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Gentechnik in der Pflanzenzüchtung - was ist heute machbar?




Professor Dr. Heinz Saedler

Tel.: (0221) 5062-100


Originalquelle: http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~saedler/hsaedl01.htm

Seit dem Neolithikum, vor etwa 10 000 Jahren, hat der Mensch mit der Domestikation von Tieren und Pflanzen massiv in die Natur eingegriffen. Die Veränderung natürlicher Habitate beschleunigte sich mit zunehmendem Populationswachstum. Das exponentielle Ans teigen der Weltbevölkerung und die inzwischen erreichten Bevölkerungsdichten in den verschiedenen Regionen hat zu massiven Umweltproblemen geführt.

Es werden mehr und mehr Nahrungsmittel benötigt, die den Einsatz wachsender Energiemengen erfordern. Andererseits produzieren die sich stetig vermehrenden Populationen zunehmend mehr Abfallprodukte, die nur schwer oder gar nicht zu entsorgen sind.

Je nach Weltregion sind die zu lösenden Probleme recht unterschiedlich.

In unserer hochtechnisierten Welt belastet die intensive Landwirtschaft die Umwelt erheblich. Der großflächige Anbau von Monokulturen macht einen umfassenden Pflanzenschutz notwendig, als dessen Kehrseite heute ein erhöhter Eintrag der verwendeten Agroche mikalien etwa in das Grundwasser festgestellt wird. Die oft auch prophylaktische Anwendung von Agrochemikalien kann im Lichte der durch sie hervorgerufenen Probleme nicht länger tatenlos hingenommen werden.

Es gilt eine hochintensive, aber ökologisch weniger belastende Landwirtschaft zu entwickeln.


1) Züchtung von Kultursorten.
Die Domestikation und Züchtung von Pflanzen ist immer noch nicht abgeschlossen. In diesem Prozeß wurden seit dem Neolithikum Pflanzen gesammelt, angebaut und fortlaufend Varianten isoliert, die besondere, dem Menschen nützlich erscheinende Eigenschaften ( Merkmale) aufwiesen. In vielen derartiger Mutanten wird die aufgenommene Sonnenenergie umverteilt, so daß neue, gelegentlich monströse Organe ausgebildet werden, die nicht mehr der "natürlichen" Verbreitung dienen. Deren Überleben ist nunmehr ganz vom Men schen abhängig, der sie hegt und pflegt. Dies soll am Beispiel des Mais kurz erläutert werden: Zea mays wurde wahrscheinlich schon von den Vorgängern der Maya Indianern aus dem Gras "Teosinte" herausselektioniert. Teosinte ist ein meterhohes, mexik anisches Gras ,das noch echte Verzweigung aufweist und gekreuzt mit Mais auch fertile Nachkommen liefert. Vollkommen unterschiedlich sind jedoch die weiblichen Blütenstände von Teosinte und Mais sowie die sich hierin entwickelnden Früchte. Bei Teosinte si nd die Körner wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht und kleben mit ihren verholzten "Schalen" aneinander. Bei Ausreifung wird die Region zwischen den Schalen brüchig und gewährleistet damit die Samenverbreitung - ein für Wildpflanzen absolut notwendiges Faktum. Ganz anders beim Mais. Die nackten Maiskörner sitzen in vielen Reihen äußerst fest an der zentralen Rachis, dem Kolben. Hierdurch ist einmal eine biologische Dispersion fast unmöglich, zumindest sehr stark behindert, und andererseits sind die nack ten Körner auch fast schutzlos Krankheiten und Fraß ausgesetzt. Biologisch haben die meisten "Kultivare" ihre Kompetitivität weitgehend eingebüßt.

Aus diesem Grund verursachen derartig kultivierte Pflanzen dann auch keine oder nur geringe Umweltprobleme durch Auswilderung, wenn sie in andere Biotope verbracht werden. Dies geschah mit fast allen heutigen Kulturpflanzen. Denken wir nur an die weltweit en Anbaugebiete des aus Mexiko stammenden Mais oder anderer von den Indianern entwickelter Pflanzen, wie Tomaten, Kartoffeln und Paprika, um nur wenige zu nennen.

Es sind diese von und an den Menschen adaptierten Pflanzen, die einerseits unser Überleben garantieren, die aber andererseits auch die oben erwähnten Umweltprobleme verursachen.


2) Intensive Landwirtschaft.
Der Anbau von genetisch einheitlichen Pflanzen, wie er in der intensiven Landwirtschaft heute üblich ist, zieht eine Vielzahl von Umweltproblemen nach sich. Erwähnt wurde der Verlust der Kompetitivität der Kultivare, was zur Folge hat, daß sie auf den Agr arflächen vor ihren "Mitbewerbern" geschützt werden müssen. Dies geschieht durch die Ausbringung von Herbiziden, Wirkstoffe, die das Wachstum unerwünschter Pflanzen auf der Nutzungsfläche verhindern sollen. Die heute verwendeten Herbizide wirken spezifisc h auf viele "Unkräuter" und beeinflussen nicht den zu schützenden Kultivar. Die hohen Aufwandmengen und die lange Bodenpersistenz vieler derartiger Herbizide kann zu einem Eindringen dieser Agrochemikalien in das Grundwasser führen. Dies kann nicht länger hingenommen werden. Infolgedessen bemüht sich die Industrie denn auch neuartige, kurzlebigere Substanzen zu entwickeln, die in geringeren Aufwandmengen ausgebracht werden können. Leider fehlt diesen "neuen" Herbiziden jedoch die spezifische Wirkung, d.h. sie inaktivieren alle Pflanzen, sie werden daher als Totalherbizide bezeichnet und sind somit nur vor Auflauf der Saat, also eingeschränkt verwendbar.

Eine umfassendere Nutzung derartiger Substanzen erscheint ökologisch sinnvoll, kann aber nur angegangen werden, wenn es gelingt, den Kultivar vor der Wirkung dieser Substanzen zu schützen.

Dies ist mit Hilfe gentechnologischer Methoden möglich.

Bevor wir jedoch hierauf eingehen, seien einige anderen Probleme intensiver Landwirtschaft kurz angesprochen. Der Anbau von Kurzstrohsorten, aber auch anderer Hochertragssorten ist nur bei ausreichender Applikation von Dünger besonders produktiv. Hierin l iegt aber wiederum ein ökologisches Problem, da zunehmend mehr Nitrate und andere Salze in das Grundwasser gelangen. Darüber hinaus stellt der Anbau von genetisch einheitlichem Material eine ideale Grundlage für die explosionsartige Ausbreitung von Pflanz enkrankheiten dar, die nur durch erhöhten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kontrollierbar sind. Dies ist eine weitere Quelle ökologischer Bedenken.

Auch diese letztere Problematik kann mit Hilfe gentechnologischer Methoden entschärft werden.


3) Gentechnische Methoden.
a) Genübertragung Die Molekularbiologie hat Methoden entwickelt, die es erlauben, Gene aus Mikroorganismen, Tieren oder Pflanzen zu isolieren, sie in-vitro zu verändern und wieder z.B. in Kulturpflanzen einzubringen. Dies führt zu einer Bereicherung des Genbestande s des Kultivars, da er jetzt Merkmale auch aus einer anderen Spezies besitzen kann. Leider ist derzeit die Übertragung eines Gens in das Genom einer Pflanze noch nicht zielgerichtet, d.h. der Integrationsort im Pflanzengenom ist zufällig. Hierdurch beding t kann einerseits die Ausprägung des übertragenen Gens nicht optimal oder sogar defekt sein, hervorgerufen etwa durch DNA-Methylierung des übertragenen Gens. Zum anderen kann das übertragene Gen in ein Wirtsgen integrieren und dadurch eine Mutation auslös en. In jedem Fall wird der Züchter diese Ereignisse nicht für seine weitere Zuchtwahl selektionieren, vielmehr wird er nur die transgene Pflanze suchen, in der das Transgen optimal ausgeprägt wird und an der keine weiteren Veränderung festzustellen sind.

Diese Technologie ist kapitalintensiv und erfordert ein Know-how, das, wenn überhaupt, nur bei wenigen deutschen Pflanzenzüchtern anzutreffen ist. Die Errichtung eines unabhängigen Instituts zur Herstellung transgener Kulturpflanzen könnte die Konkurrenzf ähigkeit deutscher Züchter erheblich verbessern.

b) Auswahl der Rekombinanten auf der DNA Ebene Die Suche des Züchters nach geeigneten Nachkommen einer Kreuzung erfolgt klassischerweise durch Auswahl auf der phänotypischen Ebene, also der Ebene der Ausprägung eines Merkmals. Auch hier hat die Molekularbiologie eine methodische Vielfalt an Alternativ en entwickelt, die es ermöglicht eine geeignete Rekombinante auf genetischer Ebene bereits in einem sehr frühen Entwicklungsstadium einer 2.Filialgeneration zu ermitteln. Sogenannten RFLP-(Restriction-Fragment-Length-Polymorphi sm) Analysen leisten dies und sind heute Bestandteil des Methodenrepertoires moderner und auch international erfolgreicher Pflanzenzüchter. Diese Methode ist dann besonders leistungsfähig, wenn eine hinreichend große Zahl von Pflanzen analysiert werden ka nn. Entscheidendes Know-how und eine ausreichende Kapazität fehlt vielen deutschen Pflanzenzüchtern. Für eine erfolgreiche zukünftige Arbeit wäre es daher angezeigt, daß derartige Analysen von einem Zentralinstitut durchgeführt werden.


4) Monogene Veränderungen.
a) Herbizid-Toleranz Die klassischen, in der Öffentlichkeit vieldiskutierten Szenarien gentechnisch veränderter Pflanzen beziehen sich auf Herbizid-Toleranz und erhitzen die Gemüter.

Der Einsatz moderner Herbizide mit geringer Bodenpersistenz verlangt, daß der Kutivar vor diesen Substanzen geschützt wird, da sie nur eine unzureichende Wirtspezifizät besitzen. Dieser Schutz ist mit Hilfe gentechnologischer Methoden möglich.

Viele dieser neuen Wirkstoffe greifen z.B. in die Aminosäurebiosynthese ein, so daß daher "alle" Pflanzen sensitiv sind. Allerdings konnten Bakterien isoliert werden, die trotz Anwesenheit des Wirkstoffes weiterwachsen und somit resistent gegenüber dem Wi rkstoff sind. Eine derartige Toleranz kann auf mehreren Mechanismen beruhen. Einmal wird das "sensitive" Enzym überproduziert und somit eine Toleranz gegenüber einer bestimmten Dosis des Wirkstoffes erreicht, zum anderen kann ein mutiertes Enzym vorliegen , das resistent gegenüber der Wirkungsweise der Substanz ist, und zum dritten kann eine neue Enzymaktivität in dem Bakterium vorliegen, die den Wirkstoff inaktiviert. Gene aus solchen toleranten Bakterien wurden isoliert, in ihren Expressionssignalen verä ndert und in Pflanzen eingebracht, mit dem Ergebnis, daß diese jetzt tolerant gegenüber dem Herbizid waren.

Weltweit wurden bislang mehr als 1300 Freilandversuche durchgeführt, größtenteils mit unterschiedlichen Herbizid-toleranten transgenen Pflanzen.

Der Einsatz derartiger transgener Pflanzen könnte zu einer Reduktion der Aufwandmengen an Herbiziden in der Landwirtschaft führen, da nunmehr äußerst effektive, aber relativ kurzlebige Wirkstoffe nur nach entsprechender Indikation eingesetzt werden müßten .

b) Insekten-Resistenz Der Einsatz von Pestiziden, hier insbesondere Insektizide hat ein bedrohliches Ausmaß erreicht, so daß auch hier nach neuen Wegen zu suchen ist. Seit vielen Jahren werden biologische Präparate zur Bekämpfung von Insektenfraß eingesetzt. Unterschiedliche < I>Bacillus thuringensis(Bt) Arten produzieren äußerst spezifische Toxine, die fast artspezifisch auf bestimmte Insektengruppen wirken. Aus diesem Grund wurden die entsprechenden Mikroorganismen auf besonders gefährdete Kultursorten, z.B. Baumwolle aus gebracht, um dem zu erwartenden Schaden durch Insektenfraß zu begegnen. Viel eleganter und auch sicherer wäre eine Verlagerung dieser Schutzmaßnahme direkt in die Pflanze. Toxin-kodierende Gene wurden aus verschiedenen Bac. thuringensis Arten isoli ert und in ihren Expressionssignalen so verändert, daß eine Ausprägung dieser Bt-Toxingene auch in Pflanzen stattfinden konnte. Transgene Bt-Pflanzen sind, wie viele Versuche gezeigt haben, resistent gegenüber Insektenfraß. In großflächigen Freilandversuc hen, insbesondere in den USA, konnte so bis zu einem Drittel an Pestiziden eingespart werden. Dies scheint mir ein Schritt in die richtige Richtung.

Leider ist in Deutschland derzeit noch keine Bereitschaft vorhanden, diese positiven Seiten, der neuen Technologien auch zu nutzen. Hier gilt es noch viele Vorurteile abzubauen, die allerdings größtenteils auf Unkenntnissen basieren.

c) Virus-Resistenz Große Teile der Ernte sind in jedem Jahr durch virale Erkrankungen gefährdet. Da keine chemischen Wirkstoffe existieren, die eine Therapie ermöglichen, können hier nur die Überträger der Krankheiten, oftmals Insekten, durch Pestizide bekämpft werden. Dies er ungezielte, oft auch prophylaktische Einsatz von hochwirksamen Substanzen belastet die Umwelt und sollte soweit als irgend möglich eingeschränkt werden.

Bislang hatte der Züchter lediglich die Möglichkeit Virus-Resistenz Gene, sofern sie in verwandten und kreuzbaren Arten bekannt waren, in seine Kultursorten einzukreuzen. Dies ist ein zeitaufwendiges Verfahren, mit oftmals geringem Erfolg, da nur wenige V irus-Resistenzen monogen vorliegen.

Hier eröffnet die Gentechnologie neue Möglichkeiten.

Eine Vielfalt an Virus-resistenten Kulturpflanzen wurde gentechnisch erzeugt und in vielen Freilandversuchen getestet.

Hier sollen keine Einzelheiten aller Möglichkeiten beschrieben werdende, die die Etablierung einer Virus-Resistenz in einem Kultivar ermöglichen. Vielen Strategien gemeinsam ist, daß Segmente des viralen Genbestandes in das Pflanzengenom integriert und au sgeprägt werden. Dies verleiht der Pflanze, auf ganz unterschiedlichen Ebenen der Vermehrung und Verbreitung des Virus, einen Schutz. Dies sei am Beispiel des Blattrollvirus bei Kartoffeln dargestellt, da entsprechende PLRV-resistente Pflanzen 1994 am Max -Planck-Institut für Züchtungsforschung im Freiland getestet werden sollen.

PLRV kodiert ein Protein, das für seine Ausbreitung durch das Phloem benötigt wird. Hierzu scheint das große Protein mit einer Domäne an die Nukleinsäure des Virus und mit einer anderen miteinander zu polymerisieren und so die Ausbildung von gestreckten S trukturen zu ermöglichen, die einen Transport von Zelle zu Zelle durch die Plasmodesmata erlauben. Das entsprechende virale Gen wurde isoliert und in seiner Nukleinsäure-Binde-domäne derart verändert, daß bei Co-Polymerisation auf der viralen Nukleinsäure keine gestreckten Strukturen gebildet werden und daher der Transport weitgehend unterbleibt. Kartoffeln, die dieses Genkonstrukt enthalten, sind im Gewächshaus resistent gegenüber dem Blattroll Virus (PLRV).

Wie bereits angedeutet, muß diese Resistenz im Freiland erprobt werden, um eventuell auch anwendungsrelvant zu werden.

Der Anbau Virus-resistenter transgener Pflanzen eröffnet die Möglichkeit , virale Erkrankungen, die wie im Fall des Blattroll Virus bis zu 80%ige Ernteverluste bedingen, auch wirksam bekämpfen zu können. Dies könnte wiederum helfen Insektizide einzusparen , was wiederum als Beitrag zur Entspannung der Umweltproblematik zu sehen ist.

Die Entwicklung Virus-resistenter Pflanzen scheint insbesondere für Entwicklungsländer von besonderer Bedeutung.

Hier gehen große Teile der Ernte durch Virus-Krankheiten verloren. Oft fallen ganze Ernten einer Krankheit zum Opfer. Hier könnte der Einsatz transgener Virus-resistenter Pflanzen von erheblichem Vorteil sein. Folgendes Szenario wäre denkbar, um der immer wiederkehrenden Behauptung, daß High-Tech für Entwicklungsländer unbezahlbar ist, zu begegnen:

Die Erstellung der transgenen Unikate wird z.B. in der Bundesrepublik vorgenommen, die Einkreuzung in die Landsorten geschieht vor Ort. Da in diesem Szenario Märkte hiesiger Unternehmen nicht oder kaum berührt sind, ist auch auf diesem Sektor eine Koopera tion zwischen Industrie und öffentlicher Hand denkbar. Die erstellten transgenen Unikate werden im Rahmen der Entwicklungshilfe den Drittländern überlassen. Entwicklungshilfe bedeutet also hier: Schaffung von Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik gefolgt v on (unentgeltlicher) Abgabe eines Produktes, daß für Drittweltländer überlebenswichtig ist.

Dies scheint nicht nur eine neue ,sondern auch eine effektive Art von Entwicklungshilfe zu sein, da neben der Lösung von Problemen vor Ort, einheimische Strukturen entweder ausgebaut, oder zumindest frühzeitig in den Prozeß miteinbezogen werden.

d) Resistenz gegen pilzliche Erkrankungen Eine großes Problem der Landwirtschaft industrialisierter Länder stellen Pilzkrankheiten dar. Insbesondere durch den Anbau von Monokulturen besteht die Notwendigkeit, Fungizide zur Bekämpfung auftretender Pflanzenkrankheiten einzusetzen. Dies hat zur Folg e, daß zunehmend Umweltschädigungen beobachtet werden. Die Züchter stellen sich zunehmend darauf ein und versuchten Krankheitsresistenzgene aus verwandten Wildsorten in die Kultivare einzukreuzen.

Der Anbau krankheitsresistenter Sorten würde eine erhebliche Einsparung sonst notwendiger Pflanzenschutzmittel nach sich ziehen.

Die Erstellung solcher biologisch geschützter Linien ist, wie bereits vorhin erwähnt wurde, eine sehr zeitraubende Arbeit, die jedoch mit Hilfe der oben beschriebenen RFLP Methoden zielgerichteter und damit auch schneller durchgeführt werden könnte. Dies setzt allerdings voraus, daß der Züchter diese High-Tech Methoden auch nutzen kann.

Ein Zentralinstitut könnte diesen Service übernehmen.

In vielen Fällen mögen entsprechende Wildarten nicht zur Verfügung stehen. Dann könnten nach erfolgter Isolierung eines Resistenzgens aus einer bestehenden Pflanze auch recht unterschiedliche Pflanzensorten nach entsprechender gentechnologischer Übertragu ng des Gens gegenüber Krankheiten geschützt werden. Gegenwärtig stellt die Isolierung solcher Krankheitsresistenzgene noch ein erhebliches Problem dar, denn in vielen Fällen scheint Resistenz gegen pilzliche Erreger multifaktoriell kodiert zu sein.

Bevor jedoch auf komplexere, d.h. polygen bedingte Merkmale eingegangen wird, sei als letztes Beispiel aus der Vielzahl der bereits studierten und auch im Freiland getesteten Fälle monogener Genübertragungen die männliche Sterilität angeführt.

e) Männliche Sterilität und Hybridsaatzucht Die Nutzung männlich steriler Linien in der Pflanzenzüchtung wurde transparent durch den Erfolg der Hybridsaatzucht bei Mais seit Mitte der dreißiger Jahre. Mais hat gegenüber den meisten Gräsern den züchterischen Vorteil, daß die Geschlechter räumlich ge trennt in verschiedenen Blütenständen derselben Pflanze lokalisiert sind. Dies ermöglichte mit relativ bescheidenen Mitteln zunächst reine Linien und anschließend -durch Kreuzung zweier unterschiedlicher Inzuchtlinien- Hybridlinien herzustellen, deren Ert räge alle bisherigen Sorten weit übertrafen. Die Herstellung der Hybridlinien im großen Stil wird durch männliche Sterilität eines Partners erleichtert. Dies konnte bei Mais durch manuelle Entfernung der männlichen Blüten leicht erreicht werden. Das Verfa hren wurde lange praktiziert, bis infolge der Verteuerung menschlicher Arbeitskraft einerseits und der Entwicklung eines biologischen Sterilitätssystem andererseits Hybridsaatgut alternativ kostengünstiger hergestellt werden konnte. Mehrere biologische Sy steme der cytoplasmatischen männlichen Sterilität sind beim Mais entdeckt worden. Allerdings nützen derartige sterile Systeme wenig, wenn sie nicht restauriert werden können, um die reinen Linien zu erhalten. Neben der männlich sterilen ist also auch eine "Restorer"- Linie notwendig für die Entwicklung eines Hybridsaatzuchtprogrammes.

Der Erfolg der Hybridsaatzucht bei Mais war der Vater des Wunsches nach Entsprechendem bei anderen Pflanzen. Obwohl auch hier in einigen Fällen cytoplasmatisch männliche Linien aufgefunden worden waren, hatte das Desaster bei Mais im Jahre 1970 in den USA , den Optimismus zur Nutzung dieser Systeme genommen. Aufgrund des einheitlichen Cytoplasmas des Hybridmaterials bei Mais und wegen der Tatsache, daß ein schädlicher Pilz sich auf diesem Material besonders gut vermehren kann, war 1970 in den USA durch ein e explosionsartige Ausbreitung der "Northern Leaf Blight" ein Milliarden-Dollar-Schaden entstanden. Cytoplasmatische männliche Sterilität wurde daher nicht weiter zur Herstellung von Hybridsaatgut beim Mais verwendet. Andere Wege mußten genutzt werden, um das so ergiebige Hybridsaatgut herzustellen und das Hybridzucht-Konzept auch auf andere Pflanzen auszudehnen.

Hier soll ein Szenario beschrieben werden, das von der belgischen Firma PGS entwickelt wurde. Die Tapetum-spezifische Ausprägung einer bakteriellen RNA in den Antheren transgener Tabakpflanzen verhindert die Reifung der Pollen und führt somit zur männlich en Sterilität. Die genetische Erhaltung dieser Linie ist nur dann möglich wenn die Sterilität rückgängig gemacht werden kann. Die gentechnologische Einführung und tapetal-spezifische Ausprägung eines Hemmers (Restorer) der RNAse hebt die Sterilität auf, s o daß die Pflanze generativ vermehrt werden kann. Durch die Übertragung der bakteriellen Gene Barnase und Barstar gelang PGS die Entwicklung eines wirtsunabhängigen Systems der Hybridsaatzucht.

Andere Systeme männlicher Sterilität nutzen die Möglichkeiten des Sekundärmetabolismus der Pflanzen, indem die Bildung von z.B. Flavonolen in den Tapetalzellen transgener Pflanze durch anti-sense Expression des Chalkonsynthase-Gens verhindert wird. Eine b iologische Reversion zur Fertilität gelang ebenfalls mit geeigneten Genkonstrukten.

Dieses System wird gegenwärtig von der holländischen Firma VanderHave den Züchtern zur Nutzung angeboten. Da sich dieses Angebot jedoch auf die Genkonstrukte und nicht notwendigerweise auf "fertige " Kultivare bezieht, wartet auf den Züchter noch viel Arb eit auf der molekularen bzw. biotechnologischen Ebene. Mit Hilfe der erwähnten Firmen oder einem Zentralinstitut könnten neue Märkte erschlossen werden.

Im folgenden sollen Zukunftsvisionen, die komplexere genetische Merkmale nutzen, kurz erläutert werden.


5) Polygene Veränderungen.
Hierhin gehören Beispiele aus dem Primären und sekundären Metabolismus der Pflanzen, die wegen ihrer Vielfalt an dieser Stelle nicht alle aufgezählt werden sollen, vielmehr wollen wir uns auf drei Beispiele beschränken.

a) Veränderungen in der Stärkezusammensetzung In vielen stärkehaltigen Pflanzen liegt in den Speicherorganen eine Mischung von verzweigter und unverzweigter Stärke vor. Für eine bessere industrielle Nutzung wäre eine bereits in der Pflanze vorgenommene Auftrennung dieser Stärken wünschenswert. In Mai s sind Mutanten des waxy Gens bekannt, deren Körner lediglich Amylopektin (verzweigte Stärke) enthalten. Bereits vor vielen Jahren konnten wir das waxy-Gen isolieren und für die Isolierung des homologen Kartoffelgens nutzen. Anti-sense Expression des Kart offelgens führte zu Knollen, in denen eine deutliche Erhöhung des Amylopektingehaltes beobachtet wurde. 1993 wurde ähnliches Material vom Institut für Genbiologische Forschung (Berlin) im Freiland angebaut. Dieses und ähnlich konstruierte Materialien könn ten eine neue Phase industriell nutzbarer Rohstoffe einläuten. Neben dem Design unterschiedlich definierter verzweigter Stärkemoleküle für die die Übertragung weiterer Gene notwendig wären, kämen hier insbesondere auch neukonstruierte Fette und Öle in Fra ge. Beiden neuartigen Rohstoffen wäre gemeinsam, daß nicht nur die Übertragung eines Gens notwendig wäre, sondern daß mehrerer Gene übertragen und zusätzlich auch in ihrer Expression aufeinander abgestimmt werden müßten.

Eine derartige Umsteuerung eines Biosyntheseweges gelang mit der Erstellung einer transgenen Petunie, in der nicht nur ein neuer Biosyntheseweg eines Pigmentes eröffnet wurde, sondern auch eine Breitspektrum-Resistenz gegen viele Krankheitserreger erzielt wurde.

b) Etablierung einer Feldresistenz gegen Krankheitserreger Im Sommer 1990 wurde mit einer transgenen Petunia der erste Freilandversuch in der Bundesrepublik durchgeführt. Obwohl zu dieser Zeit keine gesetzliche Regelung existierte, wurde dieser Versuch bereits 1989 im Umweltausschuß des Rates der Stadt Köln öffen tlich zur Diskussion gestellt. Es wurde bald klar, daß in Deutschland einige politische, aber auch sogenannte Umweltgruppen gegen derartige Neuerungen mobil machten. Ideologische Voreingenommenheit hatte die Sicht für die Fakten verstellt.

Bereits 1987 war durch Übertragung eines Maisgens in eine geeignete Petunienmutante ein Biosyntheseweg in Petunia eröffnet worden, der zu einem für diese Pflanze neuen Pigment führte. Die nunmehr lachsrot blühende Pflanze wurde zu einem wissenschaftlichen Modellsystem, da insbesondere beim Anbau im Freiland neue Befunde erhoben werden konnten, die weltweite Forschungsaktivitäten initiierten.

Etwa 30 000 lachsrot blühende Petunien wurden im Sommer 1990 im Freiland angebaut. Mehr als 92% der ersten Blüten der Pflanzen zeigten die erwartete lachsrote Pigmentierung. Im Verlauf des Sommers fand jedoch eine bis dahin nicht gekannte Umprogrammierung im Erscheinungsbild der Blüten statt. Nur 30% der späteren Blüten zeigten die ziegelrote Farbe. Die molekulare Analyse ergab, daß das übertragene Maisgen in mehr als 60% der Pflanzen nach starker Veränderung einiger Umweltfaktoren (langanhaltende klare, heiße Sommertage mit einem hohen UV-Anteil) einen hohen Methylierungsgrad aufwies, der wie spätere Experimente im Labor ergaben, zur Abschaltung des Maisgens führte. Allerdings wird die Sache dadurch verkompliziert, daß nicht alle Pflanzen gleichermaßen r eagierten. Die Nachkommen der ersten Parentalblüten erwiesen sich als "Umwelt"-invariant, ihr Ausprägungsmuster wurde nicht verändert. Offensichtlich müssen Zwei Faktoren zusammentreffen, um DNA-Methylierung auszulösen, ein endogener, physiologischer Entw icklungszustand und die entsprechenden Umweltfaktoren. Gegenwärtig ist die Untersuchung von DNA-Methylierung an transgenen Pflanzen Gegenstand weltweiter Forschung. Hier muß jedoch klargestellt werden, daß DNA-Methylierung nicht spezifisch für transgene P flanzen ist, sondern in allen bislang untersuchten Pflanzen vorkommt und auch dort endogene Gene in ihrer Aktivität abschalten kann.

Neben der Beobachtung eines für Petunia neuen Pigmentes und der Umwelt-induzierten DNA-Methylierung konnte ein weiterer Befund erhoben werden. Die transgenen Pflanzen waren erheblich resistenter als die weißblühende Ausgangslinie gegenüber einer Vielzahl an Krankheitserregern. Die weißblühende Ausgangslinie akkumuliert bedingt durch Mutationen in zwei unterschiedlichen Genen Dihydrokaempferol, das durch die petunieneigene Dihydroflavanol-Reduktase nicht umgesetzt werden kann. Das entsprechende Maisenzym h at keine derartige Substratspezifität und wandelt daher die obige Substanz in Leukopelargonidin um. Die nachgeschalteten Petunienenzyme können dieses Substrat zu einem gewissen Anteil in Folgeprodukte und schlußendlich in das für Petunia neue Pigment Pela rgonidin umwandeln. Dies führt zu der bereits erwähnten lachsroten Blütenfarbe. Infolge der konstitutiven Ausprägung des Maisgens und des reduzierten Abflusses des gebildeten Leukopelargonidin in den Blättern könnte dort diese Substanz spontan polymerisie ren und somit Gerbstoffe, wie etwa Proanthozyanidine bilden. Diese Substanzen inaktivieren und präzipitieren Proteine und sind somit auch für Pflanzen möglicherweise auch toxisch. Ein möglicher Schutz für die Pflanze wäre ein Transport in die Vakuole. Sol lte allerdings ein Krankheitserreger die Zelle befallen, könnte der Inhalt der Vakuole nicht nur die Pflanzen-, sondern auch die Pilzzelle abtöten oder sie zumindest in ihrem Wachstum hemmen. Pflanzen mit diesen Inhaltsstoffen sollten demnach Resistent ge genüber vielen Pathogenen sein. Diese Vorstellungen sind nicht bewiesen, werden jedoch durch die Befunde mit den transgenen Petunien aber auch durch alte Beobachtungen von Züchtern nahegelegt. Die transgenen Petunien zeigen eine quantitative Resistenz geg enüber vielen pilzlichen Krankheitserregern.

Infolge der gerbstoffartigen Wirkung von Proanthozyanidinen ist deren Konsum für monogastrische Tiere nicht angezeigt. Wildpflanzen wehren sich gegen Pathogenbefall häufig durch derartige Sekundarstoffe.

Da inzwischen die Gene für eine Manipulation dieses Biosyntheseweges bekannt und isoliert worden sind, kann mit den Methoden der Gentechnik die Biosynthese dieser Stoffe in anderen Pflanzen aufgebaut und gesteuert werden, so daß jetzt erstmals die Synthes e einer Breitspektrum-Resistenz möglich ist.

Andere Biosynthesewege müssen weiter erforscht und können dann möglicherweise analog genutzt werden. Auch hier ist ein Zusammenspiel zwischen Forschung und Anwendung angezeigt. Möglicherweise sind für die Nutzung der Erkenntnisse und für die Anpassung der Ergebnisse an die Praxis zwei separate Institutionen notwendig.

Im letzten Beispiel geht es um die Etablierung eines bakteriellen Biosyntheseweges in Pflanzen.

c) Stichwort Bioplastik Unter diesem Stichwort firmiert ein futuristisches Projekt.

Bakterien der Art produzieren Polyhydroxybuttersäure, ein thermisch verformbares Material, das den großen Vorteil hat biologisch abbaubar zu sein und daher kurz als Bioplastik bezeichnet wird. Bislang ist seine Produktion in Bakterien zu teuer, um mit che misch produzierten Kunststoffmaterialien konkurrieren zu können. Gelänge eine Produktion dieses Materials in einer Kulturpflanze, dann könnte der große Vorteil der biologischen Abbaubarkeit voll genutzt werden und somit eines unserer dringlichsten Umweltp robleme (Müll) lösen helfen. Für die Biosynthese von Polyhydroxybuttersäure sind drei Enzyme notwendig, deren Gene von der Gruppe Somerville aus Bakterien isoliert und nach entsprechender Veränderung in Arabidopsis thaliana(?) eingebracht wurden. Die Keim linge akkumulieren das Bioplastikmaterial in kleinen Kügelchen, leider allerdings im Zellkern, so daß der Keimling eingeht. Dieses Problem gilt es zu lösen bevor Aussicht auf eine Anwendung besteht. Dennoch zeigen diese Versuche, welche Potenz in dieser n euen Technologie liegt und welche Hilfe sie bei der Lösung vieler Probleme bieten könnte.


6) Zusammenfassung.
Gegenwärtig erscheint es relativ leicht auf dem Reißbrett Projekte zu entwerfen, die bei der Lösung vielfältiger Probleme hilfreich sein können. Sei es bei Umweltproblemen in den industrialisierten Ländern, bei der Sicherstellung genügender Nahrungsmittel in den Entwicklungsländern oder aber beim Design nachwachsender Rohstoffe. Trotz diesen interessanten Anwendungs-möglichkeiten bleibt das Potential der Gentechnologie in unserem Land weitgehend ungenutzt. Die Gründe hierfür sind eine mangelnde öffentlich e Akzeptanz, die aber offenbar teilweise auf Unkenntnissen der komplexen Zusammenhänge beruhen. Verstärkte Bemühungen, sowohl der Wissenschaft als auch der potentiellen Anwender zur besseren Information der Öffentlichkeit, scheinen angezeigt. Da Genetik u nd somit auch Gentechnik relativ abstrakt sind, bedarf es eines edukativen Prozesses, die Bürger unseres Landes ausreichend zu informieren, damit sie vernünftige und sachorientierte Entscheidungen treffen können.

Langfristig gilt es, der deutschen Landwirtschaft eine Chance im Weltgefüge zu erarbeiten, die eine intensive, aber ökologisch wenig belastende Pflanzenproduktion ermöglicht.

Hierzu ist verstärkte Forschung und Öffentlichkeitsarbeit notwendig.


Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung - Köln


Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de