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Änderungen auf molekularer Ebene und ihre Auswirkungen auf die Evolution der Pflanzen


Karyotypanalysen haben Entscheidendes zum Verständnis von Evolutionsprozessen beigetragen. Die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen ließen jedoch viele Fragen offen und warfen neue auf. So zeigte sich z.B., daß das Produkt aus Chromosomenzahl x Chromosomengröße keineswegs an zunehmende Leistung des genetischen Materials geknüpft ist. Bei vielen polyploiden Arten sind die Chromosomen weit kleiner als bei der vergleichbaren diploiden Art; dies weist auf einen Verlust von genetischem Material im Verlauf des Polyploidisierungsprozesses hin.

Durch die Fortschritte in der Molekularbiologie wurden neue Wege eröffnet, Genome zu charakterisieren, ihre Abänderungen zu erfassen und ggf. deren Ursachen zu ermitteln. Die drei folgenden Verfahren erwiesen sich als besonders vielversprechend:

1. Cytophotometrische Bestimmung des DNS-Gehalts von Zellkernen.

2. Bandierungstechniken: Durch spezielle Anfärbeverfahren lassen sich

die strukturelle Untergliederung der Chromosomen,
die Verteilung von Eu- und Heterochromatin, sowie
die Unterschiede zwischen homologen Chromosomen verwandter Arten (oder Rassen einer Art) sichtbar machen.

Besonders eindrucksvoll ist die Identifikation von Translokationen und Inversionen.

3. Durch Fraktionierung und Analyse isolierter DNS kann der Anteil repetitiver Sequenzen und deren Verteilung im Genom erkannt werden. Dadurch gewinnt man einen Zugang zu der Frage nach der Höhe des Anteils tatsächlich transkribierter DNS, und damit läßt sich die Zahl aktiver Gene ermitteln. Die Bedeutung der Genomvergrößerung und -reduzierung für den Verlauf der Evolution sowie für Spezialisierungen kann abgeschätzt werden.

In den letzten Jahren zeichnete es sich immer deutlicher ab, daß die DNS kein statisches, unveränderliches Molekül ist, sondern eines, das in ständigem Umbau begriffen ist. Einen maßgeblichen Anteil daran haben springende (wandernde) oder mobile genetische Elemente (mobile Gene, controlling elements, Transposons) und alles spricht dafür, daß deren Existenz eine Voraussetzung für das Zustandekommen von Translokationen, Inversionen und anderen chromosomalen Veränderungen ist. Die Häufigkeit ihres Auftretens scheint einen wesentlichen Einfluß auf die Evolutionsgeschwindigkeit der Organismen zu haben und entscheidet mit darüber, welche Taxa erfolgreicher als andere sind.

Mobile genetische Elemente wurden zunächst beim Mais, dann auch bei Drosophila, und schließlich überall dort gefunden, wo man nach ihnen suchte. Die vorliegenden Befunde sind derzeit aber noch nicht ausreichend, um die eigentlichen anstehenden Probleme der Evolutionsforschung zu klären. Doch allein der Nachweis solcher Elemente und ihrer Aktivitäten macht deutlich, daß wir es hier mit einem leistungsfähigeren variationsverstärkenden Faktor zu tun haben, nicht mit einfachen Mutationen, die uns von der klassischen Genetik her geläufig sind (SCHWARZ-SOMMER et al., 1985, KUBITZKI et al., 1991)


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