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Photoperiodismus und Blühinduktion


Die Photoperiodismusforschung begann vor über 60 Jahren, als festgestellt wurde, daß es Kurztag- und Langtagpflanzen (KTP und LTP) gibt. Nachdem botanische Institute mit Einrichtungen (Klimakammern) zur Kultur von Pflanzen nach einem vorgegebenen Temperatur- und Lichtprogramm ausgestattet waren, setzte die analytische Phase der Aufklärung des Phänomens ein. Dabei zeigte sich, daß nicht die Tageslänge (Lichtphase), sondern vielmehr die Dunkelphase für die Zeitmessung und eine Blühinduktion entscheidendist. Eine minimale Lichtphase wird allein schon zur Produktion ausreichender Assimilatmengen benötigt. Ferner zeigte sich, daß die Dunkelphase sowohl einen fördernden als auch einen hemmenden Einfluß auf die Blütenbildung ausüben kann und daß beide Effekte durch permanentes Schwachlicht aufgehoben werden können.

M. W. PARKER, S. B. HENDRICKS, H. A. BORTHWICK und N. J. SCULLY nahmen 1945 das Wirkungsspektrum der photoperiodischen Reaktion auf und wiesen bereits damals auf die Bedeutung von Rotlicht hin. Wie später gezeigt wurde, steht auch der Photoperiodismus unter der Kontrolle des Phytochromsystems.

K. C. HAMNER (University of California, Los Angeles (UCLA)) fand eine Abhängigkeit der Blütenbildung der Kurztagspflanze Biloxi Soja (Sojabohne) vom Verhältnis Dunkelperiode zu Lichtperiode. Optimal sind nach achtstündiger Lichtperiode Dunkelphasen von 24 Stunden oder einem Vielfachen davon . Einer Dunkelphase braucht nicht unmittelbar eine Lichtphase zu folgen. Es genügt bereits eine kurzzeitige Unterbrechung durch "Störlicht". Die KTP Kalanchoe blossfeldiana blüht nicht, wenn das Störlicht zur falschen Zeit geboten wird.

Mit dem Beginn einer Lichtperiode setzt eine physiologische Aktivität ein, die photophile Phase beginnt. Nach etwa 9-12 Stunden wirkt jede weitere Lichtzufuhr auf die pflanzliche Entwicklung hemmend. Die Pflanze tritt in ihre skotophile (dunkelheitsliebende) Phase ein. Die nächste photophile Phase beginnt - unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten eines Nacht-Tag-Wechsels - bereits nach wenigen Stunden (an natürlichen Standorten lange vor Tagesanbruch). Dabei genügt ein reduziertes Lichtprogramm, in dem die Pflanze nur alle 72 Stunden für wenige Stunden Licht erhält, um den Wechsel von skotophiler und photophiler Phase zu synchronisieren. Vermerkt sei, daß die endogene Rhythmik maßgeblich zur Aufrechterhaltung eines ca. 24stündigen Rhythmus (circadiane Rhythmik) beiträgt. Der Photoperiodismus entscheidet im wesentlichen über die relativen Anteile der beiden genannten Phasen während eines 24-Stunden-Zeitabschnitts.

In einem Modell sind die bei Belichtung und Dunkelheit ablaufenden Prozesse in einer KTP skizziert, es besagt, daß der Vorrat an PFR am Ende einer photophilen Phase durch forcierten Abbau und mangelnden Nachschub erschöpft ist, so daß die Pflanze gar kein Licht mehr wahrnehmen kann.

Da Wachstum und Differenzierung aber darauf angewiesen sind, stagnieren ihre physiologischen Aktivitäten. Sie braucht die Dunkelphase, um den Pool an PR aufzufüllen. Andererseits steigt jener auch nicht ins Unermeßliche, sondern wird bei langandauernder Dunkelheit wieder abgebaut, so daß die skotophile Phase periodisch immer wiederkehren muß. Die Zeitmessung ist an die circadiane Rhythmik, nicht an das Phytochromsystem gekoppelt; einen Photoperiodismus gibt es auch bei Tieren, ein Phytochromsystem besitzen sie jedoch nicht, weshalb sie Zeit nach einer anderen Methode messen müssen.

Zusammenfassend lassen sich die Unterschiede zwischen KTP und LTP unter Berücksichtigung der Phytochromwirkung auf folgenden Nenner bringen (nach H. MOHR und P. SCHOPFER, 1978):

LTP: Kurztag + ausreichend PFR (in der Mitte der skotophilen Phase) > Blühhormonbildung.
KTP: Kurztag + ausreichend PFR (in der Mitte der skotophilen Phase) > keine Blühhormonbildung.

Der qualitative Unterschied in der Reaktion das gleiche Signal ist genetisch festgelegt.


Blühhormon oder Florigen

Es gibt in der ganzen Botanik keine Substanz, nach der so lange ergebnislos gefahndet wurde wie nach dem Blühhormon oder Florigen. Zumindest den Namen hat sie erhalten, und ihre Existenz ist durch Pfropfversuche ebenfalls gesichert. Für die Kontrolle der Blütenbildung ist das in Blättern lokalisierte Phytochrom erforderlich. In den Blättern erfolgt auch die Konditionierung, d.h., hier entsteht das Signal zur Blühinduktion oder zu einer Unterdrückung der Blütenbildung. Die Mehrzahl der mittlerweile klassisch gewordenen Pfropfversuche wurde an Nicotiana-Arten durchgeführt. Nicotiana sylvestris ist eine LTP, Nicotiana tabacum, var. Maryland Mammoth (M.M.) eine KTP, die meisten der übrigen Nicotiana tabacum-Sorten reagieren tagneutral.

Wird z.B. Nicotiana sylvestris unter Kurztagbedingungen kultiviert, unterbleibt die Blütenbildung, wird auf die Pflanze (den Empfänger) ein Blatt (Spender) von Nicotiana tabacum, M.M., die unter Kurztagbedingung aufwuchs, gepfropft, wird Nicotiana sylvestris zum Blühen stimuliert. Das bedeutet, daß im Nicotiana tabacum-M.M.-Blatt eine Substanz gebildet wurde, die nach der Pfropfung auf die Pfropfunterlage (den Empfänger) übertragen wurde und dort Blütenbildung hervorrief. Damit war der Beweis für die stoffliche Natur des Florigens erbracht. Es läßt sich auch das umgekehrte Experiment ansetzen: Ein Nicotiana tabacum-M.M.-Empfänger blüht unter Langtagbedingungen unter dem Einfluß eines Nicotiana sylvestris-Spenders. Vergleichbare Ergebnisse lassen sich durch Pfropfungen zwischen Nicotiana tabacum M.M. und einer Art aus der Gattung Hyoscyamus (einer LTP) erzielen, ähnliche Versuche sind auch mit anderen Arten aus mehreren Familien durchgeführt worden. Die Ergebnisse passen in ein konfliktfreies Schema.

Zusammenfassend lassen sich daher die folgenden Schlußfolgerungen ziehen (A. LANG, MSU-DOE Plant Research Laboratory, East Lansing, 1984):

  1. In den Blättern von Pflanzen entsteht eine hormonartige Substanz (Florigen), oder vielleicht ein Komplex von Substanzen, die zu den Sproßmeristemen geleitet wird und diese zum Übergang von vegetativem Wachstum zur Blütenbildung veranlaßt.

  2. Florigen ist nicht artspezifisch. Es läßt sich zwischen Individuen einer Art, zwischen Individuen einer Gattung, und Individuen aus verschiedenen Gattungen übertragen. Die Grenze der Übertragbarkeit wird offenbar nur durch die Pfropfverträglichkeit gesetzt. Wichtig scheint eine gute Verbindung der Phloeme beider Partner zu sein. (Bei Monokotyledonen sind Pfropfungen sehr schwierig zu bewerkstelligen, eine Florigenübertragung durch Pfropfung gelang nicht; es gibt aber andere Verfahren, durch die gezeigt wurde, daß es auch dort benötigt wird.)

  3. Florigen ist nicht spezifisch im physiologischen Sinn. Es läßt sich zwischen Langtag-, Kurztag- und tagneutralen Pflanzen in beliebiger Richtung "austauschen". Mit großer Wahrscheinlichkeit ist es bei allen Pflanzen identisch. Der Hauptunterschied zwischen Kurztag- und Langtagpflanzen liegt darin, daß die Florigenproduktion nur unter einem bestimmten (induktiven) Lichtprogramm erfolgt, welches in den beiden Fällen unterschiedlich ist.

Neben der induzierenden Wirkung scheint es bei einigen LTP eine ebenfalls übertragbare Substanz zu geben, die unter Kurztagbedingungen gebildet wird, eine Blütenbildung unterdrückt und daher Antiflorigen genannt wird. Die Reaktion ist schwach und nicht in allen Kombinationen nachweisbar. Florigen und Antiflorigen scheinen Antagonisten zu sein. Die Blütenbildung hängt dabei im wesentlichen vom Verhältnis der beiden Substanzen zueinander ab.

Wie kann man sich das Zusammenwirken von Florigen und Phytochrom erklären? A. LANG versucht es durch eine Analogie mit dem Modell eines Stromkreises mit alternativer Parallelschaltung. Demnach muß für Blütenbildung der "Phytochromschalter" bei einer LTP auf PFR, bei einer KTP auf PR stehen. In dieser einfachen Form kann das Schema die Produktion und Nichtproduktion von Florigen erklären. Für tagneutrale Pflanzen wäre anzunehmen, daß beide Leitungen funktionell sind.

Gegensätzliches Verhalten von Lang- und Kurztagpflanzen gegenüber der Tageslänge.

Modell in Analogie zu einem Stromkreis mit zwei Leitungen und zwei Schaltern. Links der genetisch bedingte Schalter, rechts der Phytochromschalter: für Blütenbildung muß er bei einer LTP auf PFR, bei einer KTP auf PR stehen. (A. LANG, 1984).



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