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Eutrophierung von Gewässern (Teil 2, siehe auch Teil 1)


Die Mehrzahl der mitteleuropäischen Seen ist eutroph, der Eutrophierungsprozeß wird durch menschliche Einwirkung beschleunigt. Dazu zwei Beispiele:

Sedimentanalysen vom Boden des Großen Plöner Sees ergaben, daß er im 13. Jahrhundert ziemlich plötzlich vom oligotrophen in eutrophen Zustand überführt wurde. Ein Grund dafür war die Entscheidung der Stadt Plön, Ten natürlichen Ablauf (die Schwentine) weitgehend zu unterbinden. Der Seespiegel stieg als Folge dieser Maßnahme um mehr als zwei Meter. Große Teile der flachen, vielfach sumpfigen Gewässerumgebung wurden überflutet und bildeten damit einen neuen Lebensraum für eine üppige Litoralflora (und -fauna), die ihrerseits, zusammen mit der Einspülung organischen Materials, zur Erhöhung des Nährstoffangebots im See führte. Im 20. Jahrhundert erfolgte ein weiterer sprunghafter Anstieg des Eutrophierungsgrads. Die Einleitung ungeklärter Abwässer, die Überdüngung von seenahen landwirtschaftlich genutzten Flächen, und der hohe Phosphatanteil in Waschmitteln sind die Hauptursachen hierfür.

Das zweite Beispiel ist der Bodensee: An seinen Ufern liegen weit über 100 Gemeinden mit zusammen mehr als drei Millionen Einwohnern. Durch Fremdenverkehr sind jährlich zusätzliche 4,7 Millionen Übernachtungen zu verzeichnen. Für alle Menschen ist der See ein Trinkwasserreservoir, Abwässer werden (wurden) ungeklärt eingeleitet. Jährlich werden 1,5 Millionen Kilogramm Fische gefangen. Wegen unterschiedlicher Tiefe und Uferstrukturierung sind Ober- und Untersee (253, respektive 46 m tief; mittlere Tiefe 100 m, respektive 20 m) als getrennte Seetypen oder Ökosyteme zu betrachten. Der Untersee gilt seit langem als eutroph. Wegen des großen Wasservolumens des Obersees wird in ihm ein ausreichender Sauerstoffvorrat gespeichert, so daß der überwiegende Teil des Planktons schon im Absinken abgebaut wird. Nur ein verschwindend geringer Teil erreicht das Sediment. Durch die Vollzirkulation im Winter gelangen nur geringe Nährstoffmengen an die Oberfläche, viel Phytoplankton wird dabei jedoch in die Tiefe gerissen, die Algen sterben ab, die Primärproduktion wird dadurch zeitweilig vollständig blockiert. Wegen der genannten Bedingungen ist der Obersee als klassisches Beispiel für einen oligotrophen See bekannt geworden. Im Verlauf dieses Jahrhunderts änderten sich die Bedingungen schlagartig. 1948 wurden erstmals meßbare Phosphatwerte im Obersee festgestellt. Die Menge nahm im Zeitraum zwischen 1950 und 1970 exponentiell zu (59 Prozent durch erhöhten Waschmittelgebrauch). Parallel dazu stieg die Algenbiomasse gleichfalls exponentiell an, so daß der Obersee heute, zumindest in weiten, vorwiegend küstennahen Bereichen, als eutroph einzustufen ist.


Gewässergütebeurteilung / Saprobiensystem

Die unterschiedlichen Organismenarten zeichnen sich durch unterschiedliche Empfindlichkeitsschwellen gegenüber Schadstoffen aller Art aus. Ihr Vorkommen kann daher als Indiz für den Grad der Belastung eines Gewässers angesehen werden. Es erwies sich daher als zweckmäßig, zwischen vier Saprobiestufen (Wassergüteklassen) zu unterscheiden, die wie folgt definiert werden:

Wassergüteklasse I reines Wasser ohne darin gelöstes organisches Material.

Wassergüteklasse II (beta-mesosaprobe Zone): Das Wasser enthält nur wenige Bakterien, es ist sauerstoffreich und klar, allenfalls durch Wasserblüten getrübt. Das Plankton ist artenreich, die Ufer der Gewässer sind oft stark verkrautet. Die Leitorganismen dieser Zone sind gegenüber Fäulnisprodukten, geringem Sauerstoffgehalt und stärkeren pH- Schwankungen empfindlich. Den Gewässern kann (bei entsprechender Aufbereitung) Trinkwasser entnommen werden. Die Mehrzahl der mitteleuropäischen Seen ist dieser Stufe zuzuordnen. Sie enthalten eine vielfältigere Flora und Fauna als die der übrigen Saprobiestufen.

Wassergüteklasse III (alpha-mesosaprobe Zone): Die Gewässer dieser Güteklasse sind noch zur Selbstreinigung befähigt, da in ihnen Oxydationsprozesse überwiegen. Das Wasser ist zwar sauerstoffreich, doch ist die Sauerstoffzehrung aufgrund hoher bakterieller Aktivitäten sehr hoch. Kieselalgen, Grünalgen, zahlreiche Protistenarten sind häufig.

Wassergüteklasse IV (polysaprobe Zone): Die am stärksten verschmutzte Zone. Das Wasser ist ganz oder nahezu sauerstofffrei; es ist übelriechend, der Gewässerboden ist von einer dicken Faulschlammschicht bedeckt. Bakterien sind zahlreich, alle übrigen Organismen sind - von einzelnen Arten abgesehen - spärlich vertreten. Zu den typischen Bewohnern der polysaproben Zone gehören heterotroph lebende Protisten, einige Blaualgenarten und Schlammröhrenwürmer (Tubifex tubifex). Zu dieser Zone rechnet man ungeklärte Abwässer sowie Flüsse und Seen an Stellen, an denen Abwässer eingeleitet werden. In Verlandungszonen kann es durch Ansammlung tierischer und pflanzlicher Überreste zu polysaproben Verhältnissen kommen.

Die Einteilung in die obengenannten Wassergüteklassen berücksichtigt nur die Belastung (Verschmutzung) der Gewässer durch organisches Material sowie die dadurch bedingte erhöhte Sauerstoffzehrung. Sie macht jedoch keine Aussage über die Belastung durch nichtabbaubare organische Substanzen (wie 2,4 D, Dioxin oder andere chlorierte Kohlenwasserstoffe) sowie Schwermetalle. Durch abbaubares Material belastete Gewässer können sich regenerieren und können dann wieder als sauber gelten. Für nichtabbaubare Materialien trifft die Aussage nicht zu.

Es ist problematisch, Fließgewässer nach Wassergüteklassen einzuteilen, da sich der Wasserkörper ständig ändert. Die Einteilung ist aber auch dort zutreffend, wenn die Belastung an bestimmten Stellen als permanent zu betrachten ist (Einleitung ungeklärter Abwässer, Industrieabwässer, warmen Wassers u.a.).

Eine weitere Komplikation: Es zeigte sich in den letzten Jahren, daß sich etliche Arten an steigende Belastung adaptieren. So treten, nach jahrelanger Abwesenheit, "empfindliche" Arten auch in verschmutzten Gewässern wieder auf, Mutanten erobern verlorenes Terrain zurück.


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