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Andere Wachstumsregulatoren


Oligosaccharine

Oligosaccharine sind natürlich vorkommende Kohlenhydrate mit regulatorischer Funktion. Sie wurden erst in den letzten Jahren in der Arbeitsgruppe von P. ALBERSHEIM (Complex Carbohydrate Research Center, Athens, Georgia) entdeckt, und je mehr man sich mit ihnen befaßte, um so mehr Funktionen ließen sich ihnen zuschreiben. Sie beeinflussen Wachstum und Differenzierung von Zellen und sind an Abwehrmechanismen gegenüber Pilzen und Bakterien beteiligt. Es sind in der Regel niedermolekulare Abbauprodukte der Zellwand, deren Menge bei Mono- und Dikotyledonen bis zu 2% des gesamten Zellwandmaterials ausmacht. Oligosaccharine sind in struktureller Hinsicht außergewöhnlich vielfältig. Nach einer groben Abschätzung werden über 100 Enzyme zu ihrer Bildung benötigt. Neben den in der Hemicellulosefraktion häufigen Zuckern wie Galactose, Rhamnose, Xylose und Arabinose treten zahlreiche neue Zucker mit sieben oder acht C-Atomen und mit z.T. unüblichen Substitutionen (zusätzlichen COOH-Gruppen) auf. Die Zuckerreste in den Poly- bzw. Oligosacchariden der Pflanzenzellwand enthalten keine Stickstoffderivate, während etwa die Hälfte aller extrazellulär vorkommenden Zucker bei Tieren solche Reste tragen (meist sind die Zucker dort amidiert).

Insgesamt wurden in Oligosaccharinen 65 verschiedene Monosaccharide, die in über 20 verschiedenen Bindungstypen untereinander verknüpft sind, identifiziert. Ein solch umfangreiches Spektrum an Verbindungen kannte man bisher nur von Proteinen (und Nukleinsäuren), und es sieht nunmehr so aus, als würde ihnen bei Pflanzen eine ähnlich große Bedeutung zukommen wie den Peptidhormonen im tierischen Organismus.

Die Freisetzung von Oligosaccharinen kann durch Auxin stimuliert werden, doch auch Pilzinfektionen oder Beschädigungen von Pflanzenzellen wirken stimulierend. Nach Pilzinfektion freigesetzte Oligosaccharine induzieren die Bildung eines Antibiotikums, womit sich die Pflanze vor der weiteren Ausbreitung des Pilzmycels schützt. Sie können aber auch benachbarte Zellen zum Absterben bringen. Damit wird den Pilzen (oder anderen Mikroorganismen und Viren) die Voraussetzung zur Ausbreitung im Pflanzengewebe genommen (Hypersensitivität). Die Wirkung ist nicht artspezifisch. Aus Ahornzellen gewonnene Oligosaccharine wirken auch auf Maiszellen, und umgekehrt wirken Oligosaccharine aus Maiszellen auf solche aus Ahorn. In Gewebekulturen induziert die Zugabe bestimmter Oligosaccharine die Morphogenese (Sproß- und Wurzelgewebe). Ein Nonasaccharid hemmt auxininduziertes Streckungswachstum, ihm kommt damit eine Regulatorfunktion der Auxinwirkung (feedback modolator) zu.


Ein Second messenger: Calciumionen

Wie kaum ein anderes Ion wird Calcium für die Regulation zellulärer Prozesse (Polaritätsausbildung, Sekretion, Wachstum, Teilung und Genexpressivität) benötigt. Seine Konzentration im Cytosol ist im Vergleich zu der im umgebenden Medium (einschließlich der Zellwand) sowie der in Mitochondrien, Vakuolen und dem Endoplasmatischen Retikulum außergewöhnlich niedrig, und schon das spricht dafür, daß die Zellen viel Energie (ATP) investieren, um überschüssiges Calcium aus der Zelle auszuschleusen. Eine Calcium-Aufnahme wird durch zahlreiche Faktoren, so u.a. durch die Phytohormone Auxin, Cytokinin und Gibberelline, durch das Phytochrom und durch die Schwerkraft stimuliert. Alles das weist auf die Rolle des Calciums als second messenger in der Zelle hin. Es ist damit ein Glied in einer Kausalkette, in der zahlreiche Signale unabhängig voneinander wahrgenommen und verrechnet werden (hier: erkennbar durch die Calciumaufnahme). Als Folge einer erhöhten Calciumkonzentration in der Zelle können wiederum eine Reihe unterschiedlicher Prozesse initiiert werden. So sind z.B. Wachstumsprozesse und Knospenbildung mit einem intrazellulären Anstieg der Calciumkonzentration korreliert. Bei einer Hemmung der Calciumaufnahme unterbleibt eine Knospenbildung. Der gleiche Effekt kann auch durch einen Cytokinin- oder Auxinmangel hervorgerufen werden, andererseits hat es sich aber auch gezeigt, daß Abscisinsäure als ein Antagonist der Calcium - Aktivität als second messenger wirkt, indem sie durch Bindung an den Calcium - Kanal (die Calcium - Pumpe) an der Membranaußenseite den Transport von Calcium in die Zelle unterbindet (OWEN, 1988)

In Pollenschläuchen ist ein Gradient an membrangebundenem Calcium von der Spitze zur Basis nachgewiesen worden. Er wird durch einen kontinuierlichen Einstrom von Calcium am Plasmaschlauchpol aufrechterhalten. Das Calcium steuert ein polares Wachstum, einen Vesikeltransport entlang von Aktinfilamenten, sowie Membranfusionen, z.B. zwischen Vesikelmembranen und dem Plasmalemma (H. D. REISS, Universität Heidelberg, 1987). Intrazelluläres Calcium ist in der Regel an ein Protein, das Calmodulin, gebunden. Der Komplex Calcium-Calmodulin zusammen mit einer weiteren Komponente (dem RE, response element, ebenfalls einem Protein) wirkt als eine Proteinkinase, die die Phosphorylierung zahlreicher Proteine katalysiert, welche ihrerseits voneinander unabhängige, aber z.T. nebeneinander existierende Entwicklungs-, Differenzierungs- und Bewegungsabläufe in der Zelle steuern.

Aus Knospen der Erbse isolierte A. J. TREWAVAS (University of Edinburgh, 1987) eine membrangebundene Calcium-abhängige Proteinkinase. Dieses Enzym kann sich selbst phosphorylieren (Autophosphorylierung) und damit inaktivieren. Das Enzym wirkt als Schalter, der je nach Aktivitätszustand auch andere Proteine phosphoryliert und somit zelluläre Abläufe aktiviert oder - in inaktivem Zustand - bestimmte Vorgänge unterbindet.


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