzend derselben sammelte. Auch Schlangen finden sich in großer Zahl. Die zierlichen grünen Peitschenschlangen hängen überall von den Zweigen der Bäume herab und auf den Dächern der Hütten jegt bei Nacht die große Rattenschlange (Coryphodon Blumenbachii) Ratten und Mäuse. Obgleich sie harmlos und nicht giftig ist, bleibt es doch immer eine unangenehme Überraschung, wenn diese fünf Fuß lange Natter plötzlich bei allzueifriger Jagd durch die Dachluken in das Zimmer und gelegentlich in das Bett hineinfällt. Im Uebrigen wurde meine Bettruhe durch die manngfaltigen Bestien von Belligemma nur wenig gestört, abgesehen von dem Geheul des Schakals und dem unheimlichen Ruf des Teufelsvogels (einer Eulee, Syrnium Indrani), sowie einiger anderer Nachvögel. Die glockenartigen Stimmen der kleinen niedlichen Lauffrösche, die ihre Wohnung in großen Blumenkelchen aufschlagen, wirkten eher wie ein Schlummerlied. Dagegen ließ mich oft das Spiel der eigenen Gedanken nicht zur Ruhe kommen; die Erinnerung an die vielen Erlebnisse des vergangenen Tages, und die Spannung auf diejenigen des kommenden. In langer glänzender Reihe zogen da alle die bunten Bilder an mir vorüber, mit denen mich die letzten Ausflüge und Beobachtungen bereichert hatten, und neue Pläne für den nächsten Tag wurden entworfen.

Mit der braunen Bevölkerung von Belligemma, die zum größten Theile rein singhalesisches Blut besitzt, kam ich durch die mannigfaltigen Arbeiten im zoologischen Laboratorium, wie durch meine Versuche im Aquarellieren und Photographieren, bald vielfach in nähere Berührung. Gleich anfangs hatte mich der „Native Doctor" gebeten, ihm bei einigen chirurgischen Operationen behilflich zu sein, und dadurch hatte sich auch mein ärztlicher Ruf in einem Maße übertrieben verbreitet, daß ich manchem lieben Collegen in Deutschland die glänzende (wenn auch nicht einträgliche) Praxis gegönnt hätte. Bald kam ich sogar in den Ruf eines Tausendkünstlers und Hexenmeisters, der aus Pflanzen Zaubertränke und aus Seethieren Gold machen könne. Die wunderlichsten Anforderungen an meine schwarze Kunst wurden gestellt. Alt und Jung begleitete mich scharenweis auf meinen Wanderungen durch das Dorf und dessen Umgebung. Alles, was ich that und unternahm, war für sie interessant, und hinter Allem vermutheten sie besondere Geheimnisse.

Sehr unterhaltend und zum Theil auch recht ergiebig gestaltete sich bald der Naturalienhandel mit den Eingeborenen, und ich verdanke ihm manches schöne Stück für meine Sammlung. Insbesondere erwies sich der schon erwähnte  T a u s c h h a n  d e l  bald sehr vorteilhaft. Unter den verschiedenen Tauschwaren, die ich zu diesem Zwecke mitgebracht, waren namentlich eiserne Instrumente: Messer, Scheren, Zangen, Hammer u. s. w. sehr begehrt; aber auch Glasperlen, bunte Steine oder dergleichen Schmuck. Den höchsten Werth besaßen jedoch - und es spricht das für den Kunstsinn der Singhalesen - bunte Bilderbogen, von denen ich ein paar Hundert mitgenommen hatte. Diese Kunstwerke, die allbekannten Lieblinge unserer Kinder, die berühmten „Bilderbogen aus Neu-Ruppin, Schön zu haben bei Gustav Kühn" (- Stück für Stück fünf Pfennig! -) fanden in Belligemma den höchsten Beifall und ich bedauerte nur, nicht noch mehr mitgenommen zu haben. Auch als Gastsgeschenk wurden außerordentlich geschätzt; und ich konnte mit nichts Besserem mich erkenntlich zeigen für die Haufen von Cocosnüssen, Bananen, Mango und anderen edlen Früchten, welche mir meine braunen Freunde, und besonders die beiden Häuptlinge, täglich in das Rasthaus sendeten. Bald fand ich alle vornehmeren Hütten des Dorfes mit diesen feinen Erzeugnissen der deutschen Malerei geschmückt; und selbst aus benachbarten Dörfern kamen einzelne Häuptlinge und verehrten mir Früchte und Blumen, um sich dadurch in den ersehnten Besitz von Neu-Ruppiner Bilderbogen zu setzen. Obenan im Range standen die Militaria: Preußische Ulanen, Oestereichische Husaren, Französische Artillerie, Englische Marine-Soldaten u. s. w. Ihnen folgten zunächsts Theater-Figuren, die bekannten Phantasiegestalten von Oberon und Titania, von der weißen Dame, der Nachtwandlerin und Wagner´s Nibelungen-Ring. Daran schlossen sich die Hausthiere: Pferde, Rinder, Schafe. Dann erst kamen die Bilderbogen mit Genrebildern, Landschaften u. s. w. Je bunter und greller, desto schöner!

Durch diese gegenseitigen Geschenke und durch jenen Tauschhandel kam ich bald zu Bevölkerung von Belligemma in sehr freundschaftliches Verhältniß; und wenn ich zu Fuß durch das Dorf wanderte oder auf dem Ochsenkarren hindurchfuhr, hatte ich nur immer rechts und links zu grüßen, um die ehrerbietigen Verbeugungen meiner braunen Freunde, die sie mit auf der Brust gekreuzten Armen ausführten, zu erwidern. Bei diesen Dorfpromenaden fiel mir, ebenso wie bei den späteren Besuchen anderer singhalesischer Dörfer, nichts so sehr auf wie die Seltenheit des schönen Geschlechts, namentlich der jungen Mädchen im Alter von 12 und 20 Jahren; selbst unter den spielenden Kindern sind die Knaben weit überwiegend. Die Mädchen werden früh daran gewöhnt, im Innern der Hütten zu bleiben und dort häusliche Arbeiten zu verrichten. Dazu verblühen sie sehr bald. Oft schon mit 10 oder 12 Jahren verheirathet, werden sie bereits mit 20-30 Jahren alte Frauen. Großmütter von 25-30 Jahren kommen häufig vor. Ein wichtiger Umstand ist fernerdas permanente Mißverhältniß der männlichen und weiblichen Geburten unter den Singhalesen. Auf je 10 Knaben werden durchschnittlich nur 8-9 Mädchen geboren. Das schöne Geschlecht ist hier zugleich das seltene! Selten freilich ist es auch wirklich schön.

In ursächlichem Zusammenhange damit, wenigstens theilweise, steht wohl auch das merkwürdige Verhältniß der  P o l y a n d r i  e. Trotzdem die englische Regierung seit langem eifrig bemüht ist, dasselbe zu unterdrücken, besteht es dennoch fort, wahrscheinlich sehr verbreitet, besonders in entlegeneren Theilen der Insel. Nicht selten haben zwei oder drei Brüder eine Frau gemeinschaftlich; es soll jedoch auch Damen geben, die sich des Besitzes von 8-12 anerkannten Männern erfreuen. Ueber diese verwickelten Familien-Beziehungen und ihre Consequenzen werden eine Menge von merkwürdigen Geschichten erzählt; doch ist es wohl sehr schwer, das Wahre daran von zugefügten Fabeln zu sondern.

Der alte Socrates, mit dem ich einmal über diese Polyandrie mich ausführlich unterhielt, überraschte mich dabei durch eine  n e u e   V e r e&nabsp;r b u n  g s -  T h e o r i e , die zu merkwürdig ist, als daß ich sie hier nicht mittheilen sollte. Sie fehlte bisher unter den verschiedenen Vererbungsgesetzen im neunten Capitel meiner „Natürlichen Schöpfungs-Geschichte"" und ist so originell, daß sie für jeden Darwinisten von hohem Interesse sein muß. Ich muß verausschicken, daß Socrates ein Sohn des Hochlandes von Kandy und nach seiner Angabe aus einer hohen Kaste gebürtig war. Nur mit stiller Verachtung bewegte er sich daher unter den Bewohnern von Belligemma, unter denen er erst seit einigen Jahren weilte und mit denen er offenbar nicht auf freundschaftlichen Fuße stand. Er warnte mich gleich anfangs vor deren Schlechtigkeit im Allgemeinen und redete ihnen manch´ einzelnes Uebles nach. „Freilich ist diese verdorbene Gesinnung nicht wunderbar," sagte er dann plötzlich achselzuckend mit einer sehr ernsten Miene: „Denn, Herr, Ihr müßt wissen, jeder dieser Leute im Lieflande hat von Anfang an mehrere Väter, und da er von allen seinen Vätern immer so viel schlechte Eigenschaften erbt, ist es ganz natürlich, daß diese Rasse immer verdorbener wird!"

Als Socrates mir zum ersten Male (gleich am ersten Tage in Belligemma!) eine Warnung vor dem schlechten Charakter seiner Landsleute zukommen ließ, wurde ich dadurch in der That etwas besorgt, und es beruhigte mich einigermaßen, als er treuherzig versicherte, daß er selbst dafür der beste Mensch sei und daß ich mich in allen Dingen unbedingt auf ihn verlassen könne. Wie erstaunte ich aber, als gleich darauf der erste Häuptling mich wieder mit seinem Besuche beehrte und mir im Stillen ungefähr ganz dasselbe versicherte - und als an den folgenden Tagen noch ein halbes Dutzend Honoratioren des Dorfes mich besuchten und dasselbe Thema in anderen Tonarten variirten! Jeder bat mich, nur ja vor seinen Mitbürgern mich in Acht zu nehmen; denn es seien meistens schlechte Kerle, Lügner, Diebe, Verleumder u. s. w. Nur der Redner selbst sei eine Ausnahme und ich könne mich unbedingt auf seine Freundschaft verlassen.

Wenn schon durch diese merkwürdigen Mittheilungen ein dunkler Schatten auf die geträumte Paradiesesunschuld der Singhalesen fiel, so erschien diese in noch trüberem Lichte durch die Mittheilungen des Richters (- oder, wie er sich nannte, das „Gerichts- Präsidenten" -). Derselbe versicherte mir seufzend, daß er am meisten im ganzen Dorfe zu thun habe und daß er dan ganzen Tag nicht mit seiner juristischen Thätigkeit fertig werde. In der That fand ich die Gerichtshalle (- gleich der Schule ein offener Schuppen -) fast immer mit ein paar Dutzend, und bisweilen mehr als hundert Dorfbewohnern gefüllt, die dort ihr Recht suchten. Indessen erfuhr ich zu meiner Beruhigung, daß die Mehrzahl der Processe sich um Beleidigungen und Verleumdungen, um Betrübereien und besonders um Gartendiebstahl drehe. Denn die Singhalesen sind im Allgemeinen zu List und Betrug sehr geneigt, ganz besonders aber Lügner erster Classe. Hingegen sind sie keine Freunde von Gewaltthaten; Körperverletzungen und Todtschlag sind selten, Raub und Mordthaten große Ausnahmen. Ueberhaupt kommen lebhafte Leidenschaften selten zur Erscheinung; ihr Temperment ist im Ganzen entschieden phlegmatisch.

Große Liebhaber sind die Singhalesen von Tanz und Musik, Beides allerdings in Formen, die wenig nach unserem Geschmacke sein würden. Die wichtigsten Instrumente sind Pauke und Tam-Tam, deren Kalbsfell aus Leibeskräften mit hölzernen Keulen bearbeitet wird, außerdem Rohrpfeifen und ein sehr primitives Streichinstrument mit einer einzigen Saite (Monochord). Wenn ich abends in der Nähe des Rasthauses den Lärm dieser ohrenzerreißenden Werkzeuge vernahm und denselben nachging, traf ich in der Regel vor einem Feuer unter einer Palmengruppe einen Trupp von einem halben oder ganzen Dutzend brauner nackter Kerle, die sich mit weißen, gelben und rothen Strichen phantastisch bemalt hatten und in den wunderlichsten Capriolen umhersprangen. In weitem Kreise hockte eine andächtige Volksmenge dicht gedrängt umher und verfolgte diese grotesken Kunstleistungen mit größter Andacht. Um die Jahreswende (welche auch für die Buddhisten das Fest der Jahreswende ist) wurden diese abendlichen „Teufelstänze" häufiger und erhielten besondere religiöse Bedeutung. Die Hauptkünstler waren dann mit bunten Federn abenteuerlich verziert, trugen ein paar Hörner auf dem Kopfe und hatten einen langen Schwanz angebunden, ein besonderes Vergnügen für die Jugend. Springend und johlend zog jetzt öfter ein trupp solcher Dämonen unter Musikbegleitung auch bei Tage durch das Dorf; während die nächtlichen Trinkgelage manches Mal zu etwas bedenklichen Orgien ausarteten.

Eine besondere buddhistische Feierlichkeit hatte am 19. December der Häuptling des benachbarten Dorfes Dena-Pitya veranstaltet. Ich war als Ehrengast eingeladen und wurde nachmittags in feierlichem Aufzuge abgeholt. Ein ganzes Dutzend alter, kahlgeschorener Buddhapriester in gelbem Talar empfing mich unter den Wipfeln eines ungeheuren Feigenbaumes und führte mich unter wunderlichem Gesange in den Tempel, der mit Guirlanden zierlich decorirt war. Hier wurde mir das große Buddhabild, reich mit duftenden Blumen geschmückt, gezeigt und die Bedeutung der Wandmalereien (Scenen aus der Lebensgeschichte des Gottes) erklärt. Dann wurde ich auf einen Thronsessel geführt, der dem Tempel gegenüber unter einer schattigen Baumgruppe errichtet war, und nun begann die eigentliche Vorstellung. Ein Musikchor von 5 Tam-Tam- Schlägern und ebenso vielen Flötisten begannen einen Lärm aufzuführen, der „Steine erweichen" konnte. Zugleich erschienen auf 12 Fuß hohen Stelzen 2 Tänzer, die eine Reihe der wunderlichsten Evolutionen ausführten. Dazwischen trugen die Töchter des Häuptlings, üppige schwarzlockige Mädchen von 12-20 Jahren, mit sehr zierlichen Gliedmaßen, Toddy oder Palmwein in Cocosschalen und Zuckerbackwerk nebst Früchten zur Erfrischung umher. Von einer längeren Rede, die der Häuptling dann an mich hielt, verstand ich leider kein Wort; doch merkte ich, daß sie vorzugsweise die hohe Ehre betonte, die ihm heute durch meinen Besuch widerfuhr. Pantomimisch wurde dieselbe Idee durch eine Bande von 10 nackten, bunt bemalten und geschückten Teufelstänzern ausgedrückt, welche rings um meinen Thron die tollsten Sprünge ausführten. Als ich endlich gegen Sonnenuntergang aufbrach und meinen Ochsenkarren aufsuchte, fand ich ihn ganz gefüllt mit den schönsten Bananen und Cocosnüssen, die die freundlichen Leute mir noch als Gastgeschenk mit auf den Weg gegeben hatten.

Kaum hatte ich hier als Ehrenpräsident eines echt singhalesischen buddhistischen Zauberfestes fungirt, so mußte ich - schon am nächsten Tage! - eine entsprechende Function bei der Jahresfeier der Wesleyanischen Mission ausüben! Am folgenden Morgen (den 20. December) erschien unvermuthet in einem Wagen aus Punto-Galla der Präsident der dortigen Wesleyanischen Mission (einer Religionsgesellschaft, die unseren Herrenhutern ziemlich nahe steht). Er theilte mir mit, daß in der hiesigen Schule derselben heute zum Schlusse des Jahresunterrichts eine feierliche Preisvertheilung stattfinde und daß ich ihrer guten Sache keinen größeren Dienst erweisen könne, als wenn ich selbst die Prämien an die Kinder vertheile. Trotz allen Sträubens mußte ich mich doch schließlich fügen. Hatte ich gestern dem großen Buddha gehuldigt, so mußte ich heute dem guten Herrn Wesley einen Gefallen thun. Ich wanderte als nachmittags in das kleine offene Schulhaus, wo etwa 150 Kinder in weißen Kleidern (theils aus Belligemma, theils aus benachbarten Dörfern) versammelt waren. Zuerst wurden mehrere Gesänge aufgeführt, die jedoch für die musikalische Bildungsstufe des braunen Schulmeisters kein besonders erfreuliches Zeugniß ablegten; es kam mir vor, als ob die 150 Kinder (etwa 90 Knaben und 60 Mädchen) mindestens 50 verschiedene Melodien gleichzeitig executirten. Die mangelnde Harmonie suchten sie offenbar durch Stärke und Höhe der Stimme zu ersetzen. Dagegen fiel das folgende Examen in biblischer Geschichte und englischer Grammatik recht befriedigend aus. Auch die aufgelegten Schreib- und Zeichenhefte waren nicht übel, wenigstens in Anbetracht des Umstandes, daß sie im Paradiese von Ceylon unter 6 Grad nördlicher Breite entstanden waren. Nun hielt der Reverend N. eine feierliche Rede, an deren Schlusse er mich aufforderte, die dreißig ausgesetzen Prämien an die fleißigsten Schulkinder zu vertheilen. Ich rief die Namen derselben, einer Liste folgend, auf, und jedesmal kam der kleine Singhalese mit strahlendem Antlitze vor und empfing mit tiefer Verbeugung aus meiner Hand seine Belohnung; ein englisches Buch oder eine Bilderfibel. Zum Schlusse wurde Alles mit Kaffee und Kuchen tractirt. Meine Freunde in Galla und Colombo, welche durch die Zeitung von diesen meinen außerordentlichen Leistungen erfuhren, hatten darüber großen Spaß.

Die merkwürdigste Feier jedoch, welcher ich während meines Aufenthaltes in Belligemma beiwohnte, war das Begräbniß eines alten Buddhapriesters am 13. Januar. Während die gewöhnlichen Menschen hier einfach begraben werden (und zwar im Garten hinter dem Wohnhaus oder im nahen Cocospark), so werden die Priester allein der Ehre der Verbrennung theilhaftig. Diesmal handelte es sich um den ältesten und angesehendsten Priester des Dorfes, und demgemäß war in der Nähe des Haupttempels ein gewaltiger Scheiterhaufen, mitten im Cocoswalde, aus Palmenstämmen aufgeschichtet. Nachdem die Leiche auf einer hohen, blumengeschmückten Bahre unter feierlichen Gesängen durch das Dorf getragen worden war, zog eine Schar von jungen Buddhapriestern in gelber Toga sie auf den Scheiterhaufen hinauf, der eine Höhe von ungefähr dreißig Fuß hatte. Die vier Ecken desselben wurden durch vier hohe, im Boden wurzelnde Cocosstämme gestützt, zwischen welchen baldachinartig ein großes weißes Tuch ausgespannt war. Nach Ausführung verschiedener Ceremonien, feierlicher Gesänge und Gebete, wurde um 5 Uhr abends unter lautem Tam- Tam-Lärm der Scheiterhaufen angezündet. Die ringsversammelte braune Volksmenge, mehrere Tausend Köpfe stark, die den umgebenden Cocoswald erfüllte, folgte nun mit größter Spannung der Verbrennung der Leiche, besonders aber dem Momente, in welchem der Baldachin von den Flammen ergriffen wurde. Die aufsteigende heiße Luft blähte dieses horizontal ausgespannte weiße Tuch gleich einem gewaltigen Segel hoch empor und es war schon die Dunkelheit eingebrochen, ehe dasselbe von der hoch auflodernden Flamme ergriffen und verzehrt wurde. In diesem Augenblicke durchtobte tausendstimmiger lauter Jubel den stillen Wald; die Seele des brennenden Oberpriesters war jetzt gen Himmel geflogen. Zugleich gab dieser feierliche Moment das Signal für den Beginn des heiteren Festtheiles. Reiskuchen und Palmenwein wurde herumgereicht und es begann eine laute und lustige Zecherei, die den größten Theil der Nacht hindurch rings um den noch immer brennenden Scheiterhaufen fortdauerte.

Abgesehen von diesen Feierlichkeiten und einigen weiteren Excursionen in die Umgegend erlitt mein einsames Stillleben im Rasthause von Belligemma nur selten eine Unterbrechung. Dann und wann kam auf seiner Inspectionsreise durch die Provinz ein englischer Regierungsbeamter, der ein paar Stunden im Rasthause verweilte, auch wohl den Abend mit mir speiste und dann weiter fuhr. Unbequemere Besuche waren einige singhalesische Schulmeister, die, durch den Ruf meines Laboratoriums angezogen, aus weiterer Entfernung angereist kamen, sich mir als Collegen vorstellten und alles Mögliche wissen oder sehen wollten. Nun bin ich zwar allerdings in der Hauptsache auch nur ein Schulmeister und habe demgemäß vor meiner Kaste natürlich den größten Respect. Allein die besondere Species des Praeceptor singhalensis, die ich hier näher kennen lernte, war doch wenig nach meinem Geschmacke und ich war froh, wenn ich diese zudringlichen und eingebildeten, dabei aber doch sehr unwissenden Gesellen glücklich abgeschüttelt hatte. Daneben lernte ich übrigens später einige angenehmere und unterrichtete Exemplare derselben Gattung kennen.

Der merkwürdigste unter den vielen neugierigen Besuchen, welche ich während meines dortigen Aufenthaltes empfing, überraschte mich jedoch zur Weihnachtszeit. Ich kam abends spät sehr ermüdet von einer weiten Excursion nach Boralu zurück, als schon vor dem Rasthause Socrates mir entgegenkam und mit geheimnisvoller Miene mir zuflüsterte, daß vier fremde „Ladies" seit einer Stunde schon auf mich warteten. In der That erblickte ich bei meinem Eintritte in das dunkle Rasthaus auf der Bank sitzend vier Damen in europäischer, aber höchst geschmackloser Kleidung. Wie erschrak ich aber, als der flackernde Schein der Cocoslampe auf vier alte Hexengesichter fiel, von denen eins immer häßlicher und runzeliger war als das andere. Wären es drei gewesen, so würde ich sie für die drei Phorkyaden aus der classischen Walpurgisnacht gehalten und ihnen nach dem Muster des Mephistopheles einiges Angenehme gesagt haben. Glücklicherweise wurde mir dies erspart; denn die älteste der vier braunen Huldinnen (- sie mochte wohl über fünfzig Jahre zählen -) begann mir ebenso höflich als würdevoll in leidlich gutem Englisch mitzutheilen, daß sie die wißbegierigen Töchter des Häuptlings aus einem benachbarten Dorfe seien, und daß der Großvater ihrer Mutter ein Holländer gewesen sei; da sie wissenschaftliche Interessen besäßen, wünschten sie meine Sammlung zu sehen und photographirt zu werden. Ich bat sie, am anderen Morgen wieder zu kommen. Zur Photographie konnte ich mich freilich nicht entschließen; aber durch Demonstration des Laboratorium konnte ich doch ihren Wissenstrieb befriedigen.


XIII. Basamuna und Mirissa.

Die nächste Umgebung von Belligemma sowohl als auch die weitere Hügellandschaft, die sich daran anschließt, bietet eine Fülle der schönsten Bilder und zeigt den idyllischen und zugleich großartigen Tropencharakter von Südwest-Ceylon in seiner höchsten Vollendung. Die zahlreichen Excursionen, die ich nach verschiedenen Richtungen in dieselbe unternahm, meistens von Ganymedes und William begleitet, gehören zu meinen liebsten Reiseerinnerungen.

Der reizende Busen von Belligemma wiederholt in Lage, Größe und Form fast genau denjenigen von Punto-Galla; nur ist ersterer um 1/3 größer. Beide bilden nahezu einen Halbkreis, der nach Süden sich öffnet und an dessen Oeffnung sowohl östlich als westlich ein schützendes Vorgebirge vorspringt. Der Radius dieses Halbkreises beträgt bei Belligemma etwas mehr als eine Seemeile, bei Galla etwas weniger; der Mündungsdurchmesser dort 1 1/2, hier nur 1 Seemeile. Der westliche Vorsprung des Hafens, welche in Galla das Fort trägt, wird in Belligemma von der Basamuna-Spitze gebildet, einer äußerst malerischen Hügelgruppe, deren dunkelrothes Gestein mit den seltsamsten Pandanusgruppen geschmückt ist. Das östliche Vorgebirge hingegen, an beiden Orten höher und weiter vorspringend, trägt in Galla das Fort von Watering-Point, in Belligemma den schönen Wald von Mirissa. Die überraschende Aehnlichkeit zwischen den beiden prächtigen Meeresbuchten wird dadurch noch größer, daß ihr weißer Sandstrand größtentheils vom herrlichsten Cocospark überschattet wird und daß die rothen und braunen Felsen dazwischen mit grotesken Pandanusbüschen verziert sind. Hier und dort erheben sich in blauer Ferne darüber die Bergketten des Hochlandes, unter denen Hay-Cock und Adams-Pik als Landmarken am meisten vorspringen. Ja, diese Aehnlichkeit wiederholt sich in den wundervollen Korallenbildungen beider Hafenbecken. Wie die größten und reichsten Korallenbanke von Galla rings um das Fort sich finden, am Fuße des westlichen Vorgebirges, ebenso auch in Belligemma, rings um den Klippenfuß von Basamuna. Uebrigens sind die Korallenbänke des letzteren weniger ausgedehnt als die des ersteren und der Hafen ist tiefer und weniger klippenreich als dort. Es ist daher schwer zu begreifen, daß der prächtige Hafen von Belligemma nicht längst für die Schiffahrt größere Bedeutung gewonnen hat und daß nicht längst an der Stelle des armen und bescheidenen Fischerdorfes eine reiche und stolze Handelsstadt blüht. Hätte ich in Indien eine Colonie zu gründen, ich würde nirgends anders hingehen als nach Belligemma!  B a s a m u n a , das West-Cap von Belligemma, war mein bevorzugter Lieblingsspaziergang während meines dortigen Aufenthaltes. Wenn ich Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr meine zoologischen Arbeiten beendet und die Beute der marinen Morgenexpedition in den Weingeistgläsern sicher untergebracht hatte, packte ich rasch die Mikroskope und Instrumente in die Almeira und hing Ganymedes die Patrontasche und Botanisirtrommel um. William nahm das Gewehr und das Schmetterlingsnetz und sich selbst das Aquarellgeräth und Skizzenbuch. Die Basamunaklippe ist nur eine halbe Stunde vom Rasthause entfernt, welches am Südende des Dorfes, mitten an der Westseite der Belligamma-Bai liegt. Der nächste Weg dorthin führt längs des Strandes an einzelnen Fischerhütten vorbei und dann am Rande des Cocoswaldes hin. Das ewig wogende Meer hat hier das lehmige Ufer stark unterwühlt und bringt alljährlich eine Anzahl der edlen Cocosstämme zum Fall; ihre weißen Leichen ragen zum Theil aus dem Wasser hervor, während der braune Wurzelschopf, ausgehoben und rein abgespült, wie ein behaarter Kopf an ihrem Ende sitzt. Eine Menge bunter Strandkrabben (Ocypode) und Einsiedlerkrebse (Pagurus) beleben den Strand; letztere verbergen hier ihren weichen Hinterleib nicht wie gewöhnlich in dem Gehäuse einer Seeschnecke, sondern mit Vorliebe in dem stattlichen rothmündigen Hause der großen landbewohnenden Palmenschnecke (Helix haemastoma). Wenn die Ebbe sehr tief ist, kann man unten um den Felsenfuß des steilen West-Caps herumklettern, über die entblößten Korallenfelsen, auf denen oft viele interessante Seethiere, bunte Schnecken und Muscheln, stachelige Seeigel und Seesterne zurückgeblieben sind. Bei Hochwasser muß man aber hinter dem Cap herum durch den Palmenwald gehen, in dem allenthalben einzelne Hütten mit Brodfruchtbäumen und Bananenschmuck zerstreut liegen. Ganz überraschend ist dann der Anblick, wenn man plötzlich aus dem Cocoshain heraustritt und inmitten der tieffsten Einsamkeit die dunkelrothen Porphyrfelsen von Basamuna vor sich sieht, wild zerklüftete Klippen, an deren Fuß die tobende Brandung emporspritzt. Ihr Rücken ist fast ganz mit Schraubenpalmen oder Pandangs bedeckt, von so phantastischen Formen und so grotesker Gruppirung, wie sie nur die wildeste Phantasie eines Gustav Doré ausdenken könnte. Gleich gewaltigen Riesenschlangen winden sich die verbogenen cylindrischen Stämme durch einander, unten auf zahlreiche, lange und dünne Luftwurzeln, wie auf Stelzen sich stützend, oben armleuchterartig verzweigt, ihre sparrigen Aeste gleich drohenden Armen gen Himmel streckend, am Ende jedes Armes ein schraubenförmig gewundener Blätterschopf. Beim Vollmondscheine gewährt diese gespensterhafte Gesellschaft einen ganz tollen Anblick und es ist begreiflich, daß die abergläubischen Singhalesen nicht zu bewegen sind, sich bei Nacht hineinzuwagen. Ich muß bekennen, daß mir selbst, trotz Doppelflinte und Revolver, ganz unheimlich zu Muthe wurde, als ich einmal bei Vollmond zwischen 10 und 11 Uhr ganz allein in diesem hexenmäßigen Pandanusdickicht herumkletterte; um so mehr, als der treue Ganymed vorher mit den rührendsten Blicken mich gebeten hatte, davon abzusehen. Ein scharfer Westwind warf den silbernen Schaum der Brandung mit Donnergetöse an den schwarzen Klippen haushoch empor, während er oben ein ganzes Heer von gethürmten Haufwolken mit fliegender Eile über das dunkle Firmament jagte. Der rasche Wechsel der schwarzen Wolkenschatten und des zauberhaften Vollmondglanzes gab auf den schimmernden Blätterköpfen und dem verschlungenen Stammgewirr Effecte, wie man sie unheimlicher sich nicht denken kann. Wenn man sich durch das Pandanusdickicht von Basamuna gearbeitet hat und auf die frei vorspringende Felsenspitze hinaustritt, erblickt man zur Linken den Eingang in die Belligemma-Bai, im Süden fern gegenüber die Cocospalmen der Mirissaspitze; zur Rechten hingegen eine fein geschwungene Ausbuchtung des Strandes, der dicht mit Cocospalmen gesäumt ist; und über dem letzten nördlichen Vorsprung desselben eine allerliebste Insel, mit Gebüsch bewachsen. Von dem Dorfe, von dem uns bewaldete Hügel trennen, ist hinten im Rücken (ostwärts) Nichts zu sehen, und keine Spur menschlicher Existenz stört den Eindruck der absoluten Einsamkeit, der diese zauberhafte Meereswarte umwebt. Frei und ungehemmt fliegt der Blick hier über den unermeßlichen blauen Spiegel des indischen Oceans und würde erst 30 Längengrade weiter westwärts wieder auf Land stoßen, auf ein Land, das in jeder Beziehung das Widerspiel unserer üppigen Umgebung ist, auf die trockene und pflanzenlose Sandküste der abyssinischen Somali-Neger. Unsere Gedanken aber fliegen noch viel weiter nach Nordwesten; denn die strahlende Sonne sinkt immer tiefer gegen den violetten Meereshorizont, und es naht die bezaubernde Abendstunde; „die hehre Stunde, da mit stillem Sehnen der ferne Schiffer an die theure Heimath denkt". Heimwärts fliegen unsere Gedanken zu dem lieben Thüringen und zu all den treuen Herzen, die jetzt vielleicht im traulichen Zimmer um die Lampe sitzen und am wärmenden Ofen von dem fernen Indienfahrer sprechen, während tiefer Schnee draußen Berg und Thal in weißen Mantel hüllt. Welcher Gegensatz zu unserer Umgebung! Die rothglühende Sonnenkugel sinkt jetzt wirklich in den Ocean und taucht die rothen Felsen, auf denen wir sitzen, in ein wahres Flammenmeer. Wie zart und luftig erscheinen darüber die rosigen Abendwolken und wie prachtvoll der vergoldete Strand mit seinem Palmensaum! Aber kaum finden wir Zeit, das reizende Farbenspiel in raschen Wechsel seiner Thöne zu verfolgen, so ist es auch schon vorbei, und die kurze Abenddämmerung eilt mit solcher Schnelligkeit vorüber, daß es schon ganz dunkel ist, ehe wir durch den Palmenwald vorsichtig tastend unseren Rückweg zum Rasthaus suchen. Aehnliche und doch verschiedene Reize als Basamuna besitzt das gegenüberliegende Ostcap der Belligemma-Bai, das herrliche  M i r i s s a . Um dieses im Segelboot zu erreichen, braucht man bei günstigem Winde vom Rasthause kaum eine Viertelstunde; hingegen mehrere Stunden, wenn man zu Fuß längs des Strandes die ganze Bucht umkreist; man muß dann auch die Mündung des Polwattaflusses überschreiten, der an der Nordostecke der Bai in dieselbe mündet. Es war ein wundervoller frischer Morgen, als ich (am 6. Januar) zum ersten Male mich nach Mirissa übersetzen ließ, ausgerüstet mit Proviant für den ganzen Tag, weil ich von dort aus mehrere Excursionen unternehmen wollte. Das kleine Fischerdorf Mirissa, das „Muscheldorf", welches unmittelbar am Fuße des gleichnamigen Vorgebirges liegt, hat seinen Namen von den zahlreichen Muscheln (sowohl Miesmuscheln als echten Austern) erhalten, welche die Felsen seines Strandes bedecken. Ein großer Zug von sardellenartigen Fischen beschäftigte gerade die Bewohner, als wir uns dem Dorfe näherten; alle disponiblen Canoes waren längs des Zuges vertheilt und Jung und Alt eifrigst beschäftigt, mit kleinen Handnetzen so viel davon zu erbeuten als möglich. Wir umschifften das malerische Cap, an dessen mächtigen braunen Quaderblöcken sich eine wilde Brandung bricht, segelten noch eine Meile weiter und landeten auf der anderen Seite des Caps in einer kleinen geschützten Bucht. Dann kletterte ich mit Ganymed auf die Höhe des Vorgebirges, den frei vorspringenden „Mirissa-Point", und durchstrich den schönen Wald, der außen mit Pandanusbüschen gesäumt ist und dessen stattliche Bäume (meist Cedrelen und Terminalien) mit prächtigen Guirlanden von Schlingpflanzen behangen sind. Zahlreiche Affen und Papageien belebten dieselben, waren jedoch sehr scheu und ließen mich nicht zum Schuß kommen. Als wir gegen Mittag an den Strand zurückkehrten, bemerkten wir in der Nähe unseres Bootes eine Gruppe von Eingeborenen; der stattliche, an ihrer Spitze befindliche Häuptling, ein hübscher Mann von etwa 40 Jahren, mit sehr sanfter und einnehmender Miene, näherte sich mir in ehrerbietiger Weise und überreichte mir ein hübsches Fruchtkörbchen, mit Mango, Ananas, Orangen und anderen edlen Früchten seines Gartens gefüllt, und mit duftigen Jasmin-, Plumiera- und Oleanderblüthen rings verziert. Mit ebenso freundlichen als bescheidenen Worten bat er mich, das Mittagsmahl, welches ich eigentlich am Strande im Cocosschatten hatte verzehren wollen, in seiner Hütte einzunehmen. Nachdem ich dankend angenommen, schickte er einige seiner Leute voraus, um noch Vorbereitungen zu treffen, während ich William und zwei meiner Bootsleute anwies, ihm mit dem Korbe, der unsere kalte Küche enthielt, zu folgen. Ich selbst erquickte mich inzwischen an einem herrlichen Seebade.

Nach Verlauf einer Stunde erschien der Häuptling wieder, gefolgt von einer Schar allerliebster Kinder, die mit Blumen geschückt waren. Auf einem gewundenen Pfade durch Cocoswald führte er mich in einen Theil des Dorfes, der von letzterem rings umschlossen ist und den ich vorher gar nicht bemerkt hatte. Durch einen niedlichen Garten, dessen Weg mit Blumen bestreut war, gelangten wir zu der stattlichen Hütte des Häuptlings, ganz aus Bambusrohr gebaut und mit Palmenblättern verziert. Unter dem breiten Rohrdache, welches vor der Hütte eine schattige Veranda bildete, war aus Palmstämmen und Brettern ein großer Tisch improvisirt und mit den schönsten frischgrünen Bananenblättern bedeckt. Das mitgenommene Mittagbrod war darauf servirt, außerdem aber auch eine große Schüssel voll Reis und Cörry, sodann frische Austern, süße Bananen und Cocosnüsse, das gütige Gastgeschenk unseres braunen Wirthes. Der herrliche Appetit, mit dem ich dieselben verzehrte, durch die vorhergehende heiße Wanderung und das folgende Seebad geschärft, wurde dadruch nicht beeinträchtigt, daß die ganze zahlreiche Familie des Häuptlings den Tisch umstand und mit größter Aufmerksamkeit jede meiner Bewegungen verfolgte, während außerhalb des Gartens die braunen Dorfbewohner versammelt standen und aus der Entfernung zuschauten.

Nach Vollendung dieses originellen Mahles, das mir wie Nektar und Ambrosia schmeckte, bat mich mein freundlicher Wirth, meinen Namen und den meines Vaterlandes auf ein Palmenblatt zu schreiben, das er über der Thür seiner Hütte befestigt hatte. Sodann stellte er mir seine ganze Familie vor, nicht weniger als 16 Kinder (9 Knaben und 7 Mädchen), eins immer hübscher als das andere. Nur die älteren, etwa von 12 Jahren an, waren halb bekleidet, während bei den jüngeren ein um die Hüften geschlungener Bindfaden, an dem vorn in der Mitte eine Silbermünze hing, die Kleidung symbolisch andeutete. Arme und Beine waren mit silbernen Ringen geschmückt. Da hatte ich denn die schönste Entwickelungsgeschichte der singhalesischen Körperform in einer Reihe vollendeter Typen vor Augen, um so interessanter, als gerade dieser Theil der Küstenbevölkerung wegen seines reinen Singhalesenblutes berühmt ist und in der That wohl sehr wenig fremde Beimischung enthält. Die zierliche und bei den älteren Mädchen ungewöhnlich üppige Körperform, mit auffallend kleinen Händen und Füßen, mochte wohl den größten Theil der zweiundreißig Eigenschaften aufweisen, welche nach den singhalesischen Dichtern zur Schönheit erforderlich sind, vor Allen das lange schwarzlockige Haar, die mandelförmigen Augen, schwellenden Lippen, Busen gleich der jungen Cocosnuß u. s. w. Die Hautfarbe war zimmtbraun in verschiedenen Abstufungen, bei den kleinen Kindern heller. Die glückliche Mutter dieser sechzehn hübschen Kinder (eine freundliche dicke Matrone von 40 Jahren) war offenbar nicht wenig erbaut, als ich ihr durch William meine ästhetische Befriedigung über ihr Familienglück aussprechen ließ.

Nachmittags ließ ich mich von dem Häuptling und seinen älteren Söhnen nach einer kleinen, etwa eine Stunde entfernten Buddha-Kapelle führen, neben der ein sehr alter heiliger Feigenbaum oder „Boga" (F i c u s   r e l i g i o s a) stehen sollte. Ich fand in der That ein Prachtexemplar, neben dem die anderen alten Bäume des Waldes wie schlanke Jünglinge aussahen. Sein mächtiger Riesenleib ging oben in zwei gewaltige Arme auseinander, von deren Schultern ganze Büsche langer Lianen, gleich einem prächtigen grünen Mantel herabhingen. Andere dichtverschlungene Kletterpflanzen bedeckten das Wurzelwerk des mächtigen Fußes; die weiße Kuppel einer Dagoba und die benachbarte kleine Buddha-Capelle nahmen sich daneben ganz winzig, wie Zwerghütten aus. Der Boden rings umher war mit den schönsten Pothospflanzen geschmückt, unter denen der sonderbare Amorphophallus sich durch seine hohen rothen Fruchkolben und mächtigen fiederspaltigen Blattwedel auszeichnete.

Es wurde später Nachmittag, ehe ich zum Dorfe zurückkehrte. Hier fanden wir vor der Hütte des Häuptlings wieder Cocosmilch und Bananen zu unserer Erfrischung bereit. Die ganze Bevölkerung gab uns das Geleite, als wir zum Boote an den Strand hinabgingen. Der Abschied von unseren gütigen Wirthen, welche die liebenswürdigsten Seiten des singhalesischen Volkscharakters in ihrem vollen Lichte gezeigt hatten, wurde mir ordentlich schwer; und ich bedauerte, nicht einige Neu- Ruppiner Bilderbogen bei mir zu haben, um meiner Dankbarkeit vollen Ausdruck geben zu können. In deren Ermangelung schenkte ich meinem freundlichen Wirthe mein Taschenmesser und eines von den großen Gläsern, die ich zum Fangen der Seethiere mitgebracht hatte.

Kurz vor Sonnenuntergang umschifften wir wieder das Mirissa-Cap und wurden hier am Eingange der Belligemma-Bai von einem Anblick überrascht, den ich nie vergessen werde. An dem östlichen Ufer derselben, oberhalb von Mirissa, springt basteiartig eine Reihe von senkrecht abfallenden, schön geformten, hohen Felsen hervor, deren rothe Farbe schon bei gewöhnlichem Tageslichte mit derjenigen frisch gebrannter Ziegelsteine wetteifert. Von ihnen rührt jedenfalls der Ortsname der Bucht her, die „Red-Bay" der alteren Karten. Jetzt im Lichte der untergehenden Sonne leuchteten sie wie glühende Kohlen, während ihre Schlagschatten in reinem Kobaltblau prangten. Ich begriff, warum die Mirissa-Leute sie „R a t u - P a n a" nannten, die „rothen Lampen". Der östliche Himmel über diesen Feuerfelsen war blaßgrün, während eine Reihe von geballten Haufwolken in den zartesten Rosen- und Aurorafarben schimmerten. Dazu nun eine warme braungrüne Färbung des Cocos- und Pandanuswaldes, die tiefsten dunkelgrünen und violetten Töne auf der spiegelnden Wasserfläche - das Alles gab ein tropisches Farbenconcert ersten Ranges, wie ich es nie vorher gesehen habe und auch nie wieder sehen werde.

Eine Farbenskizze, die ich davon an Ort und Stelle im Boote entwarf, kann nur als bloßer Anhalt der Erinnerung dienen. Und doch, was würden die Kritiker der Berliner Kunstausstellung dazu sagen? Jene weisen Leute, die alle effectvollen Landschaften verurtheilen, sobald deren Farbenkraft und Formenfülle nicht mehr dem dürftigen Maßstabe unseres armen Norddeutschland entspricht! Haben sie doch einstimmig das prachtvolle Bild von Ernst Körner verworfen, in welchem dieser kühne Landschafter eine Sonnenuntergang in Alexandrien ebenso glänzend als wahr darstellte! Und doch verhält sich der Letztere zu dem Zauberbilde von Mirissa, wie die dürftige Vegetation von Egypten zu der üppigen von Ceylon! Aber freilich, was an der Spree nicht blüht, das darf auch nicht in Indien existiren. Hat man doch vielfach die Farbeneffecte von Eduard Hildebrand „übertrieben" genannt, obwohl sie viel eher zu schwach, als zu stark sind. Doch solche Zauberpracht der Natur muß man gesehen haben, um sie zu glauben!

XIV. Kogalla und Boralu.

Unter den weiteren Ausflügen, welche ich von Belligemma in dessen entferntere Umgebung unternahm, sind namentlich diejenigen von Kogalla und Boralu mir in der angenehmsten Erinnerung geblieben und wohl werth, daß ich ihrer hier kurz gedenke.  K o g a l l a -  W e w a , der „Felsen-See", zeichnet sich durch besondere Größe und Schönheit unter den vielen ausgedehnten Lagunen aus, welche zwischen Colombo und Matura sich längs der Südwestküste von Ceylon hinziehen und viele der hier mündenden Küstenflüsse in Verbindung setzen. Der See liegt halbwegs zwischen Punto-Galla und Belligemma, und erreicht eine beträchtliche Ausdehnung, da er viele Arme nach verschiedenen Seiten hin ausschickt. Die Ufer bilden allenthalben dicht bewaldete Hügel, über welchen die Kronen zahlloser Cocospalmen sich wiegen. Viele kleine Inseln, theils nackte Felsen, theils mit Palmenpflanzung oder Buschwald bedeckt, verleihen der mannigfaltigen Scenerie besonderen Reiz, ebenso wie die idyllischen Hütten der Singhalesen, die in großer Zahl, aber einzeln zerstreut, aus dem grünen Dickicht hervorschauen. Die Vegetation ist überall von einer Frische und Pracht, die nicht übertroffen werden kann.

Es war ein herrlicher Sonntag-Morgen (am 18. December), als ich schon vor Sonnenaufgang von Belligemma aufbrach, um recht frühzeitig Kogalla zu erreichen. Mein lieber Gastfreund von Punto-Galla, Mr. Scott, mit dem ich dort zusammen treffen wollte, hatte mir schon Tags zuvor seinen leichten Einspänner mit dem munteren Pony und einen seiner Diener geschickt. Rasch rollten wir durch die idyllischen Dörfer an der Galla-Straße, deren Bewohner sich soeben von ihrem Lager erhoben und das übliche Morgenbad an der Straße verrichteten. Sobald die jungen Sonnenstrahlen den thaublinkenden Palmenwald durchdrangen, fing es darin an lebendig zu werden und ich genoß von Neuem dieses reizend frische Morgenleben der Tropen, das mich schon so oft entzückt hatte. Da ich eine Stunde früher, als verabredet war, an dem Ort unserer Zusammenkunft eintraf, hatte ich noch Zeit genug, den herrlichen Wald mit Muße zu durchstreifen.

In Begleitung von Mr. Scott kam auch noch ein deutscher Landsmann mit, ein Hamburger, gegenwärtig in Singapore ansässiger Kaufmann, Herr Reimers. Er hatte zur Erholung einen Ausflug nach Ceylon und Bombay unternommen, und es traf sich recht hübsch, daß er noch am Tage vor seiner Rückreise uns Gesellschaft leisten konnte. Zu Dreien fuhren wir nch eine kurze Strecke durch Palmengärten und hielten dann vor einer Hütte am Ufer des Kogalla-Sees. Hier erwartete uns bereits ein Doppelcanoe, das die singhalesische Bemannung auf das Zierlichste mit Blumenguirlanden und Arcaden aus Cocosgeflecht decorirt hatte. Diese Doppelcanoes, die auf den Landseen sowohl als auf den größeren Flüssen von Ceylon sehr beliebt sind, bestehen aus zwei ausgehöhlten parallelen Baumstämmen von 16-20 Fuß Länge, die 4-6 Fuß auseinander stehen und durch Querbalken fest verbunden sind. Ueber Letztere sind Bretter gelegt. Rechts und Links erheben sich die schlanken Stämmchen von einem halben Dutzend junger Arecapalmen, die oben ein breites Schattendach aus Pandangmatten tragen. In den Zwischenräumen zwischen den Stämmchen bilden ausgespannte Blätter der Fächerpalme (Borassus) ein zierliches Gerüst. Die Bänke, welche in diesem schwimmenden Gartenhäuschen beiderseits stehen, gewähren den angenehmsten schattigen Sitz, von dem aus man frei nach allen Seiten sieht. Sechs oder acht kräftige Ruderer sitzen entweder in dem vorderen oder in dem hinteren Theil der hohlen Baumstämme, der beiderseits frei vorragt, ihren Platz. Der schmale Arm des Sees, von dem wir ausfuhren, öffnet sich in das weitere Hauptbecken durch ein Thor, welches durch drei mächtige nackte Felsblöcke halb gesperrt erscheint. Diese drei Granitblöcke heißen „die drei Brüder" (Tunamalaja) und sind der Lieblingsaufenthalt zahlreicher großer Krokodile, die sich hier mit weit aufgesperrtem Rachen sonnen. Kein Schwimmer wurde ungestraft zwischen diesen furchtbaren Thorwächtern hindurch kommen. Das Hauptbecken des Sees ist ringsum von dichten Waldmassen eingerahmt, über denen sich freundliche Hügel mit Palmen erheben. Einen besonderen Reiz desselben aber bilden die niedlichen Inseln, die zum großen Theil ebenfalls mit Cocospark geziert sind. Die edlen Palmen bilden gewöhnlich auf jeder socher kleinen Insel ein prachtvolles Riesenbouquet, da ihre gewaltigen Fiederkronen möglichst viel Licht und Sonne zu gewinnen trachten. Die schlanken und zierlich gebogenen weißen Stämme streben daher nach allen Richtungen auseinander, so daß die außen stehenden fast horizontal sich über den Wasserspiegel neigen, während die mittleren vertical zum blauen Himmel emporragen. Ein wahres Muster eines solchen war das reizende kleine Gan-Duwa, welches unmittelbar vor dem Rasthause von Belligemma die größte Zierde in dessen nächster Umgebung bildete.

Wir landeten an einer solchen kleinen Cocosinsel, um der glücklichen Familie, die mitten im Palmenbouquet ihre einsame Hütte aufgeschlagen hatte, einen Besuch abzustatten. Drei kleine nackte Kinder, die munter zwischen den Felsen des Strandes mit Muscheln gespielt hatten, flohen bei unserer Annäherung erschreckt unter lautem Geschrei zu ihrer Mutter. Diese, ein hübsches junges Weib, mit einem vierten Kinde an der Brust, schien ebenfalls über den seltenen Besuch bestürzt und lief eilends mit ihren Kleinen zur Bambushütte. Hinter dieser trat jetzt ihr Mann herver, der eben im Garten süße Pataten ausgegraben hatte: ein kräftiger junger Singhalese, ganz nackt, und nur mit einem schmalen Schurz um die Hüften. Mit natürlichem Anstande begrüßte er uns und frug, ob er uns nicht mit einigen Curumba (jungen Cocosnüssen) erfrischen könnnte. Als wir diese Fragen dankend bejahten, kletterte er sofort auf einen der größten Stämme hinauf und warf uns ein halbes Dutzend der schönsten goldgelben Früchte herunter, von jener feinen Spielart, die hier „Königs- Cocosnuß" heißt. Der kühle limonadenartige Trank wirkte bei der brennenden Sonnenglut wunderbar erfrischend. Dann präsentirte er uns auf einem großem Caladiumblatt eine Traube von herrlcihen süßen Bananen, und führte uns in seinen kleinen Garten, in welchem eine Auswahl der edelsten Tropengewächse cultivirt war. Auf unsere Frage, ob diese zum Unterhalte seiner Familie für das ganze Jahr ausreiche, erwiderte er uns, daß er ausßerdem auch noch Fische und Krebse aus dem See fange; und daß er von diesen und von dem Ueberschuß der Früchte noch eine hübsche Summe Geldes einlöse, für welche er Reis kaufe und einiges Hausgeräthe für seine Familie; mehr aber habe er niemals nötig. Beneidenswerteh Familie! Auf Eurer kleinen Cocosinsel lebt Ihr wirklich im Paradiese, ,und kein feindlicher Nachbar stört Euch in Eurem stillen friedlichen Glücke!

Wir ruderten nun noch weiter in den See hinaus und auf einen vorspringenden Felsen zu, über welchem die weiße Dagoba- Kuppel eines Buddhatempels aus dem dichten Gebüsch hervorragte. Eine steinerne Treppe führte durch letzteres zu dem Tempel hinauf, auf dessen Altar fromme Hände Jasmin und andere duftige Blumen geopfert hatten. Die rohe Malerei an den Tempelwänden und die große ruhende Buddhastatue in gelbem Gewande unterschied sich nicht von der gewöhnlichen Form. Die Wohnungen der Priester hinter dem Tempel lagen ganz idyllisch unter dem Schatten eines gewaltigen Boga und genossen den schönsten Blick auf den See; der senkrecht abfallende rothe Felsen bildete eine natürliche Terrasse. Ein paar große Kittupalmen (Caryota) sowie eine schöne Gruppe von Areca- und Talipot- Palmen dienten nicht minder zum Schmucke des anmuthigen Bildes, als die dichten Gehänge von Schlingpflanzen aller Art, die von den Kronen einiger mächtiger Kadschubäume (Anacardium) herabflossen.

Es war glühend heiß geworden, als wir gegen Mittag zur Hütte des Häuptlings von Kogalla zurückruderten, und der unbewegliche Seespiegel warf die senkrechten Sonnenstrahlen wie eine polirte Metallplatte zurück. Wir wurden daher auf das Angenehmste durch die Kühle überrascht, die wir in dem dämmerigen Raume der dichtbeschatteten Hütte vorfanden; und das opulente Diner, welches der gütige Mr. Scott inzwischen durch seinen Diener hatte herrichten lassen, mundete uns unvergleichlich. Nach demselben unternahm ich, während meine Freunde eine Siesta hielten, noch allein eine Excursion nach der anderen Seite des Sees. Ich besuchte dort einen zweiten größeren Buddhatempel und sammelte einige von den prächtigen Erdorchideen und Gewürzlilien (Marantaceen), mit denen die Ufer hier geschmückt waren. Auch diese Seite des Sees bereicherte mein Skizzenbuch mit einigen reizenden Motiven. Leider mußte ich diesen Genuß wieder mit meinem Blute bezahlen, da die lästigen Blutegel im Grase des Seeufers überaus häufig waren.

Nicht minder prächtig, wenn auch weniger großartig als dieser Felsensee, der „Kogalla-Wewa", war ein anderer See den ich von Belligemma aus mehrmals besuchte, der „K i e s e l s e e", B o r a l u -  W e w a. Ich verdanke die herrlichen Tage, die ich dort verlebte, dem zweiten Häuptling von Belligemma, dem trefflichen Aretschi. Derselbe besaß in der Nähe des Sees ein ausgedehntes Stück Feldland, das er theilweise mit verschiedenen Früchten, theilweise mit Limongras bepflanzt hatte, und auf welchem er 30-40 Arbeiter beschäftigte. Der Weg dahin führt von Belligemma nach Osten tief in des üppige Hügelland hinein, das sich viele Meilen weit bis zum Fuße des Gebirges erstreckt.

Das erste Naturwunder, das man auf diesem Wege findet, ist einen gewaltige Cocospalme, eine Meile von Belligemma entfernt, deren Stamm oben gabelförmig in drei Aeste gespalten ist und somit drei Kronen trägt - eine sehr seltene Abnormität. Das zweite Wunder findet sich eine Meile weiter, am Polwattaflusse. Diesseits der Brücke, die über denselben führt, steht neben einem Buddhatempel ein prächtiger alter Banyanenbaum (F i c u s   i n d i c a) mit Lianen- Guirlanden phantastisch behangen; jenseits der Brücke aber, vor dem kleinen Dorfe Dena-Pitya (d. h. Rinderfeld) erhebt sich noch ein weit größerer Baum derselben Art, ein wahrer Riese seines Geschlechts, ja vielleicht einer der größten dieser Wunderbäume, die überhaupt existiren. Seine ungeheure Krone, unter der ein ganzes Dorf mit mehr als hundert Hütten Platz und Schatten finden würde, stützt sich auf zahlreiche starke Stämme, von denen jeder einzele für sich allein als mächtiger Baum Bewunderung verdient. Alle diese riesigen säulengleichen Stämme sind nichts als Luftwurzeln, herabgesenkt von horizontalen Seitenästen des mittleren Hauptstammes. Zwischen ihnen hängen viele kleine Luftwurzeln herab, welche noch nicht den Boden erreicht haben und die Entstehung des vielstämmigen Baumriesen erläutern. Tiefe Dämmerung herrscht beständig unter dem Schattendache der ungeheuren Krone, deren dichte Blättermassen keinen Lichtstrahl durchfallen lassen; es ist begreiflich, daß die buddhistischen Dorfbewohner nur mit scheuer Ehrfurcht sich dem heiligen Baume nahen.

Ein Naturwunder ganz anderer Art besitzt das Dorf Dena-Pitya in einer Frau von ungefähr 50 Jahren, welcher die Oberschenkel vollständig fehlen. Der Oberkörper ist kräftig und wohlgebildet; er ruht aber unmittelbar auf den Unterschenkeln, die am Hüftgelenke eingefügt sind. Diese seltene Mißbildung ist um so merkwürdiger, als die Frau drei wohlgebildete Kinder besitzt, welche gleich der Mutter an jedem Fuße nur vier Zehen haben. Leider wurde eine nähere Untersuchung nicht gestattet. Wenn man die Straße von Dena-Pitya weiter ostwärts verfolgt, gelangt man nach ein paar Meilen zu einer der berühmten Edelsteingruben, die im vorigen Jahrhundert noch sehr ergibig gewesen sein sollen. Jetzt scheinen sie ziemlich erschöpft zu sein. Doch wurde während meiner Anwesenheit ein Diamant gefunden, den der glückliche Finder nachher für 400 Pfund (= 8000 M.) verkaufte. In Folge dessen strömten zahlreiche neue Arbeiter in diese „Gem-Pits". Als ich dieselben besuchte, waren etwa 160-180 Arbeiter in 30-40 tiefen Gruben mit Schlämmen und Sieben der Erde beschäftigt.

Der Weg nach Boralu führt schon von Dena-Pitya ab, in nordöstlicher Richtung; bald durch den schönsten Palmenwald, bald durch üppiges Djungle, bald über hellgrüne Paddyfelder oder über Sumpfwiesen, auf denen schwarze Büffel im Schlamme liegen, bedeckt mit zierlichen weißen Reihern. Nach einigen Meilen kommt man an den reizenden Boralusee, dessen Ufer der Weg theils in weiten Bogen umzieht, theils unmittelbar verfolgt. Die Ufer sind ringsum mit der üppigsten Vegetation geschmückt; dahinter erheben sich allenthalben dicht bewaldete Hügel. Eine kleine Insel, ebenfalls völlig mit Wald bedeckt, liegt einsam mitten im See. Die mannigfachen Landzungen, die vom Ufer in den See vorspringen, verleihen ihm besondere Anmuth. Sein größter Reiz aber liegt in der vollkommenen Waldeinsamkeit und in der Abwesenheit aller menschlichen Cultur. Selbst der Fahrweg am Ufer verräth letztere nicht, da er ganz von hohem Gebüsch eingeschlossen wird.

Sowohl der See selbst, als seine Umgebung ist reich an Thieren. So oft ich ihn besuchte, traf ich am Ufer gesonnt die großen grünen Rieseneidechsen von 6-7 Fuß Fuß Länge (Hydrosaurus salvator). Einmal wurde ich auch durch eine Riesenschlange von ungefähr 20 Fuß Länge überrascht (Python molurus). Leider flüchtete das Ungeheuer sofort vom Felsen herabgleitend in das Wasser, ehe ich noch mein Gewehr darauf richten konnte. Um so interessanter war die Jagd auf Affen, deren grunzende Stimme man überall hört. Sowohl von dem gelbbraunen „Rilawa" (Macacus sinicus), als von dem großen schwarzen „Wanderu" (Presbytis cephalopteris) schoß ich hier mehrere schöne Exemplare. Am ergibigsten war jedoch die Jagd auf Schwimmvögel; besonders verschiedene Arten von Wasserhühnern, Reihern, Ibis, Flamingos, Pelekane u. s. w. Diese kamen abends bei Sonnenuntergang in großen Schwärmen über den See geflogen, um ihre Nachtquartiere aufzusuchen; ich erlegte einmal in einer Viertelstunde ein halbes Dutzend. Auch das Ufergebüsch, mit den prächtigen goldgelben Blüthenkolben der Cassia und den purpurnen Rosen der Melastoma üppig geschmückt, ist reich an kleineren Vögeln.

Nicht weit von dem nördlichen Ende des Sees entfernt, durch ein paar bewaldete Hügel getrennt, liegt der Waldgarten des Aretschi, ein ganz reizender Ort, an dem ich vier Tage zubrachte. Die einfache Rohrhütte, in der ich mich aufhielt, ist von der üppigsten Bananenpflanzung versteckt und liegt am Abhange eines steilen Hügels, der die herrlichste Aussicht über die grünen Wiesen, die dunkeln Waldmassen und die blauen Gewässer der umgebenden Hügellandschaft gewährt; den entfernten Hintergrund der letzteren bilden die blauen Gebirgsketten des Hochlandes. Von den einzelnen Hütten der Waldbewohner, die allenthalben zerstreut liegen, ist Nichts zu sehen, und der berauschende Eindruck der absoluten Waldeinsamkeit wird dadurch noch gesteigert, daß das Thierleben des Waldes in dieser abgelegenen Gegend sehr reich entwickelt ist. Ich schoß hier zahlreiche schöne Vögel, Affen, Flederfüchse, Rieseneidechsen u. s. w., einmal auch ein großes Stachelschwein von mehr als 3 Fuß Länge (Hystrix leucura). Auch an prächtigen Schmetterlingen und Käfern war kein Mangel. Die sumpfigen Wiesenflecken in der Nähe des Sees sind oft ganz bedeckt mit Riesenexemplaren der merkwürdigen insectenfressenden Kannenpflanze (Nepenthes distillatoria). Die zierlichen, 6 Zoll langen Kannen, die an den Enden der Blätter hängen und durch einen niedlichen Deckel geschlossen werden, fand ich oft mit zahlreichen gefangenen Insecten gefüllt. Glänzende Prachtvögel (Ampelidae) und reizende Honigvögel (Nectariniae) spielen gleich den ähnlichen Colibris in Menge um die Blumenkelche.

Den Wald selbst fand ich in keinem von mir besuchten Theile des Tieflandes von Ceylon so prachtvoll, großartig und mannigfaltig entwickelt, wie in der Umgegend von  B o r a l u . Eine Wanderung rings im den blanken Kieselsee führt durch den schönsten Theil desselben. An einigen Stellen bildet der Urwald ein so undurchdringliches Gewirr von Schlingpflanzen, welche die modernden, übereinander gehäuften Riesenstämme umschlingen und umspinnen, daß man selbst mit Hilfe der Axt keinen Schritt weit in dieses vegetabilische Chaos vordringen kann. Aristolochien, Piperaceen, wilde Wein- und Pfefferreben, Bauhinien und Bignonien schlingen sich überal zwischen dem Astwerke der Bäume so durcheinander, daß nur einzelne gebrochene Lichtstrahlen zwischen ihnen zum Boden gelangen. Die Stämme selbst sind mit parasitischen Farnen, Orchideen u. s. w. dicht bedeckt. Ich saß hier oft glückliche Stunden lang ganz allein mit meinem Skizzenbuche, in der Absicht, eins dieser Waldbilder zu fixiren; gewöhnlich aber kam ich zu keinem Resultate, weil ich nicht wußte, wo ich anfangen sollte; oder wenn ich angefangen hatte, nicht wie ich diese Zauberpracht annähernd wiedergeben sollte. Auch die photographische Camera half hier nicht. Denn die grünen Massen der verschlungenen und umsponnenen Baumgeflechte sind so undurchdringlich, daß sie in der Photographie nur ein unauflösliches Wirrwarr von Aesten, Luftwurzeln, Blattmassen u. s. w. zeigen, während ihr unmittelbarer Anblick das Auge unendlich erfreut.

Auf den abgerundeten Hügeln, die unmittelbar seinen Garten umgeben, hatte der Aretschi Limongras cultivirt, ein sehr trockenes Grad, aus dem er durch einfache Destillation das duftende Limonöl gewann, ein sehr geschätztes Parfüm. Der citronenartige Duft erfüllte die ganze Umgebung. Die Arbeiter, die mit der Destillation und mit der Besorgung der schönen Bananenpflanzung beschäftigt waren, wohnten in einem Dutzend zerstreuter Hütten, di ein tiefem Waldschatten, unter dem schützenden Dache mächtiger Brodfrucht- und Jackbäume ganz idyllisch gelegen sind; Gruppen von schlanken Areca- und Cocospalmen, hier und da auch Kittul- und Talipotpalmen, deren Fiederkronen hoch über die Laubmasse des Waldes sich erheben, verrathen die Lage der ganz versteckten Bambushütten. Die Besuche in den letzteren und der Verkehr mit ihren harmlosen Bewohnern lehrte mich die glückliche Existenz dieser einfachen guten und genügsamen Naturmenschen beinahe beneiden. Alle waren reine Singhalesen, von schön zimmtbrauner Hautfarbe und zartem Gliederbau; die Kleidung beschränkte sich auf einen schmalen weißen Lendenschurz. Die munteren hübschen Knaben waren mit beim Sammeln der Pflanzen und Insecten eifrig behilflich, während die schwarzäugigen zierlichen Mädchen Blumenkränze flochten und meinen kleinen Ochsenkarren mit den schönsten Guirlanden schmückten. Wurde dann spät abends der schnellfüßige Laufochse eingespannt und setzte sich der zweirädrige Karren, in dem ich neben dem Aretschi kaum Platz hatte, in rasche Bewegung, so machte es den munteren Kindern besonderes Vergnügen, uns noch eine Strecke weit zu begleiten. Während wir an den reizenden Ufern des Boralusees hinrollten, folgte oft ein Schwarm von 20-30 dieser anmuthigen Gestalten, unermüdlich, laut rufend und Palmenblätter schwingend. Ich konnte die Ausdauer und Schnelligkeit ihres Laufes nicht genug bewundern.

Traten wir dann in den dunkeln Wald ein, so zündeten die Knaben Palmfackeln an, mit denen sie dem Wagen vorausliefen und den Weg erleuchteten. Bei einer plötzlichen Biegung des Weges wurden wir bisweilen von einem duftenden Blumenregen überschüttet, und ein helles Kichern aus dem dichten Gebüsche verrieth uns die Neckerei der kleinen Dryaden, die sich dahinter versteckt hatten. Unter den letzteren war ein Mädchen von ungefähr 16 Jahren, eine Nichte des Aretschi, deren vollendet schöne Körperform jedem Bildhauer hätte als Modell dienen können. Von dem Knaben konnten mehrere mit Ganymed an Schönheit wetteifern. Einer von diesen schwang sich immer während des Fahrens auf die Deichsel des Karrens und sprang dann gewandt über den Zebu hinweg. Mit diesen und anderen Spielen begleiteten uns die munteren Kinder noch eine lange Strecke, bis eins nach dem anderen im Dunkel der Nacht verschwand. An die Stelle der Fackeln treten jetzt unzählige prachtvolle Leuchtkäfer und Feuerfliegen; der herrliche Palmenwald erschien vollständig illuminirt, während ich mit dem Aretschi, voll der angenehmsten Erinnerungen, dem stillen Rasthause von Belligemma zueilte.

XV. Matura und Dondera.

Der weiteste Ausflug, den ich von Belligemma aus unternahm, am Schlusse meines dortigen Aufenthaltes, führte mich nach der Südspitze von Ceylon, nach dem altberühmten  D o n n e r -  C a p , Dondera-Head. In der Nähe desselben, nur ein paar Meilen westlich davon, liegt die Stadt Matura, am Ufer des „blauen Sandflusses" (Nilwella-Ganga). Der Weg von Belligemma nach Matura, den in einer leichten Kutsche am 18. Januar morgens in drei Stunden zurücklegte, ist die Fortsetzung der herrlichen Palmenstraße von Galla nach Belligemma und bietet denselben Reichthum der üppigsten, anmuthig wechselnden Scenerie.

Die Stadt  M a t u r a , die südlichste von allen Städten Ceylons, war unter der Herrschaft der Holländer im siebzehnten Jahrhundert ein reicher und wichtiger Handelsplatz; insbesondere der Hauptsitz des Zimmthandels der Südprovinz. Die meisten und ansehnlichsten Gebäude der Stadt sind noch jetzt holländischen Ursprungs, so auch das ausgedehnte „Fort", welches nache der Flußmündung auf dessen linkem (östlichem) Ufer liegt. Der stattliche Fluß ist hier ungefähr so breit wie die Elbe bei Dresden; eine hübsche, neue eisernde Gitterbrücke verbindet beide Ufer. Am westlichen Ende derselben, auf dem rechten Ufer, liegt die alte holländische Sternschanze („Star-Fort"). In den winkeligen Kasematten derselben nahm ich, der freundlichen Einladung einiger englischer Beamten folgend, für einige Tage Wohnung. Die drei munteren Junggesellen hatten es sich in den niederen vieleckigen Räumen des alten Forts, dessen mächtige Steinmauern die angenehmste Kühlung bewahrten, recht behaglich gemacht und ihre Wände theils mit Holzschnitten aus illustrirten europäischen Zeitungen, theils mit singhalesischen Waffen, Geräthschaften und Thierfellen recht malerisch ausstaffirt. Durch den alten holländischen Thorweg, über dessen Bogen noch die Inschrift „Redoute van Eck" prangte, tritt man in einen niedlichen Blumengarten; die einschließenden Innenseiten der Kasematten sind mit den schönsten Schlingpflanzen reich decorirt, ebenso der Ziehbrunnen in der Mitte des Gartens. Ein paar zahme Affen und ein sehr komischer alter Pelekan, sowie mehrere kleine Vögel sorgten beständig für Unterhaltung.

Ein erquickendes kühles Bad und ein vortreffliches englisches Frühstück bei meinen freundlichenWirthen, das mir nach der Vegetarierkost von Belligemma doppelt mundete, hatten mich schon in ein paar Stunden nach meiner Ankunft so restaurirt, daß ich beschloß, noch denselben Tag zu einer Excursion nach Dondera zu benutzen. Ich unternahm dieselbe im Wagen und Begleitung des Häuptlings  I l a n g a k u h  n , der vornehmsten Persönlichkeit, welche die Insel gegenwärtig noch besitzt. Er ist nämlich der letzte männliche Sprosse aus dem erlauchten Geschlechte der alten Kandy-Könige und hat seine Residenz in einem hübschen, verhältnißmäßig sogar prächtigen Palaste in Matura, nahe der Flußmündung aufgeschlagen. Schon eine Woche zuvor hatte er mich in Belligemma aufgesucht und eingeladen, ihn in Matura zu besuchen. Die Aufnahme, die ich hier bei ihm fand, war eben so liebenswürdig als glänzend. Er ließ es sich nicht nehmen, mich selbst nach Dondera zu führen. Seine Equipage, ein zierlicher Phaeton aus England, wurde von zwei schönen australischen Hengsten gezogen. Voraus lief als schneller Vorläufer und Ausrufer ein stattlicher schwarzer Tamil in silbergestickter Uniform mit rothem Turban.

Der reizende Weg von Matura nach dem fünf Meilen entfernten Dondera-Cap führt ostwärts zunächst eine Strecke am linken Ufer des Nilwellaflusses hin, durch die Pettah oder die malerische „schwarze Stadt", die sich hier östlich vom Fort hinzieht. Die bewaldeten Hügel zwischen Fluß und Seeufer sind mit den blühendsten Gärten und mit Villen geschmückt, die theils vornehmen Singhalesen, theils englischen Beamten angehören. Weiterhin fuhren wir wieder längs des Seeufers hin, abwechselnd durch Dschungel und durch Cocoswald. Der letztere erreicht hier bald seine östliche Grenze. Denn wenige Meilen weiter beginnen die öden, heißen und dürren Küstenstriche mit Salzsümpfen, die sich über Hambangtotte längs der Ostküste bis gegen Batticaloa hinziehen.

D o n d e r a -  H e a d, oder das D o n n e r -  C a p, erblickt man als weit vorspringende blaue Landzunge, mit Cocoswald geschmückt, schon lange, ehe man dasselbe erreicht. Es ist der südlichste Punkt von Ceylon und liegt unter 5o 56´ nördlicher Breite. Seit mehr als zweitausend Jahren sind die Tempel, welche diese südlichste Landmarke zieren, ein vielbesuchter Wallfahrtsort gewesen, der berühmteste nächst dem Adams-Pik. Tausende von Pilgern bezeigen ihm alljährlich ihre Andacht. Abwechselnd, je nachdem die einheimischen Singhalesen oder die malabarischen Eroberer die Herrschaft behaupteten, waren die Tempel dem Buddha oder dem Wischnu geweiht. Noch vor dreihundert Jahren war der Haupttempel ein indischer Prachtbau ersten Ranges, so groß, daß er vom Meere aus gesehen, wie eine ansehnliche Stadt erschien, mit tausenden von Säulen und Statuen geschmückt, mit Gold und Edelsteinen aller Art reich verziert. Im Jahre 1587 wurde alle die Herrlichkeit von den portugiesichen Barbaren zerstört, die unermeßliche Beute davon nach Hause schleppten. Noch jetzt läßt sich an den zahlreichen Säulenresten, die aus dem Boden der Ruinen hervorragen, der ungeheure Umfang des früheren Riesentempels ermessen. In einer Ecke desselben steht noch jetzt eine sehr große Dagoba, und in deren Nähe mehrere uralte colossale Bogaha oder heilige Feigenbäume.

Ueberreste eines kleineren Tempels finden sich auf der Spitze der schmalen Landzunge, die den äußersten südlichen Vorsprung des Dondera-Caps bildet. Es sind achteckige rothe Porphyrsäulen, die einsam und verlassen auf den nackten Granitfelsen sich erheben, umtost von der Brandung, die mit gewaltigem Wogenschwalle ringsum schäumt. In den natürlichen Bassins zwischen diesen Felsen sammelte ich während der Ebbe viele hübsche Seethiere; allenthalben lieben schöne Korallen umher. Westwärts streift der Blick von dieser isolirten Felsenwarte aus längs des Cocos-gesäumten Strandes bis in die Nähe von Matura, ostwärts gegen Tangalla hin; im Norden wird er druch dichte grüne Waldmassen gehemmt; im Süden hingegen schweift er frei und ungehindert über ungeheure Meeresräume. Das Phantasie-Schiffchen, das wir von hier aus mit vollen Segeln nach dem Südpole entsenden, stößt nirgends auf bekanntes Land, und es hat einen weiten, weiten Weg zu machen, ehe es jenseits desselben überhaupt wieder Land sieht. Es würde ungehemmt um die ganze südliche Halbkugel der Erde herumfahren, wenn die die ungeheuren Eismassen des Südpols ihm den Weg verlegten, und erst auf der nördlichen Halbkugel, in der Nähe von Acapulco in Mexico, würde es den ersten Hafen wieder erreichen. Lange saß ich in Gedanken versunken auf dieser äußersten Südspitze von Ceylon, zugleich auf dem südlichsten Landpunkte, den ich jemals in meinem Leben erreicht habe. Ich wurde aus meinen Träumen erst wieder durch eine Schar von Buddhapriestern in gelber Toga geweckt, welche kamen, um den Häuptling und mich zum Besuche des festlich geschmückten Tempels einzuladen. Nachher besuchten wir noch eine seltsame uralte Ruine, die weiter oben mitten im Walde liegt, cyklopisch aus gewaltigen Quadern gefügt. Erst spät am Abende fuhren wir wieder nach Matura zurück.

Der folgende Tag (der 19. Januar) wurde durch eine weite marine Excursion ausgefüllt. Der Häuptling Ilangakuhn hatte mir ein tüchtiges großes Segelboot mit acht Ruderern gestellt, und mit diesem fuhr ich ein gutes Stück gen Süden, weit über das Donner-Cap hinaus. Es war herrliches Sommerwetter und der kräftige Nordost-Monsun blähte das große viereckige Segel des Bootes so gewaltig, daß ein paar Bootsleute außerhalb auf dem Auslegerstamm hocken mußten, um das Umschlagen des Canoes zu verhindern. Die Geschwindigkeit, mit der wir südwärts steuerten, kam derjenigen eines schnell laufenden Dampfschiffes gleich; ich schätzte sie auf 10-12 Seemeilen in der Stunde. Die Leichtigkeit, mit welcher diese schmalen singhalesischen Canoes die Wellen durchschneiden, oder vielmehr über deren Kämme hinweggleiten, zeigte sich jetzt in glänzendem Lichte. Je weiter wir uns von der Insel entfernten, deste schöner traten die blauen Bergmassen des Hochlandes über den Cocoswäldern des flachen Küstenlandes hervor, alle wiederum überragend der stolze Adams-Pik.

Pfeilschnell über die schäumenden Wogen hinwegschießend, mochten wir nach vierstündiger Fahrt ungefähr 40-50 Seemeilen von Süd-Cap Ceylons entfernt sein, als mitten im Oceane ein breiter, glatter Streifen sichtbar wurde, der sich ungefähr in der Richtung des Monsuns von Nordost nach Südwest meilenweit hinzog. Ich hielt denselben für einen pelagischen Strom oder Corrente, eine jener glatten, schmalen Wasserstraßen, die im Mittelmeere wie im Oceane häufig mitten durch den bewegten Wasserspiegel hindurchziehen und der geselligen Anhäufung ungeheurer Seethier-Schwärme ihren Ursprung verdanken. Als das Canoe sich demselben näherte, bestätigte sich diese Vermuthung und ich wurde durch einen außerordentlich reichen und interessanten Fang belohnt. Eine dichte Masse der schönsten pelagischen Thiere, Medusen und Siphonophoren, Ktenophoren und Salpen, Sagitten und Pteropoden, außerdem unzählige Larven von Würmern, Sternthieren, Krebsen, Mollusken u. s. w. schwammen da in dichtem Gewimmel durcheinander und füllten in kurzer Zeit alle mitgenommenen Glasgefäße vollständig aus. Ich bedauerte nur, deren nicht mehr mit zu haben, um alle diese zoologischen Schätze (- und darunter viele neue, bisher noch nicht beschriebene Thierformen -) in genügender Menge einpacken zu können.

Reich beladen mit diesem wundervollen Fang, der mir interessante Arbeit auf Jahre hinaus versprach, kehrte ich erst gegen Abend nach Matura zurück. Es war ein schönes Andenken an den fünften Grad nördlicher Breite. Meine Singhalesen wußten den günstigen Nordost-Monsun so geschickt zu benutzen, daß wir fast eben so rasch zurück gelangten und an der Mündung des Nilwellaflusses landeten. Der Anblick dieser Mündung von der See aus ist sehr malerisch, da derselben unmittelbar eine Felseninsel vorgelagert ist, auf der sich zwei einzelne Cocospalmen erheben, die eine senkrecht, die andere weit übergeneigt. Die beiderseitigen Ufer des Flusses sind dicht mit Wald bedeckt. Am folgenden Tage unternahm ich noch eine Bootsfahrt auf demselben, auf der ich die unvergleichliche Ueppigkeit dieser Urwaldmassen auf´s Neue bewunderte.

Nach Belligemma zurückgekehrt, stand mir noch eine der schwersten Aufgaben bevor, die ich während meines Aufenthaltes auf Ceylon zu lösen hatte: der Abschied von diesem reizenden Erdenflecke, auf dem ich sechs der interessantesten und glücklichsten Wochen meines Lebens zugebracht hatte. Noch jetzt wiegt in der Nacherinnerung der daran so schwer, als ob ich von Neuem scheiden müßte. Der traute Raum, der mir während dieser Zeit als Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer, als Laboratorium, Museum und Maleratelier gedient hatte, in dem ich eine Fülle der schönsten und wunderbarsten Eindrücke gesammelt hatte, war öde und leer. Vorn im Garten unter dem riesigen Tiekbaume standen schwer und vollbeladen die beiden mächtigen Ochsenkarren, die meine dreißig Kisten mit Sammlungen nach Punto-Galla bringen sollten. Draußen vor dem Thiere harrte wieder dicht gedrängt die braune Bevölkerung des Dorfes, für die ich während dieser vierzig Tage ein Gegenstand stets wachsender Neugier und Bewunderung geblieben war. Von allen angesehenen Bewohnern des Dorfes an ihrer Spitze den beiden Häuptlingen, mußte ich persönlich Abschied nehmen. Mit betrübter Miene brachte mir der gute Socrates zum letzten Male die besten seiner Bananen und Mango, Ananas und Kadschunüsse. Zum letzten Male kletterte Babua auf meine Lieblingspalme, um mir noch einmal die süße Cocos herabzuholen. Am schwersten aber wurde mir der Abschied von dem treuen Ganymedes. Der gute Junge weinte bitterlich und bat mich, ich solle ihn mit nach Europa nehmen. Vergebens hatte ich ihm schon vorher diesen Wunsch mehrmals abgeschlagen und ihm von dem eisigen Klima und dem grauen Himmel unseres öden Nordens erzählt. Er hielt meine Kniee fest umschlungen und versicherte mir, daß er mir überallhin ohne Wanken folgen wolle. Fast mit Gewalt mußte ich mich endlich losreißen und den harrenden Wagen besteigen, und als ich den leiben braunen Freunden den letzten Abschied mit den Taschentuche zuwinkte, hatte ich fast das Gefühl des verlorenen Paradieses: „Schöner Edelstein!  B e l l a   G e m m a !"

XVI. Die Kaffee-Districte des Hochlandes

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Den letzten Monat meines Aufenthaltes auf Ceylon hatte ich beschlossen einem Besuche des  H o c h l a n d e  s  zu widmen. Die Flora und Fauna derselben, wie sein Klima und sein gesammter Naturcharakter, ist von demjenigen des Tieflandes so verschieden, daß beide zwei weit entfernten Erdtheilen angehören könnten. Wenn man in einer einzigen Tagesreise die sechstausend Fuß aus den Palmengärten des Unterlandes in die Urwälder des Oberlandes einporsteigt, so ist der Unterschied im Klima und Scenerie nicht geringer, als ob man plötzlich aus den Urwäldern Brasiliens auf die Hochebenen von Peru, oder aus den Dattelhainen Egyptens auf die blumenreichen Matten unserer Alpen versetzt würde.

Das Hochland von Ceylon nimmt ungefähr den vierten Theil seines gesammten Flächeninhaltes ein und hat eine durchschnittliche Höhe von 4-6000 Fuß über dem Meeresspiegel; nur die höchsten Erhebungen steigen bis 7000 und 8000 Fuß empor. Die nördliche Hälfe der Insel ist ganz flach. In der südlichen Hälfte erhebt sich das Oberland ziemlich stein und abgeschlossen als ein zusammenhängendes Bollwerk von Urgebirge, dessen östliche und südliche Gehänge weit schroffer sind als die westlichen und nördlichen. Der flache Ring des Unterlandes, welches dasselbe umgibt und vom Meere trennt, ist auf der östlichen Seite doppelt so breit als auf der westlichen. Eine Senkung der Insel um wenige hundert Fuß würde genügen, drei Viertel derselben unter Wasser zu setzen; das Hochland allein würde als letztes Vierteil steil aus dem Spiegel des Oceans sich erheben. Der gewaltige Felsenleib desselben besteht fast ausschließlich aus krystallinischen Gesteinen, ganz vorwiegend Gneis. An einzelnen Stellen ist dieser von Granit, an anderen von Trachyt und Basalt durchbrochen.

Noch im Anfange unseres Jahrhunderts war das Hochland von Ceylon zum größten Theile ganz unbekannt. Auf der Karte, welche 1813 der Regierungs-Ingenieur Schneider veröffentlichte, sind nicht weniger als zwei Dritten vom ganzen Königreiche Kandy durch einen weißen Fleck bezeichnet. Als im Jahre 1817 Doctor  D a v y  (der Bruder des berühmten Physikers) die erste gründlichere Durchforschung desselben unternahm, stieß er auf unsägliche Schwierigkeiten. Der größte Theil des Gebirges war noch ganz unwegsam, mit einem zusammenhängenden und undurchdringlichen Mantel von ungeheuren Urwäldern bedeckt, welche noch keines Europäers Fuß betreten hatte. Scharen von Elephanten, Bären, Leoparden, Wildschweinen, Hirschen u. s. w. waren die Beherrscher dieser Wälder; die Spuren menschlicher Existenz beschränkten sich auf die wilden Horden der Veddahs, die gegenwärtig ihrem Aussterben entgegen gehen. Keinerlei gebahnte Wege führten durch diese Urwälder hindurch; keine Brücken überwölbten die wilden Bäche und Ströme, die in den unzugänglichen Schluchten des Gebirges zahllose Wasserfälle bildeten.

In verhältnißmäßig kurzer Zeit, im Verlaufe von weniger als fünfzig Jahren, hat sich dieser Charakter des Hochlandes völlig verändert. Im Jahre 1825 legte der verdienstvolle Gouverneur Sir Edward  B a r n e s  die erste Kaffeepflanzung im Hochlande, in der Nähe von Peradenia an und wies nach, daß Boden und Klima daselbst für die Kaffeecultur außerordentlich günstig seien. Ermunter durch sein Beispiel, anspornt theils durch die lockende Aussicht auf hohen Gewinn, theils durch die eigenthümliche Romantik des Hochland-Lebens, drang jetzt ein ganzes Invasionsheer von Kaffeepflanzern in die Urwälder des Gebirges ein und verwandelte in weniger als zwanzig Jahren mit Hilfe von Axt und Feuer den größten Theil derselben in einträgliche Kaffeepflanzungen. An den steilen Abhängen der Berge wurden ganze Wälder dadurch niedergelegt, daß die obersten Reihen der uralten Baumriesen mit der Axt gefällt und auf die darunter stehenden, an einer Seite angeschnittenen Bäume gestürzt wurden. Der ungeheure Druck jener gewaltigen, durch Schlingpflanzen dicht verketteten Baummassen brachte auch diese letzteren zu Fall und so setzte sich lawinenartig der Zusammensturz von oben nach unten bis zur Thalsohle fort. Dann wurde der ganze niedergelegte Urwald angezündet und so der fruchtbarste Boden für die neuen Kaffeepflanzungen gewonnen. Der Ertrag derselben war so reichlich und die ganze Kaffeecultur wurde durch zufälliges Zusammentreffen von glücklichen handels-politischen und commerciellen Verhältnissen so ausnehmend begünstigt, daß schon zwanzig Jahre nach dem ersten Anfang, 1845, die Kaffeespeculationen eine schwindelhafte Höhe erstiegen hatten. Natürlich blieben die Rückschläge, die stets auf solche übertriebenen Speculationen folgen, nicht aus. Wie bei den australischen und californischen Goldminen, oder bei den Diamantenfeldern von Südafrika, verlockten die glänzenden Erfolge einzelner Glücklicher auch eine große Anzahl von Unternehmern, die weder Capital noch Verstand und Kenntnisse genug hatten. Und so sollen in den fünf Jahren zwischen 1845 und 1850 mehr als fünf Millionen Pfund Sterling an Privatvermögen durch verunglückte Kaffee-Unternehmungen verloren worden sein. Auch machten sich, wie es bei allen Culturpflanzen früher oder später geschieht, bald zahlreiche und gefährliche Feinde geltend, welche den Kaffeepflanzungen großen Schaden brachten, theils Thiere, theils Pflanzen und Protisten; so namentlich die gefräßigen Golunda-Ratten (Golunda Elliotti) und die gefährlichen Kaffee-Schildläuse (Lecanium Coffeae), ferner verschiedene vegetabilische Parasiten. In den letzten zehn Jahren wuchsen zunehmend die Verwüstungen durch den weitaus gefährlichsten Feind, einen mikroskopischen Pilz, die Hemileja vastatrix; die durch ihn bewirkte Krankheit der Kaffeeblätter hatte gegenwärtig solche Dimensionen angenommen und hatte sich als so unheilbar erwiesen, daß in vielen Pflanzungen die Kaffeecultur ganz aufgegeben worden war; der Theestrauch und der Chininbaum (Cinchona) waren jetzt an die Stelle des Kaffeebaumes getreten, und zwar mit ausgezeichnetem Erfolge.

Mag nun in Zukunft mehr der Kaffee oder mehr der Thee oder mehr die Cinchona das Hauptobject der Pflanzungen in diesen sogenannten  „ K a f f e e -  D i s t r i c t e& nbsp;n "  der Insel bilden, so kann doch darüber kein Zweifel mehr bestehen, daß die klimatischen und Bodenverhältnisse des Hochlandes von Ceylon für die Cultur der genannten und vielleicht auch noch anderer höchst werthvoller Nutzpflanzen überaus günstig sind. Nicht lange mehr wird es dauern und das ganze Hochland mit Ausnahme sehr weniger Stellen wird ein Culturland ersten Ranges sein. Schon jetzt dehnt sich das Netz der Kaffeedistricte alljährlich mehr bis in die entlegendsten Theile des Gebirges aus, und ich mußte schon ziemlich weit wandern, um noch ein größeres Stück desselben in seiner ursprünglichen jungfräulichen Beschaffenheit kennen zu lernen. Aber selbst dort begegnete ich fast allenthalben in nächster Nachbarschaft der unberührten Urwälder jungen Rodungen, die soeben mit Feuer und Axt urbar gemacht wurden.

Daß mein sehnlichster Wunsch, einen der wildesten und ursprünglichsten Theile des Hochlandes zu besuchen, in Erfüllung ging, verdanke ich hauptsächlich der freundschaftlichen Unterstützung von Dr.  T r i m e n , dem Director des botanischen Gartens von Peradenia. Bei meiner Anwesenheit daselbst verobredeten wir uns, Mitte Februar in Nurellia, der berühmten „Sommerfrische" des Hochlandes zusammen zu treffen, und von da aus gemeinschaftlich einen Ausflug nach Horton-Plain´s zu unternehmen. Es ist dies der wilde und selben besuchte südöstliche Theil des Plateau´s, von welchem dasselbe am sogenannten „Ende der Welt" überaus steil, fast 5000 Fuß hinabstürzt; hier wollten wir in das Hügelland von Billahuloya hinuntersteigen, von da aus westwärts nach Ratnapura, der „Stadt der Edelsteine" wandern und endlich von hier auf dem malerischen „schwarzen Flusse", dem Kalu-Ganga, bis zu dessen Mündung an der Westküste, bis Caltura, zu Boot fahren. Mein Freund Trimen übernahm es gütigst, alle nöthigen Vorbereitungen zu dieser Expedition zu treffen. Da wir über eine Woche in völlig menschenleeren Gegenden zu campiren hatten, und zwar in dem kältesten und wildesten Theile des Hochgebirges, so mußte zum Tragen der Lebensmittel, Decken, Betten, Zelte u. s. w. ein Transport von mindestens zwanzig Kuli´s eingerichtet werden. Ich selbst beschloß inzwischen die erste Hälfte des Februar für den Besuch des westlichen Gebirgstheiles und insbesondere des weltberühmten Adams-Pik zu verwenden.

Nachdem ich Ende Januar von Punto-Galla nach Colombo zurückgekehrt war, traf ich in Whist-Bungalow die nöthigen Vorbereitungen für diese Unternehmung. Indessen wurde fast die ganze erste Woche des Februar durch die Theilnahme an einem seltenen und höchst merkwürdigen Schauspiele weggenommen, das man gegenwärtig wohl nur in Ceylon - und auch da nur noch sehr selten - sehen kann, durch einen  „ E l e p h a n t  e n -  K o r r a l " . Man versteht darunter den Fang und die Zähmung einer ganzen Herde wilder Elephanten, welche durch gezähmte Elephanten bethört und gefesselt werden. Früher, als die wilden Elephantenherden in Ceylon noch sehr zahlreich und lästig waren, und als die zahmen Elephanten noch vielfach zum Wegebau und zu anderen Arbeiten verwendet wurden, fanden solche Korrals ziemlich häufig statt. Gegenwärtig hat ihre Zahl und Bedeutung sehr stark ab genommen; und da jetzt ein solcher Korral nur mit großen Kosten und Schwierigkeiten herzustellen ist, kommt er nur noch selten, bei besonders feierlichen Gelegenheiten zu Stande. Diesmal wurde die Veranlassung dazu durch den Besuch der beiden Söhne des Prinzen von Wales gegeben, die gelegentlich der Rückkehr von ihrer Weltumsegelung ein paar Wochen in Ceylon zubrachten. Nicht weniger als 3000 Treiber waren volle drei Monate hindurch beschäftigt, die wilden Elephanten aus den Urwäldern zusammen zu treiben und nach dem Korral von Lambugama hinzutreiben; hier war ein besonderes Dorf aus Blockhäusern, ein  „ K o r r a l -  T o w n " , für die zahlreichen Gäste dieses interessanten Schauspieles erbaut worden; in den ersten drei Tagen des Februar fand der merkwürdige Fang und die Fesselung der wilden Elephanten statt. Ich verspare jedoch die Beschreibung desselben auf eine spätere Gelegenheit, da sie mich hier zu weit von meinem eigentlichen Gegenstande hinwegführen würde. Aus demselben Grunde übergehe ich hier auch den ersten Theil meiner Hochlandsreise, von Peradenia über Gampola und Dickoya, sowie die Besteigung des  A d a m s -  P i k . Ich erstieg diesen berühmten Berg, einen der merkwürdigsten Gipfel der Erde, am 12. Februar d. J. beim schönsten Wetter und werde diese interessante Bergfahrt ein ander Mal im Zusammenhange ausführlich schildern. Der Ausgangspunkt dieser Unternehmung, zu dem ich auch zurückkehrte, war  S t .   A n d r e w s , die höchst gelegene Kaffeepflanzung in der südwestlichen Ecke des Hochlandes, unmittelbar am Fuße des Adams-Pik. Der Eigenthümer derselben, Mr. Christie, der mich ein paar Tage freundlichst beherbergte, führte mich selbst bis auf den Gipfel des heiligen Pilgerberges.

Von hier wendete ich mich in nordöstlicher Richtung gegen den Mittelpunkt des Hochlandes, um einige Tage in  N u r e l l i a  zuzubringen, dem beliebten und viel besuchten Sanitarium der Engländer. Der Weg von St. Andrews bis Nurellia beträgt 45- 50 englische Meilen. Noch vor wenigen Jahren führte der größere Theil desselben durch dichte Wälder; jetzt sind dagegen meistens Kaffee- und Cinchonapflanzungen an deren Stelle getreten. Ich legte diesen Weg, von schönen und nicht allzuheißem Wetter begünstigt, in starken Tagesmärschen zurück, nur von zwei schwarzen Tamil-Kuli´s begleitet, die mein Gepäck trugen. Am ersten Tage (am 13. Februar) wanderte ich 24 englische Meilen, von Morgens sechs bis Abends acht Uhr; am zweiten Tage 20 Meilen. Da die genannte Jahreszeit in diesem Theile der Insel die kühlste ist, und die Temperatur Mittags im Schatten nur 24-26o R. betrug, konnte ich die Mittagsstunden, mit Unterbrechung durch eine einstündige Rast, zum Marschiren benutzen. Als bestes Erfrischungsmittel benutzte ich dabei wieder nasse Tücher, die ich unter dem breitkrämpigen Sola-Hut über Kopf und Nacken trug und in den allenthalben reichlich fließenden Bächen jede Viertelstunde auffrischte.

Da ausgedehnte Pflanzungen, die nur als Massen einer einzigen Culturpflanze bestehen, meistens in den Tropen kaum weniger langweilig sind als unsere einförmigen Kornfelder und Weinberge, so hatte ich mich vor dieser tagelangen Wanderung durch die Kaffeeplantagen etwas gefürchtet. Indessen erwies sich dieselbe weit unterhaltender, als ich gedacht hatte. Das Terrain des Hochplateau´s wird vielfach von tiefen Schluchten eingeschnitten, in denen schäumende Bäche, oft in schönen Wasserfällen und von prächtigen Farn- und Djungle-Vegetation bekränzt, herabstürzen. Viele dieser Schluchten sind bereits von guten Brücken überwölbt. An anderen hingegen wird deren Stelle einfach durch einen Baumstamm vertreten, der von einem Ufer zum anderen hinüber gelegt ist. Bisweilen ist daneben einen Liane seilartig ausgespannt, die als Geländer zum Festhalten dient. Bisweilen ist man gezwungen, ganz frei über den hoch schwebenden Baumstamm hinüber zu balanciren, wobei man allerdings nicht an Schwindel leiden und sich nicht durch das Toben des wilden Bergbaches irre machen lassen darf, der tief unten schäumend über zackige Felsen dahin strämt. Alte Turnkünste, seit vielen Jahren nicht geübt, wurden bei dieser Gelegenheit wieder aufgefrischt und kamen mir sehr zu statten. Dann und wann wird auch unser Weg, der wechselnd bergauf, bergab geht, durch ein größeres tiefes Thal geschnitten, an dessen steilen, unzugänglichen Felswänden noch ein Rest des alten Urwaldes stehen geblieben ist. Der Anblick seiner mächtigen Riesenstämme, die säulengleich hoch emporsteigen und von deren breiten Schirmkronen gewaltige Lianenmassen dicht verschlungen herabhängen, läßt uns die unvergleichliche Vegetationspracht ahnen, die hier dem unaufhaltsamen Fortschritte der menschlichen Cultur zum Opfer gefallen ist. Auf kurze Strecken ist auch unser Pfad mit der Axt mühsam mitten durch das Dickicht selbst gehauen und wir können die mannigfaltigen Baumformen näher betrachten, die dasselbe zusammensetzen, hauptsächlich verschiedene Lorber- und Mytenarten, Rubiaceen u. s. w. Meist sind die Blätter dieser Gebirgsbäume von einem dunkeln, bräunlichen oder schwärzlichen Grün, trocken und lederartig. Die schönsten Guirlanden verschiedenartiger Kletterpflanzen schlingen sich von Stamm zu Stamm, während die Stämme selbst mit den seltsamen Blüthen zahlreicher Orchideen und Bromelien auf das Prächtigste geschmückt sind. Unter den Lianen zeichnet sich besonders der kletternde Pandang aus (Freycinetia), aus dessen schraubenförmig gewundenen Blätterbüscheln glühend feuerrothe Blüthenähren hervorragen. Von den schönen Palmen des Tieflandes ist hier nichts mehr zu sehen; aber ihre Stelle wird ersetzt durch die wundervollen  B a u m f a r n  e , eines der zierlichsten und anmuthigsten Producte der Tropenflora. Im Grunde der schattigen Schluchten ragen armsdick kohlschwarze Stämme solcher Farnbäume (Alsophila) 20-30 Fuß, bisweilen noch höher empor, während ihre flach ausgebreitete Fiederkrone aus vielfach eingeschnittenen Wedeln von 8-12 Fuß Länge sich zusammensetzt. Eine Masse der verschiedensten kleineren Farnkräuter und ihrer zierlichen Cousinen, der feinen Selaginella, wuchert daneben allenthalben über den Klippen in reicher Fülle.

Während diese anmuthigen Waldschluchten den verschlungenen Fußpfad durch die Hügellandschaft der Kaffeedistricte vielfach unterbrechen und ihre üppige Felsen-Vegetation häufig den schönsten Vordergrund für ein Landschaftsbild liefert, ist auch der Blick auf den entfernten Hintergrund oft nicht wenig gehoben, und namentlich ragt der schlanke Kegel des Adams-Pik weit über seine Nachbarn hervor. Besonders im Hügellande von Maskilia, dessen Bach reich an schönen Wasserfällen ist, bildet der Pik darüber einen sehr stattlichen Hintergrund.

Uebrigens ist auch der Anblick der  K a f f e e p f l& nbsp;a n z u n g e n  selbst ganz hübsch. Während die Kaffeebäume im Tieflande, wo die Singhalesen sie einzeln neben ihren Hütten cultiviren, zu schlanken Stämmen von 20-30 Fuß Höhe emporwachsen, werden sie dagegen in den Plantagen des Hochlandes jetzt meistens des reicheren Ertrages wegen stark verschnitten und in Gestalt flacher Sträucher, nur 3-4 Fuß hoch, gezogen. Die schönen, dunkelgrünen, glänzenden Blätter bilden ein dichtes Dach, auf welchem die Büschel der duftenden weißen Blüthen und der dunkelrothen kirschenähnlichen Beeren anmuthig zerstreut sind. Auf ausgedehnten Strecken findet man jetzt, mit dem ursprünglich herrschenden Kaffee abwechselnd, den duftigen Theestrauch und die schlanken Cinchonabäume, beiden ebenfalls mit weißen Blüthen geschmückt. Die großen Blätter der Chinarindenbäume sind in der Jugend prächtig roth gefärbt; ihre geraden Stämmchen zeichnen sich durch sehr festes und zähes Holz aus; und ein solches Stämmchen, das ich mir am Adams-Pik selbst ausgegraben hatte, lieferte mir für meine ganze Gebirgsreise den besten Wanderstab. Die unterhaltendste Staffage in den Hochlandsplantagen bilden die schwarzbraunen Arbeiter derselben, die sogenannten  T a m i l -  K u l i ´ s . Dieselben gehören zu der echten Rasse der Dravida, die früher noch mit der arisch-indischen Bevölkerung vereinigt, neuerdings aber mit Recht ganz davon abgetrennt worden ist. Von den eigentlichen Singhalesen sind sie ganz verschieden und halten sich auch völlig von ihnen getrennt. Ihre Tamilsprache hat gar Nichts mit dem Pali der Letzteren gemein, so daß die neueren Linguisten überhaupt keine Verwandtschaft zwischen beiden herausfinden können. Die meisten Anthropologen halten die Tamils oder „Malabaren" für die Reste der Urbevölkerung Vorder-Indiens, welche erst durch die von Norden kommenden Arier mehr und mehr verdrängt wurde. In Ceylon hingegen traten die Ersteren nachweislich als Eroberer auf, welche die arischen, früher eingedrungenen Singhalesen zunehmend verdrängt haben. Gegenwärtig ist nicht allein der ganze Norden der Insel und ein großer Theil des Ostens vorwiegend von Tamils bewohnt, sondern auch im centralen Hochlande haben sie sich auf Kosten der trägen und weichlichen Singhalesen überall ausgebreitet, Dank ihrer größeren Tüchtigkeit und Arbeitsfähigkeit. Eine sehr große Anzahl von Tamilen oder sogenannten Malabaren (schon vor dreißig Jahren 50000, jetzt aber wohl weit über 200000) kommt alljährlich während der Winterzeit über die Adams-Brücke von der Koromandel-Küste nach Ceylon auf sechs bis acht Monate herüber, um in den Pflanzungen zu arbeiten, und kehrt für den Rest des Jahres mit ihren Ersparnissen in die festländische Heimath zurück.

Die Tamilen sind in Hinsicht auf Körperbau, Gesichtsbildung, Hautfarbe und Charakter von den eigentlichen Singhalesen nicht weniger verschieden als bezüglich ihrer Sprache, ihres Cultus, ihrer Sitten und Gewohnheiten. Während die letzteren größtentheils an Buddha glauben, sind die Ersteren hingegen meistens Anhänger des Siva-Cultus. Die Hautfarbe der Tamilen ist stets viel dunkler, kaffeebraun bis schwarzbraun, diejenige der Singhalesen hingegen zimmtbraun bis hell gelblichbraun. Das lange Haar ist in beiden Rassen durchgängig schwarz und schlicht oder schwachlockig (niemals wollig). Der Bart ist hingegen bei den Tamilen weit schwächer entwickelt als bei den Singhalesen; die Gesichtsbildung weicht viel bedeutender von der mediterran- europäischen ab, als bei den Letzteren. Die Stirn ist niedriger, die Nasenflügel sind breiter, die Lippen dicker und aufgeworfener, das Kinn stärker. Der Blick ist ernst und finster. Selten sah ich Tamilen lachen und niemals so heiter, als es oft die Singhalesen sind. Der Skeletbau der Tamilen ist schlanker und kräftiger als der der Singhalesen. Das Muskelsystem der Ersteren ist weit besser entwickelt als das der Letzteren: wie sie denn auch mit Leichtigkeit und Ausdauer die schweren Arbeiten verrichten, zu welchen diese nicht zu gebrauchen sind. Der auffallend weiche und oft weibische Typus der Körperbildung, der besonders bei den männlichen älteren Singhalesen sich geltend macht, fehlt den Tamilen ganz; und selbst das weibliche Geschlecht erscheint hier weit kräftiger und nerviger. Dabei ist übrigens der Körperbau der Tamilen keineswegs besonders robust und starkknochig; vielmehr schlank und zierlich. Die Proportionen des Körpers entsprechen durchschnittlich so sehr den künstlerischen Anforderungen der Schönheit, daß man die Dravida in dieser Hinsicht keineswegs zu den niederen Menschenrassen zählen darf. Vielmehr nähern sich Viele auffallend dem griechischen Ideale. Da die Kleidung derselben in den Pflanzungen sich beim männlichen Geschlechte auf einen leichten Turban und einen schmalen Lendenschurz (gleich einer Schwimmhose) beschränkt, beim weiblichen Geschlechte auf eine kurze Schürze und ein locker umgeschlungenes Busentuch oder ein kurzes, weißes Jäckchen (- überdies während der heißen Arbeit oft entfernt -), so hat man bei der Wanderung durch die Pflanzungen stets Gelegenheit, die Schönheit ihres Körperbaus zu bewundern. Dazu kommt noch, daß ihre Bewegungen durch eine gewisse natürliche Anmuth ausgezeichnet sind und daß die manngifache schwere Arbeit in den Plantagen sie in den verschiedensten Stellungen zur Anschauung bringt. Wie viel mehr könnte hier an diesen natürlichen und ungefälschten Modellen ein Bildhauer für das Verständniß der Schönheit und des Ebenmaßes der menschlichen Figur gewinnen, als in den Aktsälen unserer Kunstakademien, wo die mühsam ausgesuchten Modelle des verkümmerten Culturmenschen in künstlich erzwungenen Stellungen nur ein dürtiges Surrogat liefern!

Der freundlichen Einladung eines der angesehendsten Pflanzer des Hochlandes, Mr. Talbot, folgend, übernachtete ich am 13. Februar in  W a l l a h a . Da im Gebirgslande von Ceylon (mit Ausnahme einzelner vielbesuchter Punkte) weder Hôtels noch Rasthäuser existieren, so ist der Reisende fast ausschließlich auf die Gastfreundschaft der englischen Pflanzer angewiesen, und diese wird auch allenthalben mit einer unbegrenzten Freigebigkeit gewährt, als ob sie selbstverständlich wäre. Allerdings liegt auch die große Mehrzahl der Pflanzungen so isolirt inmitten einsamster Wildniß, daß jeder Mensch willkommen ist; ein fremder Gast aber, der unmittelbar aus Europa kommt und frische Neuigkeiten aus dem geliebten Mutterlande erzählen kann, wird zu den erfreulichsten Ueberraschungen gerechnet. Ich zähle die gastfreundliche und herzlich Aufnahme, die ich hier allenthalben fand, zu meinen angenehmsten Reiseerinnerungen. Nichts ist wohltuender, als der unvergleichliche britische Comfort: ein kühles Bad, ein vortreffliches Abendessen, ein anregendes Gespräch bei einem guten Glase Wein, und endlich ein weiches Bett, nachdem man zehn bis zwölf Stunden bergauf, bergab durch die steinigen und sonnigen Fußpfade der Kaffeepflanzungen gewandert ist, dabei vier bis sechs Stunden in einer Hitze, welche diejenige unserer schlimmsten „Hundstage" übertrifft. Nur bisweilen wird dieser Genuß etwas getrübt durch die Strenge der britischen Gesellschafts- Etiquette, die einzelne wohlerzogene Pflanzer selbst mitten in der Wildniß des tropischen Hochlandes nicht verleugnen können. So gedenke ich noch mit Schrecken eines Abends, als ich höchst ermüdet nach Sonnenuntergang in eine ganz einsame Pflanzung kam und der gastfreie Hausherr mir deutlich zu verstehen gab, daß er mich bei dem bald beginnenden Diner in schwarzem Frack und weißer Cravatte zu sehen erwarte. Mein aufrichtige Betheuerung, daß ich dieses „black evening dress" unmöglich in meinem kleinen Tornister auf dieser wilden Hochgebirgstour mit mir führen könne, vermochte nicht zu hindern, daß mein Wirth selbst mir zu Ehren dieselbe anlegte, und daß auch die Frau Gemahlin, die dritte und letzte Person an unserem Gesellschaftstische, in feierlichem Diner-Costüm erschien.

Abgesehen von diesen und einigen anderen steifen Formalitäten, die uns zwanglosen Deutschen sehr sonderbar vorkommen, habe ich von meinem Aufenthalte bei den britischen Pflanzern im Hochlande von Ceylon nur die angenehmsten Eindrücke bewahrt. Das einsame Leben dieser Leute ist voll harter Arbeit und vieler Entbehrungen, und man würde gar sehr irren, wenn man sie etwa mit den Sklavenbaronen des tropischen Amerika vergleichen und annehmen wollte, daß sie mühelos durch die Arbeit ihrer Hunderte von schwarzen Tamils ein reiches Vermögen erwürben. Hier heißt es vielmehr: thätig sein, denken und aufpassen vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Ueberall fand ich die Pflanzer schon mit Tagesanbruch bei der Arbeit; ein großer Theil des Tages wird durch den Besuch des weit ausgedehnten Culturlandes weggenommen, durch die Instruction der vielen Diener und Aufseher, durch Berechnungen, Correspondenz u. s. w. Denn ein großer Theil des guten Erfolges hängt von umsichtiger Berechnung ab, wenn auch die Glücksverhältnisse der Lage, des Wetters u. s. w. dabei eine große Rolle spielen. Da in der Regel die Pflanzungen durch weite Entfernungen voneinander getrennt sind, ist der nachbarliche Verkehr sehr beschränkt, und besonders die Frauen sind meistens auf sich selbst angewiesen. Viele werden für die Entbehrungen nur theilweise durch die ungebundene Freiheit entschädigt, deren sie sich auf ihrem ausgedehnten Besitze erfreuen, und durch den unmittelbaren Verkehr mit der großartigen Natur, die allerdings einen dafür empfänglichen Gemüthe hier hohe Genüsse darbietet. Das „Bungalow" oder das eigentliche Wohnhaus des Pflanzers ist in der Regel ein einstöckiges, steinernes Gebäude mit breitem Schattendache und freundlicher Veranda, von einem hübschen Garten umgeben und innen mit all´ dem britischen Comfort ausgestattet, den die Umstände nur irgend gestatten. In nächster Umgebung stehen gewöhnlich (ebenso auch in der Pflanzung streckenweise vertheilt) kleine Gebüsche von australischem Eucalyptus globulus, der seiner austrocknenden und gesunden Nachbarschaft wegen besonders geschätzt wird. Die Wohnhütten der Tamils, die oft ein kleines Dorf zusammen bilden, stehen gewöhnlich in weiterer Entfernung, in der Nähe der Kaffeemagazine. Neuerdings ist viel für die Anlage guter Wege geschehen und bei der zunehmenden Ausdehnung der Pflanzungen wird bald der größte Theil des Hochlandes von solchen durchschnitten und für Wagen zugänglich sein.

XVII. Nurellia

Der weitaus besuchteste und bekannteste Ort des Hochlandes von Ceylon, die beliebteste „Sommerfrische" der Insel, ist Nurellia (geschrieben  N u w a r a -  E l l y a , d. h. die „Lichtstadt"). Dieser Ort liegt inmitten eines muldenförmigen elliptischen Hochthales von 1-2 Stunden Ausdehnung, das rings von 1500 bis 2000 Fuß hohen Bergketten eingeschlossen ist. Das Plateau selbst liegt zwischen 6000 und 6200 Fuß über dem Meere. Klima und Scenerie sind völlig verschieden von demjenigen des Tieflandes und erinnern vielmehr an das Gebirgsland von Mitteleuropa. Wenn auch am Mittag bisweilen die Tropensonne eine Hitze von 20-25o R. hervorruft, so sind doch die Nächte beständig kühl und im Frühjahre findet man nicht selten morgens das Gras mit Reif bedeckt und die Wassergefäße, die man zur Kühlung vor das Fenster gestellt hatte, mit einer dünnen Eisschicht überzogen. An den meisten Tagen wird abends und morgens Feuer in den Kaminen gemacht, die überall in den niedrigen steinernen Häusern anbracht sind. Wenn man bedenkt, daß Nurellia unter 7o nördlicher Breite liegt, so erscheint eine mittlere Jahrestemperatur von 12-13o R. bei nur 6000 Fuß Meereshöhe auffallend niedrig. Sie ist wohl, wie die unverhältnißmäßig niedere Temperatur des Hochlandes überhaupt, vorwiegend der isolirten Lage von Ceylon und der überaus starken Verdunstung bei Tage, wie der nächtlichen Abkühlung durch Wärmestrahlung zu verdanken. Die Luft ist beständig feucht. Dichter Nebel erfüllt das ganze Hochthal oft tagelang. Die Regenmenge ist überaus groß; zahlreiche Quellen und Bäche, die überall von den Berghängen in reicher Fülle herabstürzen, begünstigen die üppigste Vegetation und speisen den kleinen See, der einen großen Theil der Südhälfte des Plateau´s einnimmt.

Dieses Uebermaß von kühler Feuchtigkeit, von Nebel- und Wolkenbildung, Regen und Sturm verstärkt den ernsten und melancholischen Eindruck, welchen die einförmige Gestalt der einschließenden Bergketten, die düstere Farbe ihrer schwarzgrünen Wälder und des braungrünen Moorbodens der Sumpfwiesen unten im Thale hervorbringt. Man fühlt sich oft unwillkürlich fünfzig Breitengrade weiter nördlich, nach dem Hochlande von Schottland versetzt, und genau diese düstere Stimmung, die mich vor wenigen Jahren (im Herbste 1879) beim Durchstreifen des letzteren erfaßt hatte, überkam mich auch zu wiederholten Malen in dem Hochmoore von Nurellia. Ja ich glaube, daß sich aus dieser auffallenden Aehnlichkeit in Klima und Scenerie mit Schottland auch großentheils die ausgeprägte Vorliebe der britischen Colonisten für Nurellia erklärt. Das Feuer im Kamin zaubert ihnen hier nciht weniger die Reize der entfernten nordischen Heimat vor, als draußen der Zug der grauen Nebelwolken, die sich von den schwarzen Bergwäldern auf das feuchte, dunkle Moor und den blanken Spiegel des eiskalten Sees herabsenken.

Zwar war dies entlegene und verborgene Hochthal von Nurellia, mittem im schönsten Theile des waldigen Oberlandes, den Eingeborenen des heißen Unterlandes schon seit mehreren Jahrhunderten bekannt; und ein alter Kandykönig soll schon im Jahre 1610 hier vor den portugiesischen Eroberern eine sichere Zuflucht gefunden haben. Allein den ersten Besuch von Europäern erhielt es erst im Jahre 1826. Es waren englische Officiere, die sich auf der Elephantenjagd zufällig hierher verirrten: sie gaben von der erfrischenden Kühle und Schönheit des Gebirgsthales eine so begeisterte Schilderung, daß der damalige Gouverneur, Sir Edward Barnes, sich alsbald daselbst ein Bungalow baute und eine Gesundheitsstation für die britischen Truppen gründete, welche schon 1829 eröffnet wurde.

In der That wirkt die kühle Gebirgsluft von Nurellia auf den europäischen Organismus, der durch längeren Aufenthalt im heißen Unterlande erschlafft ist, ganz wunderbar erfrischend; und wenn man jetzt mit Hilfe von Eisenbahn und Postkutsche innerhalb von vierundzwanzig Stunden von Colombo hier hinauf gelangt, so fühlt man sich mit einem Schlage wie umgewandelt. Das ungewohnte Vergnügen des Frierens und der einseitigen Erwärmung am Kaminfeuer, das behagliche Gefühl, mit dem man wieder beim Ausgehen den längst entwöhnten Ueberrock und Plaid anthut, und sich abends ein Mal wieder die warme Bettdecke bis über die Ohren zieht, wirken als Contrast zu den nackten Gewohnheiten des heißen Unterlandes so anheimelnd, daß man allenthalben in den Städten des letzteren mit Begeisterung Nurellia preisen hört. Würden wir direct aus unserem Norddeutschland dahin versetzt, so würden wir von der überraschenden Aehnlichkeit nur wenig erbaut sein! Im Allgemeinen wird die Bedeutung von Nurellia als Gesundheitsstation sicher stark übertrieben; denn das feuchte und kalte Klima, dessen Temperatur an klaren Wintertagen zwischen Morgen (3-4o) und Mittag (20-25o) nicht selten um mehr als 20o R. innerhalb sechs Stunden springt, disponirt natürlich leicht zu starken Erkältungen und ist für viele Leiden, insbesondere katarrhalische und rheumatische, nichts wenige als zuträglich. Auch hörte ich von schweren Erkrankungen, die der plötzliche Klimawechsel zwischen Colombo und Nurellia herbeigeführt hatte. Trotzdem erhält sich, theils durch künstliche Reclame, theils in Folge secondärer Verhältnisse, sein hoher Ruf als klimatischer Curort beständig und ist sogar fortwährend im Wachsen. Die Zahl der englischen Landhäuser oder „Cottages", welche den grasigen Thalboden und den Fuß der waldigen Gehänge bedecken , nimmt von Jahr zu Jahr bedeutend zu und es kann nicht lange mehr dauern, so wird Nurellia eine ansehnliche Stadt sein, allerdings nur während des dritten oder vieten Theiles des Jahres bewohnt, während der trockenen Monate Januar bis April. Später, während der Dauer des Südwest-Monsuns, läßt der ununterbrochene triefende Regen keinen längeren Aufenthalt mehr zu.

Der letztere Umstand macht es zweifelhaft, ob Nurellia sich, wie Viele hoffen, bleibend zur Errichtung einer großen Erziehungsanstalt für die in Ceylon geborenen Kinder der Europäer eignen wird. Dazu kommt noch die enorme Theuerung der Wohnungen und Lebensmittel. Nirgend in Ceylon hat mein schlanker Jenenser Geldbeutel so schwer geblutet, wie in dem schlechten Rasthause von Nurellia. Beispielweise mußte ich für jedes Hühnerei 50 Pfennige zahlen, für ein Pfund Butter 2 Mark, eben so viel für jede Flasche schlechtes Bier u. s. w. Obwohl daher jeder europäische Gentleman in den heißen Küstenstädten von dem heimlichen Verlangen beseelt ist, die trockene kühle Frühlungsaison in Nurellia zuzubringen, besinnt er sich doch mehr als ein Mal, ob sein Portomonnaie diese starke Erleichterung ertragen kann.

Sehr amüsant zu beobachten ist, wie die Anpassung an die Vorstellung, in einem „ B a d e o r t e  erster Classe" zu leben, hier unter dem 7. Grade nördlicher Breite ganz dieselben Culturauswüchse und Modekrankheiten hervorruft, wie 50 Breitengrade weiter nördlich in den vornehmen Bädern von Nordeuropa. Das starke Geschlecht wetteifert mit dem schönen in Production der elegantesten, theuersten und geschmacklosesten Toiletten. Die kleinen Kinder erscheinen oft in Kleidungen, welche lebhaft an diejenigen ihrer vierhändigen Stammverwandten im Affentheater erinnern. Die reichsten und vornehmsten Residenten such sich in ihren modernen Equipagen auf den Promenadenanlagen eben so durch Glanz der Ausstattung zu überbieten, wie innerhalb ihrer Cottages durch Luxus des Mobiliars. Daher entwickeln sich auch bereits mitten zwischen den Bananen- und Reishandlungen der Singhalesen jene charakteristischen Luxusläden unserer Badeorte, in denen raffinirten Schwindler durch zehnfach übertriebene Preise den eleganten Badegästen die wohlverdiente Strafe für ihre Modenarrheiten angedeihen lassen. Mir kam dieses europäische Badetreiben mitten im wilden Hochlande von Ceylon, wo zahlreiche Elephanten, Bären und Leoparten noch jetzt die Wälder in wenigen Stunden Entfernung bevölkern, um so komischer vor, als ich noch ganz von den Erinnerungen an mein primitives Singhalesen- Leben in dem erst kürzlich verlassenen Belligemma erfüllt war.

Die Illusion, hier in einem europäischen Badeorte sich zu befinden, wird um so größer, als auch die Mittagstafeln von Nurellia sich möglichst denjenigen der letzteren anzupassen suchen. Da bekommt man zu seiner großen Ueberraschung frische Kartoffeln in der Schale, gewürzt mit frischer Butter, zu essen, ferner frische grüne Erbsen und Bohnen, Kohl u. s. w. Alle diese edlen europäischen Gemüse gedeihen in den Gärten und auf den Aeckern von Nurellia fast eben so gut, wie daheim bei uns; und die Kartoffeln (- für die germanische Rasse natürlich die Hauptsache! -) können bei guter Düngung (mit Knochenmehl) sogar vier Mail im Jahre auf demselben Acker geerntet werden! Leider muß man dafür auch das Vier- bis Sechsfache zahlen Es ist aber sehr unterhaltend bei Tische, den Enthusiasmus zu vernehmen, mit dem hier der kühle Brite von den vortrefflichen Kartoffen und Erbsen, von dem warmen Ueberrock und dem Kaminfeuer spricht. Man siehts, der Hauptreiz des Lebens liegt überall in der Contrastwirkung!

Die große Aehnlichkeit, welche das gelobte Land von Nurellia mit Nord-Europa besitzt, und welche ihm die warme Sympathie der europäischen Colonisten von Ceylon einbringt, ist übrigens zum großen Theile nur oberflächlich und zeigt bei genauerem Zusehen mancherlei Differenzen. Das gilt sowohl von dem Klima, als von der Vegetation, den beiden Hauptfactoren, welche den Character jedes Landes bestimmen. Was das Klima betrifft, so zeichnet sich nicht allein Nurellia, sondern auch das übrige Hochland von Ceylon durch ganz eigenthümliche Verhältnisse aus, die durch die insulare Lage, frei im indischen Ozean und unterhalb der Südspitze des vorderindischen Festlandes bedingt sind. Die beiden Passatwinde, der trockene Nordost-Monsun des Winters ebensowohl als der nasse Südwest-Monsun des Sommers, führen in Folge der localen Verhältnisse hier beide Niederschläge herbei, nur mit dem Unterschiede, daß die schweren Regenmassen des letzteren weit bedeutender und anhaltender sind, als die des ersteren. Daß auch die sogenannte „trockene Jahreszeit" hier (ebenso wie an der Küste von Südwest-Ceylon) ihren Namen nur euphemistisch führt, davon konnte ich mich aus eigener Erfahrung genügend überzeugen. Während meines dreiwöchentlichen Aufenthaltes im Hochlande kamen häufig (besonders Nachmittags) starke Regengüsse, bisweilen von solcher tropischen Gründlichkeit, daß ich trotz Regenschirm und Regenmantel keinen trockenen Faden am Leibe behielt. Auch die  F l o r a   v o n   N u r e l l i a , die auf den ersten Blick überraschend viel Aehnlichkeit mit unserer norteuropäischen hat, zeigt bei beneurer Betrachtung sehr wesentliche Unterschiede. Die baumgrünen subalpinen Moorwiesen, welche die Thalsohle größtentheils bedecken, sind zwar auch, wie bei uns vorzugsweise aus Riedgräsern und Binsen zusammengesetzt (Carices und Juncaceae) und darin finden sich überall viele liebe alte Bekannte zerstreut: Veilchen, Glockenblumen, Ranunkeln, Maiblümchen, Baldrian, Hornkraut, Knöterich, Brombeeren, Fingerhut u. s. w. Aber daneben und dazwischen entdecken wir auch viele eigenthümliche Blumen, die uns ganz fremd sind, so z. B. prachvolle große Balsaminen von höchst origineller Blüthenform, phantastische bunte Orchideen, scabiosenähnlichen Restiaceen, große violette Gentianen mit gelben Staubfäden (Exacum), besonders aber hohe Lobelien mit rothen, mehrere Fuß langen Blüthentrauben. Folgen wir dem Laufe der Bäche aber aufwärts und dringen in die schattigen Schluchten ein, so entdecken wir sofort einige tropische Charakterpflanzen, die unsere europäischen Illusionen zerstören: vor Allen die herrlichen Farnbäume (Alsophila), die mächtigen Schirmfarne (Angiopteries) die merkwürdigen Nillustauden (Strobilanthus) und die prachtvollen baumartigen Alpenrosen (Rhododendron arboreum): letztere 20-30 Fuß hohe knorrige Bäume, deren Aeste die schönsten Riesenbouquets von blutrothen großen Blüthen tragen.

Noch größere Verschiedenheiten zeigt der Wald, der mit seinen dichten, dunkelgrünen Laubmassen aus der Entfernung fast wie Nadelwald aussieht. Er setzt sich aus sehr vielen Baumarten zusammen, die größtentheils zu den Familien der Myrten, Lorberen, Haidekräuter, Guttabäume und Magnoliaceen gehören. Obwohl die zahlreichen Species dieser Bäume nach Blüthenbau und Frucht zu ganz verschiedenen Familien gehören, sehen sie sich doch affallend ähnlich im äußeren Habitus und Wachsthume. Die lederartigen Blätter sind dunkelgrün oder braungrün, unten oft filzig. Der säulenförmige gerade Stamm gleicht oft ganz den südeuropäischen Pinien und geht oben in zahlreiche Gabeläste aus, die eine breite, flache Schrimkrone tragen. Auffallend pinienähnlich sind namentlich die hohen Guttabäume (Calophyllum), von denen zahlreiche Prachtexemplare Stämme von 80-90 Fuß Höhe und 10- 12 Fuß Dicke bilden, ausgezeichnet durch die spirale Drehung ihrer Borkenrinde. Sehr groß ist auch in diesen Wäldern des kühlen Hochlandes, ebenso wie in denjenigen des heißen Tieflandes, die Menge und Mannigfaltigkeit der Schmarotzer, der Kletter- und Schlingpflanzen; nur sind es hier größtentheils andere Arten und Gattungen als dort. Außerdem kommen aber hier dazu noch dichte Mäntel von Laufmoosen an den Baumstämmen.

Viele Wälder in der nächsten Umgebung von Nurellia sind jetzt zugänglich gemacht durch breite Promenadenwege oder wenigstens durch passable Fußpfade, und der civilisirte zahme Badegast, der hier Nachmittags gemächlich lustwandelt, kann sich dabei mit dem schauerlichen Gedanken kitzeln, daß Nachts an derselben Stelle, kaum eine Stunde von seiner Wohnung entfernt, wilde Elephanten seinen Weg gekreuzt, oder Leoparden ein wildes Schwein erlegt haben. Freilich ist die üppige Uebermacht der wilden Vegetation auch hier so groß, daß die Forstaufseher beständig mit der Axt nachhelfen müssen, um die Waldpfade leidlich gangbar zu erhalten. Die vier Tage, welche ich in Nurellia verweilte, verwendete ich dazu, um interessante Ausflüge nach allen vier Himmelsgegenden zu machen. Am 16. Februar bestieg ich den höchsten Berg der Insel, den östlich gelegenen  P e d r o -  T a l l a -  G a l l a  und feierte auf der Spitze desselben meinen achtundvierzigsten Geburtstag. Diese höchste Bergspitze von Ceylon erreicht 8200 Fuß Meereshöhe und liegt mithin nur 200o Fuß höher als das Plateau von Nurellia. Sie führt ihren Namen: „Matten-Gewebe-Berg" von den vielen Binsen, die auf ihrem wasserreichen Fuße wachsen und zum Weben von Matten verwendet werden.

Es war ein prächtiger, sonniger Frühlingsmorgen, als ich in zwei Stunden von Nurellia hinaufstieg, nur von einem Tamil-Kuli begleitet, der mein Malzeug und den Proviant trug. Der enge Pfad führt anfangs ziemlich steil, später sanfter aufwärts; fast bis zur Spitze durch dichten Wald, mehrmals über rauschende Bergbäche und kleine Wasserfälle. Das Merkwürdigste, was ich beim Hinaufsteigen fand, war einer der großen, berühmten Regenwürmer des Hochlandes von Ceylon; sie sind die Riesen ihres Geschlechtes, fünf Fuß lang, zolldick und von schöner himmelblauer Farbe. Außerdem traf ich hier zum ersten Male den prächten Waldhahn des Gebirges (Gallis Lafayetti), den ich später „am Ende der Welt" sehr häufig fand. Auch der große aschgraue Affe des Berglandes (Presbytis ursinus) zeigte sich, war aber so scheu, daß ich nicht zum Schusse kommen konnte. Die dichte, mit langen rothgelben Moospelze verbrämte Walddecke des Pedura geht fast bis zu dessen Gipfel hinauf. Eine eigentlich alpine, oder selbst subalpine Vegetation fehlt auf Ceylon. Die Schneelinie würde hier erst bei 14-15 Tausend Fuß beginnen.

Die freie Aussicht von dem baumlosen Gipfel ist großartig und umfaßt den größten Theil der Insel, bis zum Meere hin, von dem westlich und östlich ein schmaler Silberstreifen sichtbar ist. Im Osten erhebt sich der schöne Namuna-Pik über den Thälern von Badula, während im Westen der Adams-Pik alle anderen Hohen überragt. Wie auf dem letzteren, so ist auch hier das imposante Panorama insofern einförmig, als der größte Theil desselben von dunkelgrünen, dichtbewaldeten Bergmassen eingenommen wird, durchzogen von den dünnen Silberfäden zahlreicher Bäche und Ströme, aber nur hier und da von kleinen Stücken heller grünen Culturlandes unterbrochen. Es ist mehr das Gefühl der Erhabenheit, welches inmitten dieser unendlichen Waldeinsamkeit das Gemüth umfängt, und die Vorstellung, eine der schönsten und rechsten Inseln der ganzen Welt von einem Punkte aus zu überschauen. Während am frühen Morgen die Rundsicht vom Pedura noch ganz rein und klar war, stiegen bald nachher zahlreiche Nebel aus den Thälern auf und ballten sich zu dichten Wolkenmassen. Ich folgte dem interessanten Spiele derselben mehrere Stunden, wie ich denn überhaupt kaum irgendwo in unseren Gebirgsländern so merkwürdige Wolkenstudien machen konnte, wie im Hochlande von Ceylon.

Am 17. Februar, ebenfalls einem ausnehmend schönen Frühlingstage, wanderte ich von Nurellia auf guter Fahrstraße fünf Meilen südwärts, über die Brücke von Uda-Pussilawa nach dem südöstlichen Rande des Plateau´s. Ich bestieg hier einen Berggipfel, der eine prächtige Aussicht nach Süden auf Hakgalla gewährt. Dieser „Kieferberg" besitzt unter allen Bergen, die ich auf Ceylon gesehen habe, die schönste Form und gleicht druch die edle Composition seiner Massen und den feinen Schwung seiner Linien dem berühmten Monte-Pellegrino bei Palermo. Die waldigen, tief eingeschnittenen Schluchten dieser Gegend, in denen hohe Wasserfälle herabrauschen, zeichnen sich durch den Reichthum an prächtigen Baumfarnen aus. Den folgenden Tag machte ich von Nurellia aus nordwärts eine Excursion in die Gegend von Rambodde, auf der Hauptfahrstraße, welche von Kandy hier heraufführt. Der Weg steigt zunächst zwei Stunden aufwärts zur Höhe des Rambodde-Passes, ungefährt 7000 Fuß über dem Meere. Der Sattel dieser Paßhöhe gewährt einen prächtigen Doppelblick, südwärts auf den ganzen Thalkessel von Nurellia, im Hintergrunde der schön geformte Hakgalla, darunter der blanke Spiegel des Sees; nordwärts auf die waldigen Schluchten des Kotmallithales und darüber hinaus auf die weiten Hügelflächen des Pussilawa Districtes. Unter den vielen Berghäuptern des letzteren erhebt sich die Fahrstraße steil abwärts gegen Rambodde, und ich folgte ihr mehrere Meilen weit, bald der zahlreichen hübschen Wasserfälle mich erfreuend, die von beiden Seiten in den engen Thalboden herabstürzen, bald der üppigen Buschvegetation und besonders der schönen Baumfarne, welche die Bachufer säumen. Der herrliche Hochwald, der die Berglehnen hier noch vor wenigen Jahren bedeckte, ist jetzt fast allenthalben den Kaffeepflanzungen gewichten. Die Straße war besäet mit sehr zahlreichen Ochsenkarren, jeder mit vier starken, weißen Zebu bespannt, die Proviant und Luxusartikel nach Nurellia hinaufschleppten.

Am 19. Februar benutzte ich den schimmernden Sonntagsmorgen, um in aller Frühe die Bergkette zu besteigen, welche die Weltseite des Nurellia-Beckens begrenzt. Ich hatte von der Höhe die schönste Aussicht auf den Adams-Pik und die zwischenliegenden Bergketten von Dimbula. Zu Mittag folgte ich der Einladung des Gouverneurs, welcher Tags zuvor mit seiner Gemahlin nach Nurellia gekommen war und in dem freundlichen, von einem hübschen Garten umgebenen „königlichen Landhaus", der „Queen´s Cottage", an der westlichen Thalseite residirte. Hier konnte ich einen auserlesenen Flor von Rosen, Veilchen, Nelken und anderen europäischen Gartenpflanzen bewundern, die in schönster Blüthe standen; auch üppige Kirschbäume und andere europäische Obstbäume. Sie bekommen hier reichen Blätter- und Blüthenschmuck, tragen aber niemals Früchte. Ich traf hier mit Dr. Trimen zusammen, der inzwischen alle Vorbereitungen für unsere Hochgebirgsreise vollendet hatte, und noch am selben Nachmittage traten wir unsere Tour „an das Ende der Welt" an. Wir fuhren jedoch für heute nur zwei Stunden weiter südwärts, bis  H a k g a l l a , wo die Fahrstraße und die menschliche Civilisation überhaupt aufhört. Hier befindet sich in 6000 Fuß Höhe, unmittelbar am südlichen Fuße der vorher erwähnten prächtigen Gebirgskuppe, ein botanischer Garten für tropische Gebirgspflanzen, eine Filiale des großen Peradenia- Gartens, und gleich diesem von Dr. Trimen dirigirt. Wir benutzen die Abendstunden, um denselben zu durchwandern und die Pflanzschulen zu mustern, sowie die prachtvollen Baumfarne und Pothospflanzen, von denen hier Riesenexemplare gezüchtet werden. Man genießt von den Terrassen dieses höchstgelegenen Gartens von Ceylon eine schöne Aussicht auf die stattliche Felspyramide des Namuna-Pik, der sich ostwärts über den Thälern von Badula isolirt erhebt. Wir übernachteten im Hause des schottischen Gärtners, dem äußersten Vorposten europäischer Cultur in diesem Theile des Hochlandes.

XVIII. Am Ende der Welt.

Die ausgedehnte und unbewohnte Hochebene, welche sich von Nurellia südwärts bis gegen den Rand den großen Central- Plateau´s von Ceylon ausdehnt, und an deren nördlicher Grenze der Hakgalla-Garten als vorgeschobener Posten ganz isolirt liegt, führt ihrem Entdecker, Lord Horton zu Ehren, den Namen  H o r t o n -  P l a i n ´ s . Der größte Theil derselben ist noch heute mit Urwald bedeckt, abwechselnd mit trochenen oder sumpfigen Grasflächen, den sogenannten  P a t n a s . Die Beherrscher dieser Wildnissse sind Leoparden, Bären und wilde Elephanten. Der wellenförmige Rücken des Plateau´s wird von zahlreichen Bächen durchschnitten, zwischen denen sich flach gewölbte Hügel erheben, hier und da auch einzelne höhere Berge, von 7000 bis 8000 Fuß Meereshöhe. Am südlichen Rande fällt das Plateau fast überall äußerst steil ab und der wildeste Theil dieses schroffen Absturzes führt den charakteristischen Namen „World´s End", das Ende der Welt. Gegen 5000 Fuß hoch fallen die jähen Felswände hier anscheinend senkrecht hinab und gewähren einen wunderbaren Blick in die üppigen Thäler des südlichen Tieflandes, die sich unmittelbar zu ihren Füßen ausdehnen. Dieser merkwürdige Ort ist als der wildeste Theil der ganzen Insel berühmt, wird aber nur selten von Europäern besucht.

Nicht weit von diesem romantischen Punkte liegt, mitten in der einsamen Wildniß, eine unbewohnte dickwandige Steinhütte, welche die Regierung als Zufluchtsort für durchreisende Beamte hat errichten lassen: „Horton Plain´s Resthouse". In dieser Hütte beabsichtigte ich mit Dr. Trimen eine Woche zu bleiben und von da aus Excursionen in die wilde, auch von Letzterem noch nie besuchte Umgegend anzustellen. Alle Vorbereitungen waren getroffen, der Schlüssel des Rasthauses und die Erlaubniß des Gouverneurs in unseren Händen, und so brachen wir denn wohlgemuth und voller Erwartung am frühen Morgen des 20. Februar von Hakgalla auf.

Da wir nicht allein den nöthigen Proviant für acht Tage, sondern auch Betten, Decken, Zelte, Waffen u. s. w., sowie eine Menge Apparate und Gefäße zum Sammeln von Pflanzen und Thieren mit uns zu nehmen hatten, so brauchten wir für den Transprot dieser Dinge nicht weniger als zwanzig Träger. Außerdem hatte ein Jeder von uns Beiden noch seinen besonderen Diener und Dr. Trimen mehrere Leute aus dem Peradenia-Garten zum Sammeln und Präpariren von Pflanzen bei sich. Diese letzteren waren braune Singhalesen, die übrigen meistens schwarze Malabaren oder „Tamil-Kuli´s". Mit Einschluß eines Kochs und eines Führers belief sich unsere Gesellschaft auf nicht weniger als dreißig Mann.

Wie immer in Indien, wenn ein so großer Troß sich in Bewegung setzen soll, vergingen mehrere Stunden, ehe Alles in Ordnung war. Obgleich wir schon vor Sonnenaufgang gerüstet waren und unterwegs sein sollten, fehlte an unserer Bagage doch bald dies, bald das. Als endlich sämmtliche dreißig Leute gerüstet beisammen waren und Abmarsch beginnen sollte, machte der „Hühner-Kuli", welcher einen großen Korb mit ein paar Dutzend Hühnern trug, einen Fehltritt und durch eine geöffnete Lücke des Korbes entwischten ein paar Hennen unter lautem Gackern. Das war das Signal für alle Kuli´s, sofort ihre aufgepackte Last vom Kopfe zu nehmen und sich unter lautem Geschrei an der allgemeinen Jagd auf die entwischten Flüchtlinge zu betheiligen. Kaum waren diese eingefangen, wieder eingesperrt, und der Abmarsch auf´s Neue begonnen, als ein zu fest gepackter Reissack platzte und seinen weißen Körnerinhalt auf den Boden entleerte. Abermaliges Signal zu allgemeinem Stillstande und zur Betheiligung am Einsammeln des Reises. Diese Pause benutzten einige Hühner, um durch eine neuentdeckte Lücke des Hühnerkorbes abermals zu entschlüpfen und auch ihrerseits Reiskörner zu sammeln, aber direct in den Magen. Nun ging die lustige Jagd erst recht los und abermals verrann eine halbe Stunde, ehe Alles wieder in Ordnung war. Aehnliche Scenen wiederholten sich am Tage noch mehrmals und so war es kein Wunder, daß wir mehr als volle zwölf Stunden gebrauchten, um den Marsch von zwanzig englischen Meilen, von Hakgalla bis zum Rasthaus, zurückzulegen. Es war ein Glück, daß unser Marsch den ganzen Tag vom schönsten Frühlingswetter begünstigt war; denn bei heftigem Regen wären wir hier schlimm angekommen.

Der einsame und selten betretene Pfad, der dahin führt, durchschneidet abwechselnd dichten Urwald und ausgedehnte offene Glasflächen oder Patnas. Beide sind fast überall vollkommen scharf abgegrenzt. Denn die trockenen hohen Hartgräser, welche vorwiegend die Patna zusammensetzen, wachsen so äußerst dicht gedrängt und ihre Rasen bilden so undurchdringliche Wurzelgeflechte, daß sie im Kampfe um´s Dasein die sämmtlichen riesigen Bäume des Urwaldes besiegen und daß jeder Keim der letzteren, der aus den zahlreich ausgestreuten Samen zwischen den Gräsern emporzustreben beginnt, alsbald von diesen erstickt wird. Nur ein einziger Baum besteht diesen Kampf bisweilen siegreich und man sieht seinen hohen Stamm mit dunkelgrüner Schirmkrone oft einzeln mitten aus den Patnas hervorragen; es ist die Bergmyrte mit giftigen, birnförmigen Früchten (Careya arborea). Fast alle Gräser liefern ein schlechtes Viehfutter und zeichnen sich durch trockene, harte und rauhe Blätter, scharfe und spröde Stengel aus, viele zugleich durch aromatischen Geruch. Theils sind es echte Gramineen, theils Cyperaceen und Restiaceen.

Der dichte Hochwald, der mit diesen Patnas abwechselnd und gewissermaßen große unregelmäßige Inseln in dem ausgedehnten Graslande bildet (ähnlich wie in den Prairien von Nord-Amerika), besitzt denselben ernsten und düsteren Charakter, der alle Wälder des Hochlandes, vom Adams-Pik bis hinüber zum Pedura auszeichnet. Obwohl die Bäume desselben sehr zahlreichen verschiedenen Arten und Gattungen angehören, stimmen sie doch in der allgemeinen Physiognomie meistens sehr überein; und da Blüthen und Früchte oft fehlen, hält es sehr schwer, sie zu unterscheiden. Die Blätter sind meistens lederartig, oben dunkel braungrün oder schwärzlich grün, oft glänzend; unten heller, häufig graugrün, silber- oder rostfarben. Die starken, knorrigen Stämme sind mit gelben Moosen und Flechten oft ganz umwickelt und außerdem mit Massen von Schmarotzern bedeckt, unter denen sich Orchideen und Leguminosen ddruch ihre prächtigen Blüthen auszeichnen.

Horton-Plain´s Resthouse liegt eben so hoch, wie der Gipfel des Adams- Pik, 7200 Fuß; mithin tausend Fuß höher als das Becken von Nurellia. Diese Steigung fällt größtentheils auf die zweite Hälfte des Weges, während die erste Hälfte sich in wellenförmigem Hügellande, abwechselnd bergauf und bergab bewegt. Ungefähr in der Mitte zwischen beiden stießen wir auf einige leere Rohrhütten, die von einer Jagdgesellschaft vor einiger Zeit errichtet waren, und hier wurde eine Stunde Mittagsrast gehalten. Einige wilde Bergbäche abgerechnet, die wir auf übergelegten Baumstämmen überschritten, bot der Weg keine besonderen Schwierigkeiten. Sobald wir nach Ueberwindung einer steilen, von einem schönen Wasserfalle durchrauschten Schlucht, die höhere Stufe des Plateau´s erklommen hatten, begannen die charakteristischen Nillu- Wälder, die Lieblingsaufenthalt der wilden Elephanten. Die großen, zum Theil ganz frischen Dunghaufen derselben, die hier überall zerstreut lagen, sowie das niedergetretene Gebüsch bewiesen zur Genüge, wie häufig ihre Herben hier noch sein mußten. Da wir alle Augenblicke auf eine solche stoßen konnten, bemächtigte sich des ganzen Kuli-Trosses eine große Aufregung, und während die Träger vorher in kleineren Gruppen weit auseinander zerstreut gewandert waren, schlossen sie sich nun eng zusammen und gingen auf dem schmalen Pfade im Gänsemarsch dicht hinter einander, in einer langen Linie. Die  N i l l u -  W ä l d e r , welche ich hier in Horton-Plain´s in der größten Entwickelung und Ausdehnung antraf, bilden eine sehr eigenthümliche Waldformation und führen ihren Namen von verschiedenen Arten der Acanthaceen-Gattung  S t r o b i l a n& nbsp;t h u s , von den Eingeborenen Nillu genannt. Sie sind das bevorzugte Lieblingsfutter der Elephanten; meistens dünne, schlanke Stämmchen von 15-20 Fuß Höhe, in dicht gedrängten Garben neben einander wachsend und oben mit hübschen Blüthenähren geschmückt. Die schönste von ihnen (St. pulcherrimus) zeichnet sich durch prächtig carmoisinrothe Färbung der Stengel und Blüthenrispen aus, und da sie in dichten Massen das ganze Unterholz des Hochwaldes bildeten, brachten die durchfallenden Strahlen der sinkenden Abendsonne inihnen einen wundervollen Effect hervor. Die Elephanten fressen sich durch dieses dichte Unterholz förmlich hindurch. Einer geht immer hinter dem anderen; alles Gebüsch, das nicht gefressen wird, wird flach niedergetreten, und wenn eine Herde von zwanzig oder dreißig solcher Colosse hinter einander durch den Urwald marschirt ist, hat sie eine glatte Straße von einem Meter Breite gebahnt, wie man sie hier nicht angenehmer sich wünschen kann. Solche Elephantenstraßen waren es, auf denen wir in den nächsten Tagen uns fast ausschließlich bewegten, und nur mit ihrer Benutzung konnten wir mehrere sehr interessante Excursionen machen. Freilich sind aber diese bequemen Straßen auch nicht ungefährlich. Denn wenn man auf einer solchen plötzlich einer Elephantenherde begegnet, ist an Ausweichen nicht zu denken und man muß daher stets auf der Hut sein.

Die Sonne war bereits untergegangen und es wurde schon ziemlich dunkel, ehe wir beim Austritte aus einer Waldinsel auf die freie Patna in der Entfernung einer Meile des ersehnten weißen Rasthauses ansichtig wurden. Neuer Muth durchdrang die ermattete und zum Theil schon recht niedergeschlagene Gesellschaft. Aber wir mußten noch einen tiefen Thaleinschnitt hinab und herauf klettern, um zu dem auf der jenseitigen Lehne gelegenen Rasthause zu gelangen. In der Tiefe des Einschnittes toste ein wilder Bach, über welchen anstatt der Brücke ein übergelegter Baumstamm führte. Wir waren recht froh, als endlich der ganze Troß im Dunkeln glücklich diesen gefährlichen Weg passirt hatte und wir wohlbehalten am ersehnten Ziele waren. Rasch wurden Feuer angemacht, die öden Räume der einsamen Steinhütte so behaglich als möglich hergerichtet, und der Reis nebst Hühner-Curry mit einem Appetite verzehrt, der den Anstrengungen des Tagemarsches entsprach. Die Temperatur, die Mittags in der Sonne gegen 30o R. betragen hatte, war jetzt auf 8o gesunken, und wir fühlten uns daher drinnen am Kaminfeuer, in wollene Decken eingewickelt, sehr behaglich, während unsere Kuli´s, draußen im halboffenen Schuppen gelagert, an die großen Feuer so nahe heranrückten, als ohne Verbrennungen möglich war.

Das Wetter blieb während unseres Aufenthaltes in Horton-Plain´s Rasthaus fortwährend schön und begünstigte die interessanten Ausflüge, die wir in die wilde Umgebung dieser weltentlegenen Einsiedelei machten. Die erfrischende Hochgebirgsluft wirkte außerordentlich anregend; nur unsere arme Haut, durch gleichmäßige feuchte Hitze des Tieflandes sehr verwöhnt, hatte viel zu leiden. Gesicht und Hände sprangen so auf, wie bei uns mitten im Winter, theils in Folge der ungewohnten Trockenheit der dünnen Luft, theils auf Grund der starken Temperaturwechsel. Während das Thermometer in den heißen Mittagstunden (im Schatten) auf 24-26o R. stieg, fiel es nach Mitternacht auf 3-4o, und Morgens früh fanden wir die Patnas vor uns mit Reif bedeckt. Dichter Nebel lagerte dann auf Berg und Thal, sank aber bald wieder und machte dem strahlendsten Sonnenscheine mit tiefer Himmelsbläue Platz. Nachmittags bildeten sich gewöhnlich dicke Haufwolken, ohne daß es jedoch zum Regen kam; sie gruppirten sich zu phantastischen Massen, welche die untergehende Abendsonne mit den prachtvollsten Farben schückte.

Wie das Wetter hier im Februar mich sehr an einen schönen Spätherbst in der deutschen Heimath erinnerte, so hatte auch die ganze Hochgebirgslandschaft, gegenwärtig schon dem Ende der sogenannten „trockenen Jahreszeit" entgegengehend, einen vorwiegend herbstlichen Charakter. Die dichten Gradecken der Patnas waren großentheils vertrocknet, mehr gelb und braun als grün gefärbt. Lange Strecken derselben waren auch braun und schwarz, mehr oder weniger verkohlt. Die singhalesischen Gebirgshirten, welche jährlich auf einige Monate mit ihren Herden hier herauf kommen, haben nämlich die Gewohnheit, vor Eintritt der Regenzeit die Gradflächen anzuzünden und niederzubrennen, um dadurch das Grasland zu verbessern. Wir genossen jeden Abend das prachtvolle Schauspiel dieser ausgedehnten Prairiebrände, die sich bei dem wellenförmigen Hügelterrain der Hochebene und inmitten der dunkeln Wälder, die die Patnas umschließen, doppelt großartig ausnehmen. Bald kroch die rothe Flamme im Zickzack gleich einer feurigen Riesenschlange an den Bergkanten hinauf; bald ergriff sie, rasch sich ausbreitend, eine größere Fläche trockenen Grases und schuf ein Flammermeer, dessen rother Glanz von den düsteren Wäldern des Hintergrundes und den dunkeln Wolkenmassen des Firmamentes zurückgeworfen wurde. Dann wieder stiegen Hunderte von kleinen weißen Rauchwolken aus den Patnas auf, als ob heiße Geisirquellen aus dem Schoße des Gebirges hervorbrächen; und die rothen, hellen Feuerstreifen, welche dieselben blitzartig durchzuckten, vermehrten die vulcanische Illusion.

Obgleich wir jeden Abend vom Rasthause aus an dem wechselnden Feuerwerke dieser Grasbrände uns ergötzten, so bekamen wir doch niemals die Urheber derselben, die singhalesischen Hirten zu Gesicht; und die vollkommene Einsamkeit, deren wir uns hier erfreuten, wurde durch keine menschliche Figur gestört. Wir feiern in unserer deutschen Poesie die herrlichen Reize der „Waldeinsamkeit" und entschädigen uns durch deren Illusion für die zahlreichen Qualen, welche unser verschrobenes Culturleben uns tagtäglich auferlegt. Was ist aber unsere eingebildete deutsche „Waldeinsamkeit" (im besten Falle wenige Meilen vom nächsten Dorf entfernt) gegenüber der wahren und unergründlichen Waldeinsamekeit, welche hier die alten Urwälder im Hochlande von Ceylon uns darbieten? Hier sind wir sicher, in Wahrheit ganzh allein mit der ursprünglichen Natur zu sein. Ich werde niemal die Wonne der stillen Tage vergessen, die ich hier in den dunkeln Wäldernaudn auf den sonnigen Grasflächen „am Ende der Welt" zubrachte. Da mein Freund Trimen, mit besonderen botanischen Aufgaben beschäftigt, meistens seine eigenen Wege ging, durchstrich ich diese unberührten Wildnisse theils ganz allein, theils nur von einem schweigsamen schwarzen Tamil-Kuli begleitet, der mein Gewehr und Malzeug trug.

Der tiefe Eindruck absoluter Einsamkeit, den diese abgelegenen Wälder im Hochgebirge von Ceylon hervorbringen, wird nicht wenig dadurch verstärkt, daß das Thierleben in denselben auffallend wenige Aeußerungen darbietet. Allerdings sind wilde Elephanten auch heute noch die Könige dieser Wälder. Aber ein einziges Mal bin ich ihnen hier wirklich begegnet, und die großen Russa-Hirsche oder „Elke" (Russa Aristotelis), die hier noch sehr häufig sein sollen, habe ich zwar mehrmals gehört, aber niemals gesehen. Auch von den Lippenbären und Leoparden, den gefürchteten Raubthieren dieser Wälder, habe ich keinen zu Gesicht bekommen. Diese und die meisten anderen Bewohner derselben sollen vorzugsweise oder ausschließlich eine nächtliche Lebensweise führen und sich tagsüber im kühlen Dickicht versteckt halten. Selbst die großen grauen Affen (Presbytis ursinus), die hier zahlreich sind, habe ich nur selten sehen können, obwohl ich ihre grunzende Stimme am frühen Morgen oft hörte.

Die klagenden melancholischen Stimmen einiger Vögel, insbesondere der schönen grünen Waldtauben und Bienenfresser, hört man meistens auch nur am frühen Morgen. Später ist gewöhnlich das bunte Waldhuhn der einzige Vogel, der sich hören läßt. Dieser prächtige Galles Lafayetti steht dem vermuthlichen Stammvater unseres Haushuhnes ganz nahe. Der Hahn zeichnet sich durch bunt glänzendes Gefieder, schönen rothbraunen Halskragen und grünen Sichelschwanz aus, während die Henne ein unscheinbares, graubraunes Federkleid besitzt. Die klangreiche Stimme des wilden Hahnes, viel melodischer als das Kikeri seines cultivirten Vetters, hörte ich oft stundenlang im Walde, bald näher, bald ferner; denn die rivalisirenden Hähne führten ihren musikalischen Wettkampf um die Gunst der kritischen Hennen mit großem Eifer aus. Zum Schusse konnte ich aber trotzdem selten kommen; denn sie sind so scheu und vorsichtig, daß beim leisesten Geräusch das Concert verstummt, und sobald ich ein Mal einen geschossen hatte, blieb der Wald lange Zeit mäuschenstill.

Oft saß ich hier, mit Malen beschäftigt, stundenlang auf einam alten Baumstamme, ohne einen einzigen Laut zu vernehmen. Wie das Vogelleben, so ist auch das Insectenleben, die Ameisen ausgenommen, auffallend arm, und namentlich von Schmetterlingen und Köfern sieht man nur sehr wenige, meist unansehnlich Formen. Das leise Summen schwebender Waldfliegen ist oft der einzige Laut, der neben dem Gemurmel eines kleinen Baches oder dem Rauschen des vom Winde bewegten Laubes das tiefe Schweigen des Gebirgsgeistes unterbricht.

Um so größer ist der Eindruck, den die phantastischen Baumformen des Urwaldes hervorbringen, die knorrigen, wild durcheinander gewachsenen Stämme, deren zackige Aeste mit fußlangen Bärten von rothgelbem Mosen und Flechten geschmückt sind, und von deren breiten Schultern glänzend grüne Mäntel von Schlingpflanzen herabhängen. Oft sind die Stämme unten mit den weißen oder bunt gezeichneten duftreichen Blüthen parasitischer Orchideen geziert, während oben über ihrer schwarzgrünen Krone Schmarotzerpflanzen verschiedener Familien ihre bunten Blüthen entfalten. Eine ganz besondere Decoration dieser Wälder bilden die zierlichen schlingenden Bambusen (Arundinaria debilis). Ihre schlanken, dünnen Rohrhalme klettern hoch oben in die Bäume hinauf und hängen von deren Zweigen senkrecht, gleich Ampeln, herab, auf das Zierlichste mit Quirlen von frischgrünen Blattbüscheln geschückt. Den größten Schmuck bilden aber auch hier wieder, wie allenthalben im Hochlande, die prachtvollen baumartigen Alpenrosen (Rhododendron arboreum) mit den Riesenbouquets ihrer hochrothen Blüthen. Demnächst sind die wichtigsten Bäume dieser Hochlandwälder verschiedene Lorber- und Myrtenbäume, namentlich Eugenien, ferner Rubiaceen und Ternstroemiaceen. Dagegen vermißt man gänzlich die gewöhnlichen Baumformen unserer europäischen Wälder und vor allen die Nadelhölzer. Diese wichtige Familie fehlt merkwüdigerweise auf Ceylon ganz.

Das schönste Gebirgspanorama, das wir bei unseren Excursionen auf Horton-Plain´s zu Gesicht bekamen, genossen wir auf dem Gipfel des  T o t a p e l l a  - P i k , den wir am 22. Februar beim prächtigsten Wetter bestiegen. Derselbe ist 7800 Fuß hoch und liegt nahe dem östlichen Rande des Plateau´s. Von seinem schwach bewachsenen Gipfel, der mit prächtigen rothen Melastomen (Osbeckia buxifolia) geziert ist, genießt man einen weiten freien Blick nach allen Seiten, nördlich auf die Gebirge von Nurellia, Pedura und Hakgalla; östlich auf die Hügellandschaft von Badula und den Namuna-Pik; südlich auf die Grenzmauern von „Ende der Welt" und westlich auf den Adams- Pik. Auch der Zugang zu diesem schönen Berggipfel wurde uns größtentheils nur dadurch möglich, daß wir ausgetretenen Elephantenpfaden folgten; wo diese fehlten, mußten unsere Kuli´s mit der Axt uns den Weg durch das dicht verwachsene Unterholz bahnen.

Am 24. Februar besuchten wir das eigentlich  „ E n d e   d e r   W e l t "  („World´s End"), jene berühmte, aber selten besuchte großartige Felsenschlucht, in welcher der Südabhang des Hochlandes gleich einer senkrechten Mauer über 5000 Fuß in das Tiefland hinabstürzt. Der gewaltige Anblick dieses ungeheuren Abgrundes wirkt um so überraschender, als man nach zweistündiger Wanderung durch dichten Wald plötzlich beim Austritte aus demselben die gähnende Tiefe unmittelbar zu Füßen hat. Wie feine Silberfäden schlängeln sich die Flüsse unten durch den grünen Sammetteppich des Thalbodens, in dem man mittelst des Fernrohres hier und da das Bungalow einer einzelnen Pflanzung erkennt. Von den oberen Rändern der Felsenschlucht, die mit prächtigen Baumfarnen geziert sind, stürzen Wasserfälle herab, die sich (ähnlich dem „Staubbache" im Lauterbrunner Thale) vollständig in feinen Nebel auflösen, ehe sie unten ankommen.

An dieser wildesten und großartigsten Stelle von Ceylon war es, wo ich auch zum ersten und einzigen Male wilde Elephanten in voller Freiheit erblickte, nachdem ich sie zuvor schon bei der Elephantenjagd von Lambugama in den Korral hatte treiben sehen. Ich zuerst auf sie aufmerksam durch das Knistern gebrochener Zweige mitten im Waldesdickicht, ungefähr fünfzig oder sechzig Fuß unterhalb der vorspringenden Felsplatte, auf welcher ich stand. Beim genauen Zusehen entdeckte ich in den wogenden grünen Massen des Dickichts eine Elephantenherde von zehn bis zwölf Stück, die in aller Ruhe ihr Nillu-Frühstück einnahm. Außer den Köpfen und den emporgestreckten Rüsseln, mit denen sie die Zweige umbogen und abbrachen, war von den meisten wenig zu sehen. Nachdem ich mich eine Zeit lang an dem seltenen Anblick geweidet, feuerte ich von meinen sicheren Hinterhalte aus auf die nächststehenden Elephanten die beiden Schüsse meiner Doppelflinte ab, natürlich ohne sie irgend zu verwunden, da letztere nur mit Rehposten geladen war. Die Antwort waren die lauten Trompetentöne, welche überraschte Elephanten stets ausstoßen, dann ein lautes Krachen in den dichten Baummassen, welche die gewaltigen Thiere wie Rohr niedertraten, und in wenigen Minuten war die ganze davon eilende Herde hinter der nächsten Felsenecke verschwunden.

Vom „Ende der Welt", das zugleich das Ende unserer höchst interessanten Hochgebirgsreise war, stiegen wir auf einem steilen, vielgewundenen Serpentinenpfade durch die prachtvollsten wilden Waldschluchten hindurch in fünf Stunden nach Nonpareil hinab, der nächsten Kaffeepflanzung, die am weitesten in diese Einöden emporgedrungen ist. Dieselbe gehört Capitän Bayley, demselben unternehmenden Manne, dessen prächtiges Miramare in Puntogalla ich früher erwähnt habe. Bei seinem Sohne und Verwalter fanden wir die freundlichste Aufnahme. Wir hatten die Absicht gehabt, am Nachmittage desselben Tages noch weiter bis Billahuloya, dem ersten Dorfe dieses Thales hinabzusteigen; allein als wir noch einem vortrefflich mundenden Mittagessen im 4 Uhr weiter wandern wollten, brach ein so gewaltiger Gewitterregen los, daß wir gern der dringenden Aufforderung unserer werthen Gastfreunde entsprachen, die Nacht bei ihnen zu bleiben.

Nachdem der Regen gegen 5 Uhr aufgehört hatte, erfreuten wir uns noch eines herrlichen Abends. Wir besichtigten die großartige, musterhaft angelegte Pflanzung und machten einen Spaziergang durch deren schöne Schluchten. Hunderte kleiner Wasserfälle, die den heftigen Güssen ihren momentanen Ursprung verdankten, stürzten allenthalben von den stielen Felswänden herab. Die prachtvolle Waldvegetation, welche die engen Schluchten erfüllte, glänzte im frischesten Grün und namentlich die herrlichen Guirlanden der Schlingpflanzen, welche von den mächtigen Schultern der hohen Bäume gleich grünen Kränzen herabhingen, erregten auf´s Neue unser Entzücken. Muntere Affen übten auf denselben ihre Seiltänzerkünste. Ganz besonders aber bewunderten wie die prächtigen Baumfarne (Alsophila), diese Palmen der Hochlandsschluchten. Ihre schirmförmigen, zierlichen Fiederkronen mit den gewaltigen und doch so zarten frischgrünen Wedeln bildeten die schönsten Schattendächer über den schäumenden Wasserfällen, über deren Felsenbecken ihre schlanken schwarzen Stämme sich zwanzig bis dreißig Fuß erhoben; einzelne Prachtexemplare erreichten hier sogar die seltene Höhe von fünfundvierzig bis fünfzig Fuß und darüber. Es war das letzte Mal, daß ich mich an solchen großartigen Baumfarnen erfreute; denn weiter unterhalb an den Bächen waren sie viel unansehnlicher und kleiner, und beim weiteren Herabsteigen in das Tiefland verschwanden sie bald ganz.

XIX. Der schwarze Fluß.

Voll von den herrlichen Eindrücken der Gebirgsreise durch das Hochland von Ceylon nahm ich am „Ende der Welt" von ihm für immer Abschied und stieg am 25. Februar von Monpareil nach dem ersten Dorfe des Thailgrundes, nach Billahul-Oya hinab. Dasselbe liegt bereits an der „großen Kaffeestraße", welche von den südöstlichen Kaffeedistricten, aus der Gegend von Badula, den Kaffee westwärts nach Ratnapura führt. Die Straße ist stets mit zahlreichen großen Ochsenkarren bedeckt, welche die Kaffeesäcke abwärts oder umgekehrt die Culturbedürfnisse der Kaffeepflanzer aufwärts schaffen. Bei Ratnapura wird der  K a l u -  G a n g a , der große „schwarze Fluß" von Ceylon, schiffbar. Hier wird der Kaffee in großen Booten verschifft, welche denselben flußabwärts bis zu dessen Mündung bei Caltura führen, und von hier endlich gelangt er auf der Eisenbahn nach Colombo. Ich hatte mit meinem Freunde Trimen beschlossen, für unsere Rückreise nach Colombo diesen Kaffeeweg (den er ebenfalls noch nicht kannte) zu adoptiren und zunächst von Billahil-Oya mit dem Ochsenkarren nach Ratnapura zu fahren, von dort zu Boot den schwarzen Fluß hinab nach Caltura, und dann mit der Eisenbahn nach Colombo. Diese ganze Fahrt erwies sich als höchst lohnend und sowohl die beiden interessanten Tage im Ochsenkarren, als besonders die wundervolle Flußfahrt bereicherten uns mit einer Reihe der schönsten Bilder, ein würdiger Abschluß der gelungenen Gebirgsreise.

Das kleine Dorf Billa-Hul-Oya (d. h. wörtlich „Opfer-Fackel-Bach") führt seinen Namen von dem prächtigen Gebirgsbache, der hier in rauschenden Wasserfällen aus einer großartigen Schlucht des südlichen Gebirgsabsturzes hervorbricht und sich mit einem kleineren, vom „Ende der Welt" direct herabkommenden Bache, sowie mit mehreren anderen Bächen vereinigt. Die engen felsigen Betten dieser wilden Bäche sind mit der prachtvollsten Vegetation geschmückt und von steilen, himmelhohen Thalwänden überragt, die der ganzen, nach Westen geöffneten Landschaft einen höchst großartigen Charakter verleihen. Schon beim Hinabsteigen von Nonpareil hatte uns dieselbe so entzückt, daß wir ine paar Tage an diesem herrlichen Orte zu bleiben beschlossen. Das Rasthaus des Dorfes liegt sehr schön an der steinernen Brücke, welche den Bach überwölbt, und ist von einer gewaltigen Tamarinde überschattet; einen großartigen Hintergrund darüber bildet das Felsenamphitheater vom „Ende der Welt". Die Verpflegung in dem comfortablen Rasthause fanden wir auch verhältnißmäßig recht gut; wenigstens kam es uns nach den Entbehrungen in der Steinhütte von Horton-Plain´s so vor. Wir entließen demzufolge den ganzen Troß unserer Kuli´s und behielten bloß ein paar Diener bei uns, die uns bis Caltura begleiten sollten. Die Kuli´s nahmen ihren directen Rückweg nach Kandy und Nurellia über den Adams-Pik.

Während Dr. Trimen die reiche Flora in der Umgebung von Billahul-Oya untersuchte und durch die Entdeckung mehrerer neuer interessanter Pflanzenarten belohnt wurde, machte ich allein einige Excursionen in die verschiedenen Thäler und bereicherte mein Skizzenbuch mit mehreren Aquarellen. Ich bedauerte nur, daß ich hier nicht mehrere Wochen, statt weniger Tage bleiben kann. Denn die tropische Vegetation, an deren Reize ich nun doch schon seit mehr als drei Monaten gewöhnt war, schien hier am südlichen Fuße des centralen Hochlandes ihre höchste Entfaltung zu erreichen. Da die brennende Tropensonne hier ihren mächtigsten Einfluß ausübt und gleichzeitig die Menge der atmosphärischen Niederschläge an der gewaltigen Gebirgsmauer überaus groß ist, so bringt die vereinte Wirkung von größter Hitze und Feuchtigkeit eine Ueppigkeit des tropischen Pflanzenwuchses hervor, die vielleicht von keiner anderen Stelle der Erde übertroffen wird. Indem ich stundenweit dem Laufe der Bäche folgte und in den steilen Felsenschluchten umherkletterte, stieß ich auf Wunderwerke der Ceylon-Flora, die alles bisher Gesehene übertrafen. Insbesondere waren es wieder die parasitischen Kletter- und Schlingpflanzen, die meine höchste Bewunderung erregten. Mächtige Baumstämme von mehr als ein Fuß Dicke winden sich hier korkzieherartig um die cylindrischen Säulenstämme von anderen Baumriesen, die mehr als hundert Fuß Höhe erreichen; in ähnlicher Weise wie bei uns die zarte Waldrebe oder der wilde Wein mit ihren bindfadendünnen Kletterstengeln sich um den Stamm von schlanken Buchen oder Tannen emporwindet. Von den gewaltigen Kronen hoher Terminalien und Dillenien hängen grüne Mäntel herab, die aus einem förmlichen Flechtwerke von verwachsenen Lianen bestehen, und oft bedecken die goldgelben Blüthen der letzteren die Krone der ersteren in solcher Ausdehnung, daß man sie nicht für die Blüthen der Schmarotzer, sondern ihrer Wirthe hält. Unzweifelhaft der großartigste dieser Parasiten ist jedoch der berühmte „Maha-Pus-Wael", der „große hohle Kletterer" (Entada Pursaetha); seine reifen Schoten sind volle fünf Fuß lang und einen Fuß breit, und enthalten schöne braune Bohnen von solcher Größe, daß die Singhalesen sie aushöhlen und als Trinkbecher benutzen.

Nicht minder herrlich als dieses Djungle mit seinen mannigfaltigen Parasiten ist auch die niedere Flora, welche in üppigster Entwickelung die Felsen der rauschenden Bäche begleitet. Hier zeichnen sich besonders edle Farne mit zierlichen Fiederblättern von zehn bis zwölf Fuß Länge aus, ferner Balsaminen, Aroideen und Gewürzlilien, die mit den prächtigsten großen Blüthen geschückt sind. Eine besondere Zierde der Bäche ist hier eine kleinere Pandanus-Art (P. humilis?), die kleinen Zwergpalmen ähnlich sehen und in Menge auf den Steinen im Bache wachsen. Die Lianen an dem Buschwerke, das die Bachufer überhängend säumt, bilden ein so dichtes und undurchdringliches Gewebe, daß man nur im Bette der Bäche selbst vorwärts kommen kann. Allerdings reicht das Wasser oft bis über den Gürtel; aber bei der Temperatur von 22-24o R. erscheint das fortgesetzte Baden in demselben als eine höchst angenehme Erfrischung.

Größere Schwierigkeiten bereitete meinen Excursionen der Hauptbach des Thales, der zu den bedeutendsten Zuflüssen des schwarzen Flusses gehört und hier aus dem Zusammenflusse mehrerer kleiner Bäche entsteht. Durch die starken Regengüsse, welche an den vorhergehenden Tagen im Hochlande stattgefunden hatten, war derselbe so sehr angeschwollen, daß er eine Reihe von hübschen Wasserfällen bildete und seine Wassermassen unter lautem Brausen schäumend über die gewaltigen Granitblöcke des Flußbettes fortwälzte. Hier war nicht mehr daran zu denken, im Flußbette selbst aufwärts zu klettern, und ich war gezwungen, als Brücken die nackten Baumstämme zu benutzen, die von einem Ufer zu anderen gelegt waren. Mit einigem Gruseln erinnere ich mich hier einer solchen Nothbrücke, die ungefähr eine Stunde unterhalb von Billahul-Oya hoch über eine rauschenden Wasserfall führte. Ich war spät am Abende, auf dem Rückwege von einer weiteren Excursion, gezwungen, dieselbe zu passiren , um noch vor Anbruch der Nacht auf das jenseitige Ufer zu gelangen.Als ich mitten über dem tosenden Wasserfalle war, fing der ziemliche dünne Baumstamm, über den ich langsam und vorsichtig balancirte, dergestalt zu schwanken an, daß ich es für das Gerathenste hielt, meine aufrechte Stellung aufzugeben, mich langsam auf den Stamm niederzulassen und den Rest des Weges im Reitsitze zu passiren; ich athmete ordentlich auf, als ich mit Aufgebot aller meiner Turnkünste das andere Ufer glücklich erreicht hatte. Allerdings hatte ich nun das Vergnügen, im Dunkeln noch eine halbe Stunde durch überschwemmte Reisfelder zu waten. Als ich schließlich halb mit Schlamm bedeckt im Rasthause anlangte, zeigten mir die langen Blutstreifen an den Beinkleidern deutlich, daß die entsetzlichen Blutegel wieder ihr Werk begonnen hatten; ich las ihrer mehrere Dutzend von den Beinen ab. Diese schreckliche Landplage, die im Hochlande glücklicherweise ganz fehlt, begann hier im heißen feuchten Tieflande sofort wieder ihre Qualen; ich habe an wenigen anderen Orten von Ceylon so sehr von den Landblutegeln gelitten, als in den wundervollen Wäldern und Schluchten von Billahul-Oya.

Die Fahrt im Ochsenkarren von Billahul-Oya nach Ratnapura nimmt zwei volle Tage in Anspruch; und da die Ochsen während der heißen Mittagszeit mehrere Stunden rasten müssen, brachen wir schon Morgens früh um 4 Uhr auf. Die erfrischende Kühle der reinen Morgenluft und der außerordentliche Glanz der funkelnden Gestirne am tiefblauen Firmament ist in diesen Thälern ganz wundervoll und wir gingen mehrere Stunden lang neben den bedächtigen, großen Zebu-Stieren unseres langsam fahrenden zweirädrigen Karrens einher, ehe die zunehmende Hitze der steigenden Sonne uns zwang, unter dessen breitem Dache Schutz zu suchen. Dieses gewölbte Dach aus Palmenmatten bietet genügenden Raum für sechs bis acht Personen, und wir konnten uns auf ausgebreiteten Matten unter demselben ganz bequem lagern, obgleich die Stöße des federlosen Karrens auf die Dauer etwas angreifend waren.

Die Landschaft ist auf dieser ganzen Strecke voll hoher Schönheit. Der Weg zieht sich anfangs noch lange am Südabhange des Hochlandes hin, dessen gewaltige Gebirgsmauern die Ketter der niedrigen waldbedeckten Vorberge hoch oberragen. Die fruchtbare Thalebene an ihrem Fuße erweitert sich allmählich und ist theils mit Reisfeldern, theils mit Pflanzungen von Mais, Cassaven, Bananen und anderen Nutzpflanzen bedeckt. Hübsche Waldpartien, mit diesen wechselnd, hier und da ein malerisches Dorf, ein Wasserfall des immer stärker werdenden Baches, bringen Mannigfaltigkeit in das anmuthige Bild. Papageien und Affen auf den Bäumen, Büffel und Reiher auf den Wiesen, Eisvögel und Kraniche an den Bächen sorgen für bunte Staffage. Auch die Straße selbst ist sehr belebt, theils durch Singhalesen, theils durch Ochsenkarren.

Nach heißer, achtstündiger Fahrt rasteten wir am ersten Mittage in  M a d u l a , einem kleinen Dorfe, das sehr malerisch in einer engen Waldschlucht liegt. Ich erquickte mich alsbald durch ein herrliches Bad in dem nahen Gebirgsbache; sein Genuß wurde nur durch Scharen kleiner Fische (Cyprinodonten?) beeinträchtigt, welche in dichten Haufen energische Angriffe auf den seltenen Badegast richteten; leider gelang es mir nicht, einen der kleinen flinken Räuber zu fangen, trotzdem sie unaufhörlich aus ihrem felsigen Verstecke hervorschossen und mit ihren kleinen Mäulchen muthig zu beißen versuchten. Nach dem Mittagessen kletterte ich in das steinige Bett des Hauptbaches hinab, dessen steile Felsenufer mit dem schönsten Hochwalde geschmückt und mit den üppigsten Schlingpflanzen phantastisch decorirt waren. Gleich natürlichen Seilbrücken rankten sich mächtige Stämme von wildem Weine (Vitis indica?) in hohem Bogen von einem Ufer zum anderen, und es gewährte ein prächtiges Schauspiel, eine Affenherde, die ich aufgescheucht hatte, eben so geschwind als gewandt über diese Lianenbrücke unter lautem Geschrei hinüber voltigiren zu sehen. Ich kletterte in dem schäumenden Wasser über die glatten Felsen noch eine Strecke weiter, wo ein paar Riesenbäume erster Größe (Terminalien?) wie Säulen zum Himmel emporstrebten, mit mächtigen Lianen wie mit Kränzen und Guirlanden geschmückt. Während ich eine Skizze der wilden Scenerie aufnahm, entluden sich die inzwischen gesammelten Wolken in einem heftigen Gewitter. Die gewaltigen Blitze durchzuckten das finstere Waldthal Schlag auf Schlag und der Wiederhall der Donnerschüsse, einem starken Artillieriefeuer gleich, war so heftig, daß ich meinte, die mächtigen Felsenblöcke erzittern zu sehen. Der folgende Regenguß war von solcher Heftigkeit, daß das Wasser in zahllosen Bächen von den Felsenkanten herabstürzte und ich fürchtete, mein ganzes Malzeug durchnäßt zu sehen. Aber der tausendjährige Feigenbaum, unter dessen ungeheurer Krone ich Schutz gesucht hatte, trug ein so dichtes Blätterdach, daß nur einzelne Tropfen dann und wann durchschlüpften und ich mein Aquarell unbehelligt vollenden konnte. Ueber eine Stunde hielt der gewaltige Regenguß an; als ich nach Aufhören desselben zum Rasthause wieder hinaufkletterte, hätte ich beinahe einen schönen Fang an einer stattlichen, über sechs Fuß langen Schlange gemacht, die von einem überhängenden Baumzweige herabglitt. Sie entschlüpfte jedoch rasch zwischen den angehäuften Blättermassen, ehe ich ihr mit dem Jagdmesser den Garaus machen konnte. Zum Ersatze dafür erbeutete ich hier mehrere riesengroße, stachelige Spinnen (Acrosoma?), die mit ihren dünnen, behaarten Beinen spannenlang waren. Außerdem schoß ich ein paar hübsche grüne Papageien, von denen ein ganzer Schwarm laut schreiend vorüberflog. Die ersten Nachmittagsstunden, in denen die siegreiche Sonne das frischgewaschene Waldthal mit tausend glitzernden Diamanten schmückte, waren von entzückender Schönheit. Später brach leider der Regen von Neuem los und zwang uns, im Ochsenkarren Schutz zu suchen. Wir begegneten vielen Singhalesen, die unverdrossen im strömenden Regen mit stoischem Gleichmuthe weiter marschirten, aber ein großes Caladiumblatt über dem Haupte hielten, um ihren theuren Zopf und Kamm vor Nässe zu schützen. Erst spät am Abende gelangten wir nach Palmadula, einem größeren schön gelegenen Dorfe, in dem wir übernachteten.

Von Pelmadula an wird die Gegend offener und flacher. Die gewaltigen Bergmassen des eigentlichen Hochlandes treten mehr zurück; wogegen niedrigere Hügelreihen sich mehr geltend machen. Unter den ersteren ragt dominirend über seine Nachbarn der Adams-Pik hervor, obwohl er von dieser südlichen Seite bei Weitem nicht so großartig erscheint, als von der östlichen und nördlichen Seite. Die Vegetation nimmt hier schon mehr und mehr den Charakter an, den sie im ganzen südwestlichen Theile der Insel beibehält. Insbesondere erfreuten wir uns wieder an dem Schmucke der herrlichen Palmen, deren Anblick wir im Hochlande ganz entbehrt hatten.

Da wir am 28. Februar sehr frühzeitig von Pelmadula aufgebrochen waren, trafen wir in Ratnapura schon Mittags bei guter Zeit ein und konnten noch mehrere Stunden auf den Besuch dieses Ortes und seiner nächsten Umgebung verwenden. Letztere ist sehr schön; das Thal, das sich hier zu einem stattlichen, rings von Bergen umschlossenen Kessel erweitert, ist gut cultivirt und mit der üppigsten Vegetation geschmückt. Dagegen bietet der Ort selbst nur wenig, und wenn man aus seinem stolzen Namen: „Stadt der Edelsteine" etwa auf seine besondere Pracht schließen wollte, so würde man arg enttäuscht sein. Jener Name rührt von den zahlreichen Edelsteinen her, durch deren Reichthum diese Gegend seit Jahrhunderten berühmt ist; sie finden sich sowohl im Gerölle der Flüsse und Bäche, als in dem moorigen Grunde des Thalbodens; und noch jetzt gibt es hier berühmte Edelsteingruben, obwohl der Ertrag derselben bei Weitem nicht mehr so groß ist, als früher. Im Orte selbst sieht man viele Läden, in denen dergleichen verkauft werden, und viele Indo- Araber („Moormen"), die sich mit ihrer Verarbeitung und Schleifung beschäftigen. Doch nimmt auch hier schon die Zahl der künstlichen Imitationen neuerdings sehr zu, und wahrscheinlich werden schon jetzt in Ratnapura (ebenso wie in Colombo und Puntogalla) viel mehr geschliffene, aus Europa importirte, bunte Gläser verkauft, als echte, daselbst gefundene Edelsteine. Die Kunst der Nachahmung ist jetzt so vervollkomment, daß selbst Mineralogen und Juweliere von Fach ohne nähere physikalische und chemische Untersuchung die echten und unechten Producte oft nicht unterscheiden können.

In der Mitte von Ratnapura, auf dem rechten (nördlichen) Ufer des schwarzen Flusses, steht unter einem prächtigen, uralten Tamarindenbaume ein hübscher Brunnen. Oestlich davon erhebt sich auf einem Hügel das alte holländische Fort, dessen weitläufige Bauten jetzt als Gerichts- und Verwaltungs-Locale der Regierungsbeamten benutzt werden. Am Fuße des Hügels dehnt sich der Bazar aus, eine lange Doppelreihe von einstöckigen Hütten, in deren Läden hauptsächlich Lebensmittel, Gewürze und Hausgeräth neben den Edelsteinen feilgeboten werden. Einige andere Gruppen von Hütten längs des Flußufers und eine Anzahl von freundlichen Bungalows der englischen Beamten, die von hübschen Gärten umgeben in der parkähnlichen Thalfläche zerstreut liegen, bilden mit jenem Bazar und dem Fort zusammen das, was man die „Stadt der Edelsteine" nennt. -

Am 1. März fuhren wir von Ratnapura den schwarzen Fluß hinab, den  K a l u -  G a n g a , der hier erst schiffbar wird. Nächst dem Mahawelli-Ganga (der ostwärts fließt und bei Trinkomalie mündet) ist er der größte, stattlichste und schönste Fluß von Ceylon, obwohl der bei Colombo mündende Kelany-Ganga ihm fast gleich kommt. In der Nähe des Rasthauses von Ratnapura befindet sich der Hafen des Ortes, d. h. die Stelle, an welcher die Flußschiffahrt beginnt und eine große Menge Boote vor Anker liegen. Die meisten dieser Kähne sind „Kaffeeboote", welche den aus den östlichen Kaffeedistricten hierher geschafften Kaffee stromabwärts nach Caltura befördern, und welche leer (oder nur schwach mit Importartikeln beladen) den beschwerlichen Rückweg mache. Die Boote sind entweder Doppelcanoes, aus zwei parallelen, hohlen Baumstämmen bestehend, die durch Querbalken und übergelegte Bretter fest verbunden sind; oder mit einem sehr breiten und ganz flachen Boden ausgestattet, ohne Kiel. Vorder- und Hintertheil sind gleich gebaut. Stets sinddie mit einem ansehnlichen und wasserdichten Dache aus Palmen- oder Pandangmatten versehen, die über Bambusbögen ausgespannt sind. Der saalartige Raum unter diesem Dache, nur vorn und hinten geöffnet, ist so geräumig, daß auf den kleineren Booten 8-10, auf den größeren 20-30 Leute bequem darin lagern können. Auf den größeren Booten ist der Raum auf durch quer gestellte Mattenwände in mehrere Abtheilungen getrennt. Wir mietheten ein kleines Doppelcanoe mit vier Ruderern.

Bei hohem Wasserstande und gutem Wetter kann man die ganze Fahrt auf dem schwarzen Flusse, von Ratnapura bis zur Mündung bei Caltura, in einem einzigen Tage zurücklegen, während man bei niederem Wasserstande oder schlechtem Wetter dazu zwei bis vier Tage braucht. Durch die heftigen Regengüsse der letzten Tage waren die Zuflüsse plötzlich so angeschwollen, daß wir den Vortheil eines sehr hohen Wasserstandes genossen und die ganze Fahrt ununterbrochen in achtzehn Stunden zurücklegten. Wir fuhren Morgens um 6 Uhr von Ratnapura ab und waren um Mitternacht in Caltura. Ich bedauerte diese Schnelligkeit nachher sehr; denn die Scenerie des Flusses erwies sich fast überall so prachtvoll, daß ich gern die doppelte und dreifache Zeit auf ihren Genuß verwendet hätte.

Unsere Stromfahrt war vom schönsten Wetter begünstigt und ich werde nie die wunderbare Reihe von prachtvollen Bildern vergessen, die hier wie in einer Laterna magica an mir vorüberzog. Ich war neben meinem Freunde Trimen ganz vorm im Boote auf einer Palmenmatte bequem gelagert und durch das vorspringende Dach gegen die Sonne geschützt, während unsere Diener und Schiffsleute den mittlieren und hinteren Theil einnahmen. Hier wurden auch unsere frugalen Mahlzeiten bereitet, bestehend aus Thee, Reis und Curry, Bananen und Cocosnüssen; als besondere Würze dienten ein paar Conservenbüchsen und Chocoladentafeln, die wir bis zuletzt aufgespart hatten. Die dichten Massen des überhängenden dunkelgrünen Laubes und der schwarze Spiegel, den ihr tiefes Dickicht am Ufer im Wasser hervorruft, haben dem Kalu-Ganga, dem „schwarzen Flusse", seinen bezeichnenden Namen gegeben. Das Wasser selbst ist bei niederem Wasserstande dunkelgrün bis rothbraun, in Folge der großen Mengen gelben oder rothen Lehmes, welche die Regengüsse hinein führen. Ummittelbar am Ufer liefern schroffe Felsen und mannigfaltige Steingruppen, überhängende Zweige und entwurzelte Baumstämme dem Landschafter den schönsten Vordergrund für seine Skizzen; den erhabensten Hintergrund bilden die schöngeformten Gipfel der Berge, die in blauen Nebelduft getaucht weit höher erscheinen, als sie wirklich sind.

Der weitaus größte Theil des Flußufers ist anscheinend von dichten Waldmassen gebildet; Aralien und Terminalien, Dillenien und Bombaceen, Rubiaceen und Urticeen machen ihren wichtigsten Bestandtheil aus. Mit dem ernsten Dunkelgrün dieses Waldes wechselt in anmuthiger Weise das heitere Lichtgrün der Bambusen, deren orangegelbe, vierzig bis fünfzig Fuß hohe Rohrstämme sich in dichten Büschen erheben und die zierlichen Federkronen gleich den Büscheln riesiger Straußenfedern über das Wasser neigen. Daneben verrathen uns Cocos und Areca, Talipot und Kittulpalmen, hier und da auch eine Pflanzung von Bananen und Cassaven, daß hinter dem Ufergebüsche auch Leute hausen, und daß die Flußufer keineswegs so wild und unbewohnt sind, wie ihr Waldsaum es vorspiegeln möchte. Seltener stehen einsame singhalesische Hütten einzeln auf einem Felsenvorsprunge des Ufers selbst, und noch seltener bezeichnet die weiße Kuppel einer Dagoba die Nähe eines kleinen Dorfes.

Auch das Thierleben trägt in mannigfaltiger Weise zur Belebung der reizenden Flußlandschaft bei. In der Nähe der singhalesischen Hütten treiben sich zahme, schwarze Schweine am Ufer umher und wühlen in den Wurzeln der Bäume. Große schwarze Büffel wälzen sich auf Sandbänken oder am seichteren Ufer im Schlamme und lassen nur den Kopf über das Wasser hervorragen. Wo hingegen eine längere Strecke einsamen Waldes folgt, zeigen große Scharen von schwarzen Affen ihre bewunderungswürdigen Turnkünste und springen unter lautem Geschrei von einer Baumkrone zu anderen. Hier und da erscheint ein riesiger uralter Feigenbaum, dessen hohe entblätterte Aeste dicht mit Flederfüchsen behangen sind. Auf den überhängenden Zweigen am Ufer sitzen prächtige blaugrüne Königsfischer oder Eisvögel und stürzen sich tauchend auf die vorbeischwimmenden Fische; Schnepfen, Reiher, Wasserläufer und andere Stelzvögel fischen an seichteren Stellen und auf den Sandbänken watend. Die Kronen der Bäume sind von den munteren Scharen der grünen und rothen Papageien belebt. Bisweilen zeigt sich auch der schöne „Paradiesvögel von Ceylon", mit seinen beiden langen, weißen Schwanzfedern. Crocodile waren früher im schwarzen Flusse sehr häufig, sind aber jetzt größtentheils durch den zunehmenden Verkehr der Kaffeeboote verdrängt worden. An ihrer Stelle sonnen sich auf den Felsen im Strome die grünen Rieseneidechsen, die „Cabra-Goya". Auch an großen Flußschildkröten, die ihre Eier auf den Sandbänken ablegen, fehlt es nicht. Von Fischen sieht man in dem trüben, undurchsichtigen Wasser wenig, obwohl welsartige (Siluroiden) und karpfenartige (Cyprinoiden) sehr häufig sein sollen; hier und da sitzt am Waldrande ein einsamer Singhalese, der angelt, oder mit dem Schöpfnetze fischt. Von Insecten sind namentlich prachtvolle große Schmetterlinge und metallglänzende Wasserjungfern oder Drachenfliegen zu erwähnen; Stechfliegen und Mosquito´s, die zu anderen Jahreszeiten äußerst lästig sein sollen, waren während unserer Fahrt erträglich. Die interessanteste Episode unserer herrlichen Flußfahrt war die Passage der gefürchteten  S t r o m s c h n  e l l e n  oder „Rapids", die ungefähr halbwegs zwischen Ratnapura und Caltura der Schiffahrt auf dem schwarzen Flusse ein gefährliches Hindernis bereiten. Der Kalu-Ganga bricht sich hier gewaltsam Bahn durch mehrere Felsenbarren, welche das Flußthal gleich queren Riegeln durchsetzen; die hohen Ufer treten enger zusammen und unter lautem Brausen stürzt der eingeengte Fluß schäumend zwischen einzelnen Felsen hindurch; das Gefälle ist hier auf kurze Strecken sehr beträchtlich. An der gefährlichsten Stelle mußte unser Boot vollständig ausgeladen und alle Sachen einzeln eine Strecke weit am Ufer hinabgetragen werden; wir selbst kletterten über mächtige Granitblöcke an das andere Ende der Stromschnelle. Eine Anzahl Eingeborener sind hier beständig stationirt, um die entleerten Boote über die schäumenden Wasserfälle hinab und hinauf zu schaffen. Ein halbes Dutzend derselben, unter ihnen ein riesiger schwarzer Tamil von mehr als sechs Fuß Länge und herkulischem Körperbaue, sprangen unter lautem Geschrei mitten in die schäumende Fluth und wußten das leere Boot so geschickt durch das enge Thor hindurchzuleiten, daß es ohne alle Beschädigung zwischen den zackigen Klippen hindurchschoß. Einige Stunden unterhalb dieser Stromschnellen erweitert sich das Flußbett bedeutend und geht allmählich in die flache Ebene des westlichen Küstenlandes über. Das Gefälle wird hier bald sehr schwach und unsere Bootsleute hißten ein großes, viereckiges Segel auf, um durch die Hilfe des sanften Abendwindes die Ruderarbeit zu fördern. Bald nach Einbruch der Dunkelheit ergoß der aufgehende, nahezu volle Mond sein sanftes Licht über die weite spiegelnde Wasserfläche und warf glitzernde Strahlen durch die Kronen der Bäume. Der schwarze Fluß erscheint hier im untersten Theile seines Laufes nicht weniger stattlich als der Rhein bei Cöln. Nur die glockenähnlichen Stimmen kleiner Laubfrösche und das monotone Plätschern der Ruder unterbrach die lautlose Stille der Nacht, dann und wann der melancholische Schrei einer Eule, oder das Grunzen eines Affen. Die ganze Natur schien sanft entschlafen, als wir endlich nach Mitternacht in Caltura landeten.

XX. Heimwärts über Aegypten.

Die prachtvolle Reise durch das Hochland, welche mit der Thalfahrt auf dem schwarzen Flusse ihren reizenden Abschluß fand, hatte das Programm meiner wichtigsten Wünsche und Ziele auf der Wunderinsel Ceylon geschlossen und ich mußte mich nun zur bevorstehenden Heimreise rüsten. Allerdings hätte ich sehr gern noch das interessante und besonders in zoologischer Hinsicht so reiche Trinkomalie gesehen, und auch den alten Ruinenstädten im Norden der Insel, dem berühmten Anaradjahpura und Pollanarua einen Besuch abgestattet. Aber mein halbjähriger Urlaub ging zu Ende; das letzte Linienschiff, welches mich noch rechtzeitig nach Europa zurückführen konnte, sollte schon am 11. März von Colombo abgehen, und ich will nicht verschweigen, daß trotz allen genossenen Herrlichkeiten doch das Heimweh sich immer mehr geltend machte und die glückliche Rückkehr nach der theuren deutschen Heimath mir immer mehr das Begehrendswertheste erschien. So begann ich dann alsbald nach der Rückkehr nach Colombo den Rest meiner Sammlungen zu packen und alle übrigen Vorbereitungen zu treffen. Einen sehr hübschen Ausflug machte ich noch mit Dr. Trimen nach Henerakgodde, einer Filiale des Peradenia-Gartens, welche an der Colombo-Kandy-Bahn im heißesten Theile des feuchten Tieflandes liegt und für die Cultur derjenigen Pflanzen bestimmt ist, die den höchsten Hitzegrad des Tropenklima´s verlangen. Ich sah hier Prachtexemplare von Riesenbäumen, Palmen, Lianen, Farnen, Orchideen u. s. w., die mich nach allem Vorhergegangenen noch in Erstaunen versetzten. Ein paar sehr angenehme Tage verbrachte ich bei dem guten alten Mr. Staniforth Green und seinem Neffen in der lieblichen „Villa der Tempelbäume"; und mit besonderen Vergnügen denke ich noch an eine reizende abendliche Kahnfahrt, die ich mit denselben auf dem spiegelglatten See der Zimmtgärten machte. Ein paar anderen lehrreiche Tage widmete ich dem Studium des Colombo-Museums, dessen jetzt anwesender Director, Dr. Haly, mir auf das Freundlichste die lehrreichen Schätze desselben erläuterte. Sodann machte ich eine Anzahl Abschiedsbesuche bei anderen Engländern, die meine Zwecke während meines hiesigen Aufenthaltes in freundlicher Weise gefördert hatten. Mr. William Ferguson bereicherte noch am letzten Tage meine Sammlung mit einigen prachtvollen, riesengroßen Tigerfröschen (Rana tigrina) und anderen Amphibien; und Freund Both krönte die Reihe seiner zoologischen Geschenke durch einen erwachsenen „Negombo-Teufel", das große, von den Singhalesen abergläubisch gefürchtete Schuppenthier, welches allein die Ordnung der Edentaten auf der Insel vertritt (Manis brachyura). Es kostete einige Mühe, dieses zählebige Ungethüm vom Leben zum Tode zu bringen, da die Processe des Hängens, des Bauchaufschneidens und des Einspritzens von Carbolsäure sich durchaus ungenügend erwiesen hatten; erst eine größere Dosis Cyankalium führte das Ende herbei.

Alle freien Augenblicke, die mir das böse Geschäft des Einpackens übrig ließ, verwendete ich noch täglich auf den Genuß des geliebten Whist-Bungalow, von dessen schönen Punkten ich noch mehrere Photographien aufnahm. Der Abschied von diesem lieblichen Paradiese und von den braven Landsleuten, deren Gastfreundschaft ich hier genossen, wurde mir natürlich besonders schwer, und ich empfand in seltener Stärke jenes drückende Gefühl, welches dem Abschiede von einem geliebten Erdenflecke vorausgeht. Freilich wurde aber diese gedrückte Abschiedsstimmung wesentlich aufgehoben durch den einen Zukunftsgedanken:  H e i m w ä r t& nbsp;s !  In den Tropen hat dieses theuere Wort für jeden Europäer noch einen ganz anderen Klang, als irgendwo in Europa. Das Gefühl, von einer glücklich beendigten und erfolgreichen Tropenreise in die geliebte Heimath zurückzukehren, läßt sich nur mit demjenigen vergleichen, mit dem der Soldat aus einem siegreichen Feldzuge heimkehrt. Ich durfte es in der That als ein besonderes Glück preisen, daß ich während meines fünfmonatigen Aufenthaltes in den Tropen, trotz aller Anstrengungen und Strapazen, nicht einen einzigen Tag krank gewesen war und daß ich allen drohenden Gefahren glücklich entgangen war.

Aber dieses Glück und jene Widerstandsfähigkeit haben auch ihre Grenzen, und ich hatte das instinctive Gefühl, nahe an diesen Grenzen angelangt zu sein. Die tausend wunderbaren und großartigen Eindrücke, mit denen die vier letzten Monate mich in überreichem Maße beschenkt hatten, waren fast allzu mächtig und hatten mich dergestalt übersättigt, daß ich die lebhafteste Sehnsucht nach Ruhe und Erholung empfand. Besonders während der letzten Woche in Colombo, wo zudem schon der drückende Einfluß des nahenden Monsun- Wechsels sich bemerkbar machte, fühlte ich mich ermatteter und mitgenommener als je zuvor. Ich sehnte mich zuletzt wahrhafft nach den kommenden ruhigen Wochen auf dem Dampfschiffe, und nach der stillen Muße, die mir dasselbe zur Bewältigung jener massenhaft zusammengerafften Eindrücke gewähren würde.

Und diese erhoffte Muße, diese Sonntagsstimmung ruhigen Genusses, gewährte mir das schöne Schiff, auf dem ich von Colombo zurückkehrte, in vollstem Maße. Niemals habe ich eine schönere Seefahrt gehabt, als auf der prächtigen  „ A g l a j a " , dem vortrefflichen Dampfer des Oesterreichischen Lloyd, der mich in achtzehn Tagen von Ceylon nach Aegypten hinüberführte. Derselbe kam bereits von Calcutta so schwer beladen an, daß er den größten Tiefgang hatte, und daß meine Kisten, in Ermangelung anderen Raumes, im „Rauchzimmer" untergebracht werden mußten. Selbst bei stürmischem Wetter würde das vollgeladene Schiff nur wenig geschwankt haben. Unter dem prachtvollen, wolkenlosen Frühlingshimmel, dessen wir uns während der ganzen Fahrt erfreuten, den günstigen Nordostmonsum im Rücken, war die Bewegung des Dampfers kaum wahrnehmbar, und die zehntägige Reise über dem indischen Ocean, von Colombo bis Aden, gleich einer heiteren Sonntagsfahrt über einen stillen Landsee.

Zu dieser großen Annehmlichkeit gesellte sich noch die andere, daß die Reisegesellschaft die willkommenste war. In der ersten Cajüte waren außer mir nur drei Passagiere, drei deutsche Landsleute, die von Calcutta heimkehrten, und mit denen ich mich vortrefflich unterhielt. Der alte Capitän, Herr N., war der liebenswürdigste, den ich je getroffen habe, und dabei ein humoristischer Philosoph, der alle Lebensweisheit von Sokrates und Aretschi in sich vereinigte. Das schöne Geschlecht war auf dem ersten Platze gar nicht vertreten, was die Bequemlichkeit unserer Fahrt nicht wenig erhöhte. Verzeihe mir, gütige Leserin, dieses frevelhafte Geständniß! Sowohl wir vier Passagiere, als die freundlichen Schiffsofficiere, mit denen wir unsere Mahlzeiten theilten, genossen die mancherlei Vorrechte, welche uns die gänzliche Abwesenheit der Damen ertheilte, in ausgibigster Weise und wir kamen während der ganzen Fahrt aus dem angenehmsten indischen Negligé nicht heraus. Weder Halskragen, noch Cravatte schnürten unsere Kehle ein; bequeme gelbe indische Hausschuhe ersetzten die schwarzgewichsten Stiefeln, und das ganze übrige Costüm bestand aus jener unvergleichlich leichten und angenehmen weißen Baumwollenkleidung, die in Indien als „Pundjama" allgemein üblich ist.

Von entzückender Schönheit waren die Nächte während dieser Fahrt. Wir schliefen stets oben auf dem Verdeck, von der mildesten tropischen Seeluft umspült, unter dem tiefdunkeln Zeltdache des reinen Firmamentes, von dem die Sterne in unübertroffener Pracht herabfunkelten. Ich lag oft stundenlang in der Nacht wach und athmete mit vollstem Behagen die balsamische kühle Brise ein, im Vollgenusse des paradiesischen Friedens, der achtzehn Tage lang weder durch Briefe, noch durch Correcturen, weder durch Studenten, noch durch Pedelle gestört wurde. Pflichtschuldigst bewunderte ich sodann allnächtlich den „milden Glanz des südlichen Kreuzes" und lange Zeit schaute ich oft in das funkelnde Kielwasser hinab, das hinter dem Schiffe einen langen, feurigen Schwanz bildete, aus tausend leuchtenden Medusen, Krebschen, Salpen und anderen Leuchtthieren des Meeres zusammengesetzt. Tagsüber beschäftigte mich größtentheils das Ordnen und Ergänzen meiner Reisenotizen und Aquarellskizzen; und wenn ich des Schreibens, Malens und Lesens müde war, wanderte ich hinüber auf den zweiten Platz, wo eine indische Menagerie von Affen, Papageien, Waldtauben und anderen Vögeln uns unerschöpfliche Unterhaltung bot. In meiner eigenen kleinen Menagerie war das Interessanteste ein Halbaffe von Belligemma (Stenops gracilis); ein höchst amüsanter, kleiner Geselle, dessen fabelhafte Turnkünste wir jeden Abend bewunderten.

Von den Einzelheiten unserer Rückreise ist wenig zu berichten. Am 10. März Mittags 2 Uhr hatte ich nach herzlichstem Abschiede von den Bewohnern des Whist-Bungalow Colombo verlassen. Am 12 passirten wir die  M a l e d i v e n  -Inseln und fuhren ziemlich nahe an den Cocoswäldern des Korallen-Eilandes Minikoi vorüber. Am 18. Morgens steuerten wir längs der malerischen Küste der großen Insel Sokotora hin, von deren zerklüftetem Gebirgsrücken sich mächtige schneeweise Sandfelder, Gletschern ähnlich, in das Meer senken. Am 20. Abends langten wir endlich in Aden an. Da wir jedoch wegen der fortbestehenden Chorlera-Quarantaine keine Pratica erhielten, dampften wir schon um 9 Uhr weiter, in das Rothe Meer hinein. Am 21. März passirten wir das Thränenthor, Bab el Mandeb, und am 22. die Guanoinsel Geb el Tebir. Ungeheure Massen von braunen Seeraben oder Cormoranen umschwärmten hier unser Schiff. Am 25. Morgens überschritten wir, dem Cap Berenice gegenüber, den Wendekreis des Krebses, fuhren am 27. längs der Sinaiküste hin und ankerten am 28. in der Morgenfrühe auf der Rhede von Suez.

Da ich noch ein paar freie Ferienwochen vor mir hatte und von Alexandrien jede Woche mehrmals Fahrgelegenheit nach Europa fand, beschloß ich, vierzehn Tage in Aegypten zu bleiben; hauptsächlich um den schroffen Wechsel des Klima´s zu vermeiden, den gerade zu dieser Jahreszeit die plötzliche Uebersiedelung aus dem heißen Indien nach dem kalten Nord- Europa mit sich bringt. Auch reizte mich der Gedanke, die Natur von Unter-Aegypten, die mir bei meinem ersten Besuche, vor neun Jahren, so sehr imponirt hatte, mit meinen indischen Eindrücken zu vergleichen. Und dieser Vergleich war in der That lohnend; denn es kann kaum einen größeren Gegensatz in jeder Beziehung zwischen zwei Ländern der heißen Zone gegen, als den Constrast zwischen  C e y l o n  und  A e g y p t e n . Ich verließ demnach am Morgen des 28. März die treffliche „Aglaja", nach herzlichem Abschiede von den freundlichen Reisegefährten. Am folgenden Tage machte ich von Suez zu Esel eine Excursion nach der „Moses-Quelle", einer interessanten kleinen Oase in der arabischen Wüste, einige Stunden östlich vom Eingange in den Suez-Kanal.

Am 30. März fuhr ich auf der Eisenbahn in neun Stunden von Suez nach Cairo, wo ich in dem freundlichen deutschen „Hôtel du Nil" meine Wohnung nahm. Zehn Tage in Cairo, diesem „Märchen aus tausend und Einer Nacht", benutzte ich, theils um die schönen Erinnerungen meines ersten Besuches aufzufrischen, theils um dieselben durch einige neue Excursionen zu ergänzen. Unter diesen war mir besonders ein weiterer Ausflug in die Wüste von Interesse, nach dem sogenannten  „ g r o ß e n   v e r s t e i n e  r t e n   W a l d e " . Unter der sachkundigen Führung eines freundlichen Apothekers und Botanikers Sickenberger, brach ich in Gesellschaft mehrer anderer deutscher Landsleute am 5. April, früh 6 Uhr, dorthin auf. Wir hatten uns alle gut mit Proviant und mit recht tüchtigen Eseln versehen, da der Ritt hin und zurück einen vollen Tag in Anspruch nimmt. Der Weg führte uns gegen Osten, zuerst durch die wunderbare Todtenstadt der Chalifengräber, weiterhin längs der nördlichen Abhänge des Mokattam-Gebirges hin. In vier Stunden scharfen Trabes mitten durch die Sandwüste hatten wir unser Ziel erreicht. Mitten in der pflanzenarmen Wüste liegen hier zwischen deren Sandhügeln versteinert eine große Menge stattlicher Baumstämme von 70-90 Fuß Länge, 2-3 Fuß Durchmesser. Die meisten gehören einem Balsambaume (Nicolia) aus der Familie der Sterculiaceen an. Die Mehrzahl der Stämme sieht glänzend schwarzbraun oder rothbraun, wie polirt aus, und ist in Stücke von zwei bis sechs Fuß Länge zerbrochen, die im Sande halb vergraben, zum Theil aber auch ganz frei hintereinander liegen. Am zahlreichsten sind sie in der Nähe des Kohlenbrunnens (Bir el Fahme), eines sechshundert Fuß tiefen Schachtes, den Mohamed Ali 1840 hier mitten in der Wüste graben ließ in der vergeblichen Hoffnung, Kohlen zu finden.

Der Rückweg vom versteinerten Walde nahmen wir durch das  W a d i -  D u g l a , ein großartiges und malerisches Felsenthal, durch welches die nach Mekka bestimmte Pilgerkarawane von Cairo nach Suez zieht. In den mannigfachen Schlangenwindungen dieser wilden Schlucht, deren nackte gelbweiße Felsenwände beiderseits fast senkrecht emporsteigen, ritten wir mehrere Stunden abwärts, ehe wir wieder das Nilthal erreichten, zwischen Wadi-Turra südlich und den Mokkatam-Höhen nördlich. Erst spät Abends trafen wir wieder in Cairo ein.

Dieser Wüstenritt, der einen recht guten Einblick in den Charakter der arabischen Wüste gewährt, regte mich lebhaft zu Betrachtungen über den merkwürdigen Gegensatz an, in welchem die ganze Natur von Unter-Aegypten zu derjenigen von Ceylon steht. Dieser ungeheure Contrast betrifft in erster Linie das Klima und die Vegetation, in zweiter Linie aber auch die gesammte übrige Natur und die Menschenwelt. Während der alte Meeresboden, der jetzt die gelbe ägyptische Wüste bildet, reich an schönen Versteinerunge ist, die sein verhältnismäßig jugendliches geologisches Alter bezeugen, ist der uralte Felsenleib des grünen Ceylon aus Urgestein gebildet, in dem Versteinerungen vollständig fehlen. Während dort die größte Trockenheit der Atmosphäre kaum den dürftigsten Pflanzenwuchs gestattet, bedingt hier die vollkommene Feuchtigkeit der Luft eine Ueppigkeit der Vegetation, die von keinem anderen Theile der Erde übertroffen wird. Heftige atmosphärische Niederschläge, die dort sehr selten sind, gehören hier zu den alltäglichen Ereignissen. Die täglichen Temperaturschwankungen sind dort bekanntlich so groß, daß sich nicht selten gegen 30o R. betragen; mitten in der Wüste bildet sich in der Nacht bisweilen eine dünne Eiskruste, während um Mittag das Thermometer im Schatten auf 35o und mehr steigt. Im heißen und dampfenden Treibhausklima der Küste von Ceylon sind umgekehrt jene Schwankungen so gering, daß sie gewöhnlich nur 4- 5o betragen (21-26o R).

Nicht minder auffallend als diese extreme Verschiedenheit in Bezug auf Boden, Klima und Vegetation ist diejenige der Menschenwelt, welche diese beiden Länder bewohnt. Dort in Aegypten die lauten und lebhaften Araber mit ihren verschämten, aufdringlichen und anmaßenden Charakter, fanatische Mohammedaner von hamitischer Rasse; hier in Ceylon die sanften und stillen Singhalesen, indolente Buddhisten von arischem Ursprunge, mit durchaus friedlichem, bescheidenem und furchtsamem Wesen. Während Aegypten mit seiner einzigen centralen Lage, mitten zwischen den drei alten Welttheilen, seit uralter Zeit die größte Rolle in der Völkergeschichte gespielt hat und der Zankapfel der mächtigsten Nationen, der Spielball der heftigsten Leidenschaften gewesen ist, hat das stille Paradies von Ceylon gleichsam außerhalb der großen Culturgeschichte gestanden und seine politische Geschichte hat niemals ihre locale Bedeutung überschritten. Als botanisches Symbol dieses merkwürdigen Gegensatzes kann ein einziger Baum dienen. In Aegypten wie in Ceylon ist es eine Palmenart, die an national-ökonomischer Bedeutung alle anderen Produkte der Pflanzenwelt übertrifft: dort die  D a t t e l palme, hier die  C o c o s palme. Obgleich nun diese beiden edlen Gaben der Flora fast gleich hohen Werth besitzen und jeder einzelne Theil derselben seine Nutzanwendung hat, so ist diese doch im Einzelnen ebenso verschieden, wie der äußere Charakter beider Palmen und ihre Bedeutung für die Landschaft. In der ägyptisch-arabischen Landschaft ist die Dattelpalme ebenso unentbehrlich, wie die Cocospalme in der Küstenlandschaft von Ceylon.

Der Nordländer, der die Alpen überschreitet und in Italien zum ersten Male die Dattelpalme kennen lernt, bewundert sie als edlen Vertreter der Palmenfamilie; und diese Bewunderung steigt noch, wenn er weiter südwärts nach Aegypten kommt und hier dieselbe massenhaft in ungleich vollkommenerer Form vorfindet. So hatte auch ich selbst sie früher mit besonderer Andacht verehrt. Wie anders jetzt, wo die ungleich edlere und vollkommenere Form der Cocospalme sich mir in Ceylon so fest eingeprägt hatte, daß ich die Dattelpalme daneben unansehnlich fand! Der schlanke, glatte und weiße Stamm der Cocos ist stets anmuthig gebogen und erhebt sich gewöhnlich zu der doppelten Höhe des plumpen, struppigen, graubraunen Stammes der steifen Dattel. Und ebenso übertreffen die mächtigen, schön geschwungenen, gelblich grünen Fiederblätter der Cocos an Größe und Schönheit um mehr als das Doppelte die steifen und starren, graugrünen Wedel der Dattel. Der ganze malerische Werth der Cocos übertrifft denjenigen der Dattel in ähnlichem Verhältnisse, wie die mächtige, kopfgroße Nuß der ersteren, die kleine unansehnliche Frucht der letzteren.

Während der Osterwoche, die ich in Cairo zubrachte, warfen die großen politischen Umwälzungen in Aegypten, deren Zeuge wir gegenwärtig sind, ihren Schatten bereits voraus. Der Haß der Aegypter gegen die Europäer, durch fanatische mohammedanische Priester aufgestachelt, machte sich wiederholt in Angriffen geltend. Ich selbst wurde zwei Mal insultirt, ein Mal durch einen Derwisch beim Besuche der Moschee el Abka, der Universität von Cairo; das andere Mal durch einen Soldaten, während ich am Nilufer saß und eine Skizze aufnahm. Nur durch einen günstigen Zufall entging ich beide Male dem Schicksale, noch am Ende meiner Reise in ernstliche Lebensgefahr zu gerathen. Ein englischer Maler war kurz zuvor beim Zeichnen der Chalifengräber, ebenfalls ohne jede Veranlassung, von einem Soldaten angegriffen und gefährlich verwundet worden. Man sagte schon damals, daß Arabi Pascha diese Conflicte systematisch fördere. In diesem ehrgeizigen Soldaten verkörpert sich sie Todfeindschaft des Islam gegen europäische Cultur. Die englische Regierung hätte viel erspart, wenn sie frühzeitiger mit Energie eingegriffen hätte.

Da gegenwärtig vielfach die Erfolge der Engländer in Aegypten mit mißgünstigen Augen angesehen werden, will ich hier meine entgegengesetze Ansicht nicht verhehlen. Mir scheint, daß wir dieselben eher sympathisch begrüßen sollten, ebenso vom Standpunkte der allgemeinen Humanität als von demjenigen einer vernünftigen Politik. Die Aegypter selbst sind noch weit davon entfernt, ein modernes Culturvolk zu sein, und so lange der Islam seinen culturfeindlichen, lähmenden Einfluß ausübt, ist daran auch nicht zu denken.

Andererseits liegt das Land selbst so mitten an der großen Weltstraße zwischen Orient und Occident, und speciell am driecten Wege von England nach Indien, daß Großbritannien den Besitz des Suez-Canals nicht mehr entbehren kann, weill es seine großartige Weltherrschaft aufrecht erhalten. Diese letztere selbst verdient Bewunderung. Denn die Englänger verstehen es weit besser, als alle anderen Nationen, Colonien zu gründen und zu verwalten. Gerade die eigene Anschauung, welche ich auf dieser Reise sowohl in Bombay als in Ceylon von der englischen Colonialherrschaft erhielt, hat meine aufrichtige Bewunderung derselben erhöht. Nur dadurch, daß Großbritannien das ungeheure indische Reich ebenso zweckmäßig als weise regiert, vermag es mit einer unverhältnißmaßig geringen Beamtenzahl dasselbe sich zu erhalten.

Statt daher die Erweiterung und Verstärkung der britischen Weltherrschaft grollend mit den Augen des Neides anzusehen, sollten wir von ihrer klugen Politk lernen, deren Erfolge der ganzen civilisirten Menschheit zu gute kommen. Hätte Deutschland, dem Bespiele des stammverwandten England folgend, rechtzeitig Colonien gegründet, wie anders könnte der veredelnde Einfluß der deutschen Cultur sich in der Welt geltend machen; wie viel größer würde unser Vaterland dastehen! Meine Rückreise von Aegypten nach Triest verleif ohne erwähnenswerthe Erlebnisse. Ich verließ Morgens am 12. April auf dem österreichischen Lloyddampfer „Castor" den Hafen von Alexandrien und traf am 18. April Morgens wohlbehalten in Triest wieder ein. Eine schmerzliche Neuigkeit ereilte mich unterwegs, der Tod meines hochverehrten Freuzndes und Meisters Charles Darwin, dem ich erst vor wenigen Monaten, am 12. Februar, auf dem Gipfel des Adams- Pik einen Glückwunsch zu seinem 73. Geburtstag geschrieben hatte!

Am 21. April, Nachmittags 5 Uhr, traf ich glücklich und wohlbehalten in meinem lieben alten Jena wieder ein. Da ich meine Ankunft erst auf den folgenden Tag angemeldet hatte, überraschte ich meine theure Familie und genoß nach schwerer halbjähriger Trennung das glücklichste Wiedersehen. Mit Dank gegen das gütige Geschick, das mir noch so spät die Erfüllung meines sehnlichsten Jugendwunsches gewährt hatte, zog ich wieder in das traute Daheim ein, reich beladen mit Schätzen von Erinnerungen, die mir für meine ganze übrige Lebenszeit eine unerschöpfliche Quelle des Genusses und der Erkenntniß bleiben werden!


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