Kartoffeln wehren Pilze ab

Gentechnisch induzierter Schutz vor der Kraut- und Knollenfäule

Originalquelle: http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~pr/MPIZaktuell/PKartoffel/PKartoffel.html


Der Schaderreger

Die Kraut- und Knollenfäule ist die wichtigste, durch Pilze hervorgerufene Krankheit der Kartoffel. Sie wird durch den Erreger Phytophthora infestans verursacht. Die Ertragsausfälle übersteigen besonders in feuchten Sommern regelmäßig 20 % des durchschnittlichen Ertrages. Dann hat der Pilz optimale Bedingungen zur Vermehrung.

Erste Symptome der Krankheit werden an Blättern und Stengeln sichtbar: Von den Blatträndern her treten braune Flecken auf. Sie vergrößern sich rasch bei feuchtem Wetter oder starker Taubildung und bilden auf der Unterseite der Blätter einen weißen Pilzrasen, der an Schimmel erinnert. An den Enden der Pilzfäden entstehen Sporenbehälter (Sporangien). Die Sporen werden bei Nässe freigesetzt und dringen mit Hilfe eines Keimschlauchs aktiv in das pflanzliche Gewebe ein. Bei Temperaturen über 15°C keimen die Sporangien auch direkt aus. Der Pilz gelangt über Wunden, natürliche interzellulare Öffnungen (Lentizellen) und Keimanlagen schon während der Vegetationszeit oder bei der Ernte in die Knollen. Befallene Knollen weisen grau-blau verfärbte Flecken und braunes Knollenfleisch - ohne scharfe Abgrenzung zu gesundem Gewebe - auf. Sie sind ungenießbar.

Der Pilz überwintert in den Knollen. Schon eine infizierte, faule Knolle kann ausreichen, um eine Epidemie in einem Kartoffelbestand zu entfachen. Mitte der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts vernichtete eine solche Phytophthora-Epidemie fast die gesamte Kartoffelernte in Irland. Durch die extreme Abhängigkeit der Bevölkerung von der Nutzpflanze Kartoffel waren die Auswirkungen verheerend. Es kam zu einer schweren Hungersnot, die eine Auswanderungswelle in die Vereinigten Staaten auslöste.

Der Pilz Phytophthora infestans befällt
Kartoffelpflanzen -hier ein infiziertes Blatt unter dem Mikroskop-
und führt zu hohen Ertragseinbußen. Im vergangenen
Jahrhundert verursachte dieser Pilz eine Hungersnot in Irland.


Bekämpfung des Pilzes

Die Züchtung auf Widerstandsfähigkeit (Resistenzzüchtung) gegen diesen wichtigen Schaderreger zeigte bislang nur wenig Erfolge. Es gibt sehr viele verschiedene Rassen dieses Pilzes. Die meisten Kartoffelsorten sind jeweils nur gegen bestimmte Rassen widerstandsfähig, gegen andere dagegen anfällig. Bei einigen Sorten ist die Resistenz in Kraut und Knollen auch unterschiedlich stark ausgeprägt. Im praktischen Anbau sollte nur gesundes Pflanzgut Verwendung finden. Befallene Pflanzen müssen sorgfältig beseitigt werden. Sparen am falschen Platz durch die Verwendung infizierter Knollen aus der eigenen Ernte als Pflanzgut kann für den Landwirt fatale Folgen haben. Zum Schutz vor einer epidemischen Ausbreitung der Kraut- und Knollenfäule werden systematische Behandlungen mit synthetischen Bekämpfungsmitteln gegen Schadpilze (Fungizide) durchgeführt. Die Behandlungen erfolgen vorbeugend, zumeist gemäß den Warnmeldungen des Pflanzenschutzdienstes.


Phytophthora infestans kann die gesamte Pflanze
- hier ein infiziertes Blatt - befallen.

Die akute Infektionsgefahr läßt sich anhand regelmäßig ermittelter Werte der Lufttemperatur, der relativen Luftfeuchte und des Niederschlags feststellen. Dabei spielt das Auflaufdatum (das Erscheinen der ersten Blätter) eine wichtige Rolle. Im Abstand von 10 - 20 Tagen spritzt der Landwirt dann den Kartoffelbestand vorbeugend mit wechselnden Präparaten. Dadurch versucht er, die Entwicklung von Resistenzen des Pilzes gegen einzelne Fungizidwirkstoffe zu unterbinden. Denn Resistenzen von Kulturpflanzen gegen die Wirkstoffe häufig eingesetzter Pflanzenbehandlungsmittel treten in den letzten Jahren verstärkt auf. Sie erschweren eine wirkungsvolle Bekämpfung des Schaderregers.

Die Knollen von Kartoffeln, die von dem Pilz
befallen sind, sind ungenießbar.


Der gentechnische Forschungsansatz

Ein wichtiges Ziel der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung ist es, einen besseren Schutz der Pflanzen vor Krankheitserregern zu erreichen (siehe auch MPIZ aktuell 1996/2). Damit soll der Einsatz von synthetischen Behandlungsmitteln eingeschränkt werden.

Auf der gentechnisch veränderten Pflanze (rechts) vermehrt sich der Pilz
deutlich langsamer als auf der nicht veränderten Pflanze (links).

In der Abteilung Biochemie des MPIZ erforschen Wissenschaftler die Reaktionen von Pflanzen, die an der Abwehr gegen Krankheitserreger (Pathogene) beteiligt sind. Dabei konnte die Region eines Pathogen-Abwehrgens aus der Kartoffel isoliert werden, die dieses Gen kontrolliert. Ein solches Element der Kontrolle heißt Promotor, in diesem Fall prp1-1-Promotor. Es bestimmt wann, wo und wieviel des Genproduktes hergestellt wird. Der prp1-1- Promotor vermittelt nach einer Infektion der Pflanze mit dem Pilz Phytophthora infestans Genaktivierung. Diese regulatorische DNA-Sequenz eignet sich sehr gut als Steuerelement für die gentechnische Stärkung der Widerstandskraft der Pflanze gegen den Schaderreger. Sie reagiert nämlich nicht auf andere Signale - z.B. abiotische Umweltreize wie Verwundung, hohe Temperaturen oder Licht- und Dunkelwechsel. Der prp1-1- Promotor zeigt allerdings auch in bestimmten Bereichen nicht infizierter Wurzeln eine gewisse Aktivität.


Das Zwei-Komponenten-System

Wissenschaftler haben aus dem Bodenbakterium Bacillus amyloliquefaciens ein Gen - das sogenannte Barnase-Gen - isoliert. Dieses Gen codiert für ein zelltoxisches (für die Zelle giftiges) Enzym, eine Ribonuklease. Nur wenige Moleküle dieses Enzymproteins reichen aus, um eine Pflanzenzelle durch den Abbau von RNA abzutöten. Die Proteinbiosynthese ist dann in dieser Zelle nicht mehr möglich.
Dieses Barnase-Gen haben die Wissenschaftler unter die Kontrolle des prp1-1- Promotors gestellt und wollten damit erreichen, daß lediglich die Zellen der Pflanzen, die sich in unmittelbarer Nähe der Infektionsstelle befinden, absterben. Diese Reaktion entspricht dem ansonsten nur in resistenten Sorten auftretenden hypersensitiven Zelltod. Dabei stellen die lokal begrenzt abgestorbenen Bestandteile der Zellen eine wirksame Barriere für den Schaderreger dar, die er kaum durchdringen kann. Damit breitet sich der Pilz im pflanzlichen Gewebe deutlich langsamer oder gar nicht aus.

Da dieses Gen aus prp1-1- Promotor und DNA- Sequenz für die Barnase auch ohne die Anwesenheit des Erregers eine geringe Aktivität zeigt, entwickelten Mitarbeiter unseres Instituts unter der Projektleitung von Dr. Günter Strittmatter im weiteren Verlauf der Forschungsarbeiten ein Zwei-Komponenten-System. Sie übertrugen es durch Agrobakterium-Transfer (siehe MPIZ aktuell 1996/4) auf Kartoffelpflanzen. Ein Gen, das Resistenz gegen das Antibiotikum Kanamycin vermittelt, diente ihnen als sogenannter Marker. Damit war es möglich, gezielt diejenigen Zellen, die das Genkonstrukt in ihr Erbgut eingebaut hatten, auszulesen und zu kompletten Pflanzen heranzuziehen.

Schematische Gegenüberstellung der Pilzentwicklung in einer anfälligen Pflanze
(links: der Pilz wächst ungehindert durch das Blattgewebe) und einer resistenten Pflanze
(rechts: der Pilz wird durch die hypersensitive Reaktion an der Ausbreitung
gehindert und stirbt nach einiger Zeit ab).

Die eine Komponente dieses Systems besteht aus der zuvor beschriebenen Kombination des prp1-1- Promotors mit dem Barnase-Gen. Die andere Komponente umfaßt das Barstar-Gen unter Kontrolle des in Pflanzen sehr aktiven 35S-Promotors aus dem Blumenkohlmosaikvirus. Das Barstar- Gen entstammt wie das der Barnase aus dem Bodenbakterium Bacillus amyloliquefaciens. Das Gen-Produkt (Barstar) hemmt spezifisch die Ribonuklease Barnase, das Produkt des Barnase-Gens. Es soll verhindern, daß pflanzliche Zellen auch außerhalb der In-fektionsstellen geschädigt werden. Nur im infizierten Zellbereich soll die gebildete Barnase-Konzentra-tion höher sein als die von Barstar. Weil dann nicht mehr genügend Barstar zur Hem-mung der Barnase zur Verfügung steht, sterben räumlich begrenzt die infizierten Zellen ab.


Erste Gewächshaus-versuche zeigten die gewünschten Erfolge: Bei verschiedenen infizierten Kartoffellinien führte die Anwendung dieses Zwei-Kompo-nenten-Systems aus Bastar und Barnase zu einer deutlichen Verminderung der Vermeh-rungsrate des Pilzes Phytophthora infestans.

Solche Gewächshausversuche müssen aber im Freiland überprüft werden. Denn nur so lassen sich die gewonnenen Daten für die Praxis bestätigen. Daher beantragte das Institut eine Reihe von Freilandversuchen.


Der Freilandversuch

Die Wissenschaftler des MPIZ wollen nun prüfen, ob dieses Zwei-Komponenten-System auch unter praxisnahen Bedingungen im Freien einer epidemischen Ausbreitung der Kraut- und Knollenfäule vorbeugen kann.

Das Versuchsfeld im Juli 1996 vor der Zerstörung.


Das Robert-Koch-Institut genehmigte für die Jahre 1996 -1999 die beantragten Freilandversuche. Kartoffelpflanzen, die das Zwei-Komponenten System enthalten, und nicht gentechnisch veränderte Pflanzen der sehr anfälligen Sorte Bintje werden dabei miteinander verglichen. Zusätzlich soll die Stabilität der Genausprägung erforscht werden. Denn nach bisherigen Erfahrungen kann z.B. eine teilweise Inaktivierung des unter Kontrolle des 35S-Promotors stehenden Barstar-Gens nicht ausgeschlossen werden (siehe MPIZ aktuell 1996/1). Ein weiterer wichtiger Aspekt der Untersuchungen ist die Sicherheitsforschung: Wirken sich die gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Umwelt aus? Gibt es zum Beispiel Wechselwirkungen mit Mikroorganismen im Boden? Dazu unterstützte das Bundesministerium für Bildung, Forschung und Technologie (BMBF) diese Freilandversuche im Rahmen der Sicherheitsforschung finanziell.

Das Versuchsfeld im August 1996. In der Nacht zerstörten Gentechnikgegner
das gesamte Feld, indem sie die Versuchspflanzen herausrissen.

Der erste Versuch startete nach erteilter Genehmigung im Juni 1996 auf dem Versuchsgelände des Instituts. Doch Anfang August zerstörten Gegner der Gentechnik das Feld. Sie drangen während der Nacht in das Versuchsgelände ein und rissen die Pflanzen aus dem Boden. Der entstandene materielle Schaden wird auf DM 150 000 - 170 000 geschätzt. Der wissenschaftliche Schaden ist nicht abschätzbar.


Literatur

Vorschau

Unsere nächste Ausgabe von MPIZ aktuell befaßt sich mit Methoden der Gentechnik: Wie gelangen fremde Gene in Pflanzenzellen?
In den folgenden beiden Ausgaben geht es um Nachwachsende Rohstoffe.


Text: Wolfgang Schuchert, Ellen Peerenboom
Layout: Ellen Peerenboom, Wolfgang Schuchert
Bildnachweis: M. Kalda, F. Furkert, SCRI Schottland

Herausgeber:
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
Carl-von-Linné-Weg 10
D-50829 Köln

Nachbestellung von MPIZ aktuell gegen eine Schutzgebühr von 0,50 DM pro Exemplar zuzüglich Porto ab 10 Exemplare schriftlich an oben genannte Adresse oder telefonisch unter Tel.: 0221 5062 500, Fax: 0221 5062 513

MPIZ aktuell ist ebenfalls über Internet abrufbar unter
http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~rsaedler/
MPIZaktuell/MPIZaktuell.html
Umgeschrieben auf HTML von R.Saedler


© 1996 W. Schuchert, Ellen Peerenboom und MPI für Züchtungsforschung


Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de