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Was ist Steuerung, was ist Regelung?


Steuerung

Die Definition nach den Richtlinien der Deutschen Industrienorm (DIN 19226) lautet:

"Steuerung ist ein Vorgang in einem System, bei dem ein oder mehrere Größen als Eingangsgrößen, andere Größen als Ausgangsgrößen aufgrund der dem System eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten beeinflussen."

Steuerung beschreibt somit eine gerichtete Auslösung (Beinflussung) eines Vorgangs und entspricht damit genau dem, was im vorangegangenen Abschnitt über die Eigenschaften eines Übertragungssystems ausgeführt wurde. Auch hier lassen sich zahlreiche Beispiele anführen:

  1. Die Ein Gen > ein Enzym-Hypothese entspricht einem gerichteten Steuervorgang (einem Algorithmus). Das Gen instruiert die Bildung eines Enzyms. Das Enzym katalysiert eine spezifische Reaktion, bei der aus einer Substanz A eine Substanz B entsteht.

  2. Durch Züchtung (Selektion) geeigneter Sorten kann der Ertrag von Kulturpflanzen gesteigert werden.

  3. Durch Wahl geeigneter externer Bedingungen können Leistungen von Pflanzen erhöht werden.

  4. Licht steuert die Entwicklung von Pflanzen.

Bei einer Steuerung wird etwas beabsichtigt. Dabei geht man davon aus, daß das System in bestimmter Weise funktioniert. Zu welchen Konsequenzen das schließlich führen kann, bleibt hier völlig außer acht. Steuerung bezieht sich daher immer nur Teilabschnitte lebender Systeme, sie reicht nicht, jene vollständig zu beschreiben, denn lebende Systeme gelten als geregelt, d.h. Konsequenzen aus Reaktionsabläufen werden sehr wohl erkannt, verrechnet und bilden Grundlagen späterer Entscheidungen.


Regelung

Regelung ist, nach DIN 19226

"der Vorgang, bei dem eine Größe, die zu regelnde Größe, fortlaufend erfaßt, mit einer anderen Größe, der Führungsgröße, verglichen, und abhängig vom Ergebnis dieses Vergleichs im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflußt wird. Der sich dabei ergebende Wirkungsablauf findet in einem geschlossenen Kreis, dem Regelkreis statt."

Ein einfacher linear geschlossener Regelkreis besteht aus einer Reihe von Elementen, die in geeigneter Weise zusammengeschaltet sind.


Es sind lineare Übertragungssysteme, die mathematische Operationen ausführen. Sie formen ein Netz gegenseitiger Abhängigkeiten. Ein Regelvorgang dient üblicherweise dazu, den Zustand eines Systems gegen den Einfluß unvorhergesehener Störungen zu stabilisieren. Dazu benötigt das System Informationen über seinen derzeitigen Zustand und Informationen über mögliche Gegenreaktionen. Die wichtigsten Elemente eines Regelkreises sind:

1. Fühler: Der Fühler oder Sensor, in biologischen Systemen oft auch Rezeptor genannt, ist eine Meß- bzw. Registriervorrichtung, die den augenblicklichen Wert (Istwert) der zu regelnden Größe mißt. Der Fühler meldet das, was er fühlt, nicht das, was er im Sinne des Regelsystems fühlen soll.

2. Regelgröße (Regelstrecke): Der Zustand oder Vorgang, der konstant gehalten werden soll, heißt Regelgröße, Regelstrecke oder Sollwert. Der Istwert stimmt nur selten mit dem Sollwert überein, in den meisten Fällen oszilliert er periodisch um ihn. Die Frequenz der Schwingung hängt von der Reaktionsgeschwindigkeit des Systems ab, die Amplitude (Bandbreite) von der Leistungskapazität.

3. Störgröße: Auf ein System wirken Störgrößen ein, die mit verrechnet werden müssen. Die Störungen müssen korrigierbar sein (Änderung der Stellgröße [Führungsgröße]). Übersteigen sie die Regelkapazität eines Systems, kommt es zu einer Regelkatastrophe, das System bricht zusammen.

4. Regler: Im Regler werden Istwert und Sollwert miteinander verglichen und abgeglichen. Der Istwert geht mit negativem Vorzeichen in den Abgleich ein, man spricht deshalb auch von negativer Rückkopplung. Eine positive Rückkopplung, wie sie z.B. bei einer Wachstumsfunktion zum tragen kommt, führt entweder zu Selbstverstärkereffekten oder zu einem Systemzusammenbruch.

Es gibt in der Biologie zahllose Beispiele, an denen ein Regelkreis erläutert und die Verrechnung von Störgrößen veranschaulicht werden kann. Ein klassisches Beispiel ist die sogenannte Endprodukthemmung, die zur Regulation von Stoffwechselwegen genutzt wird. Dabei inhibiert (hemmt) das Endprodukt einer Biosynthesekette seine eigene Synthese. Ist genügend Substanz gebildet worden, wird die Synthese vorübergehend unterbrochen. Ein weiteres Beispiel wäre die Repression von Genen. Die meisten Gene in einer Zelle liegen die längste Zeit über in inaktivem Zustand vor. Lediglich während bestimmter Phasen des Zellzyklus - oder der Entwicklung des Organismus - werden sie aktiviert. Daran können sowohl externe Faktoren als auch Genprodukte anderer Gene beteiligt sein.



Ein stabiles System kann nur so lange bestehen, solange es aus der Umwelt genügend Energie gewinnen kann. Allein schon aus der Tatsache, daß Energie stets ein limitierender Faktor ist und daß ungebremstes Wachstum durch eine Exponentialfunktion zu beschreiben ist, ist ein Systemzusammenbruch vorprogrammiert, sofern nicht Maßnahmen getroffen werden, um ungebremstes Wachstum durch geregeltes, dem Angebot an Energie angepaßtes zu ersetzen. In der realen Umwelt hat daher nur ein geregeltes System eine Überlebenschance.

Störungen natürlicher Systeme haben in den letzten Jahren wiederholt zu brisanten politischen Auseinandersetzungen geführt. Dazu nur die Stichworte Verunreinigung der Flüsse, Saurer Regen und Verklappung von "Dünnsäure" in der Nordsee. Das "Umkippen eines Gewässers" bedeutet praktisch, daß seine Aufnahmekapazität überschritten wurde und das System in sich zusammenbricht.


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