Klassiker der Biologie im Internet

 

BERICHTE DER DEUTSCHEN BOTANISCHEN GESELLSCHAFT, Band III, 128 - 145 (1885)



 

B. F r a n k :

Ueber die auf Wurzelsymbiose beruhende Ernährung gewisser Bäume durch unterirdische Pilze.

(Mit Tafel X.)

Eingegangen am 17. Apr11 1885.

Se. Excellenz der Herr Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten hat, um die Zucht der Trüffel im Königreiche Preussen nach Möglichkeit zu fördern, mich beauftragt zunächst durch wissenschaftliche Untersuchungen über die Bedingungen des Vorkommens und der Entwickelung dieser Pilze der Angelegenheit planmässig näher zu treten. Gewisse durch Beobachtung und Erfahrung schon festgestellte Thatsachen, wie das stete Zusammenvorkommen der echten Trüffeln mit lebenden Bäumen, die namentlich auch bei den bis jetzt vorgenommenen Erhebungen in den preussischen Trüffelgegenden hervorgetretene Beziehung des Trüffelvorkommens zu bestimmten Baumarten, nämlich Buche, Hainbuche und Eiche, vor allen Dingen auch die von  R e e s s  (Sitzungsber. d. physik-med. Soc. zu Erlangen, 10. Mai 1880) erkannte an Parasitisrnus erinnernde Verbindung des Myceliums von Elaphomyces mit den Kiefernwurzeln, richten die Untersuchungen von - vornherein auf die Frage, ob auch bei den echten Trüffeln einselbst Zusammenhang des Myceliums mit lebenden Baumwurzeln besteht. Wie die folgenden Mittheilungen zeigen werden, muss diese Frage aber noch viel weiter ausholen, weil sie die Kenntniss von Dingen hinsichtlich der Natur und der Ernährung der Pflanzen voraussetzt, von welchen die Wissenschaft bis jetzt keine Ahnung gehabt hat. Von diesen soll in meiner heutigen Mittheilung zunächst allein nur die Rede sein. Es betrifft die Thatsache, dass gewisse Baumarten, vor allen die Cupuliferen ganz regelmässig sich im Boden nicht selbständig ernähren, sondern überall in ihrem gesammten Wurzelsystem mit einem Pilzmycelium in Symbiose stehen, welches ihnen Ammendienste leistet und die ganze Ernährung des Baumes aus dem Boden übernimmt. So überraschend dieser Satz klingen mag, so ist er durch die Ausdehnung meiner Untersuchungen schon jetzt als festbegründet zu betrachten.

Wenn man von irgend einer unserer einheimischen Eichen, Buche, Hainbuche, Hasel oder Kastanie die im Boden gewachsenen Saugwurzeln, welche die letzten Verzweigungen des Wurzelsystems sind und die eigentlich nahrungaufnehmenden Organe darstellen, untersucht, so erweisen sie sich allgemein aus zweierlei heterogenen Elementen aufgebaut: aus einem Kern, welcher die eigentliche Baumwurzel repräsentirt, und aus einer mit jenem organisch verwachsenen Rinde, welche aus Pilzhyphen zusammengesetzt ist. Dieser Pilzmantel hüllt die Wurzel vollständig ein, auch den Vegetationspunkt derselben lückenlos überziehend, er wächst mit der Wurzel an der Spitze weiter und verhält sich in jeder Beziehung wie ein zur Wurzel gehöriges mit dieser organisch verbundenes peripherisches Gewebe. Der ganze Körper ist also weder Baumwurzel noch Pilz allein, sondern ähnlich wie der Thallus der Flecbten, eine Vereinigung zweier verschiedener Wesen zu einem einheitlichen morphologischen Organ, welches vielleicht passend als  P i l z w u r z e l ,  M y c o r h i z a  bezeichnet werden kann.

1. Bau der Mycorhiza. In der Oberflächenansicht gleicht die Pilzwurzel im feineren Baue den meisten Pilzsclerotien; sie zeigt ein aus regellos und sehr dicht verschlungenen Hyphen gebildetes Pseudoparenchym, dessen Zellen in ihrer Grösse je nach dem Quer- oder Längendurchmesser etwa zwischen 0,0024—0,01 mm schwanken (Taf. X, Fig. 3). Die Membranen sind relativ dännwandig, bald fast farblos, bald hell- oder dunkelbraun, wonach die Mycorhiza hell oder bräunlich oder fast schwarz aussieht. Das Pseudoparenchyn ist seltner einschichtig, häufiger mehrscbichtig und bildet darum oft, wie aus Quer- oder Längsschnitten ersichtlich, einen ziemlich dicken Mantel. Dieser liegt der Wurzelepidermis nicht bloss innig auf, sondern von ihm aus dringen Pilzfäden auch zwischen den Epidermiszellen in die Wurzel selbst ein (Fig. 6). Das Periblem incl. der Epidermis macht meist etwa 4 Zellschichten aus; die Epidermis und die subepidermale Schicht oder nur die erstere bestehen hier aus ziemlich weiten oft in radialer Richtung gestreckten Zellen, und in der Regel ist nur die Epidermis von den Pilzfäden durcbwuchert; die inneren Periblemzellen bleiben immer frei; bis in die Endodermis oder das Fibrovasalbündel konnte ich sie nie verfolgen. Diese endophyten Hyphen wachsen immer nur in der Membran der Zellen, treten nicht in das Lumen ein-, umspinnen aber meist die Zellen von allen Seiten vollständig. Diese Fäden sind nur 0,0012 - 0,0024 mm, also erheblich dünner als die des Pilzmantels, als dessen Fortsetzungen sie sich übrigens deutlich erkennen lassen; die grosse Dünnwandigkeit der peripherischen Wurzelzellen gestattet ihnen eben nur geringe Breite anzunehmen. Man sieht sie darum am deutlichsten in der Flächenansicht der Membranen, und da sie hier gewöhnlich in dicht geschlossener fast ebenfalls pseudoparenchymatischer Lage angeordnet sind, so erscheinen sie auf den ersten Blick wie eine zarte netzförmige Zeichnung der Membran; doch belehrt jeder Querdurchschnitt durch die letztere, dass diese Structur von den intercellular in den Membranen wuchernden Pilzfäden herrührt.

Die Oberfläche der Mycorhiza ist häufig vollkommen glatt, indem der Pilzmantel nach aussen sich scharf gegen die Umgebung abgrenzt (Fig. 3). Eine Bildung von Wurzelhaaren ist durch die fest anschliessende Pilzhülle unmöglich gemacht und nie von mir gesehen worden. Wohl aber werden dieselben oft gewissermassen ersetzt durch eine ähnliche Bildung des Pilzmantels, indem die oberflächlichen Zellen desselben in Fäden sich fortsetzen, welche durch Wachsthum an ihren Spitzen sich verlängern und zwischen den umgebenden Bodentheilchen sich verbreiten. Die Form, in der das geschieht, ist sehr mannichfaltig. Bald umkleidet die Pilzwurzel ein dicker, lockerer Filz regellos hin und her geschlängelter heller oder blassbrauner, in der Stärke einander gleicher, aber je nach Fällen variirender, nämlich von 0,0012 bis 0,0036 mm dicker Fäden, die sich überall zwischen den umliegenden Erdpartikeln verbreiten (Fig. 4) und an denen man sehr häufig, ebenso wie an den Rhizinen der Flechten oder den Wurzelhaaren höherer Pflanzen, bemerkt, dass sie oft mit erweiterten Stellen, an kleine Bodentheilchen angewachsen sind. Bald auch strahlen eine Menge längerer und mehr gerade gewachsener, meist ziemlich starker, brauner oder bei entsprechender Färbung des Pilzmantels wohl auch schwarzer Fäden in den Boden hinaus, so dass die ins Wasser gelegten Pilzwurzeln an ihren Spitzen wie ein Besen oder Haarschopf erscheinen. Bald vereinigen sich an diesem oder jenem Punkte des Pilzmantels die Fäden zu mehrfaserigen Strängen, die je nach der Zahl der parallel mit einander verwachsenen Fäden in allen Stärken von wenigfaserigen Gebilden bis zu rhizomorphaartigen Körpern fast von der Dicke der Mycorhiza selbst vorkommen, so dass sie dann mit der letzteren ohne genauere Untersuchung leicht verwechselt werden können. Sie verzweigen sich auch in gleich starke oder dünnere Zweige, hängen oft auch anastomotisch zusammen. Auch an diesen rhizomorphaartigen Gebilden, die übrigens hinsichtlich der Farbe und der Stärke der Hypben gewöhnlich mit den Pilzfasern der Mycorhiza übereinstimmen, gehen oft zahlreiche einzelne Fäden von der Oberfläche ab in den umgebenden Boden. In den Trüffelgegenden, besonders in der Nachbarschaft einer im Boden gewachsenen Trüffel pflegen diese Myceliumstränge sehr reichlich im Boden vorhanden zu sein, sie bilden unter zahllosen Verzweigungen und Anastomosen ein durch den Boden sich verbreitendes System, und es gelingt unschwer den Zusammenhang derselben mit den Mycorhizen der im Boden vorhandenen Cupuliferenwurzeln nachzuweisen (Fig. 7).

2. Entwickelung der Mycorhiza. Längsschnitte belehren uns, dass der Pilzmantel auch bis auf die Spitze der Mycorhiza sich fortsetzt und diese ebenfalls vollständig einhüllt, und dass der Kern an der Spitze durch einen deutlich ausgebildeten Vegetationspunkt in die Länge wächst, welcher nach der Beschaffenheit seiner Gewebe demselben alle Charaktere einer echten Wurzel verleiht (Fig. 5). Es muss also angenommen werden, dass auch der Pilzmantel eines Wachsthums, einer Erweiterung fähig ist, um mit der Verlängerung der von ihm eingeschlossenen Wurzel Schritt zu halten. In der That hat auch er dort, wo der Vegetationspunkt und die Region der Längenzunahme des Mycorhizakernes liegt, seine Zuwachsregion. Stets sind nämlich die Hyphen, welche den um die Wurzelspitze herumgehenden Theil des Pilzmantels zusammensetzen, viel dünner als diejenigen in dem weiter rückwärts liegenden, nicht mehr wachsenden Stück, nämlich 0,0008—0,0024 mm breit und bis etwa 0,005 mm lang, und gehen nach rückwärts ganz allmählich in die grösseren Zellen über (Fig. 5). Der Pilzmantel vergrössert sich also dadurch, dass an der Spitze der Mycorhiza immer neue Fäden sich zwischen die vorhandenen einschieben und dass dann die Zellen des so gebildeten Pseudoparenchyms sich bis auf ihre definitive Grösse erweitern. Beide Theile der Mycorhiza halten in diesem Wachsthum gleichen Schritt, so dass der Pilzmantel auch der wachsenden Wurzelspitze immer dicht anliegt. Eine organische Verwachsung durch in die Epidermis eindringenden Pilzfäden ist aber in der wachsenden Region noch nicht, sondern erst von der Stelle an, wo das Längenwachsthum abgeschlossen ist, zu beobachten. Man kann auf Längsschnitten von den jüngeren zu den älteren Regionen fortschreitend deutlich das allmähliche Eindringen der endophyten Fäden von der Oberfläche der Epidermis aus verfolgen. Was die Wachsthumserscheinungen im Vegetationspunkte der Wurzel anlangt, so unterscheiden wir die gewöhnlichen Gewebe aller Wurzelspitzen: Plerom, Periblem, Dermatogen und Wurzelhaube, und sehen diese Meristeme nach rückwärts in die gewöhnlichen Dauergewebe der Wurzel, nämlich in den centralen Fibrovasalstrang, in die Wurzelrinde und die Epidermis übergehen. Die Gliederung dieser Meristeme folgt dem für die meisten Dikotylen gültigen Typus, welcher in  d e B a r y ‘s  Vergleichender Anatomie (pag. 12) unter Nr. 3 besprochen ist, d. h. wo bei scharf abgegrenztem Plerom und Periblem der Wurzelscheitel von einer gemeinsamen Initialschicht für Dermatogen und Wurzelhaube bedeckt ist (Fig. 5). Bemerkenswerth ist die schwache Entwickelung der Wurzelhaube, von welcher häufig momentan immer nur eine einzige Zellschicht vorhanden ist, indem sie bald nachdem die nächste vom Dermatogen sich ahzuspalten beginnt, auch schon wieder desorganisirt wird. Man erkennt die Ueberreste der älteren Haubenschicht oft noch als dünne braune Massen, welche durch die sie umspinnende Pilzhülle zusammengedrückt und bald undeutlich werden. So verständlich der Rückgang der Wurzelhaubenbildung in diesem Falle ist, da durch das Vorhandensein des Pilzmantels sowohl die räumlichen Bedingungen für die Entwicklung der Haube beeinträchtigt als auch die Nothwendigkeit derselben wegen des Ersatzes durch den Pilzmantel vermindert erscheint, so interessant ist es doch zu sehen, wie trotz der Symbiose die ererbten histiologischen Differenzirungen der Wurzel intact geblieben sind.

Eine andere Frage ist, wie die Mycorhiza sich an der im Boden aufgekeimten jungen Pflanze entwickelt. Am Keimlinge des Samens ist natürlich von einer Verpilzung der Radicula nichts zu finden. Auch in den ersten Stadien der Keimung zeigt sich die Pfahlwurzel pilzfrei. Bald entwickelt die letztere ihre Seitenwurzeln, welche ziemlich dünn bleiben und in ihrer ganzen Länge sich mit zahlreichen kurz und wiederholt verzweigten, daher fast korallenartig erscheinenden Saugwurzeln bekleiden. An diesen Seitenwurzeln erster und folgender Ordnung kann man die allmähliche Verpilzung eintreten sehen. An einzelnen Punkten setzen sich zunächst Hyphen eine Strecke weit an die Wurzelepidermis an und indem sie nun Zweige entwickeln, die auf der Wurzel weiter kriechen und mit dieser und mit einander in Verband treten, baut sich von solchen Ausgangspunkten aus allmählich der Pilzmantel auf. Bei Carpinus scheint die Verpilzung am raschesten vor sich zu geben; einjährige Pflanzen haben in der Regel schon ihr ganzes Saugwurzelsystem zu Mycorhizen umgewandelt. Bei Quercus erfolgt es relativ am langsamsten, so dass man hier am leichtesten den Vorgang verfolgen kann; manchmal sind ein- und zweijährige Pflanzen, oder wohl auch einzelne Wurzelpartien älterer Pflanzen nur erst partiell verpilzt. Diese pilzfreien Saugwurzeln sind dann auch wie diejenigen anderer Gewächse mit Wurzelhaaren bekleidet, die den Mycorhizen ausnahmslos fehlen. Immerhin sind aber solche pilzfreie Cupuliferenwurzeln verhältnissmässig selten zu finden; und häufig pflegt an solchen doch wenigstens die Wurzelspitze verpilzt zu sein, indem das Mycelium vorherrschend nach den jungen Partien des Wurzelkörpers sich ausbreitet und bei dem langsamen Wachsthum dieser stets kurz bleibenden Saugwurzeln die Spitze derselben bald zu umwachsen vermag. Nur diejenigen kräftigeren und sehr rüstig gerade vorwärts wachsenden Wurzeln, welche in noch wurzelfreie Bodenstellen hinein zu dringen pflegen und als Träger der eigentlichen hier sich entwickelnden Saugwurzeln fungiren, bleiben häufiger pilzfrei. Wie an der jungen Pflanze, so erfolgt auch an älteren Wurzeltheilen, wenn aus diesen Saugwurzeln sich entwickeln, Verpilzung der letzteren direct aus dem Boden.

Veränderung der Wurzel durch den Pilz. Die Mycorhiza ist auch gestaltlich von der gewöhnlichen unverpilzten Wurzel unterschieden. Die Saugwurzeln anderer Laubhölzer und ebenso Cupuliferenwurzeln, wenn sie wie unten noch zu erwähnen, pilzfrei cultivirt wurden, sind bei verhältnissmässiger Dünne ziemlich lang, ihre Seitenwurzeln entspringen monopodial in ziemlich weiten Abständen und pflegen der Tragwurzel in Gestalt und Verzweigung wiederum ähnlich zu werden. Demgegenüber zeigt die Mycorhiza ein sehr verlangsamtes Längenwachsthum, nimmt aber, indem die Zellschichten des Periblems und des Pleroms etwas zahlreicher sich bilden und besonders wegen der grösseren Weite, welche die Epidermiszellen erreichen, meist eine grössere Stärke an, so dass sie einen kurzen und relativ dicken Körper bildet. Dazu kommt eine grössere Neigung zur Verzweigung, indem die Seitenwurzeln schon nahe hinter der Spitze und in sehr kurzen Abständen auftreten; diese verhalten sich dann in Wachsthum, Gestalt und Verzweigung wieder wie ihre Tragwurzel. Die Mycorhizen hilden daher mehr oder weniger korallenähnlicbe Wucherungen (Fig. 1), die oft zu grossen dichten Büscheln anwachsen (Fig. 2). Die Verzweigung der Mycorhiza geschieht übrigens nach dem für Wurzeln gewöhnlichen Typus, d. h. endogen, und der aus der Tragwurzel hervortretende neue Vegetationspunkt ist daher schon von Anfang an mit dem Pilzmantel der Mutterwurzel bedeckt, der nun in der beschriebenen Weise an dieser Stelle mit der neuen Wurzel zusammen fortwächst. Die Verzweigungsform ist streng monopodial; trotz der korallenförmigen Wucherung lässt sich keine Dichotomie beobachten; immer tritt erst in der Strecke hinter der Spitze, wo das Längenwachsthum erloschen ist, die erste Verzweigung auf, und schreitet acropetal fort, so dass die der Spitze nächsten Zweige die jüngsten und kürzesten sind. Dieselben stehen ziemlich deutlich in Längsreihen wie gewöhnlich bei den Wurzeln; bald in 2, bald in 3, bisweilen auch in 4 Reihen, manchmal auch nur einseitig in einer Reihe, Zustände, die wohl zum Theil von den gegebenen Raumverhältnissen abhängen mögen. Uebrigens finden auch in der Formveränderung durch den Pilz Abstufungen statt, indem die Saugwurzeln manchmal sich in der Form den normalen Wurzeln nähern (Fig. 1 a), trotzdem, dass auch sie von dem typischen Pilzmantel umgeben sind, der dann freilich meist nicht so dick zu sein pflegt, wie an Wurzeln, welche die Korallenform am ausgeprägtesten zeigen.

Späteres Schicksal der Micorhiza. Das im Vorstehenden beschriebene eigenthümliche aus Pilz und Wurzel combinirte Organ hat im Allgemeinen nur eine beschränkte Lebensdauer; doch diese Eigenschaft theilt es mit den Saugwurzeln der Holzpflanzen überhaupt. Denn wie mit dem Alter des Baumes sein Wurzelsystem erstarkt und nach neuen Stellen im Boden weitergreift, so gehen die genannten Organe an den älter werdenden Theilen verloren um an den neuen Wurzeltrieben an anderen Stellen des Bodens durch neue ersetzt zu werden. Man findet, dass die bis zu einer gewissen Grösse herangewachsenen Mycorhizen nach einiger Zeit aufhören zu wachsen, oder zunächst nur noch an einzelnen Zweigen sich verjüngen, bis gänzlicher Stillstand und endlich Absterben eintritt, indem das Gebilde unter Dunkel- bis Schwarzfärbung vertrocknet und mürbe wird. Dafür bilden sich wie gesagt an anderen Stellen, nicht selten dicht neben einem abgestorbenen Mycorhizabüschel, neue. Wie lange eine Mycorhiza vegetirt, mag von einer Menge Umständen abhängen und sehr variiren, sicher zählt ihre Dauer oft nach vielen Jahren; denn man findet nicht selten umfangreiche Nester von Pilzwurzeln, die nach dem langsamen Wachsthum zu urtheilen, seit langer Zeit bereits in ihrer Fortbildung begriffen sein müssen. In den ältesten Gliedern der Mycorhiza beobachten wir den bekanntlich auch bei den gewöhnlichen Wurzeln der Bäume mit fortschreitendem Alter eintretenden Process des Absterbens des Periblems unter Bräunung der Zellen bis zur Endodermis, unter deren Schutze dann der Fibrovasalstrang weiter fungirt. Damit geht bei der Mycorhiza auch ein Absterben des Pilzmantels an dieser Stelle Hand in Hand. Auf dieselbe Weise verlieren natürlich auch diejenigen kräftigeren Triebe der Mycorhiza ihre Pilzhülle, welche dazu bestimmt sind durch weitere Verlängerung und weiteres Dickenwachsthum unter Constituirung eines Korkkambiums unterhalb der Endodermis und eines holzbildenden Kambiumringes im Fibrovasalstrange zu dauernden verholzenden Zweigen des Wurzelsystems zu erstarken. Man sieht also, dass der Pilzmantel nur den jüngeren Wurzelpartien, und gerade denjenigen, welche die bei der Nahrungsaufnahme allein in Betracht kommenden sind, eigen ist.

Regelmässiges Vorhandensein des Pilzes in allen Lebensaltern und an allen Wurzeln des Baumes. Um die Wurzeln der Cupuliferen in den verschiedenen Lebensaltern zu untersuchen habe ich von Eichen, Rothbuchen, Hainbuchen und Haseln aus verschiedenen Gegenden jedesmal sowohl 1-, 2-, und 3jährige Pflanzen, als auch mit Saugwurzeln versehene Wurzelstücke älterer Bäume kommen lassen, nämlich von Eichen bis zu 120jährigem, von Rothbuche bis zu l2jährigem, von Hainbuchen bis zu l00jährigem und von Haseln bis zu 40jährigem Alter. Es ergab sich das Resultat, dass bei diesen Bäumen die Saugwurzeln in allen Lebensaltern in der Form der Mycorhiza entwickelt sind, dass der Pilz während des ganzen Lebens die Wurzel begleitet. Bei den älteren Pflanzen hat es auch Interesse, wie der Pilz in den verschiedenen Bodentiefen, in denen die Wurzeln verbreitet sind, sich verhält. Ich habe das besonders an Rothbuchen und Hainbuchen verfolgen können. In der obersten ca. 5 cm mächtigen, relativ humusreichsten Schicht pflegen die Baumwurzeln die grösste Menge von Saugwurzeln zu bilden, und diese sind wie erwähnt, bei den Cupuliferen immer als Mycorhizen entwickelt. Ueberraschend reich sind dieselben in dieser Bodenschicht gerade in den Trüffelorten vorhanden, so dass die reifen Trüffeln auf und in einem dichten Gefilz von Mycorhizen ruhen. In tiefgründigem Boden kann man verfolgen, wie von dieser Region aus tiefer die Häufigkeit der Saugwurzeln abnimmt, zunächst langsam, aber weiterhin immer mehr. Die stärkeren Wurzeln dringen freilich in die Tiefe, aber sie bilden dort nur spärlich Saugwurzeln oder thun dies mehr nur an denjenigen Zweigen, die in höhere Bodenschichten hinaufgedrungen sind. Auf Waldböden, wo erst in der Tiefe eines halben Meters der Gesteinsuntergrund anstand, liessen sich die Wurzeln auch bis dorthin verfolgen, aber in dieser Tiefe nur noch mit sehr spärlicher Bildung von Saugwurzeln. Jedoch auch hier noch zeigten sich die letzteren als Mycorhizen entwickelt. Man könnte dies durch die Annahme erklären, dass der die Wurzeln befallende Pilz in allen Bodenschichten verbreitet sei. Aber noch einfacher lässt es sich erklären durch den Umstand, dass der Parasit mit den Wurzeln selbst, die ja immer verpilzt sind, beim Eindringen derselben in den Boden, in die tieferen Schichten gelangt.

Vorkommen des Wurzelpilzes nach Pflanzenarten. Es ist eine überaus interessante Thatsache, dass dieser im Boden lebende Pilz die Wurzeln, die er befällt, genau nach Species auswählt und dabei eine streng systematische Beschränkung einhält. Wenn man. z. B. aus Buchenbeständen Boden untersucht so findet man nur die Buchenwurzeln als Mycorhizen entwickelt. Die ganze dort vorkommende krautartige Vegetation, wie Oxalis acetosella, Mercurialis perennis, Anemone nemorosa, Asperula odorata, Viola canina, Convallaria multiflora etc., desgleichen andere Holzpflanzen, z. B. Hedera helix, Acer pseudoplatanus, haben völlig pilzfreie Wurzeln mit Wurzelhaaren, wie gewöhnliche Pflanzenwurzeln. Selbst dann ist dies der Fall, wenn dieselben dicht neben einem Mycorhizabüschel oder durch ein solches hindurchgewachsen sind. Um nun den Kreis der Nährpflanzen der Wurzelpilze genauer festzustellen, habe ich die Mehrzahl unserer einheimischen Holzpflanzengattungen daraufhin geprüft und kann zunächst angeben, wo die Wurzelpilze fehlen. Es sind dies: Betula alba, Alnus incana, Ulmus campestris, Morus alba, Platanus occidentalis, Juglans regia, Pyrus malus, Sorbus aucuparia, Crataegus oxyacantha, Prunus padus, Robinia pseudacacia, Tilia europaea, Acer platanoides und pseudoplatanus, Rhamnus cathartica, Cornus mas, Fraxinus excelsior, Syringa vulgaris, Sambucus nigra. Hieraus ergiebt sich, dass die übergrosse Mehrzahl der Pflanzenfamilien, zu denen die einheimische Baumwelt gehört, nach den hier geprüften Repräsentanten zu urtheilen, von den Wurzelpilzen frei ist. Da somit die Beschränkung auf einen kleineren Kreis immer bestimmter auf die Cupuliferen hindeutete, so habe ich von den letzteren die wichtigsten Repräsentanten auf diese Frage hin untersucht und dabei ausnahmsloses Vorkommen von Wurzelpilzen constatirt; es zeigten sich nämlich die Wurzeln im Wesentlichen gleichmässig auf die oben beschriebene Art verpilzt bei folgenden Bäumen: Caprinus betulus, Corylus avellana, Fagus sylvatica, Quercus pedunculata, und sessiliflora, Castanea vesca nach Exemplaren aus den Rheinländern sowie aus dem Berliner botanischen Garten, desgleichen die amerikanische Quercus rubra ebenfalls aus dem hiesigen botanischen Garten. Hiernach darf man behaupten, dass die Wurzelpilze eine besondere Eigenthümlichkeit sämmtlicher Cupuliferen sind. Ja diese Symbiose ist dieser Pflanzenfamilie so treu, dass man fast versucht sein könnte sie als systematisches Kriterium gelten zu lassen; jedenfalls verdient es bemerkt zu werden, dass die Zugehörigkeit der Betulaceen zu den Cupuliferen, die von neueren Systematikern angenommen worden ist, wenn man nur nach dem Vorkommen der Wurzelpilze urtheilen wollte, nicht bestätigt zu werden scheint. Aber andererseits ist es auch interessant, durch das Vorkommen dieser Pilze ausserhalb der Cupuliferen eine gewisse verwandtschaftliche Beziehung einiger anderer Familien zu der eben genannten angedeutet zu sehen. Es sind dies die Salicineen und die Coniferen. Auch hier habe ich Mycorhizen gefunden, aber nicht so allgemein wie bei den Cupuliferen. Von mehreren Orten stammende Salix viminalis, caprea und aurita, sowie von Populus tremula hatten die Wurzeln in verschiedenem Grade in dieser Form verpilzt, während sie es an anderen Orten nicht zeigten. In der Gegend von Berlin fand ich an Taxus baccata, Juniperus communis und Larix europaea die Wurzeln pilzfrei, an Kiefern, Fichten, Tannen dagegen um Berlin meistentheils, wenn auch nicht überall, in typischer Weise verpilzt, so wie es ja  R e e s s  (l. c.) auch schon von den Kiefernwurzeln an den Orten, wo Elaphomyces vorkommt, beschrieben hat, woraus hervorgeht, dass der Wurzelpilz auch bei den Coniferen viel weiter verbreitet ist, als  R e e s s  glaubte, nämlich auch an Orten, wo kein fructificirender Elaphomyces gefunden wird, auftritt.

Geographische Verbreitung der Cupuliferen-Wnrzelpilze. Als ich die in Rede stehenden Pilze auf Cupuliferen auch an Localitäten, die keine Trüffeln produciren, gefunden hatte und das Vorkommen sowohl derselben sich immer mehr als ein allgemeines herauszustellen schien, handelte es sich darum, eine planmässige Erörterung der Verbreitungs-Frage vorzunehmen. Ich habe auf Anordnung Sr. Excellenz des Herrn Ministers aus einer grossen Anzahl Oberförstereien, entsprechend möglichst verschiedenen Bodenverhältnissen und geographischen Lagen der preussischen Monarchie Wurzeln aller in der betreffenden Gegend vorkommenden Cupulilerenspecies zur Untersuchung erhalten, und zwar meistens sowohl 1-3 jährige Pflanzen als auch Wurzelstücke älterer Bäume. Es kann gleich als Hauptresultat hier ausgesprochen werden, dass in allen Gegenden die Mycorhizen vorhanden sind, keine wurzelpilzfreien Cupuliferen zu finden waren. Von unserer äussersten Südwestgrenze, von Saarbrücken, zeigten Buche, Hainbuche und Eiche, aus verschiedenen Jagen der dortigen Oberförsterei entnommen, ebenso ausnahmslos die Wurzeln verpilzt, wie die Buche von der Insel Rügen und wie die Hainbuche von unserer Ostgrenze aus der Oberförsterei Brödlauken im Regierungsbezirk Gumbinnen, sowie in allen zwischenliegenden Gegenden, aus welchen Cupuliferen untersucht worden sind. Dass die verschiedenen Höhenlagen und Bodenfigurationen dem Pilz keine Schranke setzen, ergab sich daraus, dass er gefunden wurde schon von den Flussniederungen an, z. B. im Ueberschwemmungsgebiet der Elster der Oberförsterei Schkeuditz, in der Elbniederung bei Gräfenhainchen im Regierungsbezirk Merseburg. Ebenso tritt er allgemein ausserhalb der Ueberschwemmungsgebiete in völlig ebenen Lagen oder ganz sanften Erhebungen auf, wie dies z. B. constatirt wurde an Pflanzen aus dem "Dübener Haide" genannten Waldcomplex zwischen Elbe und Mulde, südlich von Wittenberg, aus der Oberförsterei Zöckeritz bei Bitterfeld, aus der Umgebung Berlins, desgleichen aus dem Jülicher Flachlande. Im Hügel- und Berglande fand sich der Pilz in allen Lagen und Expositionen, sowohl auf den Plateaus, wie in den Thälern und Mulden und auf geneigten Bodenflächen, gleichmässig an Nord- und Süd-, wie an West- und Osthängen, und ohne Unterschied bei sanfter wie sehr steiler Neigung. Auch in die höheren Gebirgsregionen steigt der Pilz mit der Buche empor.

Die Bodenbeschaffenheit anlangend, so ist flach- wie tiefgründiger Boden gleichmässig für ihn geeignet; sein Verhalten hier ist oben näher erörtert worden. Auch bezüglich der geognostischen Beschaffenheit des Bodens schliesst nichts den Parasiten aus. Im Diluvialboden ist er aus verschiedenen Gegenden constatirt, und zwar in schwerem humosem Flusslehm nicht minder wie im leichten, mehr oder weniger humushaltigen Sandboden (z. B. von verschiedenen Orten aus der nächsten Umgebung Berlins), sowie in den Mittelbildungen als sandiger Lehm und lehmiger Sand und bei verschiedenen Graden des Humusgehaltes. Weiter auf dem lehmigen Sandboden, der das Verwitterungsproduct sowohl von Kohlensandstein (z. B. von Münster) als von Buntsandstein (z. B. von Saarbrücken) ist; ferner auf Grauwackeboden, z. B. aus Eifel, Westerwald etc.; dann auf dem rothen Lehmboden, welcher aus der Verwitterung von Rothliegendem abstammt, von Sangerhausen. Endlich auf allen Arten der Kalkgesteine, nämlich sowohl auf Muschelkalk (z. B. Freiburg a. d. U., Heldrungen, Wanfried a. d. Werra, Friedland a. d. Leine), als auf Plänerkalk (aus dem südlichen Hannover, z. B. Alefeld etc.), nicht minder auch auf Eifelkalk (z. B. Schleiden in der Eifel), sowie auf dem Kreideboden der Insel Rügen; und es verdient bemerkt zu werden, dass immer auf Kalkunterlage auch die Entwickelung des Pilzes am üppigsten erschien. Endlich sei noch hervorgehoben, dass auch keine Form der Vegetation das Auftreten des Pilzes an vorkommenden Cupuliferen verhindert; er fand sich gleichmässig im Hochwalde, Mittelwalde und Niederwalde, desgleichen in den Kämpen, und nicht minder ausserhalb der Forsten überall in Parks, Gärten, Baumschulen etc., wo Cupuliferen gezogen werden; ja selbst an Pflanzen, die ich etwa seit 2 Jahren mit Erde in Blumentöpfen eingetopft und dann weiter gezogen hatte, fand ich den Pilz mit den Wurzeln weiter gewachsen.

Bei einer so allgemeinen Verbreitung des Wurzelpilzes der Cupuliferen wäre es seltsam, wenn er den Botanikern bis jetzt ganz entgangen sein sollte. Pflanzenwurzeln, namentlich die Wurzelspitzen, sind botanisch vielfach untersucht worden, allein man pflegt dazu gewöhnlich Keimwurzeln zu verwenden und wenn man Cupuliferen wählte, so hatte man also Wurzeln in einer Lebensperiode, wo der Pilz noch nicht erschienen ist. Dagegen konnte er doch den Beobachtern kaum entgehen, wo es sich um Krankheiten von Cupuliferen handelte, welche in einer Störung des Wurzelsystemes ihren Grund haben, und bei der Kritiklosigkeit, mit der gegenwärtig vielfach über Pflanzenkrankheiten gearbeitet wird, lag sogar die Vermuthung nahe, dass man diesen unschuldigen Pilz, der ein unveräusserlicher Theil eines jeden Buchen- und Eichenbaumes ist und wie wir sehen werden bei deren Ernährung wichtige Ammendienste leistet, zufällig bei einer solchen Gelegenheit fand und ohne nach seiner Bedeutung geforscht zu haben, für den Urheber irgend eines Misswuchses erklärte. Dies ist in der That geschehen bei einer Krankheit der Edelkastanie in Italien, welche dort, besonders in Ober- und Mittelitalien auftritt und Tintenkrankheit genannt worden ist, weil sie mit einem unter Schwarzwerden eintretenden allgemeinen Absterben und Faulen der Wurzeln beginnt. In Wahrheit ist die Ursache dieser Krankheit keineswegs erforscht.  G i b e l l i  (Nuovi studui sulla malattia del eastagno detta dell‘ inchiostro. Bologna 1888.) nun, der sich viel damit beschäftigt hat, glaubt sie in Pilzen gefunden zu haben, welche auf den faulenden Kastanienwurzeln erscheinen und als Torula exitiosa de Seyn., Diplodia Castaneae Sacc., Melanomma Gibellianum Sacc. bezeichnet werden. Für den ursächlichen Zusammenhang der Krankheit mit diesen Pilzen fehlt aber jeder Beweis, um so mehr, als an allen auf oder im Boden verfaulenden Pflanzentheilen, mögen sie aus irgend einer Ursache verdorben sein, solche und ähnliche Pilzbildungen als Fäulnissbewohner sich anzusiedeln pflegen. Nun hat  G i b e l l i  aber auch an den noch lebenden Saugwurzeln der Kastanien den echten Wurzelpilz bemerkt; die Beschreibung, die er von den korallenförmig, knotig angeschwollenen Wurzeln, von der auf dem Wurzelende sitzenden Kappe eines pseudoparenchymatischen Mycelnetzes und von der Umstrickung mit verästelten Rhizomorphen giebt, sowie die auf Tafel IV und V seiner Abhandlung befindlichen Illustrationen dieser Verhältnisse lassen keinen Zweifel an der Identität mit unserem Pilze. Wie er aber war in der Vorstellung eines wurzelbescbädigenden Feindes, hat er diesen Wurzelpilz mit den eben genannten Pilzformen auf den faulenden Wurzeln, die er als Ursache der Krankheit betrachtet, in Zusammenhang gebracht. Ja  G i b e l l i  giebt an, er habe den charakteristischen Wurzelpilz auch auf Wurzeln gesunder Kastanienbäume und sogar Eichen, Buchen, Haseln, also anderen Cupuliferen, allgemein in Italien gefunden; aber selbst diese Beobachtungen waren nicht im Stande, ihn zu einer anderen Auffassung zu bringen als dazu, dass der schädliche Parasit in Italien schon eine weite Verbreitung erlangt habe und dass, obgleich derselbe die Veranlassung der Krankheit sei, der Baum sobald er kräftig vegetire, nichts von dem Angriff des Pilzes zu habe, vielmehr erst dann, sobald aus anderen Gründen eine eingetreten sei. Dass diese ganze Anschauung eine irrthümliche ist, bedarf nach dem im Vorhergehenden Gesagten und dem unten über die biologische Bedeutung des Pilzes noch zu Sagendem keiner weiteren Bekräftigung. Für uns geht aber daraus die interessante Thatsache hervor, dass auch Italien sich der allgemeinen geographischen Verbreitung der Cupuliferen-Mycorhiza anschliesst. Auch in Deutschland wäre Gelegenheit zur biologischen Entdeckung der Cupuliferen-Mycorhiza gewesen. Eine an verschiedenen Orten auftretende Wurzelkrankheit 1- 3 jähriger Eichen ist von  R. H a r t i g  (Untersuchungen aus dem forstbotanischen Institut zu München. 1. Berlin 1880) unter der Bezeichnung "der Eichenwurzeltödter Rosellinia (Rhizoctonia) quercina" zum Gegenstande einer Untersuchung gemacht worden, aus welcher hervorgeht, dass es sich um ein horstweise in den Kämpen auftretendes Abfaulen der Pfahlwurzel und des unteren Stengeltheiles handelt, wobei ein Pilz obigen Namens auf diesen Theilen und an der Bodenoberfläche wächst, den  R. H a r t i g  für die Ursache der Krankheit hält. Dieser Pilz zeigt mit unserem Wurzelpilze keine Uebereinstimmung; eine Verwechselung beider war auch bei  R. H a r t i g  ausgeschlossen, da er die Eichenwurzen nicht genau genug untersuchte um den Wurzelpilz zu finden.

Da nun das Auftreten des Wurzelpilzes ein so allgemeines und regelmässiges ist, dass man keine Cupuliferen obne denselben findet, so habe ich auf Mittel gesonnen, die Pflanze künstlich von ihrer Amme zu befreien und zu selbständiger Nahrungsaufnahme zu zwingen. Es gelang dies durch Wassercultur. Im Spätwinter aus dem Boden genommene ein- und zweijährige Buchen, Hainbuchen, Eichen und Haseln wurden in Nährstofflösung von gewöhnlicher, für Wasserculturen angewendeter Zusammensetzung gebracht, mit dem gesammten unverletzten und, wie vorher constatirt wurde, verpilzten Wurzelsysteme. Nach einigen Wochen, noch bevor die Knospen sich öffneten, regte sich die Wurzelbildung und man konnte bemerken, dass die vorhandenen Mycorhizen selbst keine weitere Fortbildung erfuhren, sondern dass durch seitliche Neubildung an verschiedenen Stellen neue Wurzeln, durch ganz helle Farbe von den vorhandenen, dunkeler gefärbten leicht unterscheidbar, sich bildeten - die gewöhnliche Erscheinung, dass die Landwurzel beim Umsetzen in flüssiges Medium sich nicht weiter bildet, sondern durch neue im Wasser selbst erst gebildete Wurzeln ersetzt wird. Auf diese war nun zwar der Wurzelpilz auch mit übergegangen, in seiner charakteristischen Form und zum Theil sogar unter Bildung der locker umhüllenden Fäden, die dabei eine Art Wasserform, namentlich durch Farblosigkeit ausgezeichnet, annahmen; aber doch war nicht zu verkennen, dass er mit der Wurzelbildung hier nicht mehr Schritt halten konnte; die Basis der neuen Wurzeln zeigte noch den auf sie übergegangenen Pilzmantel; weiterhin aber erschien derselbe undeutlicher, dünner, unterbrochen, oft so, dass auf weitere Strecken die Wurzelepidermis nur an einzelnen Punkten noch ein Stück des Pilzmantels erkennen liess, an den übrigen Stellen entblösst war und dann wohl auch zur Bildung von Wurzelhaaren, die ja unter der Pilzbedeckung unterdrückt werden, sich anschickte; die Spitzen der neuen Wurzeln waren zum Theil schon ganz pilzfrei geworden. Im Einklange hiermit war auch der Befund an einer dreijährigen Eiche, die von der Keimung an in Wassercultur gezogen worden, also niemals im Erdboden gewesen war: ihr sehr stark entwickeltes Wurzelsystem zeigte sich wirklich pilzfrei. Aus allen hier erwähnten Thatsachen müssen wir schliessen, dass die Pilze der Mycorhiza die besten Bedingungen ihres Gedeihens auf den Wurzeln im Boden finden, dass sie aber auch im Vegetationsboden allgemein verbreitet sind und von hier aus auf die Cupuliferenwurzeln übergehen.

Die Speciesfrage der Wurzelpilze. Die systematische Stellung der in Rede stehenden Pilze kann nur durch die Bekanntschaft mit ihren Fruchtträgern entschieden werden. Das Vorkommen des Myceliums auf den Wurzeln muss nothwendig die Aufmerksamkeit auf die unterirdischen Pilze richten, und es würden hier also vor allen die Tuberaceen und mehrere Gastromyceten in Betracht kommen. Es könnte auffallend erscheinen, dass dem ubiquistischen Vorkommen der Wurzelpilzmycelien eine gleich allgemeine Verbreitung der genannten Pilzfruchtkörper nicht gegenübersteht. Dagegen ist aber zweierlei einzuhalten: erstens, dass bislang schon vielfach aufmerksameres Suchen zur Auffindung unterirdischer Schwämme geführt hat, auch wo man sie nicht vermuthete, zweitens und vor allen Dingen, dass die Anwesenheit des Myceliums eines Pilzes nicht jederzeit nothwendig auch das Auftreten seiner Früchte im Gefolge haben muss. Es sind Beispiele genug bekannt, dass das Mycelium von Pilzen Jahre lang steril bleibt, weiter wachsen kann, ohne jemals Fruchtträger zu bilden und dass das letztere nur geschieht, wenn gewisse äussere Bedingungen erfüllt sind. Wir würden somit vor die Frage gestellt sein, ob es möglich ist, die fraglichen Pilze schon nach der Beschaffenheit ihres Myvceliums zu bestimmen. Es wurde schon oben beschrieben, wie namentlich die von der Mycorhiza aus in den Boden sich abzweigenden Pilzfäden hinsichtlich der Gestalt, der Dicke, der Färbung, der Verbindung allerdings viele Mannichfaltigkeiten zeigen. genauere Betrachtung führt aber bald zu der Ueberzeugung, dass diese Merkmale zu einer specifischen Unterscheidung nicht ohne Weiteres zu verwenden sind, indem sie oft an derselben Mycorhiza vorkommen und in einander übergehen, also wenigstens zum Theil als Formänderungen eines und desselben Pilzmyceliums zu betrachten sind. Vergleicht man die Mycorhiza von einem Trüffellager mit derjenigen aus Nicht-Trüffelgegenden, so sind bezüglich der eben angedeuteten morphologischen Merkmale scharfe Differenzen auch nicht zu finden, vielmehr besteht der Unterschied hauptsächlich nur in quantitativer Hinsicht, in der Massenentwickelung der Mycorhizen und der den Boden durchsetzenden Mycelien, die in den Trüffelorten den Höhegrad erreicht. Hiernach würden wir berechtigt sein anzunehmen, dass die Pilze, welche in manchen Gegenden Trüffeln erzeugen, viel weiter als die letzteren verbreitet, vielleicht ganz gemeine Pflanzen und in den sterilen Gegenden nur durch den Mangel der geeigneten äusseren Bedingungen an der Fruchtbildung verhindert sind. Jedoch wäre es andererseits auch ungerechtfertigt, ohne weiteres aus der Aehnlichkeit des Myceliums überall auf dieselbe Pilzspecies schliessen zu wollen. Es giebt verschiedene Arten Tuberaceen, welche nach der gewöhnlichen Regel der Pilze, dass verwandte Arten in ihren Mycelien keine zuverlässigen Unterscheidungsmerkmale darbieten, voraussichtlich ebenfalls nicht nach ihren Mycelien sich unterscheiden lassen werden. Jedoch komme ich hier auf Fragen, welche bereits aus dem Rahmen meiner heutigen vorbereitenden Mittheilung hinausgreifen und mit den Ergebnissen der noch schwebenden weiteren Untersuchung der Trüffelfrage späterer Gelegenheit vorbehalten bleiben sollen.

Biologische und physiologische Bedeutung der Mycorhiza. Die organische Verbindung zwischen der Cupuliferenwurzel und dem Pilzmycelium zu einem morphologisch selbständigen Organ, sowie das in inniger gegenseitiger Abhängigkeit erfolgende Wachsthum beider Theile und die engen Beziehungen physiologischer Functionen, welche zwischen beiden bestehen müssen, lassen dieses Verhältniss als ein neues Beispiel von  S y m b i o s e  im Pflanzenreiche erscheinen, und da es sich dabei nicht mehr um niedere Organismen, sondern um die höchst entwickelte Pflanzenform, um Bäume handelt, unstreitig als eines der ungeahntesten und interessantesten. Was zunächst das Pilzmycelium anlangt, so muss es unzweifelhaft der lebenden Cupuliferenwurzel gegenüber als Parasit angesehen werden, wie aus der ganzen Wurzel hervorgeht. Das hier zu Grunde liegende Nahrungsbedürfniss des Pilzes wird sich, wie das ja für alle parasitischen Pilze gilt, hauptsächlich auf die assimilirten, kohlenstoffhaltigen Nahrungsstoffe beziehen, welche der Baum durch seine chlorophyllhaltigen Organe bereitet. Dagegen übernimmt hinsichtlich der mineralischen Bodennährstoffe der Pilz seine Ernährung offenbar selbst, denn er ist es ja, der die mit dem Boden allein in Berührung stehenden peripherischen Theile der Mycorhiza bildet und von da mit zahllosen Fäden in den Boden eindringt, die gleich Wurzelhaaren mit dessen Partikeln verwachsen. Von hohem Interesse muss jetzt die Frage sein, ob durch den Pilzparasitismus auf den Wurzeln dem Baume ein Schaden erwächst, da wir ja aus tausend Fällen wissen, dass parasitische Pilze ihren Nährpflanzen verderblich sind. Die morphologischen Veränderungen, welche die Baumwurzeln unter dem Einflusse des Parasiten annehmen, charakterisiren sich unzweifelhaft als eine wenn auch schwachgradige Hypertrophie oder Cecidienbildung, die auf einen durch den Pilz auf das Wachsthum der Wurzel ausgeübten Reiz hindeutet. Allein die Wurzel wird durch den Pilz keineswegs getödtet und sie verliert auch trotz ihrer Veränderung nicht die Fähigkeit für den Baum zu functioniren, wie ja das Gedeihen des letzteren zur Genüge beweist. Aus demselben Grunde kann auch die Entziehung von assimilirten Nährstoffen durch den Pilz für den Baum nicht ins Gewicht fallen. Wäre dem nicht so, so könnte es ja, da der Pilz bereits vom ersten Lebensjahre bis ins hohe Alter die Wurzeln eines jeden Cupuliferenbaumes begleitet, überhaupt keine gesunde Buche und Eiche geben. Wir schliessen aus alledem, dass die Wurzelpilze wenigstens im Myceliumzustande dem Baume keinerlei Nachtheil bereiten können. Schon dieser Umstand drückt eben diesem Verhältnisse den Stempel der Symbiose auf, wo die beiden vereinigten Wesen, ohne gegenseitige Schädigung, vielmehr zur wechselseitigen Hülfeleistung zusammenleben. Denn für das, was der Pilz von der Pflanze empfängt, leistet er ihr auch einen Gegendienst, einen Dienst von eminenter Bedeutung, denn dieser stellt sich als der wichtigste Factor in der Ernährung des Baumes dar. Es kann nicht bestritten werden, dass das ganze für den Baum erforderliche Quantum von Wasser und Nährstoffen aus dem Boden nur durch Vermittelung des Pilzes demselben wird, weil eben nur er es ist, der den ganzen oberflächlichen Theil der Saugwurzeln ausmacht und mit seinen Fäden die Rolle der Wurzelhaare anderer Pflanzen den festen Bestandtheilen des Bodens spielt. In der Volumvergrösserung der Epidermiszellen der Wurzel und in der vollständigen Umspinnung derselben mit den Hyphen des Pilzes müssen wir eine Einrichtung erkennen, welche wahrscheinlich mit zum Geschäfte der Nahrungsaufnahme für den Baum bestimmt ist. Der Pilz nimmt also die mineralischen Bodennährstoffe nicht nur zu seiner eigenen Ernährung, sondern zugleich auch für den Baum auf, und wir müssen daher den Wurzelpilz als das alleinige das Wasser und die Bodennahrung aufnehmende Organ der Eiche, Buche etc. betrachten; er functionirt in Bezug auf diese Ernährung als die Amme des Baumes. So würden die Cupuliferen gegenüber den autotrophen Pflanzen und Bäumen das Verhältniss der Heterotrophie, wie man es nennen kann, d. h. die Ernährung aus dem Erdboden mit Hülfe eines anderen Wesens, in einem wahrhaft grossartigen Massstabe zeigen, denn bislang war dies nur von den Gonidien der Flechten und einigen in höheren Pflanzen eingeschlossen lebenden niederen Algen bekannt.

Mit dieser Symbiose der Flechten ist aber diejenige der Cupuliferen in der That mutatis mutandis in genaueste Parallele zu stellen, nämlich was den biologischen Charakter, d. h. sowohl die Bedürfnisse wie die Leistungen, die aus dieser Lebensgenossenschaft für die Ernährung beider Theile erwachsen, anbetrifft, und zwar ist der Wurzelpilz den Flechtenhyphen, der Baum den Flechtengonidien analog; der Vergleich braucht nicht näher erläutert zu werden. Sogar bezüglich der Frage, inwieweit dieses symbiotische Verhältniss für beide Theile nothwendig oder entbehrlich ist, scheint völlige Uebereinstimmung zu herrschen. Denn wie bei den Flechten bekannt ist, dass für die Gonidien die Symbiose keine nothwendige Existenzbedingung ist, indem man dieselben auch aus der Flechte isolirt zu weiterer Entwickelung in freier Algenform zu bringen vermocht hat, so lassen sich auch, wie oben erwähnt, Cupuliferen in Wasserculturen wurzelpilzfrei Jahre lang ziehen. Besonders kräftig entwickeln sich freilich Cupuliferen in Wasserculturen nicht. Doch das ist wohl sicher zum Theil auf Rechnung des ungewöhnlichen Mediums zu setzen, denn es zeigt sich in ähnlicher Weise auch an anderen Landpflanzen bei dieser Culturmethode. Ob also die Cupuliferen mit ihrer Pilzamme sich vielleicht sogar besser ernähren als ohne dieselbe, ist aus diesen Versuchen nicht zu erkennen, und ein anderer Massstab fehlt uns für diese Frage, weil es eben keine wurzelpilzfrei erwachsene Cupulifere zu geben scheint. Wie dagegen die Flechtenhyphen ohne die Gonidien sich nicht zu gedeihlicher Entwickelung und jedenfalls nie zur Erreichung ihrer typischen Fruchtbildung bringen lassen, so scheinen auch die Pilze der Mycorhiza in ihrer Entwickelung auf begabten Baum angewiesen zu sein. Es ist mir bisher nicht gelungen, an Schnitten durch lebende Mycorhizen nach Einlegen in Wasser oder in pilzliche Nährstofflösungen, z. B. Pflaumendecoct, irgend ein weiteres Wacbsthum der Pilzfäden zu konstatiren. Auch die strenge Abhängigkeit, in welcher das Vorkommen der Trüffel-Fruchtkörper von der Anwesenheit lebender Bäume steht, ist ein hier zu betonendes Moment. Das würde immerhin die Annahme nicht ausschliessen, dass auch ohne den ernäbrenden Baum eine schwache Entwickelung des Pilzes im Boden, vielleicht bis zu gewissem Grade saprophag, möglich ist, um die allgemeine Verbreitung desselben im Vegetationsboden zu erklären. Endlich findet sich bei den Wurzelpilzen auch ein Anklang an die andere auffallende Abhängigkeit der Flechten, nämlich die Beziehung zum Substrat: wie viele Lichenen in ihrem Vorkommen und ihrer vollkommenen Entwicklung an ganz bestimmte Felsarten gebunden sind, so hat das Vorkommen der Fruchtkörper unterirdischer Pilze, von der Anwesenheit der ernährenden Bäume abgesehen, auch eine bemerkenswerthe Beziehung zur geognostischen Bodenbeschaffenheit, die z. B. bei den essbaren Tuberarten mit Bestimmtheit auf unterliegendes Kalkgestein hinweist. Der Unterschied zwischen den beiden hier verglichenen symbiotischen Verhältnissen ist also schliesslich nur ein morphologischer, durch die Differenzirung und Ausgliederung des Körpers der Phanerogame gegenüber der Alge bedingter.

    Pflanzenphysiologisches Institut der Königl. landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin.

 

Neue Mittheilungen über die Mycorhiza der Bäume und der Monotropa hypopitys.


adapted for the internet: Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de