Klassiker der Biologie im Internet


 

Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas

Herausgegeben von

Dr. Carl R. Hennicke in Gera

Neu bearbeitet von

Dr. G. Berg in Berlin, Prof. Dr. R. Blasius in Braunschweig, Geh. Hofrat Prof. Dr. W. Blasius in Braunschweig, Dr. R. Buri in Bern Stephan Chernelvon Chernelháza in Köszeg (Ungarn), Dr. Chr. Deichler in Berlin, Bruno Geisler in Dresden, Dr. A. Girtanner in St. Gallen, Prof. A. Goering in Leipzig, F. Grabowsky in Breslau, Dr. E. Hartert in Tring (England), Dr. F. Helm in Chemnitz, Dr. Carl R. Hennicke in Gera, Pastor O. Kleinschmidt in Volkmaritz, J. G. Keulemans in Southend on Sea (England), Dr. O. Koepert in Dresden-Striesen, Hofrat Dr. P. Leverkühn in Sofia, Oskar von Löwis of Menar in Wenden (Livland), E. de Maes in Bonn, P. Müller-Kaempff in Ahrenshoop i. M., Stephan von Nécsey in Budapest, Jos von Pleyel in Wien, Othmar Reiser in Sarajevo (Bosnien). Dr. E. Rey in Leipzig, Alex. Reichert in Leipzig, J. Rhamm in Braunschweig, J. Rohwedder in Husum, Dr. Walter von Rothschild in London, Oberförster O. von Riesenthal in Charlottenburg, J. Alb. Sandman in Helsingfors, Prof. Dr. O. Taschenberg in Halle a. S., J. Thienemann in Rositten, Victor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen in Villa Tännenhof bei Hallein, Reg.- und Forstrat Jacobi von Wangelin in Merseburg, Dr. D. F. Weinland in Hohen-Wittlingen, Hofrat Dr. Wurm in Bad Teinach.



Gera-Untermhaus

Lithographie, Druck und Verlag

von

Fr. Eugen Köhler

1905


 
 

NAUMANN's Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas erschien in "zweiter" Auflage in den Jahren 1896-1905 in 12 Bänden (Großformat). Die "erste" Auflage - herausgegeben von Johann Friedrich NAUMANN - erschien 1820 - 1844, doch hatte auch sie eine lange Vorgeschichte.

Die Autoren sind über mehrere Generationen hinweg Mitglieder der Familie NAUMANN gewesen. Ausführliche Beiträge zu ihrer Lebensgeschichte und ihr Familienstammbaum finden sich auf den ersten Seiten des ersten Bandes der "zweiten" Auflage. Sie sind interessant zu lesen, da sie viele Details über die Lebensumstände aus der Zeit seit dem Ende des dreißigjährigen Krieges bis zum Beginn des 19 Jahrhunderts enthalten und auch verdeutlichen, mit welchen Schwierigkeiten Vogelbeobachtung, Vogelfang und Jagd vor sich gingen, die schließlich neben den Pflichten, ein landwirtschaftliches Anwesen (Ziebigk bei Köthen in Anhalt) zu bewirtschaften, betrieben wurden. Auch mit 75 Jahren ging Johann Andreas NAUMANN nur selten ohne Flinte aus, und der Vogelfang war selbst dann noch seine liebste Beschäftigung. Sicherlich entspricht dieses Verhalten nicht dem modernen Naturschutzgedanken. Vögel erst zu erlegen, um sie dann zeichnen und beschreiben zu können, gilt als antiquiert. Nur, in den vergangenen Jahrhunderten waren Vögel und andere Organismen noch nicht durch Kultivierung der Landschaft in ihren Lebensräumen so bedroht, wie es heute nach der Zerstörung ursprünglicher Lebensräume in den letzten 100 Jahren massiv zum Ausdruck kommt. Auch die berühmten Darwin-Finken mit ihren spezielen Anpassungen sind erst nach DARWINs Rückkehr als Bälge im British Museum of Natural History identifiziert, beschrieben und klassifiziert worden.

Den Anfang des "NAUMANN" bildete die vierbändige "Beschreibung aller Wald-, Feld- und Wasservögel, welche sich in den Anhaltischen Fürstenthümern und einigen umliegenden Gegenden aufhalten und durchziehen" (1. Band: 1797, 4. Band: 1803) von Johann Andreas NAUMANN. Zu den Leistungen gehört auch die Tatsache, daß sein Sohn Johann Friedrich NAUMANN alle Vogelabbildungen selbst "nach der Natur" (d.h. aber nach geschossenen Exemplaren und Bälgen) gezeichnet hat.

Johann Friedrich NAUMANN erlangte europäischen Ruf durch sein umfassendes Werk über die Vögel Deutschlands, das er aus Pietät gegen seinen Vater "Johann Andreas Naumanns Naturgeschichte der Vögel Deutschlands" betitelte. 1820 erschien der 1. Band, 1844 schloß er das Werk ab. Es umfaßte 13 Bände Text und 337 Tafeln (in Kupfer und koloriert). Nachträge, die zur Vollendung des Werks erforderlich wurden, erschienen erst 1860 nach seinem Tode "J. A. Naumanns Naturgeschichte der Vögel Deutschlands - Fortsetzung der Nachträge, Zusätze und Verbesserungen" von Dr. H. J. BLASIUS, Dr. Ed. BALDAMUS und Dr. Fr. STURM - Dreizehnter Teil - Schluß - Stuttgart: Hoffmannsche Verlagsbuchhandlung 1860, 316 S. Tafeln 338-391). Durch eine Reihe von Reisen - vor allem an die Nordseeküste, ins Gebirge und nach Ungarn - gewann Johann Friedrich NAUMANN einen Eindruck von Vogelarten, die in Anhalt nicht zu beobachten waren. Bei der Abfassung seines Werks wurde er maßgeblich durch seinen Bruder Carl Andreas NAUMANN unterstützt, der zahlreiche Beobachtungen in den Text einfließen ließ; er war ein eifriger Jäger, vermehrte damit die Sammlungen der NAUMANNs und auch bei der jeweils letzten Korrektur hatte er ein Wort mitzureden.

Das Britishe Museum verfügt über folgende Ausgaben (zusammengestellt und freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Rémy Bruckert (collaborating with Eric Pasquet, curator of Birds in the Museum National d’Histoire Naturelle de Paris)

1) Main author: Naumann, Johann Andreas, 1744-1826. Title: J. A. Naumann's ... Naturgeschichte der Vögel Deutschlands, nach eigenen Erfahrungen entworfen / Auf's Neue herausgegeben von ... J. F. Naumann. Publisher info: Leipzig, 1820-44. Physical descrip: 12 thl + atlas (2 thl 8) General Note: The plates, by J. F. Naumann, differ entirely from those of the preceding editions. Editor/added author: Naumann, Johann Friedrich, 1780-1857.

2) Main author: Naumann, Johann Friedrich, 1780-1857. Title: Naturgeschichte der Land- und Wasser- Vögel des nördlichen Deutschlands. Title of part: Dreizehnter Theil Nachliage, &c Publisher info: [1846] 1853 60. Physical descrip: 2 v : ill. col ; 8*.

3) Main author: Naumann, Johann Andreas, 1744-1826. Title: Naturgeschichte der Land- und Wasser-Vögel des nördlichen Deutschlands und angränzender Länder, nach eignen Erfahrungen entworfen und nach dem Leben gezeichnet / [by J. F. Naumann]. Variant title: Ausfurliche Beschreibung aller Wald-, Feld- und Wasservögel, welche sich in den Anhaltischen Fürstenthümern und einigen umliegenden Gegenden aufhalten und durchziehen. Publisher info: Köthen, [1795]-1797-1803. Physical descrip: ill. col ; 8* 4 Bd. [in 2]. General Note: This work appears to have been also issued under the title: "Ausf*urliche Beschreibung aller Wald-, Feld- und Wasserv*ogel, welche sich in den Anhaltischen F*urstenth*umern und einigen umliegenden Gegenden aufhalten und durchziehen". Editor/added author: Naumann, Johann Friedrich, 1780-1857.

4) Main author: Naumann, Johann Andreas, 1744-1826. Title: Naturgeschichte der Land- und Wasser-Vögel des nördlichen Deutschlands und angränzender Länder, nach eignen Erfahrungen entworfen und nach dem Leben gezeichnet / von J. A. Naumann und [J.] F. Naumann. Title of part: Nachtrag, &c Publisher info: Köthen, 1804-17. Physical descrip: 8 Hft. [in 1 Vol.] : ill. col ; 8*. Editor/added author: Naumann, Johann Friedrich, 1780-1857.

5) Main author: Naumann, Johann Andreas, 1744-1826. Title: Naturgeschichte der Land- und Wasser-Vögel des nördlichen Deutschlands und angränzender Länder, nach eignen Erfahrungen entworfen und nach dem Leben gezeichnet. Publisher info: Köthen, 1795-1808.]. Physical descrip: 192 pls : col ; fol. General Note: These plates, which were also drawn by J. F. Naumann, differ in many reports from these in the 8* edition. The 8* text served for both editions of the plates. Editor/added author: Naumann, Johann Friedrich, 1780-1857.

6) Main author: Naumann, Johann Andreas, 1744-1826. Title: Naturgeschichte der Land- und Wasser-Vögel des nördlichen Deutschlands und angränzender Länder, nach eignen Erfahrungen entworfen und nach dem Leben gezeichnet / Dreizehnter Theil, Nachtrage, Zusatze und Verbesserungen (Fortsetzung der Nachtrage, Zusatze und Verbesserungen von J. H. Blasius, ... E. Baldamus und... F. Sturm) Publisher info: Leipzig ; Stuttgart, [1846] 1853-60. Physical descrip: 2 v : ill. col ; 8*.

Die 1896-1905 von Carl R. HENNICKE herausgegebene "2. Auflage", müßte - worauf der Herausgeber deutlich hinwies - eigentlich als dritte Auflage gekennzeichnet werden. Bibliographische Probleme ergaben sich vor allem jedoch aus der Tatsache, daß das von Johann Andreas NAUMANN herausgegebene Werk im Verlauf seiner Erscheinungsphase in Form von Heften in unterschiedlichen Formaten (Folio, Oktav) - Trennung von Text und Abbildungen - geliefert wurde. Die geringe Auflage - auf Kosten des Verfassers und in Kommission erschienen - war zudem ein weiterer Grund dafür, daß kaum vollständige Exemplare zustandekamen und erhalten geblieben sind.

Über die Zielsetzung der "zweiten" Auflage (1896-1905) scheibt der Herausgeber Carl R. HENNICKE im Vorwort:

Als Ende 1895 der Herr Verleger mich fragte, ob ich bereit sei, eine Neubearbeitung von NAUMANNs Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas zu übernehmen, sagte ich zunächst nur bedingt zu. Ich wußte, daß die Bearbeitung des alten NAUMANNschen Werkes und die Fortführung seiner mustergültigen Ausgaben bis zur Gegenwart eine Aufgabe sei, die meine Kräfte weit übersteigen würde. Infolgedessen wandte ich mich zunächst an eine größere Anzahl bekannter Ornithologen mit der Anfrage, ob sie mich bei der Aufgabe unterstützen wollten, und bekam zu meiner Freude von den meisten eine zusagende Antwort. Am 31. Mai 1896 fand in Leipzig eine gemeinsame Sitzung einer größeren Anzahl der Herren, welche sich zur Mitarbeit bereit erklärt hatten, und des Herrn Dr. phil. W: KÖHLER jr. als Vertreter des zu jener Zeit schwer erkrankten Herrn Verlegers statt, um sich unter dem Vorsitz des Herrn Professor Dr. Rudolf BLASIUS (Braunschweig) über die Arbeitseinteilung und die sonstigen Grundsätze der Bearbeitung ins Einverständnis zu setzen. Von verschiedenen am Erscheinen behinderten Mitarbeitern waren Schriftstücke eingegangen, die Vorschläge zur Sache enthielten.

Der Herr Verleger wünschte das alte NAUMANNsche Werk möglichst intakt erhalten, was den Text anlangt, sodaß jeder Besitzer des neuen Werkes auch die frühere Auflage gleichsam mit besitzen sollte. Diesem Wunsche entsprechend, der von sämtlichen Mitarbeitern gutgeheißen wurde, wurde schließlich beschlossen, daß der alte NAUMANNsche Text unverändert bleiben sollte, Irrtümer als Fußnoten berücksichtigt und Zusätze, die sich durch neue Forschungen notwendig machten in (- -) eingeschlossen, im Text angebracht werden sollten. Ferner sollten seit NAUMANNs Zeiten in Deutschland und Mitteleuropa neu beobachtete Arten in die Beschreibung aufgenommen, bei den einzelnen Arten die europäischen Trivialnamen hinzugefügt und die Literaturangaben ergänzt werden. Der Gleichmäßigkeit halber wurden eine Anzahl Werke angenommen, die von jedem der Bearbeiter als Quellen angegeben werden müßten. Die Nomenklatur sollte auf Grundlage der von den internationalen Kongressen zu Paris 1889 und zu Moskau 1892 angenommenen Regel nach dem Prioritätsprinzip durchgeführt, die Systematik im allgemeinen nach dem von REICHENOW in den "Vögeln der zoologischen Gärten" angewandten System behandelt werden; die Maßangaben sollten nach dem Metersystem umgerechnet werden.

Bezüglich der Arbeitsteilung einigte man sich dahin, daß nicht, wie von einzelnen vorgeschlagen wurde, einer die Beschreibung, der andere den biologischen Teil usw übernehmen sollte, sondern daß die einzelnen Familien und Arten an die einzelnen Bearbeiter verteilt werden sollten und daß jeder Bearbeiter für die von ihm bearbeitete Art die Verantwortung übernehmen solle. Zu diesem Zwecke sollte bei einer jeden Art der Bearbeiter durch Angabe seiner Anfangsbuchstaben kenntlich gemacht werden.

.........

Für die Klassifikation und Nomenklatur ist der Herausgeber verantwortlich. Er hat sich aber überall in zweifelhaften Fällen bei den kompetentesten Persönlichkeiten Rat geholt und oft über einen Namen wochenlang in Briefwechsel gestanden.

Was die Abbildungen anlangt, so schloß man sich der Ansicht des Verlegers an, daß sämtliche Bilder neu gezeichnet werden sollten, da ja doch die alten NAUMANNschen Kupfertafeln nicht mehr vorhanden waren, das Format ein bedeutend größeres sein sollte und Änderungen verschiedenster Art, sowohl an der Zusammenstellung der Tafeln, wie auch an der Stellung der einzelnen Vögel, sich notwendig machten. Dadurch, daß der Herr Verleger wünschte, daß die Vögel auf den Tafeln in einer charakteristischen Landschaft dargestellt würden, wurde eine Zerlegung der alten NAUMANNschen Tafeln insofern nötig, als nicht mehr die sämtlichen Kleider einer Art auf einer Tafel abgebildet werden konnten, vielmehr die Kleider nach den verschiedenen Jahreszeiten getrennt werden mußten. So kam es, daß die Sommerkleider und Winterkleider verschiedener Arten auf einer Tafel abgebildet wurden, ein Umstand, der sicher nicht zur geringeren Brauchbarkeit des Werkes beigetragen hat; namentlich dürfte es auf diese Weise leichter sein, die gleichen Kleider ähnlicher Arten ohne große Mühe zu vergleichen und zu unterscheiden.


Zur Demonstration der Unterschiede zwischen den Abbildungen beider Auflagen sei an dieser Stelle am Beispiel der Großtrappe gezeigt. Ich verdanke das Bild Frau K. SPRINGER (Universität Rostock). Die Vorlage für das Photo (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel) stammt aus dem Werk (1796 - 1803) von Johann Andreas Naumann. Der Künstler der die Bilder anfertigte war sein Sohn Johann Friedrich.
 




Um das Werk noch brauchbarer zu gestalten, entschloß sich der Verleger, die Eier sämtlicher bunte Eier legender Arten auf besonderen Tafeln abbilden zu lassen. Er hat dabei keine Mittel gescheut, nur Abbildungen nach Originalen zu liefern; selbst von den Eiern von Alca impennis hat er an Ort und Stelle Abbildungen anfertigen lassen. Die Konturen der Eier sind sämtlich nach photographischen Aufnahmen hergestellt, die Herr Professor Dr. R. BLASIUS selbst angefertigt und in liebenswürdigster Weise zur Verfügung gestellt hat.

Jetzt nach acht Jahren liegt das vollendete Werk vor. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es, wie alles Menschenwerk, nicht vollkommen ist. Auszusetzen wird der oder jener etwas daran haben, und die Aussetzungen mögen zum Teil auch begründet sein. So ist z. B. von verschiedenen Seiten gerügt worden, daß der Passus über die Verwendung des Fleisches der einzelnen kleinen Vögel nicht weggelassen worden ist. Selbstverständlich passen solche Sätze nicht mehr für unsere Zeit, aber das Programm, wonach der alte Text unverändert bleiben sollte, häufig auch der Zusammenhang, erforderten, daß sie nicht wegblieben.

........(es folgen Danksagungen an die einzelnen Mitarbeiter des Projekts und die persönliche Würdigung ihrer Beiträge).

Und so möge denn das Buch hinausgehen und sich einer günstigen Aufnahme in Fachkreisen und in den Kreisen der Liebhaber erfreuen: mag es auch, wie ich schon zugegeben habe, manche Mängel zeigen, so möge sich doch der Kritiker freundlichst erinnern, daß es leichter ist zu tadeln, als besser zu machen.

Gera-Reuß im Dezember 1904
Der Herausgeber

Am Ende des zuletzt erschienenen Bands I ist eine Namensliste der Abonnenten des "Neuen Naumann" abgedruckt. Sie enthält 858 Namen von Personen und Institutionen. Viel höher dürfte die Gesamtauflage auch nicht gewesen sein. Ernst HAECKEL aus Jena ist wohl er bekannteste Abonnent, viele Lehrer aber nur wenige Universitäts- oder Institutsbibliotheken gehören dazu. Berücksichtigt man man die Verluste im Verlauf der letzten Weltkriege, so kann man wohl davon ausgehen, daß heute nur einige Hundert vollständige Exemplare erhalten geblieben sind. Von einem hohen Bekanntheitsgrad des Werks und seines Inhalts läßt sich da wohl kaum noch sprechen.

Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas im Internet.

Was lohnt sich und was lohnt sich nicht: Es lohnt sich m. E. nicht, den Text zu übernehmen. Abgesehen von der bereits genannten Kritik kommt die Weitschweifigkeit der Beschreibungen hinzu. Es werden zu viele Details und Einzelbeobachtungen aufgeführt. Die Literaturzitate sind kaum nachvollziehbar, viele Formulierungen entsprechen nicht unseren heutigen Vorstellungen: "... so erschallen die fröhlichen Stimmen.." (Rotkehlchen). Der Einfluß der Romantik bleibt unverkennbar. Sicher kann der Text auch heute noch erfahrenen Spezialisten als wertvolle Quelle dienen, doch stehen ihnen für solche Sonderwünsche in den Universitäts- und Institutsbibliotheken Exemplare zur Verfügung (auch wenn ggf. die Fernleihe in Anspruch genommen werden muß). Für Unterrichtszwecke ist der Text m. E. nicht einsetzbar, weil er jeden Schüler oder Studierenden langweilen würde.

Ganz anders sieht es mit den Abbildungen aus. Wo sonst steht heutzutage eine vollständige Sammlung von Abbildungen aller mitteleuropäischen (und etlichen anderen) Vögel zur Verfügung, die nach entsprechender Bearbeitung in die PUBLIC DOMAIN des Internets eingegeben werden, und somit frei für jedermann zugänglich gemacht werden kann. Die Abbildungen, hingegen, können für Unterrichtszwecke sehr wohl genutzt, mit neuen Texten, zusätzlichen Abbildungen, Filmabschnitten und Tonsequenzen kombiniert werden, um dadurch unter Einbeziehung neuer Multimedia - Techniken Interesse an der heimischen Vogelwelt zu wecken.

Nach bibliographischen Gesichtspunkten ist die hier vorgestellte elektronische Version des "NAUMANN" in jeder Hinsicht irreführend. Die "zweite Auflage" bezieht sich nur bezüglich des Texts auf das NAUMANNsche Original. Die Abbildungen sind in den Jahren 1896-1905 neu erstellt worden, sie entsprechen damit nicht denen im Originalwerk. Doch wie schon vom Herausgeber klargestellt, sollen sie die Brauchbarkeit de Werks erhöhen. Genau die sind es, die heute als Grundlage der elektronischen Version dienen. Vom "Original-NAUMANN" ist damit eigentlich nichts mehr übrig geblieben. Das mag zwar Archivare irritieren, doch spielen für Unterrichtszwecke andere Kriterien eine Rolle als für die Wahrung und Tradierung von Informationseinheiten, die unter dem Prioritätsgesichtspunkt geschaffen wurden. Tradierung von Wissen bedarf der Integration von alten und neuen Informationseinheiten unter Nutzung aller zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbaren Techniken. Lernen bedeutet Einstieg in ein Wissensgebiet, Lehren ist die Aufgabe, den Einstieg zu erleichtern und diejenigen Informationseinheiten in den Vordergrund zu stellen, die diesen Zweck am effizientesten erfüllen. Erst in einer fortgeschrittenen Lernphase wird es wichtig, zu erkennen, wie das Wissen im Verlauf der Kulturgeschichte erworben wurde und welche Leistungen bestimmter Persönlichkeiten erforderlich waren, um das Wissen zu etablieren und die Erkenntnisse zu veröffentlichen. Mit anderen Worten, jeder Wissenserwerb ist an die Namen von Personen gebunden, deren Leistungen zu würdigen sind. Ohne das Nachvollziehen des Erkenntnisprozesses wird sich niemand mit einem Wissensgebiet identifizieren können.

Es wird zwar immer wieder gesagt, Vogelabbildungen ließen sich heute durch geeignete Photographien ersetzen. Doch wo gibt es auch nur einigermaßen vollständige, frei zugängliche Archive von Vogelbildern. Es gibt natürlich begeisterte Vogelphotographen, die sich über ihre Glanzstücke freuen und sie auch veröffentlichen, doch stehen solche Veröffentlichungen im Buchhandel nur für enige Jahre zur Verfügung, zuletzt zu Discountpreisen in den modernen Antiquariaten. Anschließend sind sie vergriffen, einen Ersatz gibt es nicht. Die dann erscheinenden neueren Bücher behandeln andere Themen (oder andere Arten) und auch ihr Schicksal liegt darin, über kurz oder lang in Vergessenheit zu geraten. Vogelphotographen sind an ausdrucksvollen Bildern interessiert, nicht so sehr an der Abbildung markanter Bestimmungsmermale. Wer von ihnen ist schon daran interessiert, einen abfliegenden Steinschmätzer oder Rauhfußbussard von hinten zu photographieren, um den weißen Bürzel (entscheidendes Bestimmungsmerkmal!) abzubilden?

Auch die modernen Bestimmungsbücher greifen auf Aquarelle zurück, um die Bedeutung von Bestimmungsmerkmalen hervorzuheben. Das seit den fünfziger Jahren führende, und über Kritik weitgehend erhabene Vogelbestimmungsbuch für Europa ist

R. PETERSON, G. MOUNTFORT, P.D.A. HOLLOM: Die Vögel Mitteleuropas
(dt. Ausgabe: Verlag P. Parey, 14. Aufl. 1985)

Es wird wohl so schnell keine Internetausgabe eines Bestimmungsbuches geben, denn es hat sich bewährt, Bücher mit ins Gelände zu nehmen, Computer, bzw. Laptops sind wenig hilfreich, um einen Vogel im Freiland schnell zu identifizieren. Der ist bereits weggeflogen, bevor man sein modernes Hilfswerkzeug aktiviert hat. Für das Arbeiten am Arbeitsplatz, im Klassenzimmer oder im Praktikumsraum sind Internetangebote - wie die Aquarelle aus dem "NAUMANN" - ideale Informationsquellen. Man braucht nicht mit Platz zu sparen, die Bilder können mit Höchstauflösung im Großformat präsentiert werden, man sieht die Vögel in ihrer "natürlichen Umgebung", sofern die Phantasie der Zeichner sie nicht zur Darstellung abenteuerlicher Landschaftsformationen angeregt hat. Natürlich kommt es mir merkwürdig vor, Strandläufer, Möven und andere Wasservögel, die ich an der flachen deutschen Nordseeküste kennengelernt habe, vor spitzbergoider Kulisse wiederzusehen.

Zur Wiedergabetechnik: Die Abbildungen wurden abphotographiert (auf Diafilm: Fujichrome Sensia II, 100 ASA). Anschließend wurden die Aufnahmen auf Kodak-Photo-CD übertragen (Anfertigung über den Photohandel). Die digitalisierten Bilder (die Eiertafeln wurden zum derzeitigen Zeitpunkt nicht ins Projekt aufgenommen) wurden dann mit einem Bildbearbeitungsprogramm (Picture Publisher) bearbeitet (Kontrast, Helligkeit, Vierteltöne, Farbtonveränderung), in ein einheitliches Format gebracht und als jpg abgespeichert. Die Farben entsprechen nicht exakt denen der Originalbvorlage. Insgesamt sind die digitalisierten Bilder im Vergleich zum Original eher gelbstichig. Über die Wahl der Farben für die Landschaftshintergründe im Original ließe sich streiten. Auch die sind nicht immer jedermanns Geschmack. Wichtig war bei der Bearbeitung, die Farben der Vögel so exakt wie möglich zu reproduzieren. Der Bildkontrast bleibt von der Bildschirmeinstellung abhängig, so daß auch hier keine absolute Norm vorgegeben werden konnte.

Die im "NAUMANN" verwendeten Namen (deutsch und lateinisch) entsprechen nicht den heutigen Vorstellungen. Es wurden daher durchweg die Artnamen (deutsch, lateinisch und englisch) aus dem PETERSON.... übernommen. Arten, die dort nicht enthalten sind, sind mit einem * versehen worden.

Nachdem die Liste der Tafeln und der darauf enthaltenen Arten erstellt worden war, ließen sich Register unterschiedlicher Art generieren (in Excel erstellt und dann nach htm übernommen). Die Abbildungen sind daher nach folgenden Kriterien aufrufbar:

Register: deutsche Namen I lateinische Namen I englische Namen

Arten, deren englische Bezeichnungen im PETERSON... nicht enthalten sind, fehlen im Register der englischen Namen.

Aufschlüsselung nach systematischen Gruppen: Die einzelnen Bände des NAUMANN enthalten Vögel bestimmter systematischer Gruppen. Siehe nachfolgende Tabelle. Die dort markierten Links führen zu den Listen der Tafeln in der Reihenfolge, in der sie im Text erscheinen. Diese Listen sind einmal nach der Nomenklatur des PETERSON... zusammengestellt, parallel dazu existieren jedoch auch Listen in der Originalschreibweise aus dem "NAUMANN".

 
BAND
SYSTEMATISCHE GRUPPE
Nomenklatur nach
PETERSON...
Nomenklatur nach
NAUMANN (1905) 
Drosseln 
X
X
II
Grasmücken, Timalien, Meisen, Baumläufer 
X
X
III
Lerchen, Stelzen, Waldsänger, Finkenvögel 
X
X
IV
Stärlinge, Stare, Pirole, Rabenvögel, Würger
Fliegenfänger, Schwalben, Segler, Tagschläfer, 
Spechte, Bienenfresser, Eisvögel, Raken, Hopfe, 
Kuckucke 
X
X
V
Raubvögel
X
X
VI
Tauben, Hühner, Reiher, Flamingos, Störche
X
X
VII
Ibisse, Flughühner, Trappen, Kraniche,
Rallen
X
X
VIII
Regenpfeifer, Stelzenläufer, Wassertreter,
Strandläufer
X
X
IX
Wasserläufer, Schnepfen, Schwäne, Gänse
X
X
X
Enten
X
X
XI
Pelikane, Fregattvögel, Tölpel, Fluß-Scharben,
Tropikvögel, Möven
X
X
XII
Sturmvögel, Steißfüße, Seetaucher, 
Flügeltaucher
X
X

 


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