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Autopolyploidie; Somatische Polyploidie


Autopolyploidie beschreibt das mehrfache Auftreten eines einfachen Chromosomensatzes. Polyploidisierungen treten im Verlauf des Differenzierungsprozesses in pflanzlichen Geweben regelmäßig in Erscheinung, werden dann aber als Somatische Polyploidie oder Endopolyploidie bezeichnet, um Unterschied zum Begriff Autopolyplodie, der üblicherweise für die generative Chromosomensatzvervielfachung verwendet wird. Durch quantitative Bestimmung der DNS-Mengen in Kernen aus verschiedenen Geweben von Mais wurde gezeigt, daß sich die Mengen wie 2:4:8:16 verhalten. Endospermgewebe ist primär triploid, doch wurden auch Kerne mit 6-, 12- und 24-fachem Satz nachgewiesen. Die geringe Variation der Werte ist einmal ein guter Hinweis auf die Zuverlässigkeit der Methode, sagt zum anderen aber auch, daß es außer der Polyploidisierung keine weiteren Veränderungen im Chromosomenbestand gibt.

Polyploidie ist experimentell durch den Mitoseinhibitor Colchicin, ein Alkaloid der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale), induzierbar (O. J. EIGSTI, 1937, A. F. BLAKESLEE und A. AVERY, 1937, B. B. NEBEL, 1937). Es hemmt die Ausbildung der Kernspindel. Während der verlängerten Metaphase nehmen die Chromosomen zeitweilig eine X-förmige Struktur an, weil die Chromatiden einander abstoßen, am Centromer jedoch zunächst noch miteinander verbunden bleiben. Eine nach Colchicineinwirkung eingeleitete Mitose wird als C-Mitose bezeichnet. In ihr können Chromosomen leichter erkannt und identifiziert werden als in einer normal ablaufenden Mitose. Nach einiger Zeit trennen sich die Chromatiden vollständig, werden von einer sich neu bildenden Kernmembran umschlossen und gehen in den Interphasezustand über. Die Chromosomenzahl hat sich damit verdoppelt. Aus einem diploiden Kern ist ein tetraploider entstanden.

Auch Polyploide können Gameten bilden, die der Tetraploiden sind diploid. Da vier Chromosomen einander homolog sind, bilden sich während der Meiose Quadrivalente. Ihre Stabilität ist jedoch weit geringer als die der Bivalente, was zu einer erhöhten Fehlerrate führt und, als Folge davon, mit reduzierter Fertilität (z.B. im Extremfall Pollensterilität) verbunden ist. Es bestehen zudem deutliche artspezifische Unterschiede. Bei manchen Arten läuft die Quadrivalentbildung reibungslos ab, bei anderen kommt sie überhaupt nicht zustande.

Viele Kulturpflanzen sind autopolyploid. An anderer Stelle wird eine Reihe autopolyploider Wildpflanzen vorgestellt. In nahezu allen diesen Fällen findet man während der Meiose Bivalente. Das bedeutet, daß sich die Pflanzen trotz eines erhöhten Ploidiegrads wie Diploide verhalten.

Es ist daher sinnvoll, n von der sogenannten Basis- oder Grundzahl (x) zu unterscheiden. Der Ploidiegrad bezieht sich stets auf die Basiszahl. Sie kann durch Untersuchungen der Meiose bei einer Art nicht erschlossen werden, sondern ergibt sich erst durch Vergleich mit verwandten (ursprünglicheren) Arten und stellt einen größten gemeinsamen Teiler dar.

Triploide: Während der Meiose der Triploiden findet eine Trivalentbildung statt. In der sich anschließenden Anaphase I werden die Chromosomen zufallsgemäß auf die beiden Tochterzellen verteilt. Nur in den seltensten Fällen erhält eine genau den doppelten (2n), die andere den einfachen (1n) Satz. Die Regel ist, daß jede von ihnen mit unvollständigen Sätzen ausgestattet wird (Aneuploidie, s. folgenden Abschnitt). Hierdurch wird fast immer das Gleichgewicht der Chromosomen untereinander gestört, nichtbalancierte Chromosomenzusammensetzungen entstehen, was letztlich zu Letalität führt.

Triploidie bewirkt demnach - von ganz seltenen Ausnahmen abgesehen - Pollensterilität (stark reduzierte Fertilität). Die Erzeugung von Triploiden hingegen ist relativ einfach und geschieht durch Befruchtung einer haploiden Eizelle mit diploidem Pollen, oder umgekehrt, einer diploiden Eizelle mit haploidem Pollen.

Haploide: Gelegentlich kommt es vor, daß die Produkte einer Meiose (die Gonen) unter Umgehung einer Befruchtung zu einer vollständigen Pflanze auswachsen. Durch bestimmte externe Faktoren kann die Wahrscheinlichkeit des Auswachsens erhöht werden. So können z.B. Vorstufen der Pollen in unreifen Antheren auf geeignetem Nährmedium zum Auskeimen und zur nachfolgenden Differenzierung gebracht werden. Die Ausbeute ist bei solchen Versuchen jedoch außerordentlich gering. Haploide Pflanzen sind kleiner als diploide. Sie bilden zwar Blüten, doch keine Früchte, weil es keine ungestörte Meiose geben kann. Wie die Mesophyllzellen vieler diploider Pflanzen eignen sich die der entsprechenden haploiden (Haplonten) zur Gewinnung von Protoplasten und zur nachfolgenden Produktion von Diploiden durch Polyploidisierung.

Durch eine Colchicinbehandlung kann ihr Genom in den diploiden Zustand überführt werden. Die Zellen bleiben regenerationsfähig und können daher zu vollständigen normalen Pflanzen heranwachsen. G. MELCHERS (Max-Planck-Insitut für Biologie, Tübingen, 1960) schlug daher vor, Haploide in erhöhtem Umfang für die Züchtungsforschung zu nutzen. Seine Argumente lauten:

  1. Der Erfolg oder Mißerfolg einer mutagenen Einwirkung ist sehr rasch festzustellen, und zwar besonders dann, wenn Defektmutationen des Blattpigmentsystems als Merkmale Verwendung finden.

  2. Resistenz gegenüber Krankheiten oder ungünstigen Außenfaktoren kann auf haploider Basis direkt an den behandelten Pflanzen selektiert werden.

  3. Haploide Pflanzen machen es möglich, Mutanten aufzufinden, die die generative Haplophase oder die Embryonalstadien nicht zu passieren imstande sind.

Wodurch unterscheiden sich Diploide von Tetraploiden und anderen Polyploiden? Es ist allgemein bekannt, daß Kulturpflanzen größer und ertragreicher als die ihnen entsprechenden Wildformen sind. Nach Entdeckung der Colchicinwirkung lag es daher nahe, neue Sorten durch Polyploidisierung zu züchten - zumindest, es zu versuchen. Der gewünschte Erfolg blieb aus, denn Polyploidisierung führt keineswegs nur zur Anreicherung günstiger Eigenschaften.

Polyploide sind (gegenüber den entsprechenden Diploiden) wie folgt zu charakterisieren (ergänzt nach G. L. STEBBINS, 1940, 1950):

  1. Mit zunehmender Zellgröße steigt der Wassergehalt. Tendenz: der osmotische Wert sinkt, die Zellen verlieren an Frostresistenz. Beispiel: Riesenfrüchte vieler Kulturpflanzen (Tomate u.a.) schmecken wäßriger als die entsprechenden Wildformen. Der relative Mangel an Geschmacksstoffen ist ein Zeichen für eine stärkere Verdünnung von Inhaltsstoffen.

  2. Verminderte Wachstumsrate, bedingt durch geringere Zellteilungsrate. Die Versorgung der Zellen mit Auxin, einem Phytohormon, ist gestört, die Atmungsintensität der Zellen reduziert, die Aktivität vieler Enzyme vermindert. Der Vitamin-C-Gehalt ist erhöht.

  3. Bestimmte Organe sind abnorm vergrößert, ihre Proportionen zueinander sind verändert, die Blätter sind oft verdickt. Eine Größenzunahme der Pflanzen ist nicht mit dem Ploidiegrad korreliert. Sie durchläuft ein Optimum. Tetraploide sind meist größer als Triploide, die wieder größer als die Diploiden sind. Pflanzen eines höheren Ploidiegrads zeichnen sich aber oft durch Zwergwuchs aus, denn es treten Chromosomenanomalien auf, und die Chromosomensätze kooperieren nicht mehr reibungslos miteinander. Disharmonie ist durch Inkompatibilität (Unverträglichkeit) gekennzeichnet.

  4. Die Zeitspanne bis zur Blütenbildung sowie die sich anschließende Blütenperiode sind verlängert, beruhend auf einem generell langsameren Wachstum, verursacht durch geringere Stoffwechselraten. Für Arten, deren Blühperiode im Spätsommer oder Herbst liegt, kann sich diese Verzögerung verhängnisvoll auswirken.

  5. Die Zahl der Chloroplasten in den Schließzellen ist mit dem Ploidiegrad korrelierbar (A. MOCHIZUKI und N. SUEOKO, 1955). T. BUTTERFAß (seinerzeit Max-Planck-Institut für Pflanzengenetik, Ladenburg/Heidelberg) gab für die durchschnittliche Zahl der Chloroplasten in Schließzellen der Zuckerrübe folgende Werte an: haploid 8, diploid 14, triploid 20, tetraploid 25, pentaploid 30, hexaploid 36, octoploid 50.


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